Wirtschaft
Allgemeine Wirtschaftspolitik
Trotz des wirtschaftlichen Wiederaufschwungs blieb die Arbeitslosenzahl hoch. - Der Ständerat legte sein Veto gegen die von der SP verlangte Verlängerung der Massnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur ein. - Die Finanzierungsbeihilfen für wirtschaftlich bedrohte Regionen sollen weitergeführt werden. - Der Bundesrat legte seine Botschaft für eine Totalrevision des Kartellgesetzes vor. - Der neue GATT-Vertrag führte zu einer Liberalisierung der Bestimmungen über das öffentliche Beschaffungswesen. - Der Bundesrat beantragte ein neues Binnenmarktgesetz, mit welchem kantonale Wettbewerbsschranken aufgehoben werden sollen.
Der Bundesrat veröffentlichte im Juni einen Bericht über weitere in Angriff zu nehmende Reformen zur
marktwirtschaftlichen Erneuerung der Schweiz. Er legte darin Rechenschaft ab über die im Rahmen von Swisslex bereits im Vorjahr beschlossenen wirtschaftspolitischen Reformen und stellte ergänzende Neuerungen namentlich in den Bereichen Infrastruktur, Sozialpolitik, Landwirtschaft und Finanzen in Aussicht
[1]. Der Ständerat überwies die letztes Jahr vom Nationalrat verabschiedeten Teile der Motion der CVP-Fraktion für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ebenfalls
[2].
Konjunkturlage
Die konjunkturelle Lage verbesserte sich in den meisten OECD-Ländern. In den USA und in Grossbritannien wuchs das reale Bruttoinlandprodukt noch stärker als vor Jahresfrist; in den übrigen Staaten der EU verzeichnete es - nach dem leichten Rückgang im Vorjahr - überall wieder positive Wachstumsraten. Im Mittel nahm es in den EU-Staaten um 2,5% zu. In Japan stagnierte hingegen die Wirtschaft weiterhin, wobei sich in der zweiten Jahreshälfte eine Besserung andeutete. In einigen ost- und mitteleuropäischen Ländern (Tschechien, Slowakei und Ungarn) konnte erstmals seit der politischen Wende wieder ein Wirtschaftswachstum verzeichnet werden; in Polen und Albanien stieg das Bruttosozialprodukt weiter an. In Bulgarien und Rumänien sowie in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion (mit Ausnahme des Baltikums) dauerte die Krise hingegen an. Die südostasiatischen Schwellen- und Entwicklungsländer standen nach wie vor im Zeichen eines Wirtschaftsbooms. Auch in den lateinamerikanischen Staaten hielt der Aufschwung - allerdings auf bescheidenerem Niveau - an, und sogar in Afrika verbesserte sich die wirtschaftliche Situation.
Trotz der Belebung der Wirtschaftstätigkeit reduzierte sich die
Inflationsrate in den meisten OECD-Staaten; im Mittel betrug sie 2,4% gegenüber 2,8% im Vorjahr. Auf dem
Arbeitsmarkt war von der anziehenden Konjunktur noch wenig zu spüren. Dabei bestanden allerdings grosse regionale Unterschiede: In den USA, Kanada und Grossbritannien bildete sich die Arbeitslosenquote weiter zurück, während sie auf dem europäischen Festland in den meisten Staaten weiter zunahm (in der EU von 11,2% auf 11,8%)
[3].
Der Konjunkturaufschwung, der sich ab Mitte des Vorjahres abgezeichnet hatte, verstärkte sich im Berichtsjahr. Das reale
Bruttoinlandprodukt stieg erstmals seit 1990 wieder an (+2,1%); damit ging die längste - allerdings nicht die markanteste - Rezessionsphase der Nachkriegszeit zu Ende. Wie in anderen europäischen Staaten kamen die wichtigsten Wachstumsimpulse von den Exporten und den Investitionen; der private und auch der öffentliche Konsum nahmen nur schwach zu (+1,3% resp. +1,2%). Die Anlageinvestitionen wuchsen im Vergleich zum Vorjahr real um 6,5%. Die verbesserte Konjunkturlage in Europa und den USA, vor allem aber die grosse Nachfrage aus den sich dynamisch entwickelnden Staaten Südostasiens und Lateinamerikas liessen die Güterausfuhren real um 4,8% anwachsen. Das Ende der Rezession wirkte sich auch auf die Einfuhren aus (real +9,4%, nominal +4,2%). Dank der verbesserten Terms of trade resultierte ein Handelsbilanzüberschuss von 3,2 Mia Fr. Trotzdem konnte der Saldo aus der Ertragsbilanz den Rekordbetrag aus dem Vorjahr nicht mehr ganz erreichen. Der leicht rückgängige Überschuss aus den Kapital- und Arbeitseinkommen liessen ihn auf 24,8 Mia Fr. schrumpfen
[4].
Der wirtschaftliche Aufschwung wirkte sich noch nicht voll auf den
Arbeitsmarkt aus. Die Zahl der Beschäftigten sank um weitere 1,7%, wobei der Abbau im 2. Sektor weiterhin markanter ausfiel als im Dienstleistungssektor (-2,4% resp. -1,4%); in der Baubranche nahm die Beschäftigtenzahl nur noch um 0,4% ab. Die Zahl der Erwerbstätigen stieg erst in den Kantonen Aargau, Basel-Land, Nidwalden und Appenzell-Innerrhoden wieder an. Die Zahl der erwerbstätigen Frauen ging etwas stärker zurück als diejenige der Männer (-2,0% resp. -1,6%). Im Gegensatz zum Vorjahr waren die Ausländer vom Beschäftigungsabbau weniger betroffen als die Schweizer (-0,8% resp. -2,1%). Die Zahl der beim BIGA gemeldeten
Arbeitslosen hatte im November des Vorjahres mit 181 400 ihren Höchststand erreicht. Sie sank im Verlaufe des Berichtsjahres stetig bis auf 161 000 im Dezember. Die Arbeitslosenquote reduzierte sich damit von 5,0% im Januar auf 4,4% zu Jahresende; im Jahresmittel lag sie bei 4,7%. Wie bei der Beschäftigungsentwicklung waren auch bei den Arbeitslosenzahlen grosse regionale Unterschiede auszumachen. Überdurchschnittlich hoch blieb die Quote weiterhin in der französischen Schweiz und im Tessin. Gemäss der von der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) verwendeten Definition lag die Erwerbslosenquote um einiges tiefer, nämlich bei 3,8% im 2. Quartal 1994
[5].
Die
industrielle Produktion nahm im Berichtsjahr um 8% zu. Am grössten war der Zuwachs in der Chemie (+11%), aber auch im Maschinen- und Apparatebau lag der Ausstoss um 6% höher als im Vorjahr. Die Uhrenindustrie, welche die allgemeine Rezession unbeschadet überstanden hatte, erlitt jetzt mit -11% einen kräftigen Einbruch. Bei den
Investitionen, welche real insgesamt um 6,2% zunahmen, war die Steigerungsrate bei den Ausrüstungsinvestitionen mit +10,1% besonders ausgeprägt. Die Bauinvestitionen entwickelten sich schwächer (+4,6%), wobei sich hier das Wachstum auf den Wohnungsbau konzentrierte
[6].
Die
Teuerung bildete sich weiter zurück. Bis im Mai fiel sie auf 0,4%; dann bewegte sie sich bis in den Dezember ungefähr auf diesem Niveau (Stand Ende 1994: 0,4%); im Jahresmittel betrug sie 0,9%. Die Preise für inländische Waren und Dienstleistungen stiegen um 1,3%, jene für Importgüter sanken - begünstigt durch den besseren Frankenkurs und tiefere Energiepreise - um 0,5%. Der Index der Produzenten- und Importpreise reduzierte sich um 0,3%
[7].
Konjunkturpolitik
Die SP hatte bereits im Herbst des Vorjahres - unter anderem mit einer parlamentarischen Initiative - eine Aufstockung des anfangs 1993 beschlossenen
Bonus für öffentliche Investitionen sowie eine Ausweitung seines Geltungsbereichs auf öffentliche Beschaffungen, namentlich für Verkehrs- und Kommunikationsmittel verlangt. Im Februar übernahm die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK) einen Teil dieser auch von der Bauwirtschaft mitgetragenen Forderungen, worauf die SP ihre Initiative zurückzog. Die WAK beantragte dem Plenum eine Aufstockung um 100 Mio Fr., die aber im Gegensatz zum letztjährigen Beschluss nur noch für An- und Umbauten, jedoch nicht mehr für Neubauprojekte auszurichten seien. Die Frist zur Realisierung der neu bewilligten Projekte sollte um ein halbes Jahr auf Ende 1995 verlängert werden. Wie bereits beim letztjährigen Beschluss machte die WAK ihren Antrag wieder von einem finanzpolitischen Gegengeschäft abhängig: Damals hatte sie von der SP die Unterstützung der Mehrwertsteuer zu einem Satz von bloss 6,5% gefordert, jetzt verlangte sie vom Bundesrat, in der MWSt-Verordnung den Vorsteuerabzug für Investitionen bereits auf den 1. Juli zuzulassen. Damit könnte ihrer Ansicht nach verhindert werden, dass geplante Vorhaben bis zur allgemeinen Einführung der Mehrwertsteuer anfangs 1995 zurückgestellt werden
[8].
Der
Bundesrat selbst sprach sich im Nationalrat aus formalen Gründen gegen eine Verknüpfung eines Parlamentsbeschlusses (Investitionsbonus) mit dem in seine eigene Kompetenz fallenden Entscheid über den Vorsteuerabzug aus. Er
lehnte aus materiellen Gründen aber auch die
Weiterführung des Investitionsbonus ab. Dieser habe sich zwar in seiner Erstauflage bewährt, angesichts der schlechten Finanzlage und den günstigeren Prognosen für die Konjunkturentwicklung sei eine Verlängerung aber nicht angebracht
[9]. Im
Nationalrat fand eine von Blocher (svp, ZH) angeführte Kommissionsminderheit, welche sich aus ordnungspolitischen Gründen gegen den Investitionsbonus aussprach, zwar bei der SVP, den Liberalen und der FP Unterstützung, unterlag aber mit 113 zu 50 Stimmen. Nachdem die von Baumberger (cvp, ZH) beantragte Entkoppelung der beiden Vorlagen auch keine Mehrheit fand, stimmte der Nationalrat dem Paket zu
[10]. Gleich anschliessend lehnte der Rat eine Motion des Zürcher Bauwirtschaftsvertreters Hegetschweiler (fdp) ab, welche verlangte, dass der Investitionsbonus auch dann verlängert werde, wenn der Bundesrat den Vorsteuerabzug nicht vorzieht
[11].
Der
Ständerat konnte sich mit der vom Nationalrat beschlossenen politischen Verknüpfung der beiden Geschäfte nicht anfreunden. Zudem
lehnte er eine Neuauflage des Investitionsbonus ohnehin
ab. Begründet wurde dieser mit 23:16 Stimmen gefällte Entscheid mit den Argumenten, dass die Finanzlage des Bundes keine zusätzlichen Subventionen zulasse und sich der Bonus jetzt bereits prozyklisch auswirken würde. Die nationalrätliche Kommission beantragte darauf, die Vorlage ebenfalls fallen zu lassen. Im Plenum konnte sich aber die vom gewerkschaftlichen Flügel der CVP unterstützte Linke, welche am ursprünglichen Beschluss festhalten wollte, mit knappem Mehr (66:63) durchsetzen. Als sich der Ständerat in der Sommersession wieder mit der Angelegenheit befassen musste, hatte der Bundesrat bereits entschieden, den Vorsteuerabzug nicht auf den 1. Juli vorzuziehen. Damit war die vom Nationalrat formulierte politische Voraussetzung für eine Weiterführung des Investitionsbonus nicht mehr gegeben. Der Ständerat hielt an seinem
Nichteintretensentscheid fest, womit das Geschäft begraben war
[12].
Die von der SP und den Gewerkschaften in mehreren Kantonen eingereichten
Volksinitiativen für staatliche Beschäftigungsprogramme (sog. Solidaritätsinitiativen), welche mit Steuerzuschlägen auf mittleren und hohen Einkommen und Vermögen finanziert werden sollten, fanden bei den Stimmbürgern keine Gnade. Sowohl in St. Gallen als auch in Schaffhausen wurden sie deutlich (je 81%) abgelehnt
[13].
Strukturpolitik
Im Zusammenhang mit der Ratifikation des neuen Welthandelsabkommens (
GATT-WTO) legte der Bundesrat auch eine Reihe von kleineren, vor allem die Verfahren betreffende Gesetzesanpassungen in den Bereichen geistiges Eigentum, Markenschutz, Muster und Modelle sowie Erfinderpatente vor. Die drei erstgenannten Vorlagen wurden von der Bundesversammlung in der Dezembersession diskussionslos verabschiedet; dagegen stimmten nur die beiden PdA-Vertreter, welche das WTO-Abkommen grundsätzlich ablehnten. Grösser war die Opposition gegen die Anpassung des Gesetzes über Erfinderpatente, wo im Nationalrat die SP und die Grünen vergeblich versuchten, ein Verbot für die Patentierung von genetisch veränderten Pflanzen und Tieren in die Bestimmungen aufzunehmen
[14].
Die kleine Kammer befasste sich als Erstrat mit der im Vorjahr von der Regierung vorgelegten
Teilrevision des Bundesgesetzes über Erfinderpatente. Da sich diese weitgehend auf technische Bestimmungen beschränkt und insbesondere die Regelung der Gentechnologie ausklammert, blieb sie unbestritten und wurde ohne Änderungen gutgeheissen
[15].
Als Zweitrat stimmte der Ständerat auch der Teilrevision des Gesetzes über die Kontrolle des Verkehrs mit
Edelmetallen und -metallwaren zu
[16].
Das EJPD führte im Herbst eine Vernehmlassung über eine Teilrevision des Markenschutzgesetzes durch. Diese soll - eventuell ergänzt durch Anpassungen beim Landwirtschaftsgesetz und beim Weinbeschluss - die
Herkunftsbezeichnungen typischer Produkte aus den Bergregionen aufwerten und besser schützen
[17].
In der 1993 durchgeführten Vernehmlassung war der Vorentwurf für eine Neufassung des Bundesbeschlusses über die
Finanzierungsbeihilfen für wirtschaftlich bedrohte Regionen (der nach dem damaligen Direktor des BIGA benannten Bonny-Beschluss) namentlich von Unternehmerseite (Vorort und SGV), aber auch von der FDP und der SVP mit ordnungspolitischen Argumenten arg zerzaust worden. Auf der anderen Seite protestierten insbesondere die welschen Kantone dagegen, die seit 1978 gültigen Bestimmungen Ende Februar ersatzlos auslaufen zu lassen. Nach Gesprächen mit den Kantonen und den Wirtschaftsverbänden beauftragte der Bundesrat das EVD, den Vorentwurf zu überarbeiten und ihn noch im Frühjahr vorzulegen
[18].
Die Wirtschafts- und Abgabenkommission des Nationalrats (WAK-NR) war inzwischen davon ausgegangen, dass der Bundesrat möglicherweise auf die Vorlage einer Botschaft verzichten würde und verabschiedete deshalb am 26. April eine
parlamentarische Initiative für eine Weiterführung des Bonny-Beschlusses um maximal drei Jahre
[19].
Einen Tag später legte der Bundesrat seine Botschaft über "Massnahmen zur Stärkung der regionalen Wirtschaftsstruktur und der Standortattraktivität der Schweiz" vor. Allgemein stellte er darin fest, dass im internationalen Vergleich das Ausmass der staatlichen Beihilfen an private Unternehmer in der Schweiz sehr niedrig ist. In den vergangenen 15 Jahren hatte der Bund insgesamt 54 Mio Fr. im Rahmen des Bonny-Beschlusses ausgegeben (25 Mio Fr. für Bürgschaftsverluste und 29 Mio Fr. für Zinskostenbeiträge). Damit hatte er mehr als 500 Vorhaben mit einer Investitionssumme von rund 2,5 Mia Fr. gefördert. Eine Evaluation der Auswirkungen dieser relativ bescheidenen Massnahmen habe günstige Resultate ergeben, weshalb eine an die Entwicklung angepasste Weiterführung angezeigt sei. Die Vorlage orientiert sich weitgehend am Vernehmlassungsentwurf; die Massnahmen sollen während zehn Jahren wirksam sein. Wie bisher sollen in bestimmten Regionen private Neuansiedlungen und -gründungen von Unternehmungen sowie innovative Investitionen ansässiger Firmen unterstützt werden.
Als Instrumente sind dabei Bürgschaften und Steuererleichterungen, im Gegensatz zu den alten Bestimmungen aber keine Zinskostenbeiträge vorgesehen. Der örtliche Gültigkeitsbereich wurde neu definiert: Es sollen nicht mehr nur Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit und wirtschaftlichen Monokulturen - die es, bezüglich der Monokultur, ohnehin praktisch nicht mehr gibt - von den Massnahmen profitieren, sondern sogenannte
"wirtschaftliche Erneuerungsgebiete". Als Hauptkriterium zur Bestimmung dieser Gebiete dient wie in der EU die über eine längere Periode ausgewiesene Arbeitslosenquote; dazu kommen noch die Beschäftigungsentwicklung und das Pro-Kopf-Einkommen. Mit diesen beiden Zusätzen soll verhindert werden, dass Firmen in Grossstadtagglomerationen, die wirtschaftlich hoch entwickelt sind, aber hohe Arbeitslosenraten aufweisen, unterstützt werden. Im Rahmen derselben Botschaft beantragte die Regierung zudem zwei weitere Bundesbeschlüsse. Der erste soll es dem Bund erlauben, bei der
Werbung im Ausland für die Ansiedlung von Unternehmen eine Informations- und Koordinationsrolle zu übernehmen. Der zweite regelt die Unterstützung der für kleine und mittlere Unternehmen konzipierten Informations- und Beratungsstellen über den Zugang zum europäischen Binnenmarkt (
Euro-Info-Centres). Bezüglich des Vorgehens empfahl der Bundesrat, die parlamentarische Initiative der WAK des Nationalrats fallenzulassen und seinen eigenen Vorschlag in einem beschleunigten Verfahren zu behandeln, damit er auf Anfang 1995 in Kraft gesetzt werden kann
[20].
Die WAK war mit diesem Ratschlag nicht einverstanden und beantragte dem
Nationalrat in der Junisession, an ihrer
eigenen Initiative als Übergangslösung festzuhalten, und damit Zeit für eine eingehende Beurteilung der vom Bundesrat vorgeschlagenen Neuorientierung des Bonny-Beschlusses zu gewinnen. Grundsätzlich gegen eine Weiterführung der staatlichen Unterstützung privater Unternehmen in bestimmten Regionen wandten sich nur die FP und Minderheiten der FDP und der SVP. Zuerst lehnte der Rat mit 128:22 Stimmen einen Nichteintretensantrag Stucky (fdp, ZG) ab. In der Detailberatung trug er dann dem auch in der bundesrätlichen Botschaft erwähnten Umstand Rechnung, dass das für die Unterstellung unter den Bonny-Beschluss erforderliche Kriterium der industriellen Monokultur heute für keine Region mehr zutrifft. Eine Streichung dieser Bestimmung und eine ausschliessliche Ausrichtung auf die Beschäftigungslage schien dem Rat jedoch nicht opportun, da dies die Subventionierung von Privatbetrieben in reichen Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit, wie etwa Genf oder Basel, zur Folge gehabt hätte. Der Nationalrat folgte deshalb einem Antrag Zwahlen (cvp, BE), der - analog zum Projekt des Bundesrates -
anstelle der monostrukturellen Ausrichtung einen erheblich unter dem Landesmittel liegenden
Entwicklungsstand verlangt. Um diese Weiterführung des revidierten Bonny-Beschlusses als Übergangslösung zu kennzeichnen, reduzierte der Rat die Gültigkeitsdauer auf zwei Jahre und erklärte ihn für dringlich
[21].
Im
Ständerat wandten sich namentlich die beiden Appenzeller Vertreter gegen die als ordnungspolitischen Sündenfall bezeichnete staatliche finanzielle Unterstützung von Privatfirmen; sie fanden aber kaum Gehör. Die Kammer schloss sich dem Nationalrat an, fügte jedoch hinzu, dass die für maximal zwei Jahre vorgesehene Übergangslösung bei Inkrafttreten des vom Bundesrat beantragten neuen Beschlusses vorzeitig auslaufen soll. In der Schlussabstimmung verabschiedete der Nationalrat die Weiterführung des adaptierten Bonny-Beschlusses mit 127 gegen 28 aus dem rechtsbürgerlichen Lager stammenden Stimmen; im Ständerat lautete das Stimmenverhältnis 30 zu 5
[22].
Der Bundesrat setzte den Beschluss auf Anfang Juli in Kraft und definierte in einer
Verordnung die für die Begünstigung erforderlichen
Kriterien: eine im Mittel der letzten drei Jahre um 10% über dem Landesmittel liegende Arbeitslosenquote oder eine unterdurchschnittliche Beschäftigungsentwicklung oder Anzeichen, dass eine dieser Bedingungen in naher Zukunft erfüllt sein könnte. Diese Kriterien sind alternativ und nicht kumulativ; Regionen mit hohem Volkseinkommen und verkehrsgünstiger Lage werden jedoch auch dann nicht berücksichtigt, wenn sie eines dieser Kriterien erfüllen. Diese Neudefinition hatte zur Folge, dass der geografische Geltungsbereich gegenüber der alten Regelung ungefähr verdoppelt wurde; in ihm wohnt knapp ein Viertel der Landesbevölkerung. Zu den Nutzniessern zählt
praktisch die gesamte französischsprachige Schweiz mit Ausnahme der Agglomerationen Genf und Lausanne sowie weite Teile des Tessins. In der Deutschschweiz fanden nur ein Grossteil des Kantons Solothurn, die grösseren Talorte des Oberwallis, die Regionen Biel und Thun, der östliche Teil der Bodenseeregion sowie einige industrialisierte Berggebiete in den Kantonen Uri, Glarus, Graubünden und St. Gallen Berücksichtigung
[23].
Die
WAK des Ständerats fällte im Herbst erste Entscheide zur
bundesrätlichen Vorlage. Mit knapper Mehrheit stimmte sie der Neufassung des Bonny-Beschlusses und der Unterstützung des Standortmarketings im Ausland zu. Sie lehnte jedoch die Beiträge an die Informationsstellen für kleine und mittlere Unternehmen zum europäischen Binnenmarkt ab
[24].
Im Auftrag der nationalrätlichen GPK hatte die Parlamentarische Verwaltungskontrollstelle die
regionalpolitische Koordination der Politik des Bundes untersucht. Diese kam in ihrem Bericht zum Schluss, dass eine Koordination weitgehend fehlt oder nicht funktioniert. Zudem konstatierte sie eine fehlende Kohärenz und Zielorientierung bei der bundesstaatlichen Regionalpolitik
[25]. Der Ständerat überwies die im Vorjahr von der grossen Kammer gutgeheissene Motion Brügger (sp, FR) für eine umfassende Überprüfung der Regionalpolitik ebenfalls. Der Nationalrat verabschiedete in der Sommersession eine Motion Seiler (svp, BE) für eine umfassende Überprüfung der eidgenössischen Regionalpolitik und für darauf abgestützte Verbesserungsmassnahmen
[26].
Die Kantone Bern, Freiburg, Neuenburg und Solothurn, zu denen sich später auch noch der Jura gesellte, beschlossen, einen
"Wirtschaftsraum Mittelland" zu gründen. In dessen Rahmen soll insbesondere die Zusammenarbeit im Bildungs-, Wirtschaftsförderungs- und Verkehrsbereich verbessert werden
[27].
Die im Vorjahr aufgrund einer vom EVD in Auftrag gegebenen Evaluation eingeleitete Reform der
Schweizerischen Verkehrszentrale fand ihren Niederschlag auch auf gesetzgeberischer Ebene. Der Bundesrat beantragte dem Parlament eine Teilrevision des aus dem Jahre 1955 stammenden Bundesbeschlusses über diese Tourismusförderungsorganisation. Er schlug dabei eine modernere, marketingkonformere Aufgabenumschreibung und eine straffere Leitungsorganisation vor; die Institution soll den Namen "Tourismus Schweiz" erhalten. Der Grundsatz der finanziellen Unterstützung durch den Bund soll dauerhaft festgeschrieben werden; über deren Höhe wird in Zukunft das Parlament mit einem einfachen, nicht dem Referendum unterstehenden Bundesbeschluss entscheiden. Für die Periode 1995-1999 beantragte die Regierung, die Subvention real auf dem Stand von 1993 zu belassen
[28]. Das Parlament stimmte diesen Vorschlägen zu. Im Ständerat fiel die Schlussabstimmung einstimmig aus, im Nationalrat votierte nur Blocher (svp, ZH) dagegen
[29].
Der Nationalrat wandte sich mit der Überweisung eines Postulats Columberg (cvp, GR) gegen den Beschluss des Bundesrates, im Rahmen der Sparmassnahmen die Erhebungen des Bundesamtes für
Statistik über die Übernachtungen in der
Parahotellerie (v.a. Ferienwohnungen und Campingplätze) nicht mehr weiterzuführen
[30].
Nach der Aufhebung des Verfassungsartikels über das Spielbankenverbot im Vorjahr setzte der Bundesrat eine Kommission für die Ausarbeitung eines
Spielbankengesetzes ein. Die Interessengegensätze innerhalb dieses Gremiums erwiesen sich jedoch als so gross, dass es aufgelöst werden musste. Die von einer kleineren Expertenkommission weitergeführten Arbeiten konnten aber noch vor Jahresende abgeschlossen werden
[31].
Wettbewerb
Im Rahmen der im Vorjahr eröffneten
Vernehmlassung zu einem neuen Kartellgesetz sprachen sich der SGV und der ihm angehörende Baumeisterverband gegen die beabsichtigte Verschärfung aus und warnten vor negativen Folgen für Klein- und Mittelbetriebe. Die Parteien äusserten sich grundsätzlich positiv. Gemeinsam mit dem Vorort, der Bankiervereinigung - beide begrüssten die Verschärfung des Kartellgesetzes - und dem SGV sprachen sich die drei bürgerlichen Bundesratsparteien allerdings gegen die vorgesehene Fusionskontrolle aus. Die von den erwähnten Gruppierungen vorgebrachte Kritik an der Schaffung eines Bundesamtes für Wettbewerb (anstelle einer verwaltungsunabhängigen Kommission) wurde auch von der SP geteilt
[32].
Ende November verabschiedete der Bundesrat seine Botschaft für eine Totalrevision des Kartellgesetzes. Er hielt dabei an den Leitlinien des Vernehmlassungsentwurfs fest. Kartelle werden nicht grundsätzlich verboten, da dafür die Verfassungsgrundlagen fehlen. Im Gegensatz zur geltenden Regelung sollen aber nicht mehr Vor- und Nachteile von kartellistischen Absprachen abgewogen werden (Saldomethode), sondern horizontale Absprachen - d.h. solche zwischen Unternehmen, die potentiell miteinander in Wettbewerb stehen - in bezug auf Preise, Mengen und Gebietsaufteilungen generell als Massnahmen zur Verhinderung eines wirksamen Wettbewerbs bezeichnet und deshalb als unzulässig erklärt werden. Ausnahmen von diesem Prinzip sollen aus politischen Gründen zwar möglich bleiben, müssen aber vom Bundesrat beschlossen werden. Übrige Marktvereinbarungen sollen in denjenigen Fällen erlaubt bleiben, wo sie die wirtschaftliche Effizienz verbessern. Das neue Gesetz richtet sich nicht nur gegen Kartelle, sondern soll auch missbräuchliche Praktiken marktbeherrschender Unternehmen sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite verhindern.
An der Genehmigungspflicht für Fusionen hielt die Regierung fest. Sie berücksichtigte aber die Kritik des Vororts insofern, als dass sie die Kriterien für die Unterstellung unter die Genehmigungspflicht verstärkt auf die Verhinderung marktbeherrschender Stellungen auf dem Inlandmarkt ausrichtete. Nicht nur der Umsatz der geplanten Vereinigung soll dabei eine Rolle spielen, sondern zusätzlich auch der in der Schweiz erzielte Umsatz der beiden grössten daran beteiligten Unternehmen. Damit ist der Kauf von nur im Ausland tätigen Firmen durch schweizerische Gesellschaften nicht bewilligungspflichtig. Die Genehmigung von Fusionen soll zudem nur verweigert werden dürfen, wenn durch den Zusammenschluss der wirksame Wettbewerb beseitigt würde.
Die in die Vernehmlassung gegebenen Vorschläge für den institutionellen Bereich wurden ebenfalls abgeändert: Nicht ein eigenes Bundesamt soll die Untersuchungen durchführen, sondern das Sekretariat der anstelle der Kartellkommission tretenden
Wettbewerbskommission, welche wie ihre Vorgängerin ein Expertenausschuss bleiben soll. An den Untersuchungen des Sekretariats sollen sich gemäss den neuen Bestimmungen nicht nur direkt geschädigte Unternehmen und ihre Verbände, sondern auch Konsumentenschutzorganisationen beteiligen können. Als weitere Neuerung ist geplant, dass das neue Gesetz auch auf öffentliche Unternehmungen anwendbar ist, soweit in deren Tätigkeitsbereichen Wettbewerb vorgesehen ist; ist dieser nicht vorgesehen, wird die Kommission wie bisher nur Empfehlungen abgeben dürfen. Der Vorschlag des Bundesrats für ein neues Wettbewerbsrecht nähert sich zwar den EU-Normen an, er verzichtet aber weiterhin auf ein Kartellverbot, das eine Verfassungsänderung zur Voraussetzung hätte, und er ist zudem grosszügiger bei der Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen
[33].
In Anbetracht der neuen Situation, welche durch die erfolgreich abgeschlossenen GATT-Verhandlungen entstanden war, beschloss der Bundesrat im März, die Revision der
Submissionsverordnung, zu welcher er im Vorjahr eine Vernehmlassung eröffnet hatte, einzustellen und gleich ein neues Gesetz vorzulegen
[34].
Das ab dem 1. Januar 1996 geltende neue Welthandelsabkommen (
GATT-WTO) wird - unter dem Vorbehalt der Gewährung von Gegenrecht - auch eine Liberalisierung des Submissionswesens zur Folge haben. Es dehnt namentlich den Geltungsbereich auf staatliche Unternehmen im Bereich Energie, Wasser- und Verkehrsinfrastrukturen (staatliche Bahn- und Telecom-Betriebe sind allerdings im WTO-Abkommen ausgeklammert) und auf die Kantone aus. Zudem regelt es detailliert das Vorgehen bei der Ausschreibung und der Vergabe und schreibt die Einrichtung einer Rekursstelle vor. Um die nötigen gesetzlichen Anpassungen zu vollziehen, legte der Bundesrat parallel zur Ratifikation des Abkommens den Entwurf für ein
neues Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen des Bundes vor. Dieser Entwurf enthält auch Bestimmungen über die einzuhaltenden Arbeitsbedingungen, um sozial negative Auswirkungen für die inländischen Arbeitnehmer und Konkurrenznachteile für schweizerische Firmen infolge der Gleichbehandlung der Offerten ausländischer Firmen zu verhindern. Diese Bedingungen sollen den am Ort der Leistungserbringung üblichen arbeitsschutzrechtlichen, gesamtarbeitsvertraglichen und anderen Abmachungen entsprechen - sie sind also lediglich für die in der Schweiz ausgeführten Arbeiten verbindlich. Analog dazu wurde auch festgehalten, dass nur Unternehmen von der Liberalisierung profitieren können, welche - bei in der Schweiz erbrachten Leistungen - auf geschlechtsspezifische Diskriminierungen verzichten
[35].
Beide Kammern des Parlaments behandelten das neue Gesetz in der Dezembersession. Die Vorlage wurde grundsätzlich nicht bekämpft, war aber in einigen Punkten recht umstritten. Der
Ständerat beschloss, auf die explizite Erwähnung der Gleichbehandlung von Mann und Frau zu verzichten, da dieser Rechtsgrundsatz in der Verfassung und zukünftig wohl auch im Gleichstellungsgesetz rechtlich verankert ist und seiner Ansicht nach nicht in jedem Spezialgesetz noch gesondert aufgeführt werden muss. Als wettbewerbspolitisch umstrittenster Artikel erwies sich die vom Bundesrat beantragte Einführung von Verhandlungen mit den Anbietern, wenn kein Angebot als das wirtschaftlich günstigste evaluiert werden kann (sog.
Angebotsrunden). Solche Gespräche sind in der Privatwirtschaft üblich und vom WTO-Vertrag für öffentliche Aufträge erlaubt, aber nicht vorgeschrieben. Sie gestatten den Anbietern, ihre in der Offerte genannten Preise nachträglich nach unten zu korrigieren, und verschärfen damit den Konkurrenzkampf. In der Vernehmlassung waren sie vom Gewerbeverband und vom Vorort bekämpft worden. Der Ständerat lehnte zwar das von der Kommissionsmehrheit beantragte Verbot einer Verhandlungsrunde über Preise ab, wollte solche aber bloss unter restriktiven Bedingungen (vorherige Ankündigung oder beim Verdacht auf Absprachen unter den Anbietern) zulassen
[36].
Im
Nationalrat wurde die explizite Erwähnung des Verbots von geschlechtsspezifischen Diskriminierungen von einer aus der SP, der GP, der LdU/EVP-Fraktion und der CVP gebildeten Mehrheit wieder in das Gesetz aufgenommen; allerdings mit der von Sandoz (lp, VD) eingebrachten Präzisierung, dass sich dieses Verbot auf die Entlöhnung beschränkt. In der Frage der Angebotsrunden bei gleichwertigen Offerten setzte sich gegen den Widerstand der FDP, der LP und der FP der Vorschlag des Bundesrates durch, solche generell zuzulassen. In der
Differenzbereinigung schloss sich der Ständerat in allen wesentlichen Punkten dem Nationalrat an; bei den Angebotsrunden brauchte er dazu allerdings zwei Anläufe. In der Schlussabstimmung stimmte der Nationalrat mit 142 zu 35 zu; die Gegenstimmen kamen vor allem aus den Fraktionen der FDP und der FP. Im Ständerat passierte die Vorlage mit 34:5 Stimmen
[37].
Mit dem Einverständnis des Bundesrats überwies der Ständerat eine Motion Bisig (fdp, SZ), welche verlangt, dass neben den bestehenden
Wohnbaupreisindizes auch solche für Verwaltungs- Gewerbe- und Tiefbauten erstellt werden. Der Motionär erhofft sich davon Kosteneinsparungen für die öffentliche Hand, da seiner Meinung nach die heute in Offerten und Voranschlägen übliche automatische Anwendung des Wohnbaupreisindexes der Stadt Zürich die effektive Kostenentwicklung nicht korrekt spiegelt
[38].
Der einheitliche schweizerische Wirtschaftsraum wurde im Prinzip im letzten Jahrhundert mit der Verlagerung der wirtschaftsrechtlichen Kompetenzen auf den Bundesstaat geschaffen. Wegen der im Rahmen der föderalistischen Grundstruktur bei den Kantonen verbliebenen Regelungskompetenzen konnten sich jedoch gewisse
Wettbewerbs- und Mobilitätshindernisse bis in die heutige Zeit halten. So führte beispielsweise die kantonale Anerkennung von Fähigkeitsausweisen für bestimmte Berufe zu einer Segmentierung des Arbeitsmarktes, und der freie Wettbewerb für Anbieter von Gütern und Dienstleistungen wurde durch Wohnsitzanforderungen und andere Vorschriften in den kantonalen Submissionsordnungen behindert. Die im Zusammenhang mit dem EWR-Vertrag geführte Diskussion über den europäischen Binnenmarkt hatte diese Wettbewerbshindernisse auf dem schweizerischen Markt verstärkt ins Bewusstsein gerückt und die Kantone zum Handeln veranlasst. Die kantonalen Erziehungsdirektoren hatten Anfang 1993 eine Vereinbarung über die gegenseitige Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen verabschiedet. Eine von den Kantonen eingesetzte Arbeitsgruppe hatte wenig später Vorschläge für eine vollständige Liberalisierung der Submissionsordnungen vorgelegt
[39].
Auch der Bundesrat war nach dem Nein zum EWR aktiv geworden. Er hatte im Juni 1993 eine Studienkommission eingesetzt und deren Vorschläge für die
Beseitigung kantonaler Wettbewerbsschranken im Winter in die
Vernehmlassung gegeben. Das Ziel der Schaffung eines vollständig liberalisierten Binnenmarktes wurde von den Kantonen, den Parteien und Verbänden prinzipiell unterstützt. Mehrere grosse Deutschschweizer Kantone und die LP zweifelten allerdings an der Verfassungsmässigkeit der vorgeschlagenen Eingriffe in die Regelungskompetenzen der Kantone und befürworteten Konkordatslösungen. Die Reaktionen der Wirtschaftsverbände fielen ebenfalls gemischt aus, wobei aber keine Organisation das Vorhaben grundsätzlich ablehnte. Bei der Liberalisierung der Submissionsregelungen forderten die Gewerkschaften zusätzliche Vorschriften über die Einhaltung der am Ort der Leistungserbringung üblichen Arbeits- und Entlöhnungsbedingungen. Die Unternehmer des Baugewerbes verlangten gar den Verzicht auf eine Liberalisierung des Submissionswesens; zusammen mit dem Gewerbeverband meldeten sie auch Vorbehalte gegen die automatische gegenseitige Anerkennung von kantonalen Fähigkeitszeugnissen an
[40].
Der Bundesrat legte im November - gleichzeitig mit dem Kartellgesetzentwurf - seinen Vorschlag für ein
Binnenmarktgesetz vor. Dieses neue Gesetz hält die Grundsätze für einen freien Marktzugang von in der Schweiz niedergelassenen Personen und Unternehmen fest. Insbesondere verankert es das aus der EU bekannte "Cassis-de-Dijon-Prinzip", das von der
Gleichwertigkeit der kantonalen Vorschriften für die Ausübung von Erwerbstätigkeiten ausgeht und damit die Diskriminierung ausserkantonaler Anbieter verbietet. Im öffentlichen Interesse liegende kantonale Vorschriften über Einschränkungen des freien Zugangs zum Markt könnten zwar unter bestimmten Umständen beibehalten werden, sie dürfen aber keinesfalls eine Besserstellung ortsansässiger Anbieter zur Folge haben. Dieses Prinzip gilt vor allem auch für die öffentlichen Beschaffungen und Aufträge, wo Vorschriften über Domizil oder Eintragung in ein kantonales Handels- oder Berufsregister nicht mehr zulässig sein sollen. Der Bundesrat berücksichtigte in seinem Entwurf die in der Vernehmlassung angemeldeten föderalistischen Einwände der Kantone weitgehend. So anerkannte er ausdrücklich den
Vorrang von interkantonalen Regelungen in den Bereichen des öffentlichen Beschaffungswesens und der Anerkennung von Fähigkeitsausweisen, sofern diese den Mindestanforderungen des Gesetzes genügen. Im weiteren hielt er fest, dass die Vorschrift, dass alle in der Schweiz niedergelassenen Personen gleichermassen und unabhängig von ihrem Wohnort Zugang zu Erwerbstätigkeiten haben müssen, für den öffentlichen Dienst nicht gelte
[41].
Der Bundesrat beantragte dem Parlament, im Rahmen einer Teilrevision des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG), die seit einiger Zeit als veraltet empfundenen Vorschriften über das
Ausverkaufswesen aufzuheben. Damit dürfen neu sowohl Total- und Teilausverkäufe als auch Sonderverkäufe ohne Bewilligung und Einschränkungen in bezug auf Datum und Häufigkeit durchgeführt werden. Der Schutz der Konsumenten und Konkurrenten vor Irreführung resp. unlauterer Werbung ist nach Ansicht des Bundesrates durch die Bestimmungen des UWG namentlich über die Pflicht der Preisdeklaration und das Lockvogelverbot ausreichend sichergestellt. Der
Ständerat akzeptierte die vorgeschlagene Liberalisierung diskussionslos
[42].
Eine Motion Mühlemann (fdp, TG) für eine Aufhebung der
Registrationspflicht für Handelsreisende wurde vom Nationalrat in ein Postulat umgewandelt. Der Rat folgte damit dem Bundesrat, der zwar eine Revision der Vorschriften ebenfalls befürwortete, eine ersatzlose Streichung aber namentlich mit dem Argument ablehnte, dass dadurch international tätigen Vertretern, für welche bestehende Handels- und Zollverträge eine Legitimation vorschreiben, im Ausland Nachteile erwachsen würden
[43].
Der Ständerat überwies die im Vorjahr von der grossen Kammer gutgeheissene solothurnische Standesinitiative für die rasche Ausarbeitung eines
Konsumkreditgesetzes mit einem auf 15% fixierten Höchstzinssatz und einer maximalen Laufzeit von 24 Monaten ebenfalls
[44].
Gesellschaftsrecht
Eine Expertengruppe stellte ein Jahr nach ihrer Einsetzung durch das EJPD ihren Bericht über den Handlungsbedarf bei der Gestaltung des schweizerischen Gesellschaftsrechts vor. Sie gelangte darin zum Schluss, dass vor allem gewisse weitere Anpassungen an die von der EU vorgegebenen Regeln ins Auge zu fassen seien. Der nach der Inkraftsetzung des neuen Aktienrechts laut gewordenen Forderung nach Schaffung einer neuen
Gesellschaftsform für kleine und mittlere Unternehmen konnte die Kommission nicht zustimmen, da einerseits kleine und grosse Aktiengesellschaften vom neuen Recht unterschiedlich behandelt würden und andererseits mit der GmbH und der Kommanditgesellschaft - die nach Meinung der Kommission durchaus noch attraktiver gestaltet werden könnten - bereits geeignete Alternativen zur Verfügung stehen würden
[45].
Weiterführende Literatur
P. Moser, "Constitutional protection of economic rights. The Swiss and the US experience in comparison", in Constitutional Political Economy, 5/1994, Nr. 1, S. 61 ff.
A. Schönenberger / M. Zarin-Nejadan, L'économie suisse, Paris (PUF, Que sais-je?) 1994.
H.U. Walder (Hg.), Aspekte des Wirtschaftsrechts. Festgabe zum schweizerischen Juristentag 1994, Zürich 1994.
L. David, Markenschutzgesetz, Muster- und Modellgesetz, Basel 1994.
G. Gaudard, L'inégalité économique entre les grandes régions suisses, Fribourg 1994.
S. Huber / R. Mordasini, "Das Investitionshilfegesetz ist volljährig", in Die Volkswirtschaft, 67/1994, Nr. 7, S. 18 ff.
A. Thierstein, Integrale Regionalpolitik. Ein prozessorientiertes Konzept für die Schweiz, Chur 1994.
P. Abbt, Konsumentenschutz und Wettbewerb - ein Spannungsverhältnis. Erläutert am Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb, Zürich (Diss. jur.) 1994.
Ph. Schwab, Vers une réforme des organes de surveillance de la concurrence en Suisse, Chavannes-près-Renens (IDHEAP) 1994.
W. Stoffel, Wettbewerbsrecht und staatliche Wirtschaftstätigkeit. Die wettbewerbsrechtliche Stellung der öffentlichen Unternehmen im schweizerischen Recht, Freiburg 1994.
[1]
BBl, 1994, III, S. 1374 ff.; Presse vom 14.6.94. Zur Swisslex siehe
SPJ 1993, S. 99.1
[2]
Amtl. Bull. StR, 1994, S. 1027 f. Vgl.
SPJ 1993, S. 99 (Fussnote 1).2
[3] SNB,
Geschäftsbericht 1994, 87/1994, S. 13 ff.3
[4] SNB,
Geschäftsbericht 1994, 87/1994, S. 27 ff.;
Die Volkswirtschaft, 68/1995, Nr. 5, S. 21* f. Zum Aussenhandel siehe oben, Teil I, 2 (Commerce extérieur).4
[5]
Die Volkswirtschaft, 68/1995, Nr. 5, S. 8* ff. Zur in der SAKE verwendeten und von der OECD und der EU empfohlenen Definition siehe auch
SPJ 1992, S. 202.5
[6]
Die Volkswirtschaft, 68/1995, Nr. 5, S. 5* (Investitionen) und 18* (Produktion). Zum Wohnungsbau siehe unten, Teil I, 6c.6
[7]
Die Volkswirtschaft, 68/1995, Nr. 5, S. 15* ff.7
[8]
BBl, 1994, II, S. 789 ff. Zur SP-Initiative siehe
Verhandl. B.vers., 1993, V, S. 36 f.;
TA, 2.2.94;
BZ, 11.3.94. Vgl.
SPJ 1993, S. 101 f. Zum Vorsteuerabzug siehe unten, Teil I, 5 (Finanzordnung).8
[9]
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 288 und 292 f.9
[10]
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 278 ff.;
TA, 11.3.94.10
[11]
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 294 f.11
[12]
Amtl. Bull. StR, 1994, S. 324 ff. und 425 f.;
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 544 ff.12
[13] In den Kantonen FR und NE wurden solche Initiativen neu eingereicht. Siehe dazu unten, Teil II, 2b.13
[14]
BBl, 1994, IV, S. 950 ff.;
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 2317 ff., 2320 ff. (Patente) und 2533 ff.;
Amtl. Bull. StR, 1994, S. 1156 f. und 1356 f.;
BBl, 1994, V, S. 1087 f., 1089, 1090 ff. und 1095 ff. Zur WTO siehe oben, Teil I, 2 (Organisations internationales). Zur Patentierung von gentechnologischen Erfindungen siehe
SPJ 1993, S. 103 und 250 f. sowie unten, Teil I, 8a (Recherche).14
[15]
Amtl. Bull. StR, 1994, S. 735 ff. Vgl.
SPJ 1993, S. 103.15
[16]
Amtl. Bull. StR, 1994, S. 380 ff., 635 und 776;
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 935 und 1252;
BBl, 1994, III, S. 303 ff. Vgl.
SPJ 1993, S. 103.16
[17]
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1887 f. Vgl. auch
SPJ 1993, S. 103.17
[18] Proteste aus der Westschweiz:
JdG, 17.1.94;
NQ, 24.1., 3.2. und 17.2.94. BR:
NZZ, 24.1. und 5.2.94; Presse vom 17.2.94. Zur Vernehmlassung siehe
SPJ 1993, S. 104 f. Vgl. auch
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 416 ff. (Diskussion über eine Interpellation der SP-Fraktion).18
[19]
BBl, 1994, III, S. 241 ff. (parl. Initiative) und 251 f. (Stellung des BR dazu).19
[20]
BBl, 1994, III, S. 353 ff.; Presse vom 28.4.94. Zu den bisherigen Ausgaben siehe auch
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 873. Zu den Euro-Info-Centres vgl.
Die Volkswirtschaft, 67/1994, Nr. 1, S. 38 ff.20
[21]
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 832 ff., 872 ff. und 1117 f. (Dringlichkeitsklausel); Presse vom 7.6.94.21
[22]
Amtl. Bull. StR, 1994, S. 623 ff., 735 (Dringlichkeitsklausel) und 774;
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1045 f. und 1247 f.;
BBl, 1994, III, S. 253;
AS, 1994, S. 1403 ff.22
[23]
AS, 1994, S. 1608 ff.;
NZZ, 1.7. und 14.7.94. Liste der Regionen:
BBl, 1994, III, S. 921 f. und V, S. 215 f.;
NQ, 25.10.94;
Express, 24.12.94.23
[24]
Lib., 5.11.94. Die laufenden Beiträge von jährlich 1 Mio Fr. an die Euro-Info-Centres werden über den Kredit für die Schweiz. Zentrale für Handelsförderung finanziert (vgl. dazu oben, Teil I, 2 (Commerce extérieur suisse).24
[25]
BBl, 1994, V, S. 774 ff.;
NZZ, 5.9.94.25
[26]
Amtl. Bull. StR, 1994, S. 1027;
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1182. Zur Motion Brügger siehe
SPJ 1993, S. 104.26
[27] Siehe dazu oben, Teil I, 1d (Beziehung zwischen Bund und Kantonen).27
[28]
BBl, 1994, III, S. 1121 ff. und 1148 (Subvention). Vgl. auch
SPJ 1993, S. 104. Zur Evaluation siehe auch die Interpellation Vetterli (svp, ZH) in
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1209 f. Zur Vernehmlassung siehe auch
LZ, 11.4.94.28
[29]
Amtl. Bull. StR, 1994, S. 881 ff., 1279 und 1355;
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 2259 ff. und 2531 f.;
BBl, 1994, V, S. 1134 f.29
[30]
NZZ, 15.2.94;
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1192 f.30
[31]
Gesch.ber. 1994, Teil 2, S. 112. Siehe auch
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 2491 f. und 2560 f. sowie
SPJ 1993, S. 103 f.31
[32]
NZZ, 1.2.94 (Baumeister);
Bund, 11.2.94 (SGV);
SGT, 10.3.94 (Parteien und Vorort);
JdG, 21.3.94 (Banken);
Bund und
NZZ, 30.6.94. Siehe auch die von Ökonomen geführte Diskussion in
NZZ, 5.10., 11.10., 25.10. und 22.10.94 sowie SNB,
Quartalsbericht, 1994, Nr. 2, S. 151 ff. Vgl.
SPJ 1993, S. 105.32
[33]
BBl, 1995, I, S. 469 ff.; Presse vom 24.11.94;
NZZ, 26.11.94.33
[34]
NZZ, 15.3.94. Vgl.
SPJ 1993, S. 106.34
[35]
BBl, 1994, IV, S. 1149 ff. Zur WTO siehe oben, Teil I, 2 (Organisations internationales). Vgl. auch
SPJ 1993, S. 106 sowie
SHZ, 28.4.94. Die Liberalisierung des öffentlichen Auftragswesens ist auch ein Thema der im Dezember eröffneten bilateralen Verhandlungen mit der EU (siehe dazu oben , Teil I, 2, Europe: EEE et UE).35
[36]
Amtl. Bull. StR, 1994, S. 1166 ff.36
[37]
Amtl. Bull. StR, 1994, S. 1314 ff., 1323 ff. und 1360;
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 2276 ff., 2358 f. und 2541 f.;
BBl, 1994, V, S. 1119 ff.37
[38]
Amtl. Bull. StR, 1994, S. 105 f.38
[39] Ausbildungsabschlüsse: vgl.
SPJ 1993, S. 245. Submissionen: vgl.
SPJ 1993, S. 106.39
[40] Presse vom 24.2.94;
BZ, 7.4.94. Siehe auch
BBl, 1995, I, S. 1246 ff. sowie Y. Hangartner, "Ist das Binnenmarktgesetz verfassungskonform?", in
NZZ, 7.7.94.40
[41]
BBl, 1995, I, S. 1213 ff.; Presse vom 24.11.94.41
[42]
BBl, 1994, III, S. 442 ff.;
Amtl. Bull. StR, 1994, S. 931 f.;
NZZ, 20.1.94 (Vernehmlassung); Presse vom 13.5.94 (Botschaft). Vgl. auch
SPJ 1993, S. 106.42
[43]
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1181 f.43
[44]
Amtl. Bull. StR, 1994, S. 85 f. Vgl.
SPJ 1993, S. 108.44
[45]
NZZ, 18.2.94. Siehe auch die Antwort des BR auf eine als Postulat überwiesene Motion Bührer (fdp, SH) in
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 2457 f. Vgl. auch
Bund, 14.10.94;
NQ, 3.11.94 und
SPJ 1993, S. 108.45