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Wirtschaft
Allgemeine Wirtschaftspolitik
Die Konjunkturerholung setzte sich fort. Die Beschäftigungslage entspannte sich und die Preise blieben stabil. – Die Belastung der KMU durch administrative Vorschriften soll gelockert werden. – Das Parlament verabschiedete das neue Spielbankengesetz. – Der Bundesrat legte seine Vorschläge für eine Revision des Kleinkreditgesetzes vor.
 
In der im Berichtsjahr vom Parlament verabschiedeten totalrevidierten Bundesverfassung wurden auch die Grundzüge der schweizerischen Wirtschaftsverfassung verständlicher und transparenter dargestellt. Der bisherige Ausdruck der Handels- und Gewerbefreiheit wurde durch den umfassenderen Begriff Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) ersetzt. Dieser Freiheit hat den Status eines individualrechtlich durchsetzbaren Grundrechtes und bedeutet „insbesondere die freie Wahl eines Berufs sowie den freien Zugang zu einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und deren freie Ausübung“. Ebenfalls zu den Grundrechten zählt die Eigentumsgarantie, bei welcher festgehalten ist, dass Enteignungen oder Eigentumsbeschränkungen, welche einer Enteignung gleichkommen, voll zu entschädigen sind. Diese beiden Rechte können, wie alle anderen Grundrechte, durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz der Grundrechte Dritter eingeschränkt werden, wobei sich die Intervention in der Regel auf eine gesetzliche Grundlage stützen und verhältnissmässig sein muss (Art. 36 BV). Im Abschnitt Wirtschaft (Art. 94-107 BV) wird unter anderem festgehalten, dass die wirtschaftliche Ordnung der Schweiz die einer privatwirtschaftlich ausgerichteten Marktwirtschaft ist. Neu ausdrücklich in die Verfassung aufgenommen wurde die Verpflichtung für Bund und Kantone, für günstige Rahmenbedingungen für die private Wirtschaft zu sorgen, aber auch die Aufforderung an die private Wirtschaft, zusammen mit Bund und Kantonen „zur Wohlfahrt und zur wirtschaftlichen Sicherheit der Bevölkerung“ beizutragen. Deutlicher als in der alten Verfassung ist zudem hervorgehoben, dass der Bund dafür sorgt, dass die Schweiz einen einheitlichen Wirtschaftsraum darstellt und z.B. für die landesweite Anerkennung von kantonalen Ausbildungsabschlüssen sorgt. Im Parlament gaben diese Bestimmungen relativ wenig zu reden. Die SP hatte ihre Einwände gegen eine ihrer Ansicht nach allzu liberale Wirtschaftsordnung in der Eintretensdebatte vorgebracht. Der Antrag ihrer Vertreter, die gesamte Vorlage mit dem Auftrag an die Kommission zurückzuweisen, unter anderem vermehrte Interventionsmöglichkeiten des Staates in den Ablauf und die Entwicklung der Wirtschaft vorzuschlagen, fand keine Mehrheit [1].
Die Grossbankenfusion vom Dezember des Vorjahres bot auch dem Parlament Diskussionsstoff. Die beiden Ratsbüros integrierten die von der SP-Fraktion verlangte Sondersession zum Thema Unternehmenszusammenschlüsse und Zukunft des Werkplatzes Schweiz in die einwöchige Sondersession zur Beratung der Totalrevision der Bundesverfassung im Januar. Die Debatte brachte den erwarteten Schlagabtausch zwischen der Linken und den bürgerlichen Parteien. Hauptdiskussionsthema waren allerdings nicht die Unternehmenszusammenschlüsse, sondern die Finanzpolitik, wo die SP die Einführung einer Kapitalgewinnsteuer auf Bundesebene forderte, unter anderem auch mit dem Ziel, die Aktionäre und die Leitung der Unternehmen, welche sich nur noch an ihren kurzfristigen Eigeninteressen orientieren würden, in die Schranken zu weisen [2].
Die Wirtschaft konnte mit der Verwerfung der „Genschutz-Initiative“ in der Volksabstimmung vom 7. Juni einen wichtigen Sieg erringen. Die Annahme dieses neuen Verfassungsartikels hätte nicht nur die Forschung auf diesem als zukunftsträchtig erachteten Gebiet stark beeinträchtigt, sondern auch die Patentierung von mittels Gentechnologie veränderten Pflanzen und Tiere verboten [3].
Konjunkturlage
Die Wirtschaftsentwicklung 1998 war geprägt von den Finanz- und Wirtschaftskrisen in Ostasien und Russland. Neben daraus entstehenden Turbulenzen auf den Finanzmärkten litten darunter auch die Exporte der Industriestaaten, namentlich Japans, das selbst in eine Rezession geriet. Dank lebhafter Binnenkonjunkturen gelang es allerdings den meisten westlichen Industriestaaten, die Wachstumsraten des Vorjahres mehr oder weniger zu halten. Das reale Bruttoinlandprodukt der OECD-Staaten nahm im Mittel um 2,2% zu (1997: 3,2%). Über diesem Durchschnitt lagen die Wachstumsraten in den USA (4%) und in den meisten kleineren Ländern West- und Nordeuropas. Ein wie bereits im Vorjahr schwaches Wirtschaftswachstum wies hingegen Italien auf. Während die mitteleuropäischen Reformstaaten von der Krise in Ostasien und Russland kaum betroffen waren, litten die lateinamerikanischen Länder unter sinkenden Rohstoffpreisen und Erschütterungen der eigenen Finanz- und Währungssysteme. In den Entwicklungsländern Afrikas setzte sich der leichte Aufschwung fort.
Die Teuerung bildete sich in praktisch allen Industriestaaten mit Ausnahme Grossbritanniens weiter zurück. Sie lag in den USA bei 1,6% und in der EU bei 1,7%. Ebenfalls rückläufig war (mit Ausnahme Japans, wo die Quote auf 4,1% anstieg) die Arbeitslosigkeit. In den USA sank die Arbeitslosenquote auf 4,3%, in der EU reduzierte sie sich von 11,2% auf 10,6% [4].
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Die Konjunkturerholung, welche 1997 begonnen hatte, setzte sich im Berichtsjahr fort. Das reale Bruttoinlandprodukt nahm nach ersten Schätzungen um 2,1% (1997: 1,7% [5]) zu. Für diese Trendfortsetzung waren diesmal nicht mehr vor allem die Exporte verantwortlich (die unter der Ostasienkrise litten), sondern die Binnenmarktnachfrage und dabei namentlich der private Konsum. Die reale Wachstumsrate der Güterexporte reduzierte sich von 7,7% auf 4,9%. Der Einbruch der Exporte nach Ostasien (-26%) konnte durch gesteigerte Güterausfuhren in die EU kompensiert werden. Die lebhafte Binnennachfrage und die Zunahme der Investitionstätigkeit der Unternehmen liessen die Gütereinfuhren noch stärker expandieren als die Exporte (8,1%). Die optimistische Stimmung liess den privaten Konsum (1,8%) und die Ausgaben für Ausrüstungsinvestitionen (7,5%) markant stärker anwachsen als im Vorjahr. Erstmals seit 1990 erlebte auch die Bauwirtschaft wieder ein Wachstum. Die Bauinvestitionen stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 0,7% an. Typisch für Jahre mit Wirtschaftswachstum schloss die Handelsbilanz im Berichtsjahr mit einem Defizit ab (1,8 Mia Fr.). Der Aktivsaldo der Dienstleistungsbilanz reduzierte sich geringfügig auf 18,5 Mia Fr.; grösseren Einnahmen aus dem Tourismusgeschäft standen rückläufige Erträge aus dem Kommissionsgeschäft der Banken gegenüber. Der Ertragsbilanzüberschuss sank nach ersten Schätzungen auf 31,1 Mia Fr. (1997: 33,1 Mia Fr.) [6].
Auf dem Arbeitsmarkt war 1998 eine deutliche Verbesserung auszumachen. Die Zahl der Erwerbstätigen nahm im Jahresmittel um 1,3% zu. Dieses Wachstum war erneut getragen von der Nachfrage nach Arbeitskräften im Dienstleistungsbereich (+1,9%), während im 2. Sektor ein weiterer Rückgang zu verzeichnen war (-0,5%). Im Baugewerbe nahm die Zahl der Beschäftigten allerdings wieder leicht zu (0,4%). Gemäss der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) war die Steigerungsrate vor allem bei den Teilzeitangestellten ausgeprägt, aber im Gegensatz zum Vorjahr nahm auch die Zahl der Vollzeitbeschäftigten zu. Die Zahl der registrierten Arbeitslosen reduzierte sich kontinuierlich von 182 492 im Januar auf 124 309 im Dezember (nicht saisonbereinigte Werte). In dieser Zahl sind allerdings die in Weiterbildungs- und Arbeitsprogrammen integrierten Arbeitslosen sowie diejenigen Ausgesteuerten, die auf eine Registrierung bei den Arbeitsvermittlungsämtern verzichten, nicht enthalten. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote ging im Jahresmittel auf 3,9% zurück, im Dezember betrug sie noch 3,2% (Dezember 1997: 4,8%). Diese Quote war in allen Landesteilen rückläufig, lag aber in der französischsprachigen Schweiz und im Tessin mit 5,3% resp. 6,3% immer noch deutlich über derjenigen der Deutschschweiz (3,3%). Der Anteil der Ausländer an den Arbeitslosen erhöhte sich weiter und betrug im Jahresmittel 48%. Die für internationale Vergleiche konzipierte SAKE des Bundesamtes für Statistik wies im 2. Quartal 1998 eine Arbeitslosenquote von 3,6% aus (1997: 4,1%) [7].
Die am Landesindex der Konsumentenpreise gemessene Teuerung reduzierte sich weiter. Erstmals seit zwölf Jahren verharrte sie im Januar im Jahresvergleich auf der 0%-Marke. Diese Stabilität blieb das ganze Jahr hindurch weitgehend erhalten; im November war die Jahresteuerung sogar rückläufig. Im Jahresmittel erreichte der durchschnittliche Preisanstieg mit 0,0% einen Tiefstwert, der seit 39 Jahren nicht mehr erzielt worden war. Vor allem dank tieferen Erdölpreisen reduzierten sich die Preise für Importgüter und -dienstleistungen um 0,7%, während diejenigen für inländische Angebote um 0,3% stiegen. Der Preisindex der Produzenten- und Importpreise war im Berichtsjahr für beide Kategorien rückläufig (-1,2% resp. -2,2%) [8].
Der Ständerat unterstützte mit der Überweisung eines Postulats Büttiker (fdp, SO) die vom Bundesrat eingeleiteten Bestrebungen, die Berechnungsart des schweizerischen Konsumentenpreisindexes an diejenige des neuen „harmonisierten Verbraucherpreisindexes“ (HVP) der EU anzupassen. Neben einheitlichen Berechnungsformeln geht es dabei auch um die Definition eines durchschnittlichen „Warenkorbes“ zur Gewichtung der einzelnen Preise [9].
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Strukturpolitik
Der Nationalrat überwies gegen den Widerstand von Moser (fp, AG) eine Motion seiner Aussenpolitischen Kommission, welche verlangt, dass die Erhaltung und Förderung der KMU zu einer der Aufgaben der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik gemacht wird. Als Massnahmen dazu gehören nach Ansicht der APK insbesondere der Abschluss von bilateralen Verträgen mit der EU, um deren Märkte für schweizerische KMU zu öffnen, sowie Bemühungen, ausländische KMU zu Betriebsgründungen in der Schweiz zu veranlassen. Der Ständerat unterstützte zwar die Ziele dieses Antrags ebenfalls, war aber der Überzeugung, dass entsprechende Massnahmen bereits ergriffen oder eingeleitet worden seien. Er beschloss deshalb, den Vorstoss lediglich als Postulat zu überweisen und gleichzeitig als erfüllt abzuschreiben [10].
Das Anliegen der im Vorjahr vom Nationalrat überwiesenen Motion Cavadini (fdp, TI), mit der Setzung von Fristen die Bewilligungsverfahren der Bundesverwaltung zu beschleunigen, fand auch in der kleinen Kammer Zustimmung. Aus formalen Gründen wurde die Motion aber abgelehnt und an ihrer Stelle eine gleichlautende Empfehlung überwiesen [11]. Aus der im Vorjahr vom Nationalrat überwiesenen Motion Widrig (cvp, SG) übernahm der Ständerat die beiden Punkte, welche verlangen, dass neue Bewilligungsverfahren nur auf dem Gesetzesweg eingeführt werden dürfen resp. der Instanzenweg abschliessend und mit klaren Fristsetzungen für die Behandlung zu regeln ist. Den Rest des Vorstosses überwies er als Postulat [12]. Der Bundesrat war inzwischen in der Frage der Konzentration und Beschleunigung des bundesrechtlichen Plangenehmigungsverfahrens bereits selber aktiv geworden. Im Februar unterbreitete er dem Parlament eine Botschaft mit einer Reihe von Gesetzesänderungen zu diesem Zweck. Im Herbst präsentierte er zudem diverse Studien zu administrativen Hindernissen für die Wirtschaft und beauftragte das EVD und das EFD, konkrete Verbesserungsmassnahmen, namentlich zur Verkürzung der Behandlungsfristen für Gesuche und Bewilligungen vorzuschlagen [13].
Der Ständerat befasste sich in der Dezembersession mit dem im Vorjahr vom Nationalrat verabschiedeten Bundesbeschluss zur Förderung von Risikokapitalanlagen. Gemäss dem Kommissionssprecher hatte sich in der Zwischenzeit die Situation grundlegend verändert. Da inzwischen von der Wirtschaft verschiedene Risikokapitalfonds und andere Beteiligungsgesellschaften geschaffen worden waren – unter anderem eine Tochterfirma der Bank UBS, welche sich am Kapital von innovativen KMU beteiligt –, dränge sich eine steuerliche Unterstützung der Kapitalgeber nicht mehr auf. Diese Steuererleichterungen würden zudem auch den Sparbeschlüssen des „Runden Tisches“ widersprechen. Die Kommission schlug deshalb vor, lediglich eine Minimalvorlage zu verabschieden, welche gewisse steuerlichen Anreize für Kapitalgesellschaften bringt, die einen bestimmten Teil ihrer Mittel in neue Unternehmungen investieren (z.B. Befreiung von der eidgenössischen Emissionsabgabe) [14]. Im Anschluss an diesen Entscheid überwies der Ständerat die Motion des Nationalrats für eine Lockerung der Anlagevorschriften für Pensionskassen zugunsten eines grösseren Engagements in Wagniskapitalanlagen in Postulatsform [15].
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Zur Alpenkonvention siehe unten, Teil I, 6d (Protection des sites).
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Das neue Gesetz über das Glücksspiel und über die Spielbanken wurde in der Dezembersession vom Parlament verabschiedet. Der Nationalrat folgte bei seinen Beratungen in der Herbstsession weitgehend den Beschlüssen des Ständerates. Er reduzierte jedoch die Zahl der in Kursälen zugelassenen Tischspiele von drei auf zwei. Dieser von Vertretern der Tourismusregionen bekämpfte Entscheid soll die Attraktivität der Kursäle zugunsten der Grands Casinos, von denen der Hauptbeitrag der Gewinnablieferung an die AHV erwartet wird, verringern. Die vom Ständerat in Abweichung vom Mündigkeitsalter 18 festgelegte Alterslimite von 20 Jahren fand in der grossen Kammer keine Mehrheit. Ein vor allem von der Linken unterstützter Antrag, dass Kantone auf ihrem Gebiet das Aufstellen von Glücksspielautomaten verbieten können – wie dies 1991 die Zürcher beschlossen hatten –, unterlag mit 87 zu 71 Stimmen. Ein ebenfalls von der SP unterstützter Antrag für ein Verbot der Darlehensgewährung durch die Spielbanken setzte sich hingegen knapp durch. Bei der Bemessung des minimalen Abgabesatzes obsiegte die Version des Ständerates (40%) gegen Anträge der Linken für 60% und von bürgerlichen Abgeordneten für 20%. Eine weitere Niederlage erlitt die SP bei der Zweckbestimmung der Bundeseinnahmen. Unter Berufung auf die Erläuterungen des Bundesrates an die Stimmberechtigten anlässlich der Verfassungsabstimmung von 1993 im sogenannten Bundesbüchlein verlangte sie, dass die erwarteten rund 150 Mio Fr. zusätzlich zu den bestehenden Bundesbeiträgen in die AHV-Kasse fliessen. Die bürgerliche Mehrheit verwies auf den Wortlaut des damals angenommenen Verfassungsartikels, der nur von der Deckung des Bundesbeitrags und nicht von zusätzlichen Mitteln spricht. Nachdem sie mit allen ihren Anträgen unterlegen waren, sprachen sich die Sozialdemokraten und die Grünen in der Gesamtabstimmung gegen das neue Gesetz aus [16].
In der Differenzbereinigung beschloss der Ständerat, den im Bundesbüchlein vom Bundesrat gemachten Versprechen höheres Gewicht zuzumessen als einer engen Auslegung des Verfassungstextes. Er hielt fest, dass die erwarteten Bundeseinnahmen zusätzlich zu den bisherigen Beiträgen in die AHV-Kasse fliessen sollen. Bei der Zahl der in Kursälen zugelassenen Tischspielen beharrte er auf seinem ursprünglichen Beschluss von drei. Der Nationalrat übernahm diese beiden Beschlüsse. Das Darlehensverbot für Spielkasinos lehnte der Ständerat zuerst ab, da dies die Schweizer Einrichtungen im Vergleich zu ihrer internationalen Konkurrenz benachteiligen würde. Nachdem aber der Nationalrat darauf bestanden hatte, gab die kleine Kammer in dieser Frage nach. Sie fügte sich ebenfalls dem Entscheid des Nationalrats, keine vom Mündigkeitsalter abweichende Alterslimite einzuführen. In der Schlussabstimmung passierte das neue Spielbankengesetz im Ständerat einstimmig, im Nationalrat bei 8 Gegenstimmen und 20 Enthaltungen, wobei die Gegnerschaft vorwiegend aus dem SP-Lager kam [17].
Da der Bundesrat eine Tendenz sah, dass einige Kantone sein 1996 erlassenes Verbot für die Bewilligung von neuen Boule-Spielbetrieben bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes mit der Zulassung von Geldspielautomaten unterlaufen würden, zog er die Notbremse. Er revidierte am 22. April die Verordnung über Geldspielautomaten. Indem er bisher als Geschicklichkeitsspiele bezeichnete sogenannte Automaten (Slotmachines, Jackpot etc.) zu Geldspielautomaten erklärte unterstellte er sie dem Moratorium aus dem Jahre 1996. Vor allem Kantone, wo derartige Geldspielautomatenkasinos unmittelbar vor der Eröffnung standen (Graubünden, Obwalden und Schwyz) reagierten auf das Verbot sehr unwirsch. In Sarnen (OW) eröffneten die Betreiber ihren Ende 1997 vom Kanton bewilligten Betrieb trotzdem; eine Woche später wurde er von der Bundespolizei wieder geschlossen und die Automaten versiegelt [18].
Die schlechte Ertragslage im Tourismusgewerbe und die verschärfte Kreditpolitik der Banken machen es den Hotelbetrieben zunehmend schwer, Finanzierungsmittel für notwendige Modernisierungen aufzubringen. Beide Parlamentskammern überwiesen Motionen, welche vom Bund Vorschläge zur Verbesserung dieser Situation fordern (beispielsweise über eine Revision des Bundesgesetzes über die Förderung des Hotel- und Kurortkredits oder durch die Begünstigung von in diesem Bereich tätigen Risikokapitalgesellschaften) in Postulatsform [19].
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Wettbewerb
Eine Motion Vollmer (sp, BE) für eine Anpassung der Bestimmungen über den Konsumentenschutz an die strengeren Regeln der EU wurde von der Freisinnigen Bangerter (BE) bekämpft und deshalb verschoben [20].
Im Dezember verabschiedete der Bundesrat seine Botschaft für eine Revision des Kleinkreditgesetzes. Aus dem Vernehmlassungsentwurf übernahm er insbesondere das Rücktrittsrecht von einem abgeschlossenen Vertrag bis zum siebten Tag und die Verpflichtung, Konsumkredite nur an Personen zu gewähren, deren Einkommen eine Rückzahlung innerhalb von zwei Jahren erlaubt. Bei der Frage der zulässigen Höchstzinssätze ging er zum Teil auf die Forderungen der Linken ein: Das Gesetz verpflichtet den Bundesrat, einen solchen auf dem Verordnungsweg festzulegen (im Vorentwurf wäre er dazu bloss ermächtigt gewesen). Im Gegenzug soll andererseits den Kantonen der Erlass von strengeren Vorschriften untersagt werden. Der Entwurf schlägt zudem vor, im bestehenden Gesetz nicht erfasste Kreditformen wie Kreditkarten und Leasinggeschäfte zu regeln [21].
Anlässlich der Auseinandersetzung um die Zulassung gentechnisch veränderter Lebensmittel hatten sowohl das EDI als auch das Bundesgericht den Konsumentenorganisationen keine Beschwerdelegitimation zuerkannt. Als Reaktion darauf verlangte Nationalrat Vollmer (sp, BE), diesen Organisationen im Lebensmittelgesetz ein Verbandsklagerecht einzuräumen. Dieser Schritt wäre nach Ansicht des Initianten umsomehr gerechtfertigt, als sie in anderen Rechtsbereichen (Preisüberwachung, unlauterer Wettbewerb, Arbeitsgesetz etc.) über dieses Recht verfügen. Der Nationalrat lehnte die parlametarische Initiative mit 89 gegen 53 Stimmen der SP und der Grünen ab. Die Gegner hatten dagegen namentlich ins Feld geführt, dass die staatlichen Zulassungsprüfungen streng genug seien und nicht noch durch zusätzliche Beschwerderechte kompliziert werden sollten [22].
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Gesellschaftsrecht
Der vom Bundesrat im Vorjahr in die Vernehmlassung gegebene Vorentwurf für ein Fusionsgesetz wurde von der FDP, der SVP und den Unternehmerverbänden grundsätzlich begrüsst. Der Vorort beurteilte insbesondere die Absicht positiv, dafür zu sorgen, dass Fusionen und Umstrukturierungen nicht durch steuerliche Massnahmen erschwert werden. Kritischer gaben sich die SP und der SGB. Sie verlangten, dass zusätzlich auch Schutzinstrumente für Arbeitnehmer wie etwa eine obligatorische Mitsprache von Arbeitnehmerorganisationen sowie Vorschriften über Sozialpläne bei Entlassungen in das Gesetz aufgenommen werden [23].
Mit einer Motion verlangte Nationalrat Dettling (fdp, SZ) eine Besserstellung der geschäftsführenden Gesellschafter einer GmbH im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht. Die geltenden Sanktionen (Haftung ad personam) seien derart streng, dass damit die Attraktivität der GmbH als Gesellschaftsform beeinträchtigt würde. Der Bundesrat war damit zwar einverstanden, der Vorstoss wurde jedoch von Jost Gross (sp, TG) bekämpft und deshalb verschoben [24]. Eine vom Nationalrat als Postulat überwiesene Motion Raggenbass (cvp, TG) strebt eine attraktivere rechtliche Ausgestaltung der Personengesellschaften für die Neugründung von kleinen Firmen an. Gemäss geltendem Obligationenrecht müssen diese mindestens eine unbeschränkt haftende natürliche Person aufweisen. In Zukunft sollen auch juristische Personen als unbeschränkt haftende Gesellschafterin zulässig sein, womit das finanzielle Risiko von Einzelpersonen auf das Vermögen der juristischen Person übergehen würde [25].
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Weiterführende Literatur
Couchepin, Pascal, „Soziale und umweltbezogene Fragen innerhalb des WTO-Systems: die Antwort der Schweiz“, in Aussenwirtschaft, 53/1998, S. 487-494.
„Debate Globalization“ (mehrere Beiträge), in Schweizerische Zeitschrift für politische Wissenschaft, 4/1998, Nr. 1, S. 91-116 und Nr. 2, S. 95-128.
Jaeger, Franz / Stier, Winfried (Hg.), Neue Konturen zu einer liberalen Wirtschaftspolitik, Chur 1998.
Landmann, Oliver, „Weltwirtschaft im Umbruch. Ist die Schweiz den Herausforderungen gewachsen?“, in Aussenwirtschaft, 53/1998, S. 175-190.
Rhinow, René / Schmid, Gerhard / Biaggini, Giovanni, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Basel 1998.
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Amgwerd, Matthias, Autonomer Nachvollzug des EU-Rechts durch die Schweiz: unter spezieller Berücksichtigung des Kartellrechts, Basel (Europainstitut) 1998.
Mach, André, „Quelles réponses à la globalisation et à la construction européenne? Illustration à partir de la révision de la loi suisse sur les cartels“, in Schweizerische Zeitschrift für politische Wissenschaft, 4/1998, Nr. 2, S. 25-49.
Meier-Schatz, Christian (Hg.), Das neue Kartellgesetz: Erste Erfahrungen in der Praxis, Bern (Haupt) 1998.
Schönbächler, Patrick, Wettbewerbsneutralität staatlicher Massnahmen, Zürich (Diss. jur.) 1998.
Tercier, Pierre e.a., „Die schweizerische Wettbewerbspolitik im internationalen Umfeld“, in Die Volkswirtschaft, 1998, Nr. 2, S. 12-18.
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[1] L. Mader, „Die Nachführung der Wirtschaftsverfassung“, in NZZ, 8.1.98; vgl. auch NZZ, 10.1., 23.2. und 26.2.98. Siehe oben, Teil I, 1a (Totalrevision der BV).1
[2] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 82 ff.; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 155 ff.; Presse vom 22.1. und 23.1.98. Zur Kapitalgewinnsteuer siehe unten, Teil I, 5 (Direkte Steuern).2
[3] Vgl. dazu unten, Teil I, 8a (Forschung). Vgl. auch TA, 8.5.98.3
[4] SNB, Geschäftsbericht, 91/1998, S. 7 ff.4
[5] Erneut zeigte sich, dass die ersten provisorischen Berechnungen des Wirtschaftswachstums des Vorjahres zu pessimistisch ausgefallen waren. Die präziseren Zahlen wiesen für 1997 ein reales Wachstum des realen BIP um 1,7% statt 0,7% aus (Bund, 9.9.98).5
[6] SNB, Geschäftsbericht, 91/1998, S. 20 ff. Zum Aussenhandel siehe oben, Teil I, 2 (Commerce extérieur suisse).6
[7] SNB, Geschäftsbericht, 91/1998, S. 22 ff.; Die Volkswirtschaft, 1998/99 (Statistischer Anhang), S. 22 und 23. Siehe dazu auch unten, Teil I, 7a (Arbeitsmarkt).7
[8] SNB, Geschäftsbericht, 91/1998, S. 24.8
[9] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1213 f.9
[10] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 494 f.; Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1265 f.10
[11] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 357 f. Vgl. SPJ 1997, S. 112.11
[12] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1263 ff. Vgl. SPJ 1997, S. 112.12
[13] Plangenehmigung: siehe unten, Teil I, 6d (Législation). Studien: NZZ, 21.10.98; TA, 21.10. und 22.10.98. Das BAW publizierte eine weitere Studie zur Lage der KMU in der Schweiz (Presse vom 30.10.98).13
[14] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1355 ff.; TA, 26.8.98 (UBS). Vgl. SPJ 1997, S. 112 f.; BaZ, 16.12.98.14
[15] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1363. Vgl. SPJ 1997, S. 113.15
[16] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1883 ff. Vgl. SPJ 1997, S. 114 ff.16
[17] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1163 ff., 1341 und 1403; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2542 ff. und 2958; BBl, 1998, S. 5726 ff. Der gegenstandslos gewordenen Standesinitiative des Kantons Tessin für die Ausarbeitung eines Spielbankengesetzes wurde auch vom NR keine Folge gegeben (Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1949 f.).17
[18] NLZ, 23.4.98 (Verordnung); NZZ, 29.4. (Kantone), 10.6 und 18.6.98 (Sarnen). Vgl. auch die Erläuterungen des BR in Amtl. Bull. StR, 1998, S. 842 f.; BüZ, 30.4.98 sowie SPJ 1996, S. 112 (Moratorium).18
[19] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2823 f. (Motion Gadient, svp, GR); Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1264 f. (Motion Hess, fdp, OW).19
[20] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1517 f.20
[21] BBl, 1999, S. 3155 ff.; BaZ, 31.3.98 und NZZ, 4.4.98 (Vernehmlassung); Presse vom 15.12.98; Plädoyer, 1998, Nr. 1, S. 22 f. und Nr. 2, S. 2 f. Vgl. SPJ 1997, S. 116.21
[22] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1367 ff.22
[23] NZZ, 19.6.98. Vgl. SPJ 1997, S. 117 und SHZ, 7.10.98.23
[24] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 736. Zum Stand der Vorarbeiten zur GmbH-Reform siehe die Antwort des BR auf eine Interpellation Wicki (cvp, LU) in Amtl. Bull. StR, 1998, S. 172 f. Vgl. auch SPJ 1997, S. 116 f. und NZZ, 29.12.98.24
[25] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2177 ff.25
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