Allgemeine Chronik
Öffentliche Finanzen
Das Parlament verabschiedete eine Gesetzesreform zum rascheren Ausgleich der kalten Progression und eine Vorlage zur steuerlichen Entlastung von Familien. – Eine Totalrevision des Mehrwertsteuergesetzes wurde vom Parlament diskutiert und angenommen. – Die Staatsrechnung 2009 schloss mit einem Überschuss von 2,7 Mia Fr. – Das vom Parlament beschlossene Budget sah ein Defizit von 2,4 Mia Fr. vor, dies vor allem wegen der Rezession. – Die Kantone erzielten 2009 einen Gewinn von 2,4 Mia Fr. und budgetierten für 2010 Defizite von insgesamt 2,3 Mia Fr.
Allgemeine Fragen
Mit einer Motion wollte Ständerat Büttiker (fdp, SO) die
Befugnisse der Schweizerischen Steuerkonferenz beschneiden
(SSK) und diese wieder auf die informelle Ebene zurückführen. Die SSK hat die Rechtsform eines Vereins, ihr gehören alle 26 kantonalen Steuerverwaltungen und die Eidgenössische Steuerverwaltung an. Sie unterstützt die Arbeit dieser Ämter mit Wegleitungen, Kreisschreiben und Publikationen, die jedoch keinen bindenden Charakter haben. Die Motion Büttiker richtete sich gegen den zunehmend grösseren Einfluss, den diese Institution auf die Politik ausübe ohne dazu formal berechtigt zu sein. Der Bundesrat anerkannte Probleme in der Kommunikation und im Dialog mit anderen Akteuren, empfahl jedoch die Ablehnung der Motion, da er Probleme bei der rechtlichen Umsetzung sah. Gegen diese Argumente nahm der Ständerat die Motion an. Im Nationalrat war von Sylvia Flückiger-Bäni (svp, AR) eine gleichlautendende Motion hängig
[1].
Direkte Steuern
Zu den kantonalen Steuervorlagen siehe unten, Teil II, 2b (Steuern).
Der
Ausgleich der kalten Progression beschäftigte das Parlament auch im Berichtsjahr. Nach der Überweisung von mehreren Motionen im Jahr 2008 legte der Bundesrat nun eine Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer vor, die einen rascheren Ausgleich der Folgen der kalten Progression vorschlägt. Der Vorschlag des Bundesrates sah vor, dass die Folgen der kalten Progression künftig bei einer seit dem letzten Ausgleich kumulierten Teuerung von mindestens 3% auszugleichen sei. Erstmals soll dies für das Steuerjahr 2010 erfolgen, sofern das Gesetz spätestens in der Sommersession 2009 verabschiedet und die Referendumsfrist ungenützt ablaufen würde
[2].
Der Nationalrat beschloss Eintreten ohne Gegenantrag. Die Voten der Fraktionssprecher machten klar, dass alle sich darüber einig waren, die Folgen der kalten Progression besser auszugleichen. Umstritten war allerdings, wie diese Verbesserung zu erzielen sei. Dabei stellte sich eine Minderheit aus FDP und SVP auf den Standpunkt, dass die kalte Progression jährlich ausgeglichen werden sollte und nicht erst, wenn sich die Teuerung auf 3% kumuliert hätte. Weiter verlangte die Minderheit auch, dass ein Passus aufgenommen werde, nachdem bei negativem Teuerungsverlauf eine Anpassung der Steuertarife ausgeschlossen sei. Eine grüne Minderheit wollte einen Ausgleich erst nach 4% Teuerung vornehmen. Die SP- und CVP/EVP/glp-Fraktion standen dem Minderheitsantrag von SVP und FDP kritisch gegenüber, weil mit dem jährlichen Ausgleich auch ein erhöhter administrativer Aufwand insbesondere bei den Kantonen verbunden sei. Bei den kantonalen Finanzdirektoren war dieser Vorschlag auch mehrheitlich auf Ablehnung gestossen. Die bürgerliche Minderheit und damit die jährliche Anpassung setzte sich in der Abstimmung mit 96 zu 77 durch.
Eine weitere umstrittene Frage war die des
Inkrafttretens der Änderung. Die Kommissionsmehrheit bevorzugte den 1. November 2009, dies im Gegensatz zum Bundesrat, der das Gesetz nach dem Ablauf der Referendumsfrist oder mit seiner Annahme in der Volksabstimmung in Kraft setzen wollte. In der Abstimmung setzte sich die Kommissionsmehrheit durch. In der abschliessenden Gesamtabstimmung, in der das Gesetz mit 112 zu 48 Stimmen angenommen wurde, sprachen sich die bürgerlichen Fraktionen praktisch geschlossen für die Vorlage aus während die Ratslinke sie ablehnte
[3].
In der Detailberatung des
Ständerates schlug die Kommissionsmehrheit vor, sich dem Beschluss des Nationalrates anzuschliessen und die Folgen der kalten Progression jährlich auszugleichen. Der Rat folgte seiner Kommission mit 28 gegen 11 Stimmen. In der Frage der Inkraftsetzung schlug die Kommissionsmehrheit den 1. Januar 2010 vor. Eine Kommissionsminderheit hingegen plädierte für den 1. Januar 2011. Insbesondere für die Anpassung der Prozedur bei der Erhebung der Quellensteuer sei dieses Datum besser geeignet. Diese Sicht setzte sich im Rat durch, der Minderheitsantrag wurde mit 26 zu 10 Stimmen angenommen. Somit verblieb in der Frage der Inkraftsetzung eine Differenz mit dem Nationalrat. Diese wurde erst in der Einigungskonferenz zugunsten des Vorschlags des Ständerates aufgehoben. Das Gesetz wurde in der Schlussabstimmung in beiden Kammern einstimmig angenommen
[4].
Zu den steuerlichen Förderungsmittel im Bereich des Wohnungswesens sowie den Bausparinitiativen siehe unten, Teil I, 6c (Wohnungsbau und -eigentum).
Zu den Steuerabzügen für Aus- und Weiterbildungskosten siehe unten, Teil I, 8a (Einleitung).
Im Februar schickte der Bundesrat die Vorlage zur
steuerlichen Entlastung von Familien in die Vernehmlassung. Damit soll eine rasche Entlastung von Familien erreicht werden ohne dabei jedoch einen Systemwechsel bei der Ehegattenbesteuerung zu forcieren. Ein solcher Systementscheid war nach einer ersten Vernehmlassung als nicht mehrheitsfähig eingestuft und deshalb vorläufig vertagt worden
[5].
Die neue Vorlage enthielt deshalb nur rasch umsetzbare Verbesserungen bei der Berücksichtigung der Kinderkosten im Steuerrecht. Das Ziel der Reform war die Verbesserung der horizontalen Steuergerechtigkeit in zweierlei Hinsicht. Einerseits sollen Steuerpflichtige mit und ohne Kinder steuerlich gleicher gestellt werden. Andererseits sollen auch erwerbstätige Eltern, welche ihre Kinder fremdbetreuen lassen, und Haushalte, bei denen ein Elternteil die Kinder selbst betreut, steuerlich nach Massgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit möglichst gleichbehandelt werden. In der Vernehmlassung wurden zwei Ausprägungen der Reform zur Diskussion gestellt. Die Kombinationslösung beinhaltete einerseits die Erhöhung des Kinderabzuges und andererseits die Einführung eines Abzuges für die Fremdbetreuung der Kinder. Bei der Alternative Elterntarif wurde die Einführung eines dritten Tarifs für Ehepaare mit Kindern und alleinerziehende Steuerpflichtige statt der Erhöhung des Kinderabzuges vorgeschlagen.
Die Auswertung der Vernehmlassung zeigte, dass die generelle Zielsetzung der Reform, nämlich die steuerliche Entlastung von Familien, grossmehrheitlich begrüsst wird. Auch war relativ unbestritten, einen Abzug für die Kosten der Fremdbetreuung von Kindern einzuführen. Ob dafür jedoch eine Erhöhung des Kinderabzuges bei der direkten Bundessteuer oder die Einführung eines Elterntarifs die bessere Lösung sei, war umstritten. Praktisch alle Kantone, die Finanzdirektorenkonferenz sowie fünf bürgerliche Parteien und mehrere Organisationen (zum Beispiel Economiesuisse) sprachen sich für die Erhöhung des Kinderabzuges und damit für die Kombinationslösung aus. Für den Elterntarif votierten die SP, die Grünen und die CVP, die Sozialdirektorenkonferenz sowie die Mehrheit der Organisationen (zum Beispiel die Gewerkschaften). Der Bundesrat sprach sich schliesslich für den Elterntarif aus mit der Begründung, dass damit den beiden Stossrichtungen der Reform am besten Rechnung getragen werde. Insbesondere werden Familien mit mittlerem Einkommen mit dem Elterntarif stärker entlastet als mit der Kombinationslösung.
Konkret schlug der Bundesrat in seiner im Mai vorgelegten Botschaft an das Parlament vor, für Familien mit Kindern bei der direkten Bundessteuer einen Elterntarif einzuführen. Dieser Tarif führt zu einer Entlastung von 170 Fr. pro Kind, die den bestehenden Kinderabzug ergänzt. Weiter soll bei der direkten Bundesssteuer ein Abzug für die Fremdbetreuung von Kindern bis zum 14. Altersjahr von maximal 12 000 Fr. pro Jahr eingeführt werden. Die Kantone werden verpflichtet, einen entsprechenden Abzug auch im kantonalen Recht einzuführen. Die Kantone können frei über die Obergrenze eines solchen Abzuges befinden, fast alle kennen bereits heute einen entsprechenden Abzug.
Neben der steuerlichen Entlastung von Familien mit Kindern soll durch eine Änderung des Steuerharmonisierungsgesetzes die
Tarifautonomie der Kantone bei der Besteuerung von Alleinerziehenden nach deren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit wiederherstellt werden. Dies bedeutet, dass Alleinerziehende und Konkubinatspaare künftig nach dem schärferen Tarif besteuert werden und nicht mehr der mildere Verheiratetentarif angewendet wird. Ausserdem sollen Eltern, die nicht gemeinsam besteuert werden, jedoch das gemeinsame Sorgerecht besitzen, unter bestimmten Voraussetzungen je die Hälfte des Kinderabzuges geltend machen können. Diese Reformvorschläge führen zu Mindereinnahmen von rund 600 Mio Fr. Davon fallen fast 500 Mio Fr. an den Bund, während die Kantone Mindereinnahmen von 100 Mio Fr. erwarten
[6].
Der Ständerat beschloss Eintreten ohne Gegenantrag. Ein Rückweisungsantrag von Maximilian Reimann (svp, AG) blieb chancenlos. Reimann hatte argumentiert, dass die aktuelle Vorlage Familien benachteilige, die ihre Kinder vollumfänglich selbst betreuen würden. In der Detailberatung war vor allem die Höhe des Kinderbetreuungsabzuges sowie das Datum der Inkraftsetzung des Gesetzes umstritten. Beim maximal abzugsfähigen Betrag für die Kinderbetreuung wurde diskutiert, ob dieser wirklich 12 000 Fr. betragen sollte oder doch nur 8500 Fr. wie von einer die politischen Lager übergreifenden Minderheit gefordert wurde. Diese argumentierte, dass die effektiven Betreuungskosten heute durchschnittlich zwischen 5000 und 6000 Fr. lägen und nicht wenige Kantone einen wesentlichen tieferen Betrag für den Abzug vorsehen. Auch könnte dadurch, dass so viel mehr Geld für die Kinderbetreuung als für den Kinderabzug ausgegeben werde, tatsächlich der Eindruck entstehen, dass Frauen, die ihre Kinder selbst betreuen, benachteiligt seien. Mit 25 zu 15 Stimmen setzte sich jedoch die Kommissionsmehrheit und damit die Fassung des Bundesrates durch.
Was die Frage der Inkraftsetzung des neuen Gesetzes anbelangte, sprach sich die vorberatende Kommission für einen früheren, rückwirkenden Termin aus (1. Januar 2010). Der Bundesrat hatte für den 1. Januar 2011 plädiert und argumentierte, die rückwirkende Inkraftsetzung sei vollzugstechnisch faktisch ausgeschlossen, dies vor allem wegen der echten Gegenwartsbemessung der quellenbesteuerten Personen. Der Rat schloss sich dieser Argumentation an und folgte dem Bundesrat. In der Gesamtabstimmung wurde das Gesetz nach der Vorlage des Bundesrates mit 36 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen.
Im Nationalrat wurde von der grünen Fraktion Nichteintreten sowie von zwei linken Minderheitsanträgen Rückweisung gefordert, mit dem Auftrag, zuerst darzulegen wie sich die Einkommensausfälle in Zeiten der Krise auf den Finanzhaushalt auswirken. Diese Anträge fanden jedoch keine Rückendeckung und wurden klar verworfen. In der Detaildebatte erzeugte wiederum die genaue Ausgestaltung des Kinderbetreuungsabzuges und des Kinderabzuges am meisten Diskussion. Die SVP argumentierte wiederum, dass die Vorlage die traditionelle Familie, die sich selbst um die Kinder kümmere, benachteilige. Deshalb verlangte sie einen Abzug für alle Familien und nicht nur für jene, die ihre Kinder auswärts betreuen liessen. Dieser Minderheitsantrag blieb jedoch ohne Chancen im Rat.
Bei der exakten Ausgestaltung der Abzüge setzte sich nach langer Diskussion schliesslich der Vorschlag von Lucrezia Meier-Schatz (cvp, SG) durch, der den neuen Abzug für die Kinderbetreuung auf 10 000 statt 12 000 Fr. beschränkt, im Gegenzug jedoch den Rabatt auf den Steuerbetrag von 170 auf 250 Fr. pro Kind erhöht. Diese Ausgestaltung der Abzüge richtet die Steuerreform stärker auf die tieferen Einkommen aus und wurde deshalb von den Linken und der CVP unterstützt.
In der Frage der Inkraftsetzung folgte der Nationalrat der Kommissionsmehrheit, die auf einer frühen Einführung der Reform beharrte, und sprach sich für den 1. Januar 2010 als Einführungsdatum aus. Die Kommission argumentierte, dass nur so eine möglichst rasche Entlastung der Familien durchgesetzt werden könne und auch ein Zeichen für die Ankurbelung der Konjunktur gesetzt werden könne. In der Gesamtabstimmung passierte die Gesetzesvorlage schliesslich mit 135 zu 21 Stimmen.
In der
Differenzbereinigung hielt der Ständerat stillschweigend an der Inkraftsetzung 2011 fest, während er in der Frage der Höhe der Steuerabzüge auf die Regelung des Nationalrates einschwenkte. Der Nationalrat stimmte in der zweiten Lesung der späteren Inkraftsetzung zu, worauf das Geschäft noch in der gleichen Session definitiv verabschiedet werden konnte
[7].
Eine diesem Geschäft sehr ähnliche Motion Schmidt (cvp, VS), die verlangt hatte, dass
Kinderbetreuungskosten steuerlich abgezogen werden können, wurde im Juni im Nationalrat noch angenommen, während sie im August im Ständerat kein Gehör mehr fand, da das Problem mittlerweile durch die obengenannte Gesetzesänderung gelöst worden war
[8].
Im Berichtsjahr war auch die
Ehepaarbesteuerung und ein möglicher Übergang zur Individualbesteuerung wieder ein Thema. Im Ständerat wurde eine Motion der FDP-Fraktion sowie drei Standesinitiativen aus den Kantonen Zürich, Bern und Basel-Stadt überwiesen, die einen Übergang zur Individualbesteuerung forderten. Während sich die Kommissionsmehrheit für eine Ablehnung aussprach, weil die Vorschläge schon zu sehr eine Richtung vorgeben würden und zum Teil noch aus der Zeit vor der Diskussion von Sofortmassnahmen zur Ehepaarbesteuerung stammten, beschloss der Rat alle zu überweisen. Im Nationalrat hatten alle Vorstösse keine Chance und wurden diskussionslos abgelehnt. Auch wurde vom Ständerat eine parlamentarische Initiative Schwaller (cvp, FR) angenommen, die die sofortige Beseitigung der Heiratsstrafe mittels Teilsplitting forderte. Auch hier war dem Rat wichtig, das Thema Ehepaarbesteuerung weiterzuverfolgen. Der Nationalrat lehnte diese Initiative jedoch diskussionslos ab
[9].
Nachdem der Ständerat schon im Vorjahr die Vorlage über die Abzugsfähigkeit von Zuwendungen an politische Parteien nach dem Entwurf der Kommission gutgeheissen hatte, behandelte nun auch der Nationalrat dieses Geschäft, das auf eine parlamentarische Initiative Reinmann (svp, AG) zurückgeht. Dabei wird angestrebt, für die steuerliche Berücksichtigung der Parteispenden eine klare Rechtsgrundlage zu schaffen. Die Gesetzesvorlage sieht vor, dass neu nachweisbare Spenden bis zu 10 000 Fr. bei der direkten Bundessteuer in Abzug gebracht werden können. Bei den Kantonalsteuern soll der Kanton die Höchstgrenze festlegen.
In der
Detailberatung war vor allem die Obergrenze von 10 000 Fr. umstritten. Während einige Ratsmitglieder diese als zu hoch erachteten, wollte eine linke Minderheit diesen Betrag auf 20 000 Fr. erhöhen unter der Bedingung, dass die Zuwendungen offengelegt werden müssen. Schliesslich setzte sich der im Entwurf festgelegte Höchstbetrag von 10 000 Fr. durch. Anders als der Ständerat wollte die grosse Kammer jedoch nichts davon wissen, den Steuerabzug auch juristischen Personen zuzugestehen. Sie schloss sich mit dieser Meinung dem Bundesrat an, der bereits darauf hingewiesen hatte, dass Unternehmen andernfalls zweimal steuerlich entlastet würden, da sie bereits heute Beiträge an politische Parteien als „Polit-Sponsoring“ abziehen können. Der Ständerat stimmte diesem Punkt in der Differenzbereinigung zu. Der Entwurf wurde in der Schlussabstimmung mit 37 zu 4 (Ständerat) bzw. 140 zu 43 (Nationalrat) angenommen
[10].
Mit einer Motion verlangte Ständerat Kuprecht (svp, SZ)
Vereine von der Steuerpflicht zu befreien. Speziell Vereine, die ihre Erträge und Vermögensmittel für ideelle Zwecke, namentlich die Jugend- und Nachwuchsförderung einsetzen, sollen ganz oder zu einem bestimmten Betrag steuerbefreit werden. Kuprecht argumentierte, dass Vereine eine wichtige Funktion für die Gesellschaft erfüllen und deshalb einer Spezialbehandlung durch die Steuerbehörde sinnvoll sei. In seiner Antwort lobte der Bundesrat denn auch die vielfältigen Funktionen von Vereinen und deren Verdienste für die Gesellschaft. Er stellte sich der Motion jedoch ablehnend gegenüber, da die Abgrenzung von Selbsthilfezwecken und ideellem Handeln in der Praxis schwer umzusetzen sei und ausserdem die Jugend- und Nachwuchsförderung bereits unter geltendem Recht steuerbefreit sei. Der Ständerat nahm jedoch die Motion an
[11].
Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz hatte im Mai 2008 eine
Volksinitiative mit dem Titel „Für faire Steuern. Stopp dem Missbrauch beim Steuerwettbewerb “
(Steuergerechtigkeitsinitiative) eingereicht. Diese Initiative soll den Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen und Gemeinden einschränken. Die vorgeschlagene Regelung umfasst die folgenden Punkte: Der Grenzsteuersatz soll bei einem steuerbaren Einkommen ab 250 000 Fr. in allen Kantonen mindestens 22% betragen, der Satz für Vermögen ab 2 Mio Fr. mindestens 5 Promille. Zudem soll ein Verbot von degressiven Steuermodellen in der Verfassung festgeschrieben werden. Der Bundesrat lehnte diese Initiative ohne Gegenvorschlag ab. Dies insbesondere deshalb, weil sie zu Eingriffen des Bundes in die Steuerautonomie der Kantone und Gemeinden führen würde. Der Ständerat folgte im November dem Bundesrat und lehnte die Initiative mit 30 zu 9 Stimmen ab
[12].
Eine parlamentarische Initiative der Kommission für Wirtschaft und Abgaben regt an, die ausländischen Mitglieder der elektronischen Börse SWX Europe (vormals virt-x) von der
Stempelabgabe zu befreien. Dies sei nötig geworden, nachdem der Verwaltungsrat der SIX Group entschieden hatte, den Schweizer Blue-Chips-Handel von London zurück nach Zürich zu verlegen. Die Transaktionen von nicht schweizerischen Teilnehmern dieses Handels waren in London nicht abgabepflichtig, wären es aber nach der Repatriierung geworden, da diese als Effektenhändler gelten. Um diese „Remote Members“ nicht plötzlich durch Abgaben zu belasten und damit den Börsenplatz Schweiz zu gefährden, soll nun eine Rechtsgrundlage geschaffen werden, um diese Teilnehmer weiterhin von der Stempelabgabepflicht zu befreien. Der Ständerat stimmte dem Entwurf seiner Kommission im Dezember ohne Diskussion zu
[13].
Mit Hilfe einer Motion verlangte Hildegart Fässler-Oberwalder (sp, SG)
pensionierte Zoll- und Grenzwachtangehörige mit Wohnsitz im Fürstentum Liechtenstein von der Quellensteuerpflicht zu befreien und sie neu der Domizilbesteuerung zu unterstellen. Diese Personen werden mit dem hohen Quellensteuersatz besteuert obwohl Liechtenstein nicht offiziell als Ausland gilt und somit die Domizilbesteuerung zum Tragen kommen könnte. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion, zeigte sich jedoch offen, in nächsten Verhandlungen mit Liechtenstein dieses Anliegen anzusprechen und eine entsprechende Lösung zu suchen. Der Nationalrat beschloss mit 116 zu 41 die Überweisung der Motion
[14].
Mit einer Motion forderte Helen Leumann (fdp, LU) den Bundesrat auf, das
Bundesgesetz über die direkten Bundessteuern einer Teilrevision zu unterziehen
(DGB). Konkret geht es um darum, jene Artikel aus dem Gesetz zu entfernen, die durch den Wechsel der Vergangenheitsbemessung zur Gegenwartsbemessung obsolet geworden sind. Der Bundesrat berichtete in seiner Antwort, dass die Vorarbeiten hierzu schon weit gediehen seien und neben dem DBG auch gleich noch das Bundesgesetz über die Steuerharmonisierung und das Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer in der gleichen Art angepasst würden. Beide Räte überwiesen die Motion ohne Diskussion
[15].
Im Nationalrat wurden zwei Motionen behandelt, die das
Steuersystem für natürliche Personen vereinfachen wollen. Zum einen überwies er eine Motion Pfisterer (fdp, AG), die der Ständerat 2007 akzeptiert hatte und welche die Einführung eines neuen Steuersystems mit einer Flat-Tax oder wenigen Tarifstufen forderte. Weiter stimmte er für eine Motion der FDP-Fraktion, die eine Revision des DBG und des StGH forderte um die Besteuerung von natürlichen Personen zu vereinfachen. Zudem soll das Recht des Steuerzahlenden auf Einfachheit der Besteuerung verbrieft werden. Der Bundesrat äusserte Zweifel an diesem Vorhaben, insbesondere glaubte er, dass es in Widerspruch zu geltenden Bestimmungen in der Bundesverfassung geraten könnte und beantragte deshalb Ablehnung der Motion auch wenn er mit dem grundsätzlichen Ziel einer Vereinfachung der Besteuerung übereinstimmte. Der Nationalrat liess solche Bedenken nicht gelten und überwies die FDP-Motion diskussionslos mit 124 zu 63 Stimmen
[16].
Zur internationalen Amtshilfe bei Steuerdelikten siehe oben, Teil I, 4b (Banken).
Indirekte Steuern
Der Bundesrat hatte dem Parament im Juni 2008 eine Botschaft zur
Reform des Mehrwertsteuergesetzes vorgelegt. Diese Vorlage enthält zwei Teile: Teil A beinhaltet den Entwurf eines totalrevidierten Mehrwertsteuergesetzes, das zahlreiche Vereinfachungen vorsieht und generell anwendungsorientierter ist. Mit über 50 Einzelmassnahmen sollen die Unternehmen administrativ entlastet werden, die geltenden Steuertarife werden jedoch beibehalten. Hier setzt Teil B der Reform an, der alle Änderungsvorschläge des ersten Teils enthält, jedoch darüber hinaus einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz von 6,1% vorschlägt und weiter möglichst viele Ausnahmen abschaffen will. Der Bundesrat strebte die Umsetzung sowohl der in Teil A als auch der in Teil B enthaltenen Reformen an
[17].
Die vorberatende Kommission des Nationalrates beschloss zuerst nur Eintreten auf den Teil A der Reform und vertagte den Eintretensentscheid zu Teil B. Sie wollte damit eine möglichst rasche Beschlussfassung bezüglich des Teils A gewährleisten. Der Nationalrat hatte in der Folge über Eintreten auf Teil A der Vorlage zu befinden. Es lagen zwei Anträge auf Rückweisung vor. Ein erster wollte den Bundesrat beauftragen nur eine Teilrevision zu präsentieren und wurde von der SP, nicht aber von der grünen Fraktion unterstützt. Er scheiterte im Parlament deutlich. Auch ein zweiter Rückweisungsantrag von Nationalrat Zisyadis (al, VD), der eine komplette Neugestaltung der Mehrwertsteuer verlangt hatte, wurde klar abgelehnt.
In der Detailberatung des Nationalrates war der Sondersatz für Hotellerieleistungen umstritten. Der bundesrätliche Entwurf sah dessen Fortführung vor, die Ratslinke und die Grünen bekämpften diesen Sondersatz. Mit 109 zu 57 Stimmen setzte sich die bürgerliche Ratsmehrheit und Bundesrat Hans-Rudolf Merz durch. In der Frage des Verzichts auf die Befreiung von der Steuerpflicht, eine Regelung, die vor allem bei neugegründeten Firmen angewendet wird und diesen Anspruch auf den Vorsteuerabzug gibt, entschied der Rat nach Vorgabe seiner Kommissionsmehrheit, aber gegen den Bundesrat und die Ratslinke. Er setzte dabei insbesondere durch, dass der Verzicht rückwirkend auf bis zu drei zusammenhängende Steuerperioden ermöglicht werden soll. Die Kommission setzte sich mit ihrem Vorschlag auch bei der Erhöhung der unteren Umsatzgrenze für die Steuerpflicht von gemeinnützigen Institutionen, Sport- und Kulturverbänden von 100 000 auf 300 000 Fr. pro Jahr durch. Dieser Vorschlag wurde diskussionslos angenommen. Mehr zu reden gab die von der Kommission vorgeschlagene Verkürzung der Verjährungsfrist, also jener Frist, innerhalb derer die Steuerverwaltung eine Steuerforderung stellen kann. Die Kommission hatte entgegen dem Entwurf des Bundesrates eine Verkürzung dieser Frist von fünf auf drei Jahre gefordert. Eine links-grüne Minderheit sowie Bundesrat Merz argumentierten, dass eine solche Verkürzung nicht nur zu Steuerausfällen sondern auch zu administrativem Mehraufwand führen werde. Dennoch setzte sich die Kommissionsmehrheit, wenn auch relativ knapp, mit 81 zu 72 Stimmen durch. Eine vorwiegend aus SVP-Vertretern zusammengesetzte Minderheit wollte den Entwurf dahingehend ändern, für Mehrwertsteuerberater, Steuerexperten oder Treuhändler eine Art Berufsgeheimnis einzuführen und sie somit nicht der Auskunfts- und Offenlegungspflicht zu unterstellen. Dieser Antrag setzte sich gegen die Kommissionsmehrheit knapp mit 87 zu 86 Stimmen durch, dafür hatte neben der SVP- auch die FDP-Fraktion gestimmt. Die Vorlage wurde in der Gesamtabstimmung mit 110 zu 59 Stimmen angenommen, die Ratslinke hatte geschlossen dagegen, die bürgerlichen Fraktionen ebenso geschlossen dafür votiert.
Im Ständerat war die vom Nationalrat vorgenommene Erhöhung der Umsatzgrenze für die Steuerpflicht von gemeinnützigen Institutionen, Sport- und Kulturverbänden ein erster wichtiger Diskussionspunkt. Die Kommission schlug vor, dem bundesrätlichen Entwurf zu folgen und die Grenze auf 100 000 Fr. zu senken. Felix Gutzwiler (fdp, ZH) argumentierte für eine Beibehaltung der aktuell gültigen Grenze von 150 000 Fr. Der Rat entschied nur mit Stichentscheid seines Präsidenten Berset (sp, FR) mit 23 zu 22 für den Kommissionsvorschlag und damit in Abweichung der Fassung des Nationalrates. Auch im Unterschied zum Nationalrat hielt die kleine Kammer an der vom Bundesrat vorgeschlagenen fünfjährigen Verjährungsfrist fest und wollte diese nicht auf drei Jahre reduzieren. Weiter setzte der Ständerat geänderte Bestimmungen zum Strafrecht der Mehrwertsteuer durch und strich das vom Nationalrat neu eingeführte Auskunftsverweigerungsrecht für Steuerberater wieder. Dies vor allem weil die Berufsbezeichnung Steuerberater nicht geschützt ist und somit die Umsetzung dieses Artikels unklar bleiben würde. Unbestritten war im Ständerat auch die Fortführung des Sondersatzes der Mehrwertsteuer auf Hotellerieleistungen. In der Gesamtabstimmung wurde das Gesetz einstimmig bei 4 Enthaltungen angenommen.
Im
Differenzbereinigungsverfahren passierte im
Nationalrat ein von der WAK-NR ausgearbeiteter Kompromiss, die Umsatzlimite von Sport- und Kulturvereinen sowie von gemeinnützigen Organisationen auf dem bereits im bestehenden alten Gesetz festgeschriebenen Betrag von 150 000 Fr. zu belassen. Sonst schloss er sich weitgehend den Beschlüssen des Ständerates an. Der
Ständerat übernahm die vom Nationalrat bereinigte Version des Gesetzes ohne Debatte. In der Schlussabstimmung wurde das Gesetz im Ständerat einstimmig, im Nationalrat mit 4 Gegenstimmen gutgeheissen
[18].
Im Anschluss an die Debatte über die Reform der Mehrwertsteuer waren im Ständerat eine
Reihe von Motionen aus dem bürgerlichen Lager traktandiert, die alle auch
kleinere Anpassungen bei der Mehrwertsteuer vorschlugen. Sie wurden alle diskussionslos abgelehnt, da ihre Anliegen in die Reformvorlage aufgenommen worden waren
[19].
Bereits im Jahr 2007 hatte der Nationalrat eine Motion Studer (evp, AG) überwiesen, die eine
ökologische Steuerreform forderte. Dabei ging es konkret darum, dass der Bund auf nicht erneuerbare Energien eine Abgabe erhebt und dieses Geld zur Senkung der Steuerbelastung auf Arbeit verwendet. Der Ständerat befasste sich im Berichtsjahr mit der Motion und folgte ihr mit der Änderung, dass prinzipiell ein Bericht über die Wirksamkeit bestehender Rahmenbedingungen für den nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen gefordert wird sowie der Bundesrat beauftragt wird, eine Vorlage zu unterbreiten, welche diese Rahmenbedingungen verbessert und auch Elemente einer aufkommensneutralen Ökologisierung des Steuersystems enthält
[20].
Der Bundesrat schickte im Frühjahr den Vorentwurf für ein
Bundesgesetz über den Einkauf von Waren in Zollfreiläden auf Flughäfen in die Vernehmlassung. Dieses geht auf eine Motion Kaufmann (svp, ZH) aus dem Jahr 2006 zurück. Dabei sollen die Zollfreiläden der Schweizer Flughäfen auch für ankommende Passagiere geöffnet werden. Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer begrüsst die Vorlage des Bundesrates mit dem Verweis auf die positiven Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und den Tourismus sowie den europäischen und internationalen Wettbewerb
[21].
Zur CO2-Steuer siehe unten, Teil I, 6d (Politique de protection de l‘environment).
Ausgabenordnung
Als Zweitrat befasste sich der
Nationalrat mit der
Ergänzungsregel zur Schuldenbremse, die mittelfristig einen Schuldenanstieg durch ausserordentliche Ausgaben verhindern soll. Die Ratslinke verlangte Nichteintreten auf dieses neue Regime. Sie konnte sich jedoch mit ihren Anträgen nicht durchsetzen. Der Nationalrat verabschiedete den Gesetzesentwurf ohne grössere Änderung, einzig die Amortisationsfrist von sechs Jahren gab zu reden. Während die SVP-Kommissionsminderheit diese Frist auf vier Jahre verkürzen wollte, schlug das links-güne Lager vor, sie im Gegenteil auf zehn Jahre zu verlängern. Am Schluss setzte sich jedoch der bundesrätliche Vorschlag von sechs Jahren durch. Mit zwei kleinen Differenzen zum Erstrat wurde die Gesetzesanpassung im Nationalrat mit 117 zu 57 Stimmen gutgeheissen. Der Ständerat gab bei den kleinen Differenzen diskussionslos nach, worauf die Vorlage noch in der Frühlingsssession verabschiedet werden konnte. In der Schlussabstimmung wurde sie mit 33 zu 9 (Ständerat) bzw. 129 zu 61 (Nationalrat) angenommen
[22].
Im Oktober veröffentlichte der Bundesrat eine Botschaft mit Vorschlägen für
Ergänzungen im Finanzhaushaltsgesetz (FHG) sowie weiterer Bundesgesetze in den Bereichen Neues Rechnungsmodell, gewerbliche Leistungen sowie Inkasso und Prozessführung. Es handelt sich dabei insgesamt um Änderungen auf technischer Ebene, die jedoch eine Verbesserung der Rahmenbedingungen der Rechnungslegung sowie die vollständige Inkraftsetzung des FHG und dessen zweckmässige Anwendung ermöglichen
[23].
Sanierungsmassnahmen
Die SVP-Fraktion hatte 2005 eine Motion eingereicht mit dem Auftrag an den Bundesrat, ein
umfassendes Konzept zur Sanierung der Bundesschulden vorzulegen. Die ursprüngliche Behandlungsfrist von Ende 2006 wurde vom Nationalrat verlängert, der der Motion im März 2009 knapp mit 92 zu 90 Stimmen zustimmte. Im Ständerat hingegen herrschte die Meinung vor, dass das Verfallsdatum dieser Motion überschritten war; er lehnte sie deutlich ab
[24].
Staatsrechnung 2009
Die Staatsrechnung 2009 schloss mit einem Überschuss von 2,7 Mia Fr. ab – was einer Verbesserung gegenüber dem Voranschlag um 1,8 Mia Fr. entspricht. Die Einnahmen fielen um 1% höher aus als erwartet und lagen bei 60,9 Mia Fr. Dabei wird deutlich, dass sich die Rezession noch kaum auf die Einnahmen ausgewirkt hat, dies mit Ausnahme der Mehrwertsteuereinnahmen, die ein Minus von 3,3% gegenüber dem Vorjahr verzeichneten. Die Ausgaben haben im Jahr 2009 um 1,6 Mia Fr. oder 2,9% zugenommen. Trotz des Wachstums lagen sie deutlich unter den Vorgaben des Budgets (-792 Mia). Das grösste Ausgabenwachstum verzeichneten der Bereich Verkehr (+7,4% oder +561 Mio), was vor allem auf vorgezogene Investitionen als Konjunkturstabilisierungsmassnahme zurückzuführen ist. Auch zugelegt haben im Berichtsjahr die Bereiche Beziehungen zum Ausland (+8% oder +193 Mio), Bildung und Forschung (+7,0% oder +376 Mio), Landwirtschaft und Ernährung (+4% oder +141 Mio) sowie der grösste Ausgabenblock Soziale Wohlfahrt (+3,5% oder +615 Mio). Weniger ausgeben musste der Bund insbesondere für Finanzen und Steuern (-6,8% oder -750 Mio) und für die Landesverteidigung (-0,5% oder -21 Mio).
Die
Erfolgsrechnung schloss im Vergleich zur Finanzierungsrechnung mit einem um 164 Mio Fr. unwesentlich höheren Überschuss ab. Die Bruttoschulden sind im Jahr 2009 wieder geringfügig gestiegen (+0,8 Mia), dies nachdem sie in den vergangenen drei Jahren um rund 10 Mia Fr. abgebaut werden konnten. Diese Zunahme steht in Zusammenhang mit der Neugestaltung des Finanzausgleichs (NFA)
[25].
Voranschlag 2010
Das dem Parlament vorgelegte
Budget 2010 sah bei veranschlagten Ausgaben von 60 668 Mio Fr. und Einnahmen von 58 208 Mio Fr. ein
Defizit von 2,4 Mia Fr. vor. Diese dramatische Verschlechterung gegenüber dem Finanzplan 2010 zeigt vor allem die Konsequenzen der Rezession. Die Ausgaben nehmen um 2,5% zu, dabei werden auch 2010 die Ausgaben für die soziale Wohlfahrt am meisten wachsen (um 1108 Mio oder +7,1%), jedoch soll auch in den Aufgabengebieten Bildung und Forschung (+384 Mio oder +6,7%), Landesverteidigung (+325 Mio oder +7,1%) sowie Verkehr (+183 Mio oder +2,4%) mehr ausgegeben werden. Die grösste relative Erhöhung ist jedoch im Bereich Wirtschaft vorgesehen (+162 Mio oder +37,4%), dies ist vor allem auf Ausgaben im Rahmen der 3. Stufe der Massnahmen zur Stabilisierung der Konjunktur zurückzuführen. Der Bundesrat rechnete auch mit geringeren Einnahmen als in den vergangenen Jahren. Sie gehen im Voranschlag gegenüber dem Vorjahr um 1,8 Mia Fr. bzw. 3,1% zurück. Diese Mindereinnahmen sind vor allem auf geringere Erträge aus der direkten Bundessteuer (-1185 Mio oder -6,7%) und der Mehrwertsteuer (-980 Mio Fr. oder -4,6%) zurückzuführen
[26].
Der
Ständerat veränderte in seiner Debatte den bundesrätlichen Entwurf nur wenig. Einzig in zwei Punkten sprach sich der Rat gegen den ursprünglichen Entwurf aus. So folgte er seiner Finanzkommission, die den Personalaufwand nicht wie der Bundesrat um 3,5%, sondern um 2,5% erhöhen wollte. Dem Denkmal- und Heimatschutz bewilligte er statt der vorgesehenen 21 Mio neu 30 Mio Fr.; dies einem Minderheitsantrag Altherr (fdp, AR) folgend. Weiter wurden zwei Minderheitsanträge abgelehnt, die eine Erhöhung der Zuwendungen für die Dopingbekämpfung im Sport um 1 Mio Fr. sowie weitere 25 Mio Fr. für Erdwärmeprojekte gefordert hatten – letzterer scheiterte allerdings nur knapp mit 19 zu 17 Stimmen. In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat alle aufgelegten Budgetbeschlüsse einstimmig an
[27].
Zu Beginn der Debatte im
Nationalrat lagen drei Minderheitsanträge vor. Die Grüne Fraktion forderte Rückweisung, mit dem Auftrag an den Bundesrat, dem Parlament aufzuzeigen, wie die Einnahmeausfälle als Folge der Krise und als Folge der Parlamentsbeschlüsse zu Familienbesteuerung, Ausgleich der kalten Progression und Mehrwertsteuer im Rahmen des Voranschlags 2010 bewältigt werden könnten. Auch die SVP-Fraktion stellte einen Antrag auf Rückweisung, diesmal mit dem Auftrag ausgabenseitig 1,5 Mia Fr. einzusparen. Beide Rückweisungsanträge wurden deutlich abgelehnt. Der dritte Minderheitsantrag mit Sprecherin Margret Kiener Nellen (sp, BE), forderte die Erhöhung des Höchstbetrages der Gesamtausgaben als Folge der Krise. Auch dieser Antrag fand keine Mehrheit und wurde relativ deutlich abgelehnt. In der Detailberatung schuf der Nationalrat mehrere Differenzen zum Ständerat. So beschloss er, am bundesrätlichen Entwurf festzuhalten und den Personalaufwand nicht zu senken. Eine zweite Differenz entstand mit dem Beschluss, den Posten „Imagekampagne in den USA“ von Präsenz Schweiz zu streichen. Weiter wurde kein Geld für die Einrichtung einer zentralen Datenbank im Zusammenhang mit der Einführung der biometrischen Pässe bewilligt. Auch kürzte der Rat das Budget des EFD um 6 Mio Fr. sowie auch den Beratungsaufwand des UVEK. Der Nationalrat sprach sich umgekehrt für die Erhöhung der Mittel der Anti-Doping Stiftung und des Alpinen Museums aus sowie für die Förderung der Fernwärme mit 25 Mio Fr. In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat alle Budgetbeschlüsse an, den Voranschlag 2010 mit 181 zu 7 Stimmen
[28].
Damit ging die Vorlage in die
Differenzbereinigung. Hier setzte sich der Nationalrat bei der zusätzlichen Million für die Anti-Doping Agentur, der zusätzlichen Förderung der Fernwärme, der Unterstützung des Schweizerischen Alpinen Museums Bern mit 520 000 Fr. sowie der Kürzungen bei der Einführung des biometrischen Passes, der Gelder für Präsenz Schweiz sowie der Beratungshonorare im UVEK durch. Der Ständerat konnte sich bei der Kürzung des Personalaufwandes des Bundes durchsetzen
[29].
Bund, Kantone und Gemeinden budgetierten für das Jahr 2010 ein
Defizit
von über 10 Mia Fr., dies entspricht einer deutlichen Verschlechterung gegenüber dem Vorjahr, in dem ein Finanzierungsdefizit von 5 Mia Fr. prognostiziert worden war. Auf den Bund entfallen rund 3 Mia des Fehlbetrages, auf die Kantone 2,6 Mia. Die Gemeindefinanzen reagieren am wenigsten auf die Konjunkturschwankungen, sie weisen einen Fehlbetrag von 1,1 Mia Fr. aus. Der grösste Anstieg des Defizits geht auf das Konto der öffentlichen Sozialversicherungen, wo die erwartete hohe Arbeitslosigkeit 2010 bei der Arbeitslosenversicherung hohe Defizite zur Folge haben wird. Damit steigt die Defizitquote der öffentlichen Haushalte voraussichtlich auf insgesamt über 1,2% des BIP an. Der erwartete Anstieg der Schuldenquote wird moderat ausfallen, es ist mit 40,1% (+1,3%) zu rechnen. Damit bleibt die Schweiz unter den von der Europäischen Union im Rahmen der Maastricht-Verträge formulierten Obergrenzen
[30]
.
Finanzausgleich
Dem
Kanton St. Gallen sind aufgrund eines
Berechnungsfehlers 85 Mio Fr. beim neuen Finanzausgleich entgangen. Eine Motion Reimann (svp, SG) regte nun an, diese entgangenen Zahlungen über die Ausgleichszahlungen 2009/2010 zu 100% zu kompensieren. Dieser Forderung wurde von beiden Räten zugestimmt und die Motion somit überwiesen
[31]
.
Finanzhaushalt der Kantone
Die Kantone hatten im Berichtsjahr gemäss der offiziellen Rechnung
Ausgaben in Höhe von 79,9 Mia Fr. Damit ergab sich ein Finanzierungsüberschuss von 2,4 Mia Fr., dies nachdem in den Voranschlägen noch von einem Defizit die Rede war. Das Endergebnis fiel damit um 3,2 Mia Fr. besser aus als erwartet. 17 Kantone schlossen mit einem Überschuss ab und konnten einen Teil ihrer Schulden abtragen, neun Kantone (UR, SZ, OW, GL, FR, BS, TI, JU, NE) wiesen einen Finanzierungsfehlbetrag aus
[32].
Für das
Jahr 2010 rechneten die Kantone
mit einem Defizit von 2,3 Mia Fr. Dieser Fehlbetrag kommt insbesondere durch sinkende Einnahmen (-5.1%) zustande, die Ausgaben reduzieren sich nur leicht (-1,5%). Mit schwarzen Zahlen rechneten nur wenige Kantone (BE, BS, AG, VS), die absolut grössten Fehlbeträge wurden in den Kantonen Zürich, Genf, Basel-Stadt und Tessin erwartet
[33].
Weiterführende Literatur
Brülhart, Adrian, „Die öffentlichen Finanzen der Schweiz“, in Die Volkswirtschaft, 2010, Nr. 4, S. 44-47.
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BBl, 2009, S. 6667ff.
[8]
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, S. 4991 ff.;
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[19]
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[20]
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[21]
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SJP 2006, S. 158.
[22]
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AB SR, 2009, S. 206 und 282. Siehe auch
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[23]
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[24]
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AB SR, 2009, S. 352 f.
[25] Eidg. Finanzverwaltung,
Botschaft zur Staatsrechnung 2009, Bern 2010.
[26] Eidg. Finanzverwaltung,
Bundesbeschlüsse über den Voranschlag 2010, Bern 2010.
[27]
AB SR, 2009, S. 1023 ff.
[28]
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[29]
AB SR, 2009, S. 1174 ff. und 1260 f.;
AB NR, 2009, S. 2144 ff.
[31]
AB NR, 2008, S. 1555 f.;
AB SR, 2009, S. 112 f.
[32] Auswertungen der Rechnungen 2009 der Fachgruppe für kantonale Finanzfragen.
[33] Auswertungen der Rechnungen 2009 der Fachgruppe für kantonale Finanzfragen.