Volksinitiative «zum Ausbau von AHV und IV»

Dossier: Revisionsideen zur Altersvorsorge 1990

Anderer Ansicht waren die Sozialdemokraten und Gewerkschaften. Wie bereits 1989 angekündigt, lancierten SP und SGB eine gemeinsame Volksinitiative «zum Ausbau von AHV und IV». Grundidee dieses Volksbegehrens ist es, die Gewichte von der zweiten Säule (BVG) zur ersten Säule (AHV/IV) hin zu verschieben, ohne gleich zur Volkspension überzugehen. Die heute auf die Existenzsicherung ausgerichtete AHV soll für sich allein und ohne die berufliche Vorsorge den Hauptbeitrag zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit auf der Basis der gewohnten Lebenshaltung leisten.

Die weiteren Schwerpunkte der Initiative sind: Aufstockung aller AHV/IV-Renten unter besonderer Berücksichtigung der niederen Einkommen, geschlechts- und zivilstandsunabhängige Renten, Erziehungs- und Betreuungsgutschriften sowie Rentenalter 62 für Frauen und Männer. Die zweite Säule würde um das reduziert, was der Ausbau der ersten erbringt. Ausdrücklich in der Verfassung verankern will die Initiative die Freizügigkeit beim Wechsel einer Pensionskasse.

Nach Auffassung der Initianten würden sich die Ausgaben für die erste Säule um 7,5 auf 29,9 Mia. Fr. erhöhen. Bund und Kantone sollten davon 25 anstatt wie heute 20% übernehmen, und der gemeinsame Beitrag von Arbeitnehmern und Arbeitgebern würde sich um 1,6 auf 11,2 Lohnprozente erhöhen. Die Einsparungen bei der zweiten Säule wurden auf mindestens 2,3 Mia. Fr. beziffert. Diese Zahlen wollten allerdings die Vertreter der Pensionskassen nicht gelten lassen, und sie sagten der Initiative schon vor deren Lancierung den Kampf an.

Die PdA, die in der vorbereitenden Expertengruppe mitgearbeitet hatte, wurde aus dem Initiativkomitee wieder 'ausgeladen', da es, so der neue SP-Präsident Bodenmann, hier um die Profilierung einer politischen Bewegung gehe, und er den Eindruck habe, dass die PdA ohnehin von der Bildfläche verschwinden werde.

Gemäss den Ergebnissen einer Univox-Umfrage, scheint die Stimmung für das Anliegen der Initianten nicht ungünstig zu sein. So sprachen sich rund zwei Drittel der Befragten für einen AHV-Ausbau aus und nur gerade ein knappes Viertel dagegen. Unabhängig von Geschlecht, Alter, Lebensstandard, Sprachregion, Parteisympathie oder Wohngegend waren sich praktisch alle Befragten darin einig, dass die AHV-Renten nicht existenzsichernd sind.

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) und die SP reichten mit 118'264 gültigen Unterschriften ihre Volksinitiative «zum Ausbau von AHV und IV» ein, die zum Ziel hat, AHV und IV weitgehend existenzsichernd zu gestalten. Die Pensionskassen sollten dagegen abgebaut werden und deutlicher als heute die Funktion einer Zusatzversicherung erhalten. Gleichzeitig wollen die Initianten die Gleichstellung von Mann und Frau erreichen und die heutige Ehepaarrente durch eine Einzelrente (Splitting) ersetzen.

Der Bundesrat empfahl der Bundesversammlung, die 1991 eingereichte Volksinitiative der SP und des SGB "zum Ausbau von AHV und IV" ohne Gegenvorschlag abzulehnen. Er erachtete die Folgekosten dieser Initiative, die eine wesentliche Verschiebung von der 2. Säule (BVG) zur 1. Säule (AHV/IV/EL) anstrebt, für finanziell nicht verantwortbar. Die zuständige Ständeratskommission schloss sich dieser Sicht der Dinge an.

Die 1990 von der SP und dem SGB eingereichte Volksinitiative "zum Ausbau von AHV und IV" wurde vom Parlament, weil sie als zu weitreichend erachtet wurde, klar und ohne lange Diskussionen abgelehnt. Da diese Initiative primär die Frage der Finanzierung von AHV und IV angeht, zielt sie eigentlich auf die 11. AHV-Revision ab, welche sich vorrangig mit diesem Problemkreis befassen wird. Die Initiative verlangt eine Gewichtskorrektur zwischen erster und zweiter Säule, eine existenzsichernde Rente, eine Vorruhestandsregelung ab 62 Jahren bei ungekürzter Rente, volle Freizügigkeit beim Pensionskassenwechsel sowie eine Mindestbeteiligung des Bundes an der AHV von 25 Prozent.

Die 1990 von SP und SGB eingereichte Volksinitiative "zum Ausbau von AHV und IV", welche eine Verlagerung von der 2. Säule (Pensionskasse) auf die 1. Säule (AHV) und die Einführung einer Vorruhestandsregelung ab 62 Jahren verlangte, wurde von Volk und Ständen klar abgelehnt. Die stärkste Zustimmung fand die Vorlage im den Kanton Tessin mit über 43% der Stimmen, gefolgt von den Kantonen der Romandie, die - mit Ausnahme des Wallis - einen Ja-Anteil von über 30% aufwiesen. Die geringste Unterstützung - mit deutlich weniger als 20% der Stimmen - wurde in den beiden Appenzell und in Unterwalden registriert. Das gesamthaft negative Ergebnis war im Vorfeld der Abstimmung allgemein erwartet worden. Auch wenn, wie die Vox-Analyse zu diesem Urnengang zeigte, eine Mehrheit der Stimmenden der Meinung war, dass mit 62 eine Pensionierung ohne materielle Einbusse möglich sein sollte, überwogen doch die finanzpolitischen Bedenken gegenüber dieser Lösung.

Volksinitiative "zum Ausbau von AHV und IV"
Abstimmung vom 25. Juni 1995
Beteiligung: 40,3%
Nein: 1'307'302 (73,4%) / 20 6/2 Stände
Ja: 499'266 (27,6%) / 0 Stände

Parolen:
- Nein: FDP, CVP, SVP, LP, LdU, EVP, FP, SD, EDU; Vorort, SGV, SBV, Pensionskassenverbände
- Ja: SP, GP (1*), PdA; SGB
Stimmfreigabe: Lega; CNG

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative für die Gleichstellung der Geschlechter in den Sozialversicherungen

Dossier: Revisionsideen zur Altersvorsorge 1990

Einen – wenn auch sehr wesentlichen – Teilaspekt des Sozialversicherungsrechts griff die PdA auf, indem sie eine Volksinitiative für die Gleichstellung der Geschlechter in den Sozialversicherungen lancierte.

Die Volksinitiative der PdA "Gleiche Rechte in der Sozialversicherung", welche die generelle Gleichberechtigung der Frauen bei den Sozialversicherungen anstrebte, kam nicht zustande.

Eidgenössische Volksinitiative «Berufliche Vorsorge – Arbeit statt Armut»

Eine vom Alter unabhängige Beitragspflicht für die berufliche Vorsorge, die im Jahr nach der Vollendung des 17. Lebensjahres startet, wollte der Verein Workfair 50+ mit der Lancierung der eidgenössischen Volksinitiative «Berufliche Vorsorge – Arbeit statt Armut» erreichen. Dadurch könne den Entlassungen, die über 45-Jährigen aufgrund der höheren Lohnnebenkosten drohten, entgegengewirkt werden, erklärte der Verein. Sammelbeginn war am 10. Juli 2018, die Sammelfrist läuft bis am 10. Januar 2020.

Anfang Januar 2020 gab die Bundeskanzlei von den Medien unbemerkt bekannt, dass die Sammelfrist der Volksinitiative «Berufliche Vorsorge – Arbeit statt Armut» des Vereins Workfair 50+, die eine vom Alter unabhängige Beitragspflicht für die berufliche Vorsorge vorsah, ungenützt abgelaufen und die Initiative folglich im Sammelstadium gescheitert war.

Eidgenössische Volksinitiative «für eine generationengerechte Altersvorsorge (Vorsorge Ja – aber fair)»

Im April 2019 lancierte das Komitee «Vorsorge Ja – aber fair» die Volksinitiative «Für eine generationengerechte Altersvorsorge (Vorsorge Ja – aber fair)». Sie verlangt als allgemeine Anregung, dass die finanzielle Stabilität von AHV und beruflicher Vorsorge langfristig und «unter Wahrung der Generationengerechtigkeit» sichergestellt wird. Die Altersrenten der beruflichen Vorsorge sollen demnach laufend an Anlageerträge, Anlagerisiko, Demografie und Teuerung angepasst werden. Auch laufende Altersrenten der beruflichen Vorsorge sollen «in moderaten Schritten» gesenkt oder erhöht werden können. Überdies soll die berufliche Vorsorge weiterhin im Kapitaldeckungsverfahren erfolgen müssen und die Leistungen nicht nach Nominalwert der Rente, sondern zur Sicherung des Lebensstandards festgelegt werden. Zudem soll das Referenzrentenalter unter Berücksichtigung der Lebenserwartung regelmässig angepasst werden.
Kopf des Komitees ist Josef Bachmann, der 17 Jahre lang Geschäftsführer der Pensionskasse des Beratungsunternehmens PWC war, bevor er in Rente ging. Diese Pensionskasse war es auch, die ein Modell schaffen wollte, bei dem die laufenden Renten – wie in der Initiative vorgesehen – hätten steigen oder sinken können, damit jedoch vor Bundesgericht scheiterte. Bachmann begründete seine Initiative damit, dass die ursprüngliche Idee der Pensionskasse, dass jeder sein eigenes Alterskapital anspart, heute nicht mehr gegeben sei. Stattdessen subventionierten die Aktiven die Renten der Pensionierten. Zukünftig sollten die Renten daher wenn nötig reduziert werden, wobei Rentnerinnen und Rentner mit zu tiefer Rente durch Ergänzungsleistungen unterstützt werden sollten. Die übrigen Mitglieder des Komitees seien gemäss Bachmann Personen, «die sich beruflich oder ehrenamtlich mit Pensionskassen beschäftigen», darunter auch die Nationalräte Franz Grüter (svp, LU), Bruno Pezzatti (fdp, ZG), Thomas Weibel (glp, ZH) und der ehemalige Nationalrat Toni Bortoluzzi (svp, ZH).
Auf grosse Ablehnung stiess das Anliegen beim Gewerkschaftsbund, da viele Rentnerinnen und Rentner auf eine sichere und fixe Rente angewiesen seien. Diese «verantwortungslose Initiative» greife das Fundament der Pensionskassen an. Diese dienten nämlich auch dazu, die Schwankungen der Kapitalmärkte langfristig über alle Versicherten zu verteilen. Auch der Pensionskassenverband Asip zeigte sich nicht begeistert von der Initiative und nannte sie eine Gefahr für die Verlässlichkeit des Systems.
Die Sammelfrist dauert vom 2. April 2019 bis zum 2. Oktober 2020.

Im August 2020 gab Pensionskassenexperte Josef Bachmann, der Kopf hinter der Volksinitiative «für eine generationengerechte Altersvorsorge (Vorsorge Ja – aber fair)», gegenüber dem Tages-Anzeiger bekannt, dass die Initiative nicht zustandekomme. Die Initianten hätten die Unterschriftensammlung in der Zwischenzeit abgebrochen.

Eidgenössische Volksinitiative «Ja zu steuerfreien AHV- und IV-Renten»

Im September 2019 nahm die Bundeskanzlei die Vorprüfung der Volksinitiative «Ja zu steuerfreien AHV- und IV-Renten» vor. Die Initiative eines Komitees um SVP-Nationalrätin Yvette Estermann (svp, LU) – dessen Mitglieder zuvor bereits die Initiative «Ja zu mehr Mitbestimmung der Bevölkerung bei der Kranken- und Unfallversicherung» eingereicht hatten –, beabsichtigt, AHV- und IV-Renten von Personen mit jährlichem Einkommen unter CHF 72'000 von den Steuern zu befreien. Mit der Initiative wolle man der steigenden finanziellen Belastung der Rentnerinnen und Rentner entgegenwirken, erklärte das Initiativkomitee. Zur Finanzierung, die im Initiativtext nicht geregelt ist, schlug Estermann im Rahmen einer Medienkonferenz vor, auf die Auszahlung der Kohäsionsmilliarde zu verzichten. Eine ähnliche Motion Estermann aus dem Jahr 2013 (Mo. 13.4074), die ihrerseits auf einer Motion Kaufmann (svp, ZH; Mo. 08.3726) beruhte, war unbehandelt abgeschrieben worden. Der Bundesrat hatte seine Ablehnungsempfehlung damals damit begründet, dass die AHV- und IV-Beziehenden gegenüber den übrigen Steuerzahlenden nicht bevorteilt werden sollten, eine Steuerbefreiung der Renten korrekterweise auch eine Besteuerung der AHV-Beiträge nach sich ziehen müsste und die hohen Kosten – 2014 sprach er von CHF 770 Mio. jährlich – gegenfinanziert werden müssten.
Sammelbeginn für die Unterschriften war der 24. September 2019, die Sammelfrist würde folglich bis zum 24. März 2021 laufen. Aufgrund des vom Bundesrat verhängten Fristenstillstands bei eidgenössischen Volksbegehren bis zum 31. Mai 2020 wird diese Frist entsprechend verlängert.

Eidgenössische Volksinitiative «für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)» (BRG 22.054)

Dossier: Erhöhung des Rentenalters

Deutlich mehr mediale Aufmerksamkeit als die kurz zuvor eingereichte Initiative «Ja zu steuerfreien AHV- und IV-Renten» erhielt die im Oktober 2019 von der Bundeskanzlei vorgeprüfte Volksinitiative «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)» der Jungfreisinnigen. Diese wollen damit das Rentenalter an die durchschnittliche Lebenserwartung der Schweizer Wohnbevölkerung binden – das Rentenalter würde dann mithilfe der Differenz zwischen der aktuellen Lebenserwartung und der Lebenserwartung eines Referenzjahres berechnet und jährlich maximal um zwei Monate angepasst werden. Bis 2032 würde zuerst das Rentenalter der Frauen und Männer auf 66 angehoben, anschliessend würde das Rentenalter für jeden Monat, den die Lebenserwartung ansteigt, um 0.8 Monate erhöht. Voraussichtlich würde es somit 2043 bei 67 Jahren und 2056 bei 68 Jahren zu liegen kommen, wie die Presse berichtete. «Wenn wir länger leben, müssen wir auch länger arbeiten», betonte Patrick Eugster vom Initiativkomitee gegenüber den Medien. Damit sollen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger erstmals über eine reine Rentenaltererhöhung abstimmen können, bisher war diese stets an weitere Massnahmen gekoppelt (etwa in der 11. AHV-Revision oder in der Altersvorsorge 2020) oder es wurde gar über eine teilweise Senkung des Rentenalters abgestimmt. Die NZZ erachtete die Initiative insbesondere als Herausforderung für die FDP und die SVP, die diesbezüglich «Farbe bekennen» müssten – vorausgesetzt den Jungfreisinnigen gelingt es, rechtzeitig 100'000 Unterschriften zu sammeln. Dafür hätten sie eigentlich bis zum 25. August 2021 Zeit, aufgrund des Fristenstillstand bei eidgenössischen Volksbegehren bis zum 31. Mai 2020 wird diese Frist entsprechend verlängert.

Im August 2021 gab die Bundeskanzlei das Zustandekommen der Volksinitiative «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)» bekannt. Von 108'279 eingereichten Unterschriften mit Stimmrechtsbescheinigung waren 107'049 gültig. Entsprechend verzichtete die Bundeskanzlei auf die Einholung weiterer Bescheinigungen.
Drei Monate später nahm der Bundesrat bereits erstmals Stellung zur Initiative, welche das AHV-Rentenalter automatisch an die durchschnittliche Lebenserwartung der schweizerischen Wohnbevölkerung anpassen will – durch eine schnellere Erhöhung des Frauenrentenalters soll dieses zudem demjenigen der Männer angepasst werden. Die Regierung sprach sich gegen eine solche Koppelung aus, da damit die sozialpolitischen und arbeitsmarktlichen Aspekte des Rentenalters unberücksichtigt blieben. So brauche es etwa neben der Rentenaltererhöhung auch eine Zusatzfinanzierung für die AHV, um deren Finanzierungsprobleme zu lösen, ausserdem schränke ein Automatismus Bundesrat und Parlament zu stark in ihrer Lösungsfindung ein. Stattdessen verwies die Regierung auf das aktuelle AHV-Reformprojekt AHV 21.
Die Medien erachteten die ablehnende Haltung des Bundesrates gegen die Initiative als Sieg von Gesundheitsminister Berset, da insbesondere bei seinen Ratskolleginnen und -kollegen der SVP und der FDP mit Sympathien für die Initiative gerechnet worden war – bei einer ersten Anhörung im Bundesrat hätten Letztere die Initiative noch unterstützt, waren sich die Medien sicher. Sie erklärten sich diesen Entscheid für eine Empfehlung zur Ablehnung unter anderem damit, dass der bürgerliche Teil des Bundesrats damit keine zusätzliche Angriffsfläche für die aktuelle AHV-Reform schaffen wolle. Gleichentags gab der Bundesrat auch seine ablehnende Haltung zur Initiative für eine 13. AHV-Rente bekannt.

In seiner im Juni 2022 vorgelegten Botschaft empfahl der Bundesrat die Volksinitiative der Jungfreisinnigen «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)» zur Ablehnung, ohne ihr einen direkten Gegenentwurf oder einen indirekten Gegenvorschlag gegenüberzustellen. Die Initiative will das Rentenalter zuerst bis 2033 für Frauen und Männer auf 66 Jahre erhöhen und anschliessend an die durchschnittliche Lebenserwartung koppeln: Ein Anstieg der Lebenserwartung um einen Monat soll demnach mit einem Anstieg des Rentenalters um 0.8 Monate einhergehen, wobei das Rentenalter jedoch jährlich um maximal 2 Monate ansteigen soll. Der Bundesrat hob die positiven Folgen der Initiative für die AHV-Finanzen hervor, so könnten die Einnahmen der AHV zum Beispiel im Jahr 2032 um CHF 624 Mio. gesteigert und die Ausgaben um CHF 3.46 Mrd. gesenkt werden. Generell erachtete der Bundesrat denn auch eine Rentenaltererhöhung als «berechtigt». Diese solle aber nicht auf Verfassungs-, sondern auf Gesetzesstufe vorgenommen werden, um dem Gesetzgeber mehr Gestaltungsspielraum zu geben. Zudem brauche es neben den ausgabenseitigen auch einnahmeseitige Massnahmen zur Finanzierung der AHV, selbst die zusätzlichen Einnahmen und wegfallenden Ausgaben durch die Initiative würden denn auch nicht reichen, um die AHV-Finanzierung langfristig sicherzustellen.

In der Frühjahrssession 2023 startete der Ständerat in die Debatte zur Volksinitiative der Jungfreisinnigen «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge», der sogenannten «Renteninitiative». Gleich zuvor hatte sich die kleine Kammer erstmals mit der anderen im Parlament hängigen Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente befasst und diese der Stimmbürgerschaft und den Ständen zur Ablehnung empfohlen. Denselben Antrag stellte die SGK-SR mit 7 zu 2 Stimmen bei 3 Enthaltungen auch im Hinblick auf die Renteninitiative, wie Kommissionssprecher Bischof (mitte, SO) erläuterte. In Anbetracht des knappen Ausgangs der AHV21-Abstimmung und der anstehenden Abstimmung zum BVG21-Projekt sei der Zeitpunkt für eine weitere Rentenaltererhöhung «nicht gegeben», begründete Bischof den Entscheid der Mehrheit. Zudem arbeite der Bundersat bereits an einer neuen Reform zur Finanzierung der AHV, die man abwarten wolle. Des Weiteren lehnte die Kommissionsmehrheit aber auch einen fixen Automatismus ab. Eine Minderheit Dittli (fdp, UR) beantragte hingegen, Stimmbevölkerung und Kantonen einen Antrag auf Annahme der Initiative vorzulegen. Die AHV besitze ein Finanzierungsproblem, da man heute für eine durchschnittlich 23 Jahre dauernde Rente gleich lang spare wie früher für eine Rente von 13 Jahren. Mit der Initiative könne man nun dafür sorgen, dass die Menschen in der Schweiz «nicht nur länger leben, sondern dies auch mit anständigen und nachhaltig gesicherten Renten tun können». In der nachfolgenden Debatte kamen Dittli zahlreiche Sprechende der FDP-Fraktion zu Hilfe und wiesen etwa darauf hin, dass man mit dieser Lösung das Problem bekämpfen könne, dass Politikerinnen und Politiker das unpopuläre Thema des Rentenalters gerne aufschieben würden (Andrea Caroni: fdp, SR). Mit der Initiative könne man die Rentenalterfrage hingegen «objektivieren» (Philippe Bauer: fdp, NE), also zukünftig ohne emotionale Diskussionen lösen. Die Gegnerinnen und Gegner aus dem bürgerlichen Lager verwiesen wie der Kommissionssprecher und Innenminister Berset auf die anstehenden Revisionsprojekte, die man abwarten solle, während die Sprechenden der SP vor allem Argumente gegen eine Rentenaltererhöhung insgesamt anführten. So sei etwa die Konzentration auf die durchschnittliche Lebenserwartung unfair, variiere diese doch zwischen verschiedenen Gruppen deutlich (Hans Stöckli: sp, BE). Am poetischsten wehrte sich wohl Charles Juillard (mitte, JU) gegen einen Automatismus: Die Frage des Rentenalters sei sehr emotional und widerspiegle das Bild der Bevölkerung von der Gesellschaft und vom Alter. Entsprechend sei es gesund, dass Parlament und Stimmbevölkerung regelmässig darüber diskutierten. Die vorgeschlagene Regel erachtete er hingegen als «trop rigide, trop technocratique et trop froide ou aveugle – sans coeur» – also als zu starr, zu technokratisch, zu kalt oder blind – ohne Herz. Mit 30 zu 11 Stimmen sprach sich der Ständerat gegen den Willen der Mitglieder der FDP-Fraktion für eine Empfehlung auf Ablehnung der Initiative aus.

Eidgenössische Volksinitiative «für ein besseres Leben im Alter (Initiative für eine 13. AHV-Rente)» (BRG 22.043)

Mitte Februar 2020 lancierte der Gewerkschaftsbund die Volksinitiative «Für ein besseres Leben im Alter (Initiative für eine 13. AHV-Rente)». Damit verlangte er, dass Bezügerinnen und Bezüger einer Altersrente entsprechend eines 13. Monatslohns Anrecht auf einen zusätzlichen Zwölftel ihrer jährlichen Rente haben sollten. Dies würde CHF 99 bis 197 für Einpersonenhaushalte pro Monat ausmachen und 8.3 Prozent der bisherigen Rentenleistungen entsprechen. Gleichzeitig verlangten die Initiantinnen und Initianten, dass diese Erhöhung nicht zu einer Reduktion der EL führen dürfe. Wie die Erhöhung finanziert werden soll, legte der Initiativtext nicht fest. Denkbar seien eine Finanzierung durch die Gewinne der SNB, wie sie auch der Bund der Steuerzahler um Alfred Heer gemäss Zeitungsberichten mit einer Volksinitiative plane, oder eine Erhöhung der Lohnbeiträge für Arbeitgeber und Arbeitnehmer um 0.35 Prozentpunkte, liess der Gewerkschaftsbund verlauten. Die Initiative sei ein «erster Schritt in Richtung Verfassungsumsetzung» – die Verfassung verlangt, dass die AHV «den Existenzbedarf angemessen zu decken» habe. Diese Erhöhung sei einerseits nötig, weil sich die finanzielle Situation für die Rentnerinnen und Rentner verschlechtere, betonte der SGB: Die AHV-Renten würden langsamer wachsen als die Löhne, die Renten aus der zweiten Säule würden im überobligatorischen Bereich sinken und allgemein würden die Renten durch die steigenden Krankenkassenprämien und Mieten aufgezehrt. Zudem müsse man Gegensteuer gegen die Bemühungen zur Rentenaltererhöhung geben. Die Initiative sei denn auch eine Ergänzung zur bundesrätlichen Reform, erklärte SGB-Präsident Maillard. Unterstützt wurde die Initiative von SP und Grünen, die bürgerlichen Parteien sprachen sich bereits im Vorfeld dagegen aus. Der Gewerkschaftsbund sei der «Totengräber der AHV», schrieben etwa die Jungfreisinnigen. Zentral sei, die Finanzierung der AHV zu sichern, nicht deren Leistungen auszubauen, war weithin zu hören. Aufgrund des Corona-bedingten Fristenstillstands wurde die Sammelfrist, die eigentlich im September 2021 hätte ablaufen sollen, verlängert.

Ende Mai 2021 konnte die Volksinitiative «Für ein besseres Leben im Alter (Initiative für eine 13. AHV-Rente)» mit 101'793 gültigen Stimmen eingereicht werden, wie die Bundeskanzlei kurz darauf das Zustandekommen bestätigte. Zusätzlich hatte das Initiativkomittee um den SGB über 8'000 unbeglaubigte Unterschriften eingereicht – das Parlament hatte in der Frühjahrssession 2021 entschieden, dass neu auch bei Initiativen ein Teil der Unterschriften ohne Stimmrechtsbescheinigung durch die Gemeinde eingereicht werden kann. Deren Beglaubigung erwies sich jedoch aufgrund der bereits erreichten Mindeststimmenzahl nicht mehr als nötig.

Im November 2021 sprach sich der Bundesrat gegen die Volksinitiative «Für ein besseres Leben im Alter» aus, welche eine jährliche 13. AHV-Rente ohne Auswirkungen auf einen allfälligen EL-Anspruch forderte. Die Finanzierung der entsprechenden Mehrkosten in der Höhe von anfänglich ca. CHF 4 Mrd. pro Jahr – bis 2030 gar CHF 4.7 Mrd. jährlich – sei nicht sichergestellt, zudem würden IV-Bezügerinnen und -Bezüger mangels ähnlicher Regelung durch die Initiative benachteiligt, begründete die Regierung ihre ablehnende Haltung. Stattdessen verwies sie auf die laufende AHV-Reform AHV 21, welche die Finanzierung der aktuellen Ausgaben der AHV sicherstellen sollte. In den Medien fand die Meldung des Bundesrates nur geringe Aufmerksamkeit, im Zentrum des Interessens stand seine gleichentags publizierte Ablehnung der Renteninitiative der Jungfreisinningen.

Im Mai 2022 präsentierte der Bundesrat seine Botschaft zur Volksinitiative «Für ein besseres Leben im Alter (Initiative für eine 13. AHV-Rente)» des SGB. Die Initiantinnen und Initianten erachteten den Verfassungsauftrag zur Deckung des Existenzbedarfs von Rentnerinnen und Rentnern durch die AHV heute als nicht erfüllt, zumal «fast jede zehnte Person direkt nach der Pensionierung Ergänzungsleistungen» benötige, fasste der Bundesrat die Beweggründe des Komitees zusammen. Dabei kritisierten die Initiantinnen und Initianten auch den Mischindex bestehend aus Lohnindex und Preisindex zur Berechnung der Rentenanpassung, der dazu führe, dass die Renten weniger stark anstiegen als die Löhne. Zwar anerkannte der Bundesrat die positiven Folgen der Initiative für die Rentnerinnen und Rentner, insbesondere für Personen mit geringem oder keinem Pensionskassenvermögen, die dadurch eine um einen Zwölftel höhere Rente beziehen könnten. Dadurch stiegen jedoch auch die Ausgaben der AHV, im Jahr 2032 müsste sie zum Beispiel zusätzlich CHF 5 Mrd. ausgeben, was ihre «finanziellen Herausforderungen [...] noch verschärfen» würde. Neben den höheren Renten für Personen mit grossen Einkommen kritisierte der Bundesrat zudem die ausschliessliche Konzentration auf die AHV-Renten, während die IV- und Hinterlassenen-Renten oder die EL nicht angepasst würden. Somit empfahl die Regierung die Initiative zur Ablehnung, ohne ihr einen direkten Gegenentwurf oder einen indirekten Gegenvorschlag gegenüberzustellen.

In der Wintersession setzte sich der Nationalrat als Erstrat mit der vom Gewerkschaftsbund lancierten Volksinitiative «Für ein besseres Leben im Alter (Initiative für eine 13. AHV-Rente)» auseinander. An der ausführlichen allgemeinen Aussprache mit 114 Wortmeldungen beteiligten sich zahlreiche Personen aus allen Fraktionen. Zu Beginn präsentierten Céline Amaudruz (svp, GE) und Andri Silberschmidt (fdp, ZH) die Initiative und legten die Position der Kommissionsmehrheit dar. Sie betonten, dass die AHV ihr in der Verfassung definiertes Ziel für die Mehrheit aller Rentnerinnen und Rentner gut erfülle und dass für diejenigen 12.5 Prozent, für welche die AHV eben nicht ausreiche, die Ergänzungsleistungen geschaffen worden seien. Insgesamt sei das Drei-Säulen-System der Altersvorsorge sehr leistungsstark, betonte etwa Silberschmidt. Die Initiative wolle nun aber nicht nur die Situation der bedürftigen Personen – die es durchaus gebe – verbessern, sondern allen per «Giesskannenprinzip» eine Rentenerhöhung von 8.3 Prozent gewähren. Im Jahr 2032 zum Beispiel würde dies zu Mehrausgaben von fast CHF 5 Mrd. führen, ergänzte Amaudruz. Die für eine Finanzierung nötige Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1.1 Prozentpunkte oder der Lohnabzüge um 0.8 Prozentpunkte lehne die Kommissionsmehrheit ebenfalls ab. Schliesslich benachteilige die Initiative Personen mit einer IV- oder Hinterlassenenrente, zumal gemäss Initiativtext nur die Beziehenden einer AHV-Altersrente eine dreizehnte Rente erhalten sollten.
Diese Meinung teilten in der Folge zahlreiche Sprechende der SVP-, der FDP- und der Mitte-Fraktion. Sie lehnten zudem einen Gegenvorschlag, den Mitglieder der SP- und der Grünen-Fraktion in der Debatte mehrfach forderten, ab. Stattdessen verwiesen sie unter anderem auf eigene Projekte zur Reform der AHV, etwa auf die Renteninitiative der Jungfreisinnigen oder auf Bemühungen der Mitte-Fraktion «[pour abolir] les désavantages d'être marié» (Benjamin Roduit; mitte, VS), also zur Abschaffung der Benachteiligung der Verheirateten (bei den Steuern und den Renten). Etwas wohlgesinnter zeigten sich die Grünliberalen gegenüber der Initiative. Man lehne zwar eine Rentenerhöhung für die reichsten Haushalte ab, würde eine solche aber für die «ärmsten und ärmeren 30 bis 40 Prozent [der] Rentenhaushalte» befürworten (Melanie Mettler; glp, BE). Ihren Vorschlag für eine entsprechende Kommissionsinitiative habe die bürgerliche Mehrheit in der Kommission jedoch abgelehnt.

Somit erhielt die Volksinitiative nur aus Kreisen der SP und der Grünen Unterstützung. SGB-Präsident Maillard (sp, VD) begründete seinen Minderheitsantrag auf eine Empfehlung zur Annahme der Initiative: Er lobte die Solidarität, die man vor 75 Jahren mit der Schaffung der AHV gestärkt habe. Heute könne aber das Versprechen von damals aufgrund steigender Kosten und sinkender BVG-Renten – bei gleichem Kapital seien die Pensionskassenrenten heute 20 Prozent weniger wert als vor 15 Jahren – nicht mehr eingehalten werden. Folglich seien Massnahmen nötig; wenn nicht durch eine 13. AHV-Rente, dann solle das Parlament in einem Gegenvorschlag alternative Massnahmen vorschlagen, forderte er. Zahlreiche Sprechende der SP- und der Grünen-Fraktion ergänzten die Argumentation Maillards. So sei die Initiative gerade für Frauen, die im Schnitt eine um ein Drittel tiefere Altersrente hätten als Männer, zentral; zudem sei das «Umlageverfahren [...] am effektivsten, billigsten und fairsten» (Prelicz-Huber; gp, ZH), wurde argumentiert. Nicht gespart wurde von links-grüner Seite denn auch an Kritik an der beruflichen Vorsorge sowie an der neuen BVG-21-Reform, welche CHF 3 Mrd. koste und durch welche die Versicherten höhere Beiträge für tiefere Renten bezahlen müssten als bisher. Folglich seien die zusätzlichen Ausgaben für die AHV im Rahmen dieser Initiative sinnvoller, dadurch erhielten die Rentnerinnen und Rentner auch tatsächlich höhere Renten. Zur Finanzierung könne man daher zum Beispiel auch die «0.8 Prozent [an Lohnprozenten], die es für die Initiative braucht, vom BVG in die AHV hinüberschieben», schlug etwa Jacqueline Badran (sp, ZH) vor.

Abschliessend empfahl Gesundheitsminister Berset die Initiative im Namen des Bundesrates zur Ablehnung. Zwar müsse man eine Lösung für die gesunkenen BVG-Renten finden, dies solle aber nicht mit der vorgeschlagenen Initiative geschehen, da der dafür nötige finanzielle Spielraum in der AHV fehle. Mit 123 zu 67 Stimmen sprach sich der Nationalrat in der Folge für den Mehrheitsantrag aus und empfahl die Initiative den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern zur Ablehnung. Entsprechend der Wortmeldungen stimmten die Mitglieder der SP- und der Grünen-Fraktion geschlossen für den Minderheitsantrag, die übrigen Fraktionen geschlossen für den Mehrheitsantrag.