Einführung «Doppelter Pukelsheim» (Po. 07.3884)

In der Frühjahrssession lehnte der Nationalrat ein Postulat Waber (edu, BE) ab, das die Einführung des Wahlsystems «Doppelter Pukelsheim» ohne Mindestquorum verlangt hatte. Bei dieser zuerst im Kanton Zürich und anschliessend auch in einigen weiteren Kantonen eingeführten Methode wird für die Mandatszuteilung der im gesamten Wahlgebiet erzielte Stimmenanteil berücksichtigt. In einem zweiten Schritt werden die von einer Partei erhaltenen Sitze dann auf die Wahlkreise verteilt. Mit dieser Methode sinkt das „natürliche Quorum“, d.h. der für ein Vollmandat für eine Partei erforderliche Stimmenanteil auf einen sehr niedrigen Wert. Es würde für die Wahlen in den Nationalrat mit seinen 200 Sitzen knapp 0,5% betragen; Wabers EDU hätte mit diesem System 2007 mindestens zwei Sitze statt nur einen erhalten.

Doppelter Pukelsheim (Pa.Iv. 09.410)

Wie bereits im Vorjahr lehnte der Nationalrat einen Vorstoss für die Einführung des Wahlsystems «Doppelter Pukelsheim» bei den Nationalratswahlen ab. Gegen eine entsprechende parlamentarische Initiative Zisyadis (pda, VD) wurde eingewendet, dass dieses System zwar die Proportionalität der Sitzverteilung gemäss nationalen Wähleranteilen verbessern würde, es bei der Verteilung der Parteimandate auf die Kantone aber zu Verzerrungen kommen könnte, welche im Widerspruch zum Wählerwillen des Kantons stünden.

Forderung einer Sitzgarantie von sprachlichen Minderheiten (Kt.Iv. 12.314)

Dossier: Conseil du Jura Bernois (CJB)

Verschiedene Resultate der Gesamterneuerungswahlen vom Vorjahr waren Anlass für Vorstösse mit Reformvorschlägen für die Nationalratswahlen. Der Umstand, dass erstmals seit 1979 kein Vertreter des französischsprachigen Berner Juras in den Nationalrat gewählt wurde, bewegte den Kanton Bern zur Einreichung einer Standesinitiative (12.314), die eine Zusicherung einer adäquaten Anzahl Sitze für sprachliche Minderheiten in mehrsprachigen Kantonen fordert. Das Begehren war im Berichtsjahr von der SPK-NR und der SPK-SR noch nicht behandelt worden. Eine Motion der FDP-Liberale Fraktion (12.3374) und eine Motion Frehner (svp, BS) (12.3050) forderten ein Verbot von Listenverbindungen. Wahltaktische Überlegungen hätten zu Verzerrungen des Wählerwillens geführt. Frehner (svp, BS) führte in seiner Begründung das Beispiel seines eigenen Kantons an, in welchem die abgewählte grüne Nationalrätin Anita Lachenmeier (gp, BS) zwar etwa dreimal mehr Stimmen als der neu gewählte Markus Lehmann (cvp, BS) erhalten habe, letzterer aber dank der Listenverbindung der CVP mit GLP, EVP und BDP den Sitz erobern konnte. In seiner Stellungnahme wies der Bundesrat darauf hin, dass Listenverbindungen in den vergangenen Jahrzehnten tatsächlich kontinuierlich zugenommen hätten und eine Folge des Sitzzuteilungsverfahrens Hagenbach-Bischoff seien. Vor- und Nachteile dieses bewährten Systems würden sich die Waage halten und eine Änderung sei nicht angezeigt. Die Verzerrungen seien primär Folge der sehr unterschiedlichen Grösse der Kantone als Wahlkreise und ein Verbot von Listenverbindungen käme lediglich einer Symptombekämpfung gleich. Beide Motionen wurden im Berichtsjahr noch nicht behandelt. Eine Korrektur dieser Verzerrung mit Hilfe eines alternativen Wahlverfahrens, des so genannten „doppelten Pukelsheim“, schlug eine Motion Minder (parteilos, SH) (12.3711) vor. Mit dem doppeltproportionalen Sitzverteilungsverfahren werden Sitze in einem ersten Schritt auf die Parteilisten gemäss nationalem Wähleranteil und erst in einem zweiten Schritt auf die einzelnen Kantone verteilt. Damit würden nicht nur Listenverbindungen obsolet, sondern auch Verzerrungen des Wählerwillens würden zumindest verkleinert. Diese Idee, die bereits Gegenstand mehrerer früherer erfolgloser Vorstösse (Po. 03.3377 (Genner), Po. 07.3884 (Waber), Pa.Iv. 09.410 (Zisyadis)) sowie verschiedener kantonaler Reformen war, fand jedoch weder beim Bundesrat noch in der kleinen Kammer genügend Anhänger. Der Bundesrat wollte erst die Entwicklungen in den Kantonen abwarten, weil die Wahlprozedere möglichst auf allen föderalen Stufen gleich sein sollten. Die ablehnende Haltung gegenüber der Einführung des doppelten Pukelsheim in den Kantonen Bern, Luzern, Schwyz, Zug, Solothurn, Basel-Stadt und St. Gallen weise auf eine gewisse Skepsis in der Bevölkerung hin, auch wenn das Verfahren in den Kantonen Zürich, Aargau und Schaffhausen eingeführt worden sei. Eine Motion Girod (gp, ZH) (11.4193) schliesslich griff die Diskussionen um die Informationsbroschüre der Bundeskanzlei anlässlich der Gesamterneuerungswahlen wieder auf. Die mit dem Titel „In der Kürze liegt die Würze“ versehene Wahlbroschüre erklärte mit Hilfe von Vergleichen aus der Gastronomie das Wahlprozedere und stellte die Parteien vor. Der Motionär wollte die Bundeskanzlei verpflichten, Wahlunterlagen zukünftig objektiv zu gestalten und auf klare Information der Wählerschaft zu fokussieren. Die Motion wurde vom Bundesrat abgelehnt, da damit eine 2007 beschlossene Darstellung der Parteien nicht mehr möglich sei. Obwohl die Exekutive die Kritik des Motionärs nicht teilte, versprach der Bundesrat den Anregungen im Hinblick auf eine neue Wahlanleitung für 2015 Rechnung zu tragen.

Der Nationalrat lehnte die Standesinitiative des Kantons Bern ab, welche die Vertretung von sprachlichen Minderheiten im Parlament sicherstellen wollte. Konkret hätten zweisprachige Kantone eine der sprachlichen Minderheit entsprechende Sitzzahl reservieren sollen. Es wurde argumentiert, dass dies vor allem ein Problem des Kantons Bern sei und innerkantonal geregelt werden müsse.

Der Conseil du Jura Bernois (CJB), ein mit dem Sonderstatut gebildetes, gewähltes Bernjurassisches Regionalparlament mit Kompetenzen in Kultur- und Bildungsfragen reagierte Anfang Berichtjahr auf den Umstand, dass seit den nationalen Wahlen 2011 kein Vertreter des Berner Juras mehr im Bundesparlament sitzt. Damals war Jean-Pierre Graber (svp) abgewählt worden. Der CJB forderte die Kantonalparteien auf, Kandidierende aus dem Berner Jura für die nationalen Wahlen 2015 doppelt auf die Wahllisten zu setzen. Das Berner Kantonsparlament hatte noch 2012 eine Standesinitiative eingereicht, die eine Sitzgarantie für sprachliche Minderheiten mehrsprachiger Kantone verlangt. Der Nationalrat gab der Initiative in der Herbstsession keine Folge und auch die Staatspolitische Kommission des Ständerats empfahl das Begehren zur Ablehnung.

Nachdem der Nationalrat bereits 2013 die Standesinitiative des Kantons Bern verworfen hatte, tat es ihm auch die Ständekammer gleich. In Bern war es zu Unbehagen gekommen, weil der französischsprachige Teil des Kantons erstmals nicht mehr im nationalen Parlament vertreten war. Der Berner Vorschlag hätte für zweisprachige Kantone eine Sitzreservation für die jeweiligen sprachlichen Minderheiten vorgesehen. Im Ständerat wurde der Umstand, dass rund 8% der Berner Bevölkerung nicht vertreten sei, zwar als unbefriedigend betrachtet, die kleine Kammer folgte allerdings der Argumentation des Nationalrates, dass dies eine Sache der Kantone und nicht des Bundes sei.

Bericht über Wahlsysteme (2013)

Die Beantwortung der beiden abgelehnten Motionen 12.3050 und 12.3374 für ein Verbot von Listenverbindungen wurde vom Bundesrat zum Anlass genommen, einen Bericht über die Vor- und Nachteile der verschiedenen auch in den Kantonen benutzten Wahlsysteme zu erstellen. Der Bericht kam zum Schluss, dass es ein gerechtes Wahlsystem nicht gebe und deshalb am breit akzeptierten Zuteilungsverfahren (Hagenbach-Bischoff-Modell) mit der Möglichkeit von Listenverbindungen festzuhalten sei. Derweil ist aufgrund eines bundesgerichtlichen Urteils zur Kantonsverfassung des Kantons Schwyz im Berichtsjahr in zahlreichen Kantonen eine virulente Diskussion um die kantonalen Wahlverfahren entbrannt.

Verbot von Listenverbindungen (Mo. 12.3050 / Mo. 12.3374)

Nach den Nationalratswahlen 2011 waren zwei Vorstösse lanciert worden, die ein Verbot von Listenverbindungen forderten. Die Motion Frehner (svp, BS) und die Motion der FDP-Liberalen Fraktion (12.3374) wurden vom Bundesrat abgelehnt. Die Regierung argumentierte, dass Listenverbindungen eine Folgeerscheinung des geltenden Hagenbach-Bischoff-Mandatszuteilungsverfahrens seien und vor allem für kleine Parteien in kleinen Wahlkreisen wichtig seien, da mit Listenverbindungen deren systembedingt schlechtere Chancen für einen Sitzgewinn erhöht werden könnten. Das System habe sich zudem bewährt und ein Verbot könne die Verzerrungen aufgrund der unterschiedlichen Grösse der Kantone als Wahlkreise nicht beheben. In der Tat hatte sich Frehner insbesondere am Umstand gestossen, dass die CVP im Kanton Basel-Stadt zwar viel weniger Stimmen gemacht hatte als die GP, dank Listenverbindung aber den Sitz der Grünen erobern konnte.
Beide Motionen wurden – getrennt behandelt – abgelehnt. Sie fanden lediglich bei rund einem Drittel der SVP-Fraktion, bei der gesamten FDP-Liberalen-Fraktion – allerdings mit einigen Enthaltungen – und bei zwei CVP-Mitgliedern Gehör.

Diskussionen über Listenverbindungen nach den eidg. Wahlen 2019

Diskussionen über Listenverbindungen würden nur selten geführt, kommentierte die NZZ im Nachgang an die eidgenössischen Wahlen 2019, dabei seien die Spielregeln der Wahlen fast so politisch wie diese selber. Als Beispiel wurde der Nationalratssitzgewinn der EDU im Kanton Bern angeführt, der nur dank einer Listenverbindung mit nicht weniger als sieben unterschiedlichen Parteien möglich wurde – der Wählerinnen- und Wähleranteil der EDU hatte im Vergleich zu vor vier Jahren gar abgenommen. Als «fragwürdige Beispiele» beschrieb der Kommentator zudem die GLP, die sich je nach Kanton «von den Grünen über die CVP bis zur FDP» verbunden habe sowie die FDP-CVP- wie auch die FDP-SVP-Verbindungen. Unter diesen rein wahltaktischen «Birchermüesli-Allianzen» leide die Transparenz: Nicht wenige Wählerinnen und Wähler würden ihre Stimme einer Partei geben, die sie eigentlich gar nicht wählen wollten. Freilich seien Listenverbindungen ein wichtiges Korrektiv für die Berechnung der Zuteilung der Nationalratssitze (Hagenbach-Bischoff). Wenn aber ein «fragwürdiges Konstrukt» das Wahlsystem rechtfertigen müsse, dann müsse man sich überlegen, ob nicht dieses Wahlsystem reformiert werden müsse – etwa mit dem sogenannten doppelten Pukelsheim. Mit dieser Methode wird für die Mandatszuteilung der im gesamten Wahlgebiet erzielte Stimmenanteil berücksichtigt. Erst in einem zweiten Schritt wird dann das Total an erhaltenen Sitzen einer Partei auf die Wahlkreise verteilt.
In der Tat legten von der NZZ und der Aargauer Zeitung vorgelegte Auswertungen der eidgenössischen Wahlen von 2015 nahe, dass damals Listenverbindungen für 10 bis 24 Nationalratssitze entscheidend gewesen sein sollen. Die FDP des Kantons Aargau brachte auch vor diesem Hintergrund den Vorschlag eines Verbots von Listenverbindungen in die Diskussion ein (vgl. dazu schon die Diskussionen nach den Wahlen 2011). In der Aargauer Zeitung gab sie ihre Absicht bekannt, im Aargauer Grossen Rat eine Standesinitiative zu veranlassen. Auch die SVP hatte diesen Vorschlag schon verschiedentlich ins Feld geführt. Dabei stossen Listenverbindungen vor allem bei grossen Parteien auf Kritik, haben sie es doch nicht nur schwieriger, eine Partnerin zu finden, sondern profitieren in der Regel auch weniger von diesem Instrument. Wohl auch, weil der kantonale Vorstoss der FDP knapp scheiterte, wurde es im Anschluss wieder etwas ruhiger um die Listenverbindungen.

Präzisierung der Unterlistenverbindungen (Pa.Iv. 21.402)

Unterlistenverbindungen sind Zusammenschlüsse von Listen innerhalb einer Listenverbindung. Damit können Parteien innerhalb einer verbundenen Liste allenfalls mehr Stimmen erhalten, um dann die der Liste zugerechneten Mandate dank mehr Stimmen aufgrund der Unterlisten zu erobern. Bei den eidgenössischen Wahlen 2019 waren nicht weniger als 108 Unterlistenverbindungen eingegangen. Gemäss Bundesgesetz über die politischen Rechte dürfen Unterlistenverbindungen aber nur innerhalb der gleichen Gruppierung geschmiedet werden – etwa in Form von getrennten Geschlechterlisten, Regionen- oder Generationenlisten. Umstritten ist jedoch, wie der Begriff «Gruppierung» zu interpretieren ist. Rechtsgutachten kommen zum Schluss, dass zwischen verschiedenen Parteien zwar Listen-, aber keine Unterlistenverbindungen eingegangen werden dürfen. Die SPK-NR wollte deshalb mittels parlamentarischer Initiative eine Präzisierung von Unterlistenverbindungen im Bundesgesetz über die politischen Rechte vornehmen.
Allerdings verweigerte ihre Schwesterkommission im August 2021 mit 6 zu 4 Stimmen (bei 1 Enthaltung) Folgegeben, so dass der Vorstoss der grossen Kammer vorgelegt werden musste. Laut der SPK-NR brauche es diese Präzisierung, weil es seit der Einführung der Unterlistenverbindungen in den 1990er Jahren «entgegen dem Willen des Gesetzgebers immer wieder zu parteiübergreifenden Unterlistenverbindungen gekommen» sei. Als Beispiel fügte Kommissionssprecherin Céline Widmer (sp, ZH) in der Ratsdebatte die Unterlistenverbindung mit dem Namen «Mitte» an, die sich im Kanton Basel-Stadt aus GLP, junger GLP, BDP und EVP zusammengesetzt habe. Grund dafür sei die unpräzise Formulierung im Gesetz, die eine Unterlistenverbindung von verschiedenen Flügeln einer «Gruppierung» erlaube. Das Wort «Gruppierung» müsse durch «Partei» ersetzt werden, forderte die Kommissionsmehrheit. Eine Kommissionsminderheit sprach sich allerdings gegen Folgegeben aus. Ihr Sprecher, Gerhard Pfister (mitte, ZG) brachte in der Debatte zwei Argumente vor. Erstens sei es nicht wahrscheinlich, dass der Ständerat zustimmen werde, man könne das Verfahren also abkürzen. Zweitens sei auch der Begriff «Partei» nicht klarer als der Begriff «Gruppierung», der ja durchaus beabsichtigten Spielraum lasse. Er befürchte zudem, dass mit einer Einschränkung von Unterlistenverbindungen auch die Diskussion eines Verbots von Listenverbindungen generell Auftrieb erhalten werde. Mit 111 zu 74 Stimmen folgten die Nationalrätinnen und Nationalräte aber der Kommissionsmehrheit. Weil (Unter-)Listenverbindungen eher kleineren Parteien nützen, gab es eine recht spezielle Abstimmungskoalition aus SP-, SVP- und FDP-Liberale-Fraktion, die der Präzisierung zustimmten, während die Fraktionen von Mitte, GLP und GP den Vorstoss ablehnten.

Die Mehrheit der SPK-SR sprach sich ein zweites Mal dagegen aus, der parlamentarischen Initiative ihrer Schwesterkommission Folge zu geben, mit der eine Präzisierung von Unterlistenverbindungen angestrebt werden sollte. In der ständerätlichen Debatte stand zwar kein Minderheitenantrag, aber ein Einzelantrag von Jakob Stark (svp, TG) zur Diskussion, weshalb Kommissionssprecher Mathias Zopfi (gp, GL) die Idee der Initiative ausführte. Auslöser der Diskussion seien wohl Unterlistenverbindungen bei den Nationalratswahlen 2019 gewesen. So habe etwa die GLP im Kanton Basel-Stadt auch deshalb einen Sitz gewonnen, weil sie sich zusammen mit der jungen GLP, aber auch der BDP und der EVP zur Unterlistenverbindung «Mitte» zusammengeschlossen habe. Zusätzlich habe aber auch eine Listenverbindung all dieser vier jeweils als «Mitte» betitelten Parteien (Mitte-GLP, Mitte-BDP, Mitte-EVP, Mitte-JGLP) mit der FDP, der CVP und der LDP bestanden. Auch in der staatsrechtlichen Literatur sei umstritten, ob besagte Unterlistenverbindung rechtlich zulässig gewesen sei, weil es sich hier eigentlich um «Unterlistenverbindungen zwischen verschiedenen Gruppierungen» handle. Hier wolle die SPK-NR Klarheit schaffen und explizit Unterlistenverbindungen nur noch zwischen «Flügeln von Parteien», aber nicht mehr zwischen «ähnlichen Gruppierungen» zulassen, wie es heute geregelt sei. Allerdings – und das sei der Grund für die Empfehlung der SPK-SR, der parlamentarischen Initiative keine Folge zu geben – würde diese Regelung erstens Parteien bevorzugen und Gruppierungen schaden, die ebenfalls bei Wahlen antreten, und zweitens würde sie nichts zur Klärung beitragen: Weder eine «Gruppierung» noch eine «Partei» könnten eindeutig definiert werden, so Zopfi. Jakob Stark erachtete dies als wichtige staatspolitische Frage. Unterlistenverbindungen seien mit viel Intransparenz verbunden und die Wählenden wüssten deshalb häufig nicht, wem sie eigentlich ihre Stimme gäben. Mit der neuen Lösung könnte etwas mehr Transparenz geschaffen werden, weil nur noch Unterlistenverbindungen innerhalb der gleichen Partei ermöglicht würden. Dies könnte im Gegensatz zur geltenden Regelung einfach kontrolliert werden. Dem widersprach Mathias Zopfi allerdings in einem weiteren Votum. Die aktuelle Regelung erachtete er als ausreichend: Auch mit dem Begriff «Gruppierung» hätten die Kantone die Handhabe, Entscheidungen wie in Basel-Stadt zu unterbinden. Es dürfe nicht jedes Mal zu Gesetzesänderungen kommen, bloss weil in den Kantonen bestehende Gesetze nicht richtig angewendet würden. Mit 32 zu 7 Stimmen (2 Enthaltungen) sprach sich die Ratsmehrheit gegen Folgegeben aus und erledigte den Vorstoss.

Zeit für faire Nationalratswahlen (Pa. Iv. 20.453)

Mit einer parlamentarischen Initiative forderte die GLP-Fraktion die Einführung der doppeltproportionalen Divisormethode mit Standardrundung – den sogenannten «doppelten Pukelsheim» – für die Zuteilung der Nationalratssitze bei den eidgenössischen Wahlen. Das heutige Verfahren («Hagenbach-Bischoff») sei aus verschiedenen Gründen vor allem in Kantonen mit wenigen Sitzen unfair: Nicht jede Stimme habe gleiches Gewicht und es gebe eine Verzerrung des Willens der Wählerinnen und Wähler, weil grosse Parteien bevorteilt würden. Die Listenverbindungen, mit denen dieser Bevorteilung begegnet werden solle, seien zudem intransparent. Diese Probleme würden mit dem doppelten Pukelsheim behoben, was sich auch in etlichen Kantonen gezeigt habe, die dieses Verfahren auf kantonaler Ebene bereits eingeführt hätten. Mit dem doppelten Pukelsheim basiert die Mandatszuteilung auf dem im gesamten Wahlgebiet erzielten Stimmenanteil. In einem zweiten Schritt werden dann die von einer Partei erhaltenen Sitze auf die Wahlkreise verteilt. Die Wahlreformen in den Kantonen seien auch deshalb durchgeführt worden, weil das Bundesgericht 2002 das dem nationalen Verfahren sehr ähnliche System der Stadt Zürich als verfassungswidrig eingestuft habe. Es sei Zeit für faire Nationalratswahlen, betitelte die GLP deshalb ihren Vorstoss.
Eine knappe 13 zu 12-Stimmenmehrheit der SPK-NR sah dies freilich anders. Der doppelte Pukelsheim habe seine Berechtigung in den Kantonen, werde den Eigenheiten der Schweiz aber nicht gerecht, begründete die Kommission ihren abschlägigen Entscheid. Kantone seien nicht einfach Wahlkreise, sondern historisch gewachsene Einheiten, die man nicht einfach gesamtschweizerisch zusammenfassen könne. Kantonal verankerte Parteien wie etwa die Lega dei Ticinesi oder der MCG in Genf würden es überdies wohl mit dem Doppeltproporzverfahren kaum schaffen, einen Sitz zu erobern. Zudem habe auch der doppelte Pukelsheim seine Besonderheiten. So könnte es durchaus sein, dass in einem Kanton mit lediglich einem Nationalratssitz nicht die stärkste, sondern aufgrund des nationalen Verteilverfahrens die zweitstärkste Partei den Sitz erobere, was schwierig zu vermitteln wäre und sicherlich nicht dem Willen der Wählerinnen und Wähler in diesem Kanton entspräche. Die starke links-grüne Minderheit versuchte im Rat erfolglos, eine Änderung des Verfahrens beliebt zu machen. Balthasar Glättli (gp, ZH) gab zu Protokoll, dass das Problem der Vertretung der Kantone mit nur einem Sitz durch das sogenannte «Winner-take-one»-Prinzip einfach gelöst werden könnte. Mit diesem würden nicht adäquate Sitzzuteilungen in Einerwahlkreisen verunmöglicht, ohne die Logik der Gesamtverteilung zu verfälschen. Es sei wichtig, dass auch für die eidgenössischen Wahlen das Prinzip «one person, one vote» gelte, was mit Hagenbach-Bischoff eben nicht möglich sei. Das Stimmenverhältnis in der SPK-NR spiegelte sich in der Folge im Nationalrat wider: Die SP-, die GLP- und die GP-Fraktion stimmten geschlossen für Folgegeben. Die total 84 Stimmen reichten aber gegen die 105 ablehnenden Stimmen nicht aus.

Einfaches und faires Wahlsystem für die Nationalratswahlen (Pa.Iv. 23.452)

Im eigentlichen Strauss an Vorstössen, die, wie so oft nach eidgenössischen Wahlen, auch im Nachgang zu den nationalen Wahlen im Oktober 2023 mit Vorschlägen zu Wahlrechtsreformen eingereicht wurden (vgl. Mo. 23.4220; Mo. 23.4477; Mo. 23.4083; Mo. 23.4355 und 23.4356, sowie Pa.Iv. 23.481, Pa.Iv. 23.482), fand sich auch eine parlamentarische Initiative von Marc Jost (evp, BE), die ein einfaches und faires Wahlsystem für die Nationalratswahlen anstrebte. Konkret forderte der Initiant die Einführung des doppelten Pukelsheim. Dabei müsse aber mit einer «Majorzbedingung» sichergestellt werden, dass in jedem Kanton die grösste Partei mindestens einen Sitz erhalte – eine ähnliche Regel kennt der Kanton Graubünden. In der Tat ist es aufgrund der Sitzberechnung mit der doppeltproportionalen Divisormethode mit Standardrundung – so die korrekte Bezeichnung des «doppelten Pukelsheim» – möglich, dass in einem Kanton nicht die wählendenstärkste Partei einen Sitz holt, sondern aufgrund der wahlkreisübergreifenden Berechnungen die zweitstärkste Partei. Das heutige System, so Jost in seiner Begründung, weise «demokratiepolitische Mängel» auf, weil es in kleinen Wahlkreisen grosse Parteien bevorteile. Das Bundesgericht habe für kantonale Wahlen entschieden, dass das momentan für die Nationalratswahlen geltende Hagenbach-Bischoff-Verfahren verfassungswidrig sei, wenn ein Wahlkreis weniger als neun Sitze zu verteilen habe. Würde man dies auf die nationale Ebene übertragen, so Jost, würden gerade mal sieben Kantone diese Bedingung erfüllen. Mit dem aktuellen Verfahren würden zudem Fehlanreize gesetzt, weil zahlreiche Listen- und Unterlistenverbindungen eingegangen würden. Auch in den Medien waren die zahlreichen Listen und Unterlisten auf grosse Kritik gestossen. Die NZZ am Sonntag sprach gar von Wahlen «an der Grenze zur Zumutung» und die Südostschweiz forderte: «Weniger Listen, bitte!»
Im April 2024 entschied sich die erstberatende SPK-NR die Initiative Jost zu sistieren, bis die eigene Kommissionsinitiative für eine umfassende Wahlrechtsreform vorgelegt wird.

Reform der Listenverbindungen (Mo 23.4355 und Mo 23.4356)

Gleich mit zwei Motionen strebte Thierry Burkart (fdp, AG) eine Reform der Listenverbindungen an. Zum einen wollte er den «Wildwuchs bei innerparteilichen Listenverbindungen» beenden (Mo. 23.4355). Die Anzahl innerparteiliche Unterlisten sollte beschränkt werden, so die konkrete Forderung. Diese Listen seien für die Wählenden verwirrend und verursachten zudem hohe Druck- und Versandkosten, für welche die öffentliche Hand aufzukommen habe. Burkart schlug eine Begrenzung auf drei Listen vor, mit denen «wichtige Differenzierungen» in einem Wahlkreis weiterhin möglich seien. Zum anderen verlangte er die «Abschaffung von überparteilichen Listenverbindungen» (Mo. 23.4356). Die Motion forderte konkret eine Änderung der Sitzverteilungsberechnungen (z.B. Sainte-Laguë statt wie aktuell Hagenbach-Bischoff), womit Listenverbindungen – welche den Wählendenwillen verfälschen – überflüssig würden.
Der Bundesrat empfahl beide Motionen zur Ablehnung. Er warnte vor weitreichenden staatspolitischen Folgen, begrüsste aber, dass die SPK beider Räte die Wahlrechtsregeln breiter diskutieren wollten. Dieser Diskussion wolle er nicht vorgreifen. In der Tat war nach den eidgenössischen Wahlen 2023 ein ganzer Strauss an Forderungen zu Reformen des Wahlsystems eingereicht worden (neben den beiden Motionen Burkart: Mo. 23.4220; Mo. 23.4477; Mo. 23.4083; Pa.Iv. 23.481, Pa.Iv. 23.482 und Pa.Iv. 23.452).
Die beiden Vorstösse von Burkart waren in der Frühjahrssession 2024 im Ständerat traktandiert. Die kleine Kammer nahm einen Ordnungsantrag von Andrea Caroni (fdp, AR) an, der die beiden Motionen der SPK-SR zur Vorprüfung zuweisen wollte. Als Begründung verwies auch Caroni auf die entsprechenden Bemühungen der SPK-NR für eine umfassende Debatte zum Thema «Wahlrecht». Nachdem sich der Motionär mit dem Antrag einverstanden erklärt hatte, überwies die kleine Kammer die beiden Motionen ohne weitere Diskussion an die SPK-SR.

In der Herbstsession 2024 diskutierte der Ständerat die beiden Motionen von Thierry Burkart (fdp, AG; Mo 23.4355 und Mo 23.4356), mit denen dieser eine Reform von Listenverbindungen anstreben wollte. Beide Vorstösse waren Anfang März an die SPK-SR zur Vorprüfung überwiesen worden. Die Kommission hatte sich im Juni mit jeweils 10 zu 0 Stimmen bei 3 Enthaltungen dafür entschieden, beide Motionen aus formalen Gründen abzulehnen. Beide seien in einer von der SPK-NR in der Zwischenzeit eingereichten parlamentarischen Initiative für ein faires und transparentes Wahlsystem aufgenommen worden. Die SPK-SR habe sich bei der Vorprüfung dieser Initiative ihrer Schwesterkommission mit 9 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen für Folge geben entschieden, gab Kommissionssprecher Daniel Fässler (mitte, AI) bei der ständerätlichen Debatte zu Protokoll. In der Folge ergriff der Motionär das Wort. Er komme zum gleichen Schluss wie die Kommission: Es mache keinen Sinn, unterschiedliche Verfahrenswege zu wählen und neben der parlamentarischen Initiative auch noch den Bundesrat zu bemühen. Er ziehe deshalb beide Vorstösse zurück. Auch Bundeskanzler Viktor Rossi meldete sich zu Wort und berichtete, dass die Bundeskanzlei daran sei, die «Vor- und Nachteile unterschiedlicher Wahlsysteme» in einem aktualisierten Bericht – die letzte entsprechende Analyse stammte aus dem Jahr 2013 – zu untersuchen.

Jede Stimme zählt gleich viel. Es ist Zeit für faire Nationalratswahlen (Mo. 23.4220)

Vorstösse zu Reformen des Wahlprozederes haben im Parlament nach eidgenössischen Wahlen jeweils Hochkonjunktur. Dies war auch nach den eidgenössischen Wahlen 2023 nicht anders: Gleich fünf Vorstösse (Mo. 23.4220; Mo. 23.4477; Mo. 23.4083; Mo. 23.4355 und Mo. 23.4356) und drei parlamentarische Initiativen (Pa.Iv. 23.481, Pa.Iv. 23.482 und Pa.Iv. 23.452) wurden Anfang 2024 dazu beraten.
Es sei Zeit für faire Nationalratswahlen, bei denen jede Stimme gleich viel zähle, forderte dabei etwa die Grünliberale Fraktion. Die Fraktionsmotion (Mo. 23.4220) kritisierte insbesondere das aktuell für die Sitzverteilung verwendete «Hagenbach-Bischoff»-Verfahren. Dieses bewirke, dass nicht jede Wählendenstimme das gleiche Gewicht habe. Eine bessere Lösung stelle die «doppeltproportionale Divisormethode mit Standardrundung (‹doppelter Pukelsheim›)» dar, die in verschiedenen Kantonen eingeführt worden sei. Mit diesem System zähle jede Stimme unabhängig von der Grösse des Wahlkreises gleich viel, der Wählendenwille könne dadurch «optimal abgebildet» werden und Listenverbindungen würden obsolet.
Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion. Mit dem doppelten Pukelsheim sei es möglich, dass Partei A in einem Kanton mehr Stimmen erhalte als Partei B, aufgrund des Zuteilungsverfahrens aber in diesem Kanton trotzdem Partei B mehr Sitze erhalte als Partei A. Solche Sitzverteilungen über Wahlkreise hinweg, wie sie der doppelte Pukelsheim mit sich bringen könne, würde dem «Gerechtigkeitsempfinden» von Wählenden nicht gerecht. Zudem habe das Parlament die Einführung des Doppeltproporzverfahrens bereits mehrfach abgelehnt (2008; 2009; 2012; 2019; 2021).

In der Sondersession im April 2024 zog die GLP die Motion zurück, weil sich die SPK-NR momentan aktiv mit den Fragen zu Wahlsystem und Listenverbindungen auseinandersetze, wie Jürg Grossen (glp, BE) erklärte. «Wir vertrauen darauf, dass die Kommission eine gute Lösung zur Verbesserung des Wahlsystems für die Nationalratswahlen findet», so Grossen.

Listenflut beseitigen (Mo. 23.4477)

Vorstösse zu Reformen der Wahlprozesse haben im Parlament nach eidgenössischen Wahlen jeweils Hochkonjunktur. Dies war auch im Frühling 2024 der Fall, als beide Kammern in der Frühjahrssession und in der Sondersession insgesamt fünf entsprechende Motionen (Mo. 23.4477; Mo. 23.4220; Mo. 23.4083; Mo. 23.4355 und Mo. 23.4356) berieten.
Im Zentrum der Motion von Leo Müller (mitte, LU; Mo. 23.4477) stand die Forderung nach einer Begrenzung der Zahl der Listen, die verbunden werden dürfen. In seiner im Nationalrat vorgebrachten Begründung beklagte Müller die «Listenflut», die er stoppen wolle. Er habe im Rahmen der Wahlen 2023 zahlreiche Rückmeldungen von Wählerinnen und Wählern erhalten, die gezeigt hätten, dass die vielen Listen- und Unterlistenverbindungen zu Verwirrung geführt hätten. Teilweise seien die Wahlberechtigten gar derart «abgeschreckt» worden, dass sie nicht an die Urne gegangen seien. Er wolle weder das Wahlsystem ändern noch Listen gänzlich verbieten, so Müller weiter. Mit einer Beschränkung der Verbindungen auf maximal fünf Listen oder Unterlisten könne Transparenz geschaffen und der Demobilisierung Einhalt geboten werden.
Bundeskanzler Viktor Rossi beantragte im Namen des Bundesrats die Ablehnung der Motion. Es sei in der Tat so, dass die Zahl der Kandidierenden und der Listen gegenüber früheren Wahlen stark zugenommen habe, was in der Öffentlichkeit auch breit diskutiert worden sei. Die Zahl der Listen variiere aber zwischen den Kantonen stark und es gebe keine Studien, die zeigten, wie sich die Zahl der Listen auf die Partizipationsbereitschaft auswirke. Er begründete die ablehnende Haltung des Bundesrats schliesslich aber mit den Arbeiten, welche die SPK-NR im Rahmen von drei noch ausstehenden parlamentarischen Initiativen (Pa.Iv. 23.481, Pa.Iv. 23.482 und Pa.Iv. 23.452) zu einem «Gesamtpaket» Wahlrechtsreformen (Pa.Iv. 24.422) aufgenommen habe. In diesem soll nicht nur das Thema «Listenverbindungen», sondern auch das Thema «Wahlsystem» angegangen werde. Die Motion solle also abgelehnt werden, um den Bemühungen der SPK-NR nicht vorzugreifen, so Rossi. Die grosse Kammer zeigte sich in dieser Frage gespalten. Das Patt aus 93 zu 93 Stimmen (1 Enthaltung) wurde durch die ablehnende Stimme des Nationalratspräsidenten Eric Nussbaumer (sp, BL) zu Ungunsten des Vorstosses entschieden. Für die Motion stimmten die geschlossene FDP-Fraktion, grossmehrheitlich die SVP-Fraktion sowie sechs Mitglieder der Mitte-EVP-Fraktion.

Wahlkreise für die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer (Mo. 23.4083)

Noch vor den eidgenössischen Wahlen 2023 hatte Jean-Luc Addor (svp, VS) eine Motion eingereicht, mit der er eine Reform des Wahlrechts verlangte. Dieselbe Forderung stellten nach den Wahlen auch vier weitere Motionen (Mo. 23.4220; Mo. 23.4477; Mo. 23.4355 und 23.4356) und drei parlamentarische Initiativen Pa.Iv. 23.481, Pa.Iv. 23.482 und Pa.Iv. 23.452). Jean-Luc Addor verlangte in seinem Vorstoss konkret die Schaffung eigener Wahlkreise für die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer. Die «Mitbürgerinnen und Mitbürger im Ausland» – rund 10 Prozent der Schweizer Bevölkerung – seien es wert, dass sie institutionell besser vertreten seien. Wahlkreise im Ausland würden sicherstellen, dass auch Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer im Nationalrat vertreten wären, so die Begründung des Vorstosses.
Der Bundesrat versicherte in seiner Antwort, dass ihm die Interessen der Bürgerinnen und Bürger im Ausland wichtig seien. Deren Vertretung sei aber bereits heute gewährleistet, da die im Ausland wohnhaften Stimmberechtigten in kantonalen Stimmregistern eingetragen seien und von den entsprechenden kantonalen Abgeordneten repräsentiert würden. Die Schaffung neuer Wahlkreise würde zudem eine Änderung der Bundesverfassung bedingen, erklärte er seine ablehnende Haltung zum Vorstoss.
In der Ratsdebatte während der Sondersession im April 2024 verwies Bundeskanzler Viktor Rossi als Vertreter des Bundesrates zudem darauf, dass Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer das passive Wahlrecht besässen und es den Parteien entsprechend freistünde, im Ausland wohnhafte Kandidierende auf die Listen zu setzen. Mit 152 zu 30 Stimmen (5 Enthaltungen) lehnte der Nationalrat die Motion ab. Aus seiner Fraktion folgten Jean-Luc Addor 9 Personen, zudem erhielt er Unterstützung von der geschlossen Ja-stimmenden Fraktion der Grünen.

Für ein faires und transparentes System bei den Nationalratswahlen (Pa.Iv. 24.422)

Im Rahmen der eidgenössischen Wahlen 2023 wurden im Parlament einige Vorstösse und parlamentarische Initiativen eingereicht, die eine Änderung des Wahlsystems für die Nationalratswahlen verlangten. Gefordert wurden dabei etwa eigene Wahlkreise für Auslandschweizerinnen und -schweizer (abgelehnte Motion von Jean-Luc Addor (svp, VS; Mo. 23.4083), die Einführung des doppelten Pukelsheim (sistierte parlamentarische Initiative von Marc Jost (evp, BE; Pa.Iv. 23.452 und zurückgezogene Motion der GLP-Fraktion: Mo. 23.4220) und insbesondere ein Verbot oder eine Beschränkung von Listen- und Unterlistenverbindungen (zwei zurückgezogene parlamentarische Initiativen von Thomas Burgherr (svp, AG; Pa.Iv. 23.481 und Pa.Iv. 23.482, zwei zurückgezogene Motionen von Thierry Burkart (fdp, AG; Mo. 23.4355 und Mo. 23.4356 sowie die knapp abgelehnte Motion von Leo Müller (mitte, LU; Mo. 23.4477). Dass nach eidgenössischen Wahlen jeweils Reformen gefordert werden, ist dabei eigentlich nichts Neues.

Neu waren diesmal aber erstens die Menge an parlamentarischer Aktivität, zweitens die in den Medien recht virulent diskutierte Kritik an der «Listenflut» und drittens der Umstand, dass sich die SPK-NR der Sache annahm. Grund für die zahlreichen Rückzieher der Vorstösse war nämlich, dass die nationalrätliche Kommission mit 16 zu 9 Stimmen eine Kommissionsinitiative einreichte, mit der sie die verschiedenen Anliegen zusammenfassen und ein faires und transparentes System bei den Nationalratswahlen schaffen wollte. Die Kommission nahm dabei insbesondere das aktuelle Zuteilungsverfahren (Hagenbach-Bischoff) ins Visier. Nach Anhörung verschiedener Expertinnen und Experten soll dieses durch ein anderes Verfahren ersetzt werden (Sainte-Laguë), mit dem die Stimmen der Wählenden repräsentativer in Sitze übersetzt würden und mit dem «Listenverbindungen allenfalls überflüssig» würden, so die SPK-NR in ihrer Medienmitteilung Ende April 2024. Wie in den meisten Vorstössen gefordert, sollte zudem die Zahl an Unterlistenverbindungen beschränkt werden. Ziel sei eine Umstellung auf die Wahlen 2031.

Bereits Mitte Juni 2024 gab die SPK-SR «grünes Licht» für eine «Prüfung alternativer Lösungen für das Verfahren zur Wahl des Nationalrates». Mit 9 zu 2 Stimmen (2 Enthaltungen) befand die Kommission die Vorschläge einer Einführung von Sainte-Laguë und einer Begrenzung von Unterlistenverbindungen für «sinnvoll». Eine definitive Bewertung werde vorgenommen, wenn die Vorlage zu einer Revision des Bundesgesetzes über die politischen Rechte – welche die SPK-NR in der Folge ausarbeitete – vorliege, so die SPK-SR in ihrer Medienmitteilung.

Nein zu Listenverbindungen (Pa.Iv. 23.481)

Gleich mit zwei parlamentarischen Initiativen wollte Thomas Burgherr (svp, AG) eine Änderung der Regeln für Listenverbindungen durchsetzen. Sein Nein zu Listenverbindungen (Pa.Iv. 23.481) sowie die Forderung nach mehr Transparenz durch eine Begrenzung von Unterlisten (Pa.Iv. 23.482) passten in den Strauss an parlamentarischen Begehren, die – wie sehr oft nach eidgenössischen Wahlen – Reformen des Wahlrechts forderten (vgl. Mo. 23.4220; Mo. 23.4477; Mo. 23.4083; Mo. 23.4355 und 23.4356 sowie Pa.Iv. 23.452). Listen- und Unterlistenverbindungen verhinderten eine freie Willensentscheidung, begründete Burgherr seine beiden Anliegen. Allerdings sah er Ausnahmen eines Verbots an Listenverbindungen vor, wenn «regionale Besonderheiten» dies verlangten – als Beispiel fügte er die «zwei Wahlkreise» im Unter- und Oberwallis an. Gänzlich verbieten wollte der Aargauer auch die Unterlisten nicht. Die Kantone sollten aber eine Begrenzung ihrer Zahl festlegen können, damit sich die Wählenden besser orientieren und Kosten gespart werden könnten.
Wohl auch weil die SPK-NR eine eigene parlamentarische Initiative einreichte (Pa.Iv. 24.422), mit der sie ein «faires und transparentes Wahlsystem» forderte, wobei auch die Abschaffung von Listenverbindungen und eine Beschränkung von Unterlisten angedacht werden sollte, zog Burgherr seine beiden Anliegen Ende April 2024 zurück.