Im Rahmen der Herbstsession 2025 nahm der Nationalrat als Zweitrat Kenntnis vom bundesrätlichen Bericht zur Anwendung, zu den gesetzlichen Grundlagen und zu den Grenzen des Notrechts. Im Namen der SPK-NR nahm Balthasar Glättli (gp, ZH) Stellung zum Bericht und empfahl diesen zur Kenntnisnahme. Glättli betonte dabei, dass das Parlament aufgrund der Auseinandersetzung mit zwei parlamentarischer Initiativen der SPK-NR (Pa. Iv. 20.437; Pa. Iv. 20.438) bereits einige Erkenntnisse gewonnen hatte, die der Bericht nun bestätige: So beispielsweise die Feststellung, dass die Regierung in einer Notrechtssituation einer erhöhten Rechtfertigungspflicht gegenüber der Öffentlichkeit und der Bundesversammlung unterliege und das Notverordnungsrecht zeitlich eng befristet sein sollte.
Glättli zeigte sich mit dem bundesrätlichen Bericht darin einig, dass die Systemrelevanz der zu schützenden Bereiche zur Sicherstellung des Wohls von Einzelnen und der Gesellschaft bei der Anwendung und Rechtfertigung von Notrecht berücksichtigt werden soll und nicht zu eng definiert werden darf. Gleichwohl müsse weiterhin sichergestellt werden, dass das Parlament mit eigenen Notverordnungen oder dringlichen Bundesgesetzen die Entscheide des Bundesrats jederzeit übersteuern könne. Auf das Votum des Kommissionssprechers folgten diverse Stellungnahmen der Fraktionen. Christian Dandrès (sp, GE) dankte für den Bericht, der besonders umfassend auf die drei grossen Krisen der letzten Jahre (Covid-19-Pandemie, Übernahme der Credit Suisse durch die UBS und Rettung der Axpo) eingegangen sei, aber zu wenig auf mögliche Krisen der Zukunft fokussiere. Dandrès nannte dabei unter anderem das Schadenspotenzial systemrelevanter Banken oder drohende Monopole im Gesundheitsbereich. Gemäss Nicolò Paganini (mitte, SG) schloss die Mitte-Fraktion aus dem Bericht, dass der Bundesrat Lehren aus vergangenen Notrechtssituationen gezogen habe. Gleichzeitig würden im Bericht Ausführungen dazu fehlen, warum es insbesondere in den letzten Jahren zu einer Häufung der Notrechtanwendung gekommen sei. In die gleiche Richtung zielte die Kritik der SVP-Fraktion, vorgetragen von Gregor Rutz (svp, ZH), der betonte, dass Notrecht nicht zur «politischen Routine» werden dürfe. Für die GLP-Fraktkon nahm Beat Flach (glp, ZH) den Bericht zum Anlass, um auf die Problematik des langsamen Gesetzgebungsprozesses in der Schweiz – insbesondere in Krisensituationen – hinzuweisen. Er stellte überdies fest, dass der hohe Druck für Transparenz während Notrechtssituationen auch hemmend auf den Bundesrat wirken könne, wie beispielsweise die Sorge vor Leaks bei der Fusion der Credit Suisse und der UBS gezeigt habe. Im Namen der FDP-Fraktion betonte Nadine Gobet (fdp, FR) die Wichtigkeit der generellen Gewährung von Grundrechten auch während Krisensituationen. Sie verwies dabei unter anderem auf die parlamentarische Initiative von Andrea Caroni (fdp, AR) für eine Begründungspflicht beim Erlass von Notrecht (Pa. Iv. 23.439), welche von der FDP-Fraktion unterstützt werde. Im Plenum bekräftigte Bundesrat Beat Jans die Haltung der Regierung: «So wenig Notrecht wie möglich, so viel wie nötig». Die Regierung sei sich ihrer Machtfülle bewusst und möchte daher insbesondere während Krisensituationen die Transparenz weiter verbessern, wie unter anderem die geplanten Leitlinien zur Stärkung der Resilienz der Gesetzgebung im Krisenfall, die künftige Begründungspflicht bei Notrecht und die präventiven Rechtskontrollen durch das BJ zeigen würden.