Volksinitiative «für einen echten Zivildienst auf der Grundlage des Tatbeweises» (82.058)

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Die Frage, wie Dienstverweigerer zu behandeln seien, blieb auch nach der Volksabstimmung vom 4. Dezember 1977 aktuell. Eine parlamentarische Initiative Heimann (ldu, ZH; Pa.lv. 77.230), die Verweigerern aus religiösen oder ethischen Gründen einfach die Entrichtung von Militärpflichtersatz auferlegen wollte, lehnte der Ständerat ab, da sie weiter gehe als die verworfene Zivildienstvorlage. Das EMD erwog eine klarere Regelung für die Zuteilung zum waffenlosen Militärdienst, nachdem in zwei Motionen ein Ausbau dieser Möglichkeit gewünscht worden war. Die Zahl der Verweigerungsfälle nahm wieder etwas zu; 1978 gab es 391 Urteile (1977: 345; 1976: 367), davon 194 (161 bzw. 181) Fälle aus religiösen oder ethischen Gründen. Für die auf den sogenannten Tatbeweis ausgerichtete neue Zivildienstinitiative waren bis Jahresende 85'000 Unterschriften gesammelt. Zu einer Art geistigen Dienstverweigerung schritten zwei Feldprediger: Sie teilten der Abteilung Adjutantur ihre Auffassung mit, dass Waffendienst der Bergpredigt widerspreche, und wurden darauf in ihren Funktionen eingestellt. Der Priesterrat der Diözese Lausanne-Genf-Freiburg anerkannte das Recht auf Dienstverweigerung, empfahl aber den demokratischen Rechtsweg.

Dossier: Einführung des Zivildienstes

Nach wie vor bleibt die Frage der Dienstverweigerer aktuell. Mit rund 113'000 gültigen Unterschriften wurde im Dezember eine Initiative für einen echten Zivildienst eingereicht. Absicht dieses Volksbegehrens ist es, die Gewissensprüfung durch den «Tatbeweis» zu ersetzen, indem der Verweigerer die Ernsthaftigkeit seiner Motive dadurch glaubwürdig macht, dass er einen Ersatzdienst auf sich nimmt, der um die Hälfte länger dauert als die Militärpflicht. Die Urheber des Vorstosses erachten diese Lösung als gangbaren Kompromiss zwischen den Bedürnissen der Armee und den Wünschen der Betroffenen. Auf eine Entschärfung des Problems der Dienstverweigerer, deren Zahl sich 1979 von 391 im Vorjahr auf 340 verringerte, zielten neben der Volksinitiative auch zwei Motionen, mit denen die FDP (Sigrist, fdp/ZH; Mo. 77.487) und die SP (SP-Fraktion, Mo. 77.493) die Regierung ersuchten, die Möglichkeit des waffenlosen Militärdienstes auszubauen. Nachdem der Vorsteher des EMD ausdrücklich zugesichert hatte, dem Parlament im kommenden Jahr eine Vorlage zu diesem Geschäft zu unterbreiten, stimmten die Unterzeichner einer Umwandlung in ein Postulat zu. Das Militärdepartement versuchte jedoch, dem Widerstand gegen die Armee auch dadurch beizukommen, dass es einen Bericht ausarbeiten liess, der sich mit der Frage befasste, wie die Lehrer vermehrt von der Notwendigkeit der Streitkräfte überzeugt und zu einer entsprechenden Beeinflussung der Schüler veranlasst werden könnten. Dieser Versuch erntete auf der Linken scharfe Kritik.

Dossier: Einführung des Zivildienstes

Grosse Aufmerksamkeit zog die Abstimmung über die «Volksinitiative für einen echten Zivildienst auf der Grundlage des Tatbeweises» auf sich. Im Unterschied zum Plebiszit von 1977 gruppierte sich diesmal die organisierte Gegnerschaft vor allem um die Offiziersgesellschaften; eine Kritik von links wurde kaum spürbar. Am vorgeschlagenen Verfassungstext bemängelten die Gegner den fehlenden Nachweis eines Gewissenskonfliktes, wodurch die Wahl zwischen Militär- und Zivildienst freigestellt und die allgemeine Wehrpflicht aufgehoben würde. Die Befürworter, die vor allem in kirchlichen Kreisen Unterstützung fanden, versuchten unter dem Motto «Zivildienst statt Gefängnis» die Nützlichkeit denkbarer Einsätze im sozialen Bereich und bei der Landschaftspflege zu belegen. Sie argumentierten, wer bereit sei, anderthalb Mal solange wie die obligatorische Dienstpflicht einen Zivildienst zu leisten, beweise durch seine Taten, dass er gute Gründe habe. Im leidenschaftlich und von den Gegnern wirkungsvoll geführten Abstimmungskampf machte sich ein deutlicher Rechts/Links-Gegensatz bemerkbar. Die drei bürgerlichen Bundesratsparteien, die Liberalen und die Nationale Aktion empfahlen das Begehren zur Ablehnung. Befürwortet wurde es von den Sozialdemokraten, der EVP und dem LdU sowie von der äussern Linken.

Dossier: Einführung des Zivildienstes

Am 26. Februar verwarfen die Stimmbürger die Initiative deutlich. Bei einer Beteiligung von 52,8% stimmten 63,8% gegen die Vorlage; mit Ausnahme von Genf und Basel-Stadt sprachen sich alle Stände ablehnend aus. Eine Untersuchung auf Befragungsbasis zeigte erneut, dass ihre Befürworter in den jüngeren Generationen stärker vertreten waren; leicht unterschiedlich war das Verhalten der beiden Geschlechter. Als Hauptergebnis einer Motiv- und Einstellungsanalyse wurde festgehalten, das Verdikt zur zweiten Zivildienst-Initiative sei kein «Nein» zur Idee an sich. Eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung stehe der Einführung eines Zivildienstes nicht negativ gegenüber; ausgeschlossen werde jedoch jede Möglichkeit einer individuellen Wahl. Das Gefängnis als Strafe für Dienstverweigerer finde nur bei einer Minderheit eine Unterstützung.

Abstimmung vom 26. Februar 1984

Beteiligung 52.77%
Ja 771'413 (36.17%) / Stände 1 1/2
Nein 1'361'482 (63.83%) / Stände 19 5/2

Parolen:
-Ja: EVP(1)*, GPS, LdU(2)*, PdA, POCH, SPS
-Nein: CVP(2)*, EDU, FDP, LPS, SD, SVP
-Stimmfreigabe: CVP JU, CVP VD, LdU ZG
*In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

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