Revision des Treibstoffzollgesetzes

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Der Bundesrat gab im weitern den Vorentwurf für eine Revision des Treibstoffzollgesetzes in die Vernehmlassung. Die wichtigste Neuerung besteht in der Möglichkeit, diese Einnahmen auch für Infrastrukturkosten des öffentlichen Verkehrs zu verwenden. Eine parlamentarische Initiative Béguelin (sp, VD; Pa. Iv. 88.230) zielte in die gleiche Richtung und wurde vom Nationalrat mit 95 zu 32 Stimmen überwiesen. Die beiden Standesinitiativen der Kantone Zürich und Bern für eine Umlegung der Motorfahrzeugsteuern auf den Treibstoffpreis lehnte die grosse Kammer jedoch ab.

Die Revision des Treibstoffzollgesetzes wurde in der Vernehmlassung von den Kantonen, Parteien und Verbänden unterschiedlich aufgenommen: Weitgehend positiv waren die Antworten zum Vorhaben, den Kantonen zukünftig Gelder aus den Treibstoffzöllen in der Grössenordnung von CHF 150 Mio als Werkbeiträge des Bundes (ca. 10 bis 40% des Auftragsvolumens) an Anlagen und Einrichtungen des öffentlichen Verkehrs auszurichten. Der Vorschlag, diese Zahlungen mit einer Reduktion der Bundesbeiträge an den Strassenbau zu kompensieren, traf hingegen auf vehemente Opposition. Der Bundesrat liess deshalb diesen Punkt fallen und beauftragte das EVED mit der Ausarbeitung eines Entwurfs. Aus zeitlichen Gründen soll diese Revision mittels einer Anpassung der Verordnung und nicht über eine Gesetzesrevision durchgeführt werden.

Unter dem Druck von Kantonen und Parlament entschied sich der Bundesrat, das Netz der Hauptstrassen um über 700 Kilometer zu verlängern und den Nationalstrassenbau schneller voranzutreiben. Nach Berechnungen des Finanzdepartementes werden diese zusätzlichen finanziellen Belastungen die Reserven aus der Treibstoffzollkasse innert drei bis vier Jahren aufbrauchen. Der Bundesrat prüfte unter anderem auch aus diesem Grund die Möglichkeit einer Erhöhung der Treibstoffzölle um 30 bis 35 Rappen pro Liter Benzin, um einerseits den Bedürfnissen des Strassenbaus der nächsten Zukunft zu entsprechen, andererseits aber auch um das Defizit der Bundeskasse zu lindern, weil diese Zölle im Gegensatz zu den Treibstoffzoll-Zuschlägen nur zur Hälfte zweckgebunden verwendet werden müssen. Im übrigen würde die Anhebung des Benzinpreises auf ein europäisches Durchschnittsniveau zu weniger Benzintourismus führen und somit einen umweltschützerischen Effekt haben. Entscheidungen bezüglich der Einführung einer CO2-Abgabe, die zu einer Reduktion des Verbrauchs von fossilen Treib- und Brennstoffen und damit zu einer Verbesserung der Luftqualität beitragen sollte, fällte der Bundesrat im Berichtsjahr keine. Dagegen entschied er sich, auf die Einführung eines Ökobonus vorläufig zu verzichten, nachdem das BUWAL den Expertenbericht des Umweltberatungsbüros Infras veröffentlicht hatte; darin hatten die Experten Vor- und Nachteile der verschiedenen Modelle vom Radumdrehungszähler bis zu einem Zuschlag auf den Treibstoffpreis erläutert.

Wie schon vor den Verhandlungen in den beiden Räten angekündigt, ergriff ein überparteiliches Komitee bestehend aus Vertretern der Auto-Partei, bürgerlichen Parlamentariern sowie dem Westschweizer Centre patronal das Referendum gegen die Treibstoffzollerhöhung. Unterstützt wurde das Komitee vom Schweizerischen Nutzfahrzeugverband Astag und dem ACS, nicht aber vom grössten Verband der Automobilisten, dem TCS.

Der Bundesrat hatte bereits im Vorjahr den Abstimmungstermin zur Vorlage über die Treibstoffzollerhöhung festgelegt, bevor das Referendum überhaupt definitiv zustande gekommen war. Im Hinblick auf eine frühzeitige Abstimmung mit positivem Ausgang erhoffte sich der Bundesrat trotz der Verzögerung durch das Referendum Einnahmen aus der Treibstoffzollkasse in der Höhe von ca. einer Mrd. für das Rechnungsjahr 1993.

Ausser der Auto-Partei, der SD/Lega-Fraktion sowie der PdA unterstützten alle Parteien die Treibstoffzollerhöhung. Bei der FDP scherten allerdings mehrere Kantonalsektionen aus. Der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) beschloss, seinen Mitgliedern Simmfreigabe zu empfehlen. Der links-grüne Verband forderte einerseits, der Strassenverkehr müsse seine internen und externen Kosten selbst tragen; somit wäre eine Verteuerung des Benzins in seinem Sinne gewesen. Andererseits lehnte er es ab, der Bundeskasse zu noch mehr zweckgebundenen Mitteln für den Strassenbau zu verhelfen. Der Touring-Club-Schweiz (TCS) als grösste Interessenorganisation im Automobilverbandswesen unterstützte die Zollerhöhung, vor allem aus Sorge um die baldige Fertigstellung des Nationalstrassennetzes. Der ACS und der Nutzfahrzeugverband Astag bildeten jedoch zusammen mit der AP die Hauptgegner der Vorlage.

Das Referendum gegen die Treibstoffzollerhöhung, welches von einem überparteilichen Komitee bestehend aus Vertretern des Transportgewerbes, der Auto-Partei und des Centre patronal ergriffen worden war, kam zu Beginn des Berichtsjahres zustande. Dieses Komitee "gegen eine parasitäre Besteuerung des Privatverkehrs" wehrte sich dagegen, dass die Staatsfinanzen seines Erachtens auf Kosten des privaten Strassenverkehrs saniert werden sollten. Im übrigen befand es die Erhöhung der Steuerbelastung in Zeiten der Rezession und des damit verbundenen Anstiegs der Staatsquote unverantwortlich. Der Kanton Waadt steuerte mit über 17'000 Unterschriften am meisten von allen Kantonen bei, gefolgt vom Kanton Zürich mit ca. 13'000. In der Abstimmungskampagne war es denn auch der Kanton Waadt, in welchem die Gegner am aktivsten waren. Kurz darauf gründeten über 120 Mitglieder der eidgenössischen Räte ein Gegenkomitee mit dem Namen "Ja zu einem angemessenen Benzinpreis", welches vom Neuenburger Nationalrat Frey (fdp) präsidiert wurde. Im Interesse der Bundeskasse sowie der Fertigstellung des Nationalstrassennetzes plädierte das Komitee für eine massvolle Erhöhung der hälftig zweckgebunden zu verwendenden Treibstoffzölle. Nach Ansicht des Gegenkomitees hätte ein Nein zur Vorlage eine namhafte Verzögerung der Fertigstellung des Nationalstrassennetzes, insbesondere in den Randregionen, zur Folge.

Erhöhung des Treibstoffzolls. Abstimmung vom 7. März 1993

Beteiligung: 51,3%
Ja: 1 259 373 (54,5%)
Nein: 1 051 067 (45,5%)

Parolen :
— Ja: FDP (6*), CVP, SP, SVP (1*), GP (1*), LP (1*), LdU (2*), EVP, EDU (1*); Vorort, SBV, SGB, TCS.
— Nein: AP, SD (1*), PdA, Lega; ACS, Astag, Centre patronal.
— Stimmfreigabe: SGV, VCS.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Mit einem Mehr von 54,5% wurde die Vorlage bei einer relativ hohen Stimmbeteiligung von 51,3% angenommen. Die Abstimmung zeigte erneut den verkehrspolitischen Graben zwischen der deutschen und der romanischen Schweiz. Alle Kantone der Romandie und das Tessin lehnten die Vorlage ab, während alle Stände der deutschen Schweiz ausser Schwyz zustimmten. Am höchsten fiel die Zustimmung in den Kantonen Basel-Stadt (69,1%) und Uri (68,5%) aus, während die Ablehnung in den Kantonen Jura (63,2%) und Wallis (60,4%) am stärksten war.

Gemäss der Vox-Analyse zeigte unter den sozioökonomischen Merkmalen die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Sprachregion den signifikantesten Zusammenhang mit dem Stimmverhalten. Die politische Merkmalsgruppe mit der deutlichsten Zustimmung waren die Anhänger der GP, während Mitglieder und Sympathisanten der Auto-Partei und politisch wenig Interessierte die deutlichste Ablehnung äusserten. Bei den Entscheidmotiven zeigte sich, dass bei den Ja-Stimmenden in der Deutschschweiz die Mittelbeschaffung für die Bundeskasse, Umweltschutzargumente und das Verursacherprinzip im Vordergrund standen. In der Romandie hingegen war für die Befürworter das entscheidende Motiv die zu 50% zweckgebundene Verwendung für den Strassenbau, insbesondere die Nationalstrassen, während ökologische Beweggründe bedeutungslos blieben. Insgesamt erzielten die Treibstoffzolleinnahmen, wie nach Annahme der Referendumsabstimmung erwartet, im Rechnungsjahr ein gutes Ergebnis, blieben aber trotzdem CHF 400 Mio. unter dem budgetierten Betrag, nicht zuletzt auch weil der Benzintourismus im Südtessin und in der Region Basel stark zurückging.