Änderung des KVAG zur Teilnahme der Kantone am Prämiengenehmigungsverfahren und zum Ausgleich von zu hohen Prämieneinnahmen (BRG 24.055)

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Anfang Juni 2024 präsentierte der Bundesrat seine Botschaft zur Änderung des KVAG, mit der er die Kantone stärker in das Prämiengenehmigungsverfahren einbeziehen und bei der Rückerstattung von zu hohen Prämieneinnahmen besser vergüten will. Die Änderung geht auf eine überwiesene Motion Lombardi (ehemals cvp, TI; Mo. 19.4180) mit der gleichen Forderung zurück, welche nun abgeschrieben werden soll. Dieselbe Forderung hatten auch sechs lateinischsprachige Kantone gestellt. Bislang haben die Kantone das Recht, vor der Genehmigung der Prämientarife Stellung zur Kostenschätzung in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet zu nehmen. Dafür erhielten sie vom Bund und den Versicherungen die entsprechenden Unterlagen. Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung sollen die Kantone zukünftig zusätzlich Stellung zu den Prämieneingaben der Versicherungen in ihrem Hoheitsgebiet nehmen können, wofür sie von den Versicherungen sämtliche zusätzlich relevanten Informationen erhielten – namentlich die entsprechenden Prämieneingaben, welche die Versicherer beim BAG einreichen. Neu sollen die Kantone ihre Stellungnahme zur Kostenschätzung und zu den Prämieneingaben nicht wie bisher direkt bei den Versicherungen, sondern bei der Aufsichtsbehörde des Bundes deponieren. Gleichzeitig soll überdies auch der Umgang mit zu hohen Prämieneinnahmen angepasst werden. Konkret sollen Rückvergütungen neu an die Kantone statt an die versicherte Person ausbezahlt werden, wenn die Kantone die Prämien der versicherten Person vollständig über Prämienverbilligungen finanziert haben.

Die Vernehmlassung hatte von Ende Mai bis Mitte September 2023 stattgefunden, wobei insgesamt 38 Stellungnahmen eingegangen waren. Beide Teile der Botschaft – der verstärkte Einbezug der Kantone in das Prämiengenehmigungsverfahren und der Ausgleich zu hoher Prämieneinnahmen – waren in der Vernehmlassung insgesamt auf breite Zustimmung gestossen. Jedoch hatten die Mehrheit der Kantone und die GDK gefordert, dass die Liste der von den Versicherungen einzureichenden Unterlagen um einige Positionen erweitert werden soll. Zudem war die Streichung der Möglichkeit, bei den Versicherungen eine Stellungnahme einzureichen, unter anderem von der SP, den Grünen und dem SGB kritisiert worden. Die FDP, Curafutura und Groupe Mutuel hatten den verstärkten Einbezug der Kantone in das Prämiengenehmigungsverfahren als einzige Vernehmlassungsteilnehmende abgelehnt, da dies das Verfahren zusätzlich verkomplizieren und keinen grossen Mehrwert bringen würde.
Auch den Ausgleich der zu hohen Prämieneinnahmen hatten Curafutura und Groupe Mutuel abgelehnt. Zusammen mit fast allen Kantonen hatten sie sich daran gestört, dass die Rückerstattung nur bei vollständiger Kostenübernahme den Kantonen zugutekommen sollten. Dies würde zu einer Ungleichbehandlung der Versicherten und derjenigen Kantone führen, die lediglich Teilverbilligungen gewähren und somit keine Rückerstattungen erhielten. Die sich dazu äussernden Kantone hatten als Alternative vorgeschlagen, dass die Kantone die «Rückerstattung bis maximal zur Höhe der gewährten Prämienverbilligung» erhalten sollten. Zudem sollten nicht nur die Prämienverbilligungen, sondern auch die Ergänzungsleistungen in die Regelung einbezogen werden. Aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse hatte der Bundesrat in der Folge entschieden, die Ergänzungsleistungen in die Rückerstattung einzubeziehen. Jedoch hatte er daran festgehalten, dass die Kantone nur bei einer vollständigen Prämienübernahme eine Rückvergütung erhalten sollten. Und auch auf die Wiederaufnahme der Möglichkeit, als Kanton bei den Versicherungen eine Stellungnahme einzureichen, hatte er verzichtet.

In der Wintersession 2024 befasste sich der Ständerat als Erstrat mit dem Entwurf des Bundesrates zur KVAG-Revision, welche die Kompetenzen der Kantone im Prämiengenehmigungsverfahren ausbauen und sie stärker an der Rückerstattung von zu hohen Prämieneinnahmen beteiligen will. Bereits Anfang Oktober 2024 hatte die SGK-SR den Entwurf ohne Gegenstimme mit 10 zu 0 Stimmen (2 Enthaltungen) angenommen, nachdem sie einstimmig auf die Vorlage eingetreten war.
Kommissionssprecher Erich Ettlin (mitte, OW) führte in der kleinen Kammer aus, dass die Revision in den Kommissionssitzungen zwar intensiv diskutiert worden sei, man aber die Stossrichtung des Bundesrats teile und keine Änderungen am Entwurf vorgenommen habe. Auch in der Kommission sei die Frage nach «der teilweisen oder ganzen Rückerstattung an den Kanton» besprochen worden. Ein Antrag, den Passus zu streichen und die vollständige Rückerstattung an die Versicherten beizubehalten, sei mit 8 zu 4 Stimmen abgelehnt worden. Die 100-Prozent-Regelung des Bundesrates sei «eine pragmatische Lösung», so Ettlin. Im Anschluss trat der Ständerat stillschweigend auf die Vorlage ein. In der darauffolgenden Gesamtabstimmung wurde der Entwurf mit 28 zu 2 Stimmen angenommen, die ablehnenden Stimmen stammten von zwei Mitgliedern der SVP-Faktion. Zudem hiess der Ständerat die Abschreibung der Motion Lombardi (ehemals cvp, TI; Mo. 19.4180) gut, auf die der Entwurf zurückgeht.

Der Nationalrat befasste sich in der Frühjahrssession 2025 als Zweitrat mit dem Entwurf des Bundesrates zur KVAG-Revision, welche die Rolle der Kantone beim Prämiengenehmigungsprozess stärken und sie vermehrt an der Rückerstattung von zu viel bezahlten Prämien teilhaben lassen wollte. Zuvor war die SGK-NR dem Entwurf in allen Punkten gefolgt und hatte ihn ohne Gegenstimmen mit 20 zu 0 Stimmen (5 Enthaltungen) angenommen. Kommissionssprecherin Sarah Wyss (sp, BS) erklärte, dass die Kommission die Vorlage intensiv diskutiert habe – insbesondere die Modalitäten bei der Rückerstattung der zu viel bezahlten Prämien an die Kantone hätten zu reden gegebn –, die Vorlage aber insgesamt als «zielführend» erachte und die grosse Kammer auffordere, die Fassung des Bundesrates unverändert anzunehmen. Dies tat der Rat dann auch: Nach stillschweigendem Eintreten hiess der Nationalrat den Entwurf in der Gesamtabstimmung mit 167 zu 12 Stimmen – alle Nein-Voten stammten aus der SVP-Fraktion – gut. Zudem beschloss der Nationalrat stillschweigend die Abschreibung der Motion Lombardi (ehemals cvp, TI; Mo. 19.4180), auf welcher das Geschäft fusste.

In den Schlussabstimmungen am Ende der Frühjahrssession 2025 nahmen beide Kammern den Entwurf zur KVAG-Revision an, der Ständerat mit 43 zu 2 Stimmen und der Nationalrat mit 130 zu 59 Stimmen (2 Enthaltungen), wobei in beiden Kammern ausschliesslich Mitglieder der SVP-Fraktion dagegen votierten.