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Parteien, Verbände und Interessengruppen
Verbände und übrige Interessenorganisationen
Der Gewerbeverband musste einen neuen Direktor suchen. – Der Schweizerische Bauernverband lancierte zum ersten Mal in seiner Geschichte eine Volksinitiative. – In den Gewerkschaften waren die Meinungen zur Annäherung der Schweiz an den EG-Binnenmarkt sehr geteilt. – Die Verbandsstrukturen im Konsumentenschutz sind noch unübersichtlicher geworden.
 
Auch in diesem Jahr bildete die Integration Europas und die Rolle, welche die Schweiz dabei spielen soll, ein zentrales Diskussionsthema für die Verbände. Die Unternehmerverbände – bei denen die Meinungsbildung bereits seit einigen Jahren im Gang ist – hielten sich mit konkreten Positionsbezügen zurück. Von Exponenten der Gewerkschaften, bei denen die Debatte erst im Berichtsjahr richtig eingesetzt hat, waren demgegenüber sehr pointierte und kontroverse Ansichten zu vernehmen. Während die einen sich von einer möglichst weitgehenden Beteiligung der Schweiz am Integrationsprozess unter anderem die Erfüllung sozialpolitischer Postulate erhoffen, die bisher weder auf dem Weg der Sozialpartnerschaft noch mit politischen Mitteln erreicht werden konnten, warnten andere vor einer Nivellierung nach unten beim Umweltschutz, aber auch bei den Löhnen und den Arbeitsschutzbestimmungen [1].
Unternehmer
Nationalrat Blocher (svp, ZH) wiederholte im Herbst an der Generalversammlung der Vereinigung des Schweizerischen Import- und Grosshandels (VSIG) seine im Vorjahr erstmals öffentlich vorgebrachte Kritik an den Unternehmerverbänden. Der Präsident der VSIG, G. Grisard, der die Ansichten Blochers in bezug auf den Vorort und die Gesellschaft zur Förderung der schweizerischen Wirtschaft (Wirtschaftsförderung) zu teilen scheint, betonte, dass es notwendig sei, Bundesrat und Parlament von ihrer wohlstandsgefährdenden Politik abzubringen, und dass sich die Unternehmer bei der Verteidigung der Marktwirtschaft keine Kompromisse erlauben dürften [2]. Der Direktor der von Blocher und anderen Unternehmern angegriffenen Wirtschaftsförderung, der 62jährige Nationalrat Reich (fdp, ZH), kündigte im November seinen Rücktritt auf Ende 1990 an. Auch wenn Reich festhielt, dass seine Demission nicht aufgrund der Kritik Blochers erfolge, dürfte sie doch die. Durchführung der geplanten Umstrukturierung erleichtern. Ein wichtiges Element dieser Reform soll darin bestehen, den Einfluss der geldgebenden Wirtschaftsverbände auf die Informationspolitik der Wirtschaftsförderung zu stärken [3].
Auf Ende 1989 trat nach fünfjähriger Amtszeit Hans Letsch als Präsident des Zentralverbands Schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen (ZSAO) zurück. Zu seinem Nachfolger wählte der Vorstand den bisherigen Vizepräsidenten Guido Richterich, Manager bei einem Basler Chemie-Konzern [4].
Der Vorort und der ZSAO lehnten sowohl die Kleinbauern-Initiative als auch das Volksbegehren zur Abschaffung der Armee ab; beide verzichteten beim Entscheid über Tempo 100/130 auf eine Parole [5].
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Dem Schweizerischen Gewerbeverband (SGV) machten im Berichtsjahr personelle Probleme im Verbandssekretariat zu schaffen. Anfangs März wurde der stellvertretende Direktor Alfred Oggier seiner Funktionen enthoben. Nach Aussagen der Beteiligten standen hinter diesem Entscheid nicht politische Meinungsverschiedenheiten, sondern Unverträglichkeit auf persönlicher Ebene zwischen dem Westschweizer Oggier und dem Verbandsdirektor Peter Clavadetscher. Gewerbevertreter und Journalisten aus der Westschweiz reagierten auf diese Entwicklung ungehalten und kritisierten die Arbeitsmethoden und den Führungsstil Clavadetschers als inkompetent und paternalistisch. Auf Druck von welschen Delegierten setzte am 30. März das Parlament des SGV, die Gewerbekammer, eine sprachlich paritätisch zusammengesetzte Kommission ein, die nach Ansicht der Westschweizer nicht nur die Verbandsstruktur, sondern auch die Rolle des SGV-Direktors unter die Lupe nehmen sollte. Nur einen Tag später musste Clavadetscher nach einem Nervenzusammenbruch hospitalisiert werden und einen unbefristeten Erholungsurlaub antreten; Vizedirektor Balz Horber übernahm interimistisch die Leitung des Sekretariats. Einen Monat später trat Clavadetscher als Direktor des Gewerbeverbandes zurück [6].
Auf Vorschlag des Vorstandes wählte die Gewerbekammer am 29. September den 46jährigen Pierre Triponez zum neuen Direktor. Der in einer französischsprachigen Familie in der Deutschschweiz aufgewachsene Jurist war bis 1986 Vizedirektor des BIGA und gehört der FDP an; er wird sein Amt 1990 antreten [7].
Die politische Geschlossenheit und Durchsetzungskraft des Gewerbeverbandes scheint allerdings unter diesen personellen Problemen nicht gelitten zu haben. Für die Volksabstimmungen gab der SGV zweimal die Nein-Parole (Kleinbauern und Armeeabschaffung) und einmal die Ja-Parole (Tempo 100/130) aus [8].
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Das von der Schweizerischen Bankiervereinigung vertretene Bankgewerbe konnte im Berichtsjahr wichtige politische Erfolge erzielen. Bei den neuen Gesetzesbestimmungen gegen die Geldwäscherei rückte der Bundesrat von der im Expertenvorentwurf vorgesehenen und von den Banken vehement bekämpften Strafbarkeit fahrlässig begangener Handlungen ab. Statt dessen wurde die bisherige Standesregel der Banken über die Sorgfaltspflicht bei der Entgegennahme von Geldern ins Gesetz übernommen. In der Frage der steuerlichen Entlastung des Finanzmarktes fand die Bankiervereinigung im Parlament gute Fürsprecher. Beide Kammern sprachen sich gegen die. vom Bundesrat beantragte Erhebung von neuen Finanz- und Versicherungsmarktsteuem zur vollen Kompensation der entstehenden Einnahmenausfälle aus. Zudem beschlossen sie, diese Stempelsteuerrevision nicht, wie von der Regierung vorgeschlagen, zusammen mit der Neugestaltung der Finanzordnung zu behandeln, sondern, wie dies auch die Bankiervereinigung verlangt hatte, vorzuziehen [9].
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Landwirtschaft
Für den Schweizerischen Bauernverband (SBV) standen im Berichtsjahr zwei Volksinitiativen im Zentrum des Interesses. Zuerst engagierte er sich an vorderster Front gegen die Initiative "für ein naturnahes Bauern — gegen Tierfabriken (Kleinbauern-Initiative)", dann lancierte er zum erstenmal in der Verbandsgeschichte eine eigene Volksinitiative. Die Parole des SBV zur Kleinbauern-Initiative der Vereinigung der kleinen und mittleren Bauern (VKMB), welche selbst dem Bauernverband angehört, fiel eindeutig aus. Nachdem sich einige kantonale Bauernverbände klar gegen das Volksbegehren ausgesprochen hatten (die Delegierten des Innerschweizer Bauernbundes z.B. mit 78:0), verzichtete der Vorstand auf die Einberufung einer ausserordentlichen Delegiertenversammlung und überliess den Entscheid dem Grossen Vorstand. Dieser beschloss mit 115 Stimmen gegen diejenige des Vertreters der VKMB die NeinParole [10].
Das äusserst knappe Abstimmungsergebnis – 49% hatten für die Kleinbauern-Initiative gestimmt – wies den Bauernverband mit aller Deutlichkeit darauf hin, dass breite Teile der Bevölkerung eine Reform der Landwirtschaftspolitik wünschen. Er ging deshalb selbst in die Offensive und legte am 5. Juli den Entwurf für eine eigene Volksinitiative "für eine umweltgerechte und leistungsfähige bäuerliche Landwirtschaft" vor. Mit diesem nicht erwarteten Vorstoss gelang es ihm, dem LdU und einer aus Linken und Grünen gebildeten "Gruppe für eine neue Agrarpolitik" (NAP), welche seit 1988 die Lancierung von agrarpolitischen Volksbegehren planen, zuvorzukommen. Der offizielle Start zur Unterschriftensammlung erfolgte am 12. September. Für den Direktor des SBV, Melchior Ehrler, stellt diese Initiative nicht nur den Versuch dar, im Inland den Konsens über die Agrarpolitik wieder herzustellen. Da die Initiative der Landwirtschaft einen klaren Leistungsauftrag auf Verfassungsstufe erteilen will, könnte sie auch als Mittel zur Abwehr des internationalen Liberalisierungsdrucks dienen [11].
Zwei Monate vor der Volksabstimmung über die Kleinbauerninitiative verstarb der Präsident und Gründer der seit 1980 existierenden Vereinigung der kleinen und mittleren Bauern (VKMB), der Landwirt René Hochuli, im Alter von 53 Jahren. Sein Nachfolger wurde im Berichtsjahr noch nicht bestimmt [12]. Nach der deutlichen Verwerfung ihrer Kleinbauern-Initiative durch den Grossen Vorstand des SBV mit allen gegen die Stimme der VKMB machte letztere Ernst mit dem bereits mehrmals diskutierten Austritt aus der Dachorganisation. Ihr Vorstand beschloss mit 16:3 Stimmen, die Mitarbeit im SBV sofort einzustellen und der nächsten Mitgliederversammlung den Austritt zu beantragen [13].
Die VKMB unterstützt die vom Bauernverband lancierte Volksinitiative nicht, da sie ihr zu unverbindlich erscheint. Die Leitung der VKMB konkretisierte ihre eigenen Vorstellungen zur künftigen Agrarpolitik in einem Programmentwurf, welcher den Mitgliedern zur Diskussion unterbreitet wurde. Hauptelement darin ist die gezielte Förderung von kleinen und mittleren Bauernbetrieben, namentlich durch Preisdifferenzierungen und vermehrte Direktzahlungen [14].
Die nicht dem SBV angehörende Westschweizer Union des producteurs suisses (UPS) unterstützte die Kleinbauern-Initiative der VKMB und begrüsste auch deren Entscheid, aus dem SBV auszutreten. Die vom Bauernverband lancierte Volksinitiative beurteilte sie ähnlich wie die VKMB als zu vage. Sie stellte immerhin in Aussicht, dass sie sich zwar nicht bei der Unterschriftensammlung, aber eventuell später beim Abstimmungskampf dafür engagieren würde [15].
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Arbeitnehmer
Die Rolle der Schweiz im zukünftigen Europa begann vermehrt auch die Gewerkschaften zu beschäftigen. Im April sprach sich der Vorstand des SGB für ein Verstärkung der EFTA aus. Die Meinungen zum EG-Binnenmarkt waren aber geteilt. Während insbesondere SGB-Sekretär Kappeler sich von einer verstärkten Integration der Schweiz fortschrittlichere Regelungen in der Sozial-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik erhofft, gaben andere zu bedenken, dass der Binnenmarkt dazu führe, dass die Position der national organisierten Gewerkschaften gegenüber den internationalen Konzernen noch weiter verschlechtert werde [16]. Die Gewerkschaft Bau und Holz (GBH) zeigte sich in bezug auf eine Verbesserung der sozialen Rechte ebenfalls skeptisch. Sie befürchtet, dass mit der Internationalisierung der Baubranche die Bestimmungen über Löhne und Arbeitsschutzvorschriften der schweizerischen Gesamtarbeitsverträge leichter unterlaufen werden könnten. Als positiv wertete sie hingegen den auf die Schweiz ausgeübten Druck für die Abschaffung oder zumindest Lockerung des Saisonnierstatus [17].
Die Parolen der Gewerkschaften zu den eidgenössischen Urnengängen fielen im Berichtsjahr uneinheitlich aus und unterschieden sich für einmal auch stärker als üblich von denjenigen der SP. Der Grund dafür ist sicher darin zu sehen, dass im Berichtsjahr keine sozialpolitischen Themen zur Abstimmung kamen. Der SGB gab zur Kleinbauern-Initiative keine Parole aus, nachdem sich 48 Delegierte für ein Ja und 33 für Stimmfreigabe ausgesprochen hatten. Wichtige Verbände wie etwa die Gewerkschaft Bau und Holz (GBH) beschlossen aber die Ja-Parole. Der Christlichnationale Gewerkschaftsbund (CNG) empfahl die Kleinbauern-Initiative ebenfalls zur Annahme [18]. Auch bei der Armeeabschaffungsinitiative verzichtete der SGB auf eine Parole. Nachdem in einer Eventualabstimmung die Befürworter der Initiative mit 47:32 Stimmen gesiegt hatten, entschieden sich die Delegierten mit 83:18 für die Stimmfreigabe. Von den beiden grössten Teilverbänden hatte sich der SMUV, bei dem viele Beschäftigte der Rüstungsbetriebe organisiert sind, knapp für ein Nein und der GBH knapp für ein Ja ausgesprochen. Der CNG und die Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände (VSA) empfahlen die Ablehnung der GSoA-Initiative, bei letzterer fiel die Verwerfung gar einstimmig aus [19]. Die Volksinitiative für Tempo 100/130 wurde vom SGB und vom CNG abgelehnt, die VSA äusserte sich nicht dazu [20].
Von der im Vorjahr gegründeten Frauengewerkschaft war 1989 in der Öffentlichkeit wenig zu hören. Im Sommer kündigte sie in Lausanne an, auch in der Westschweiz aktiv werden zu wollen [21]. Die im SGB organisierten Frauen hielten am 9. und 10. März in Bern ihren vierten Frauenkongress ab. Sie befassten sich dabei nicht nur mit der Stellung der Frauen in der Arbeitswelt, sondern auch mit diskriminierenden Strukturen und Verhaltensweisen in den Gewerkschaften selbst [22].
Nach sechzehnjähriger Amtsdauer trat der 54jährige Walliser Guido Casetti als Präsident des Christlichnationalen Gewerkschaftsbundes (CNG) zurück. Zu seinem Nachfolger bestimmte der Kongress vom 10./11. November in Luzern den 35jährigen Freiburger Hugo Fasel, seit 1988 Präsident des Christlichen Metallarbeiterverbandes [23]. Auch in den Verbänden des SGB gab es einige erwähnenswerte personelle Wechsel. Der VPOD wählte den 41jährigen Sozialarbeiter und bisherigen Vizepräsidenten Peter Keimer zum neuen Präsidenten. Er trat die Nachfolge von Christiane Brunner an, welche beim SMUV Zentralsekretärin wurde. Die Gewerkschaft Druck und Papier wählte anstelle des demissionierenden Erwin Geiser den Genfer Christian Tirefort zum neuen Zentralpräsidenten [24].
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Die Mitgliederzahl des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) reduzierte sich wie bereits im Vorjahr um 0,1% und betrug Ende 1989 noch 441 449 Personen. Die Zahl der im SGB organisierten Frauen nahm um 1,6% ab, damit sank der Frauenanteil von 12,7% auf 12,5%. Die grösste Einbusse erlitt wiederum der Metall- und Uhrenarbeitnehmerverband (SMUV) mit einem Rückgang um 3875 Personen. Während es noch 1988 danach ausgesehen hatte, als ob der SMUV die Verluste bei den männlichen Mitgliedern wenigstens zum Teil durch den Beitritt von Frauen kompensieren könnte, ging im Berichtsjahr die Zahl der im SMUV organisierten Gewerkschafterinnen wieder massiv zurück (-9,5%). Die Gewerkschaft Bau und Holz konnte ihren Mitgliederbestand um 3323 auf 122 304 erhöhen und damit ihre Stellung als grösste Gewerkschaft im SGB weiter festigen; den zweitgrössten absoluten Mitgliederzuwachs wies die Gewerkschaft Druck und Papier auf [25].
Ein Vergleich nach Sprachregionen zeigt, dass die Verbände des SGB nur in der Deutschschweiz mit Rekrutierungsproblemen zu kämpfen haben. Während hier die Zahl der Mitglieder in den letzten zehn Jahren um 8,3% abgenommen hat, nahm sie in der französischsprachigen Schweiz um 4,2% und im Tessin sogar um 9,0% zu. Gemäss dem Autor der hier zitierten Studie kann diese unterschiedliche Entwicklung nicht mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel erklärt werden, da in der Westschweiz der Bedeutungsverlust des industriellen Sektors, aus dem die meisten SGB-Verbände ihre Mitglieder rekrutieren, sogar grösser gewesen ist als in der Deutschschweiz. Der Mitgliederzuwachs in der Westschweiz kann ebensowenig auf einen Nachholbedarf zurückgeführt werden, denn der Organisationsgrad war in dieser Region schon zu Beginn der achtziger Jahre überdurchschnittlich hoch. Auch die Frauen sind offenbar in der Westschweiz eher zu gewerkschaftlichem Engagement bereit; sie stellen rund 30% der im SGB organisierten Frauen [26].
Der Christlichnationale Gewerkschaftsbund (CNG) konnte erneut einen Mitgliederzuwachs verzeichnen. Er zählte Ende Jahr 111 141 Mitglieder, das sind 2343 (2,2%) mehr als 1988. Im Zehnjahresvergleich sieht die Entwicklung im CNG ähnlich aus wie beim SGB: Als eindeutig stärkste Gewerkschaft hat sich der Christliche Holz- und Bauarbeiterverband mit 45 848 Mitgliedern (+29,5%) etabliert, während die Zahl der organisierten Metallarbeiter von 27 033 auf 23 896 zurückgegangen ist [27].
Die vor allem im industriellen Sektor und in den Werkstätten verankerten Gewerkschaften des SGB und des CNG führen ihre Mitgliedereinbussen zu einem guten Teil auf den Strukturwandel in der Wirtschaft zurück. Von der Verlagerung der Arbeitsplätze von den Fabrikhallen in die Büros konnten aber bisher die in der Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände (VSA) zusammengeschlossenen Organisationen kaum profitieren. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl ihrer Mitglieder um 0,4% auf 144 175 zurückgebildet. Der direkte Konkurrent der Metallarbeitergewerkschaften des SGB und des CNG, der Verband der Angestelltenvereine der Maschinen- und Elektroindustrie, konnte aus der betriebsinternen Verlagerung der Arbeitsplätze überhaupt keinen Nutzen ziehen : er verlor in den letzen zehn Jahren mehr als einen Achtel seiner Mitglieder. Der Schweizerische Kaufmännische Verband, der als stärkster Verband rund 50% der Mitglieder der VSA stellt, hatte seinen Bestand von 1980 bis 1988 um 5872 vergrössern können, im Berichtsjahr musste er aber eine Einbusse von 1606 in Kauf nehmen [28].
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Andere Interessengruppen
Die Organisationsstruktur der Interessenvertretung der Konsumentinnen und Konsumenten bleibt weiterhin unübersichtlich. Die Dachorganisation "Schweizerischer Konsumentenbund" (SKB), der neben den drei sprachregionalen Organisationen "Konsumentinnenforum der deutschen Schweiz" (KF), "Fédération romande des consommatrices" und "Associazione consumatrici della Svizzera italiana" auch zahlreiche andere Organisationen wie Gewerkschaften oder der Touring-Club angehören, unternahm erfolglos den Versuch zu einer Statutenrevision. Dieser scheiterte, weil nach Ansicht des KF die Anliegen der drei erwähnten Konsumentinnenorganisationen namentlich in bezug auf die Sitzverteilung im Vorstand und die Entscheidungskompetenz über die Verwendung von Bundessubventionen zu wenig berücksichtigt worden sind. Das Konsumentinnenforum der deutschen Schweiz beschloss darauf den Austritt aus dem Dachverband [29]. Neben dem SKB besteht mit der Schweizerischen Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) übrigens noch ein zweiter Dachverband; dieser konnte im Berichtsjahr sein 25jähriges Jubiläum feiern [30].
Die Schweizerische Mietervereinigung, deren Aktivität angesichts der Probleme auf dem Wohnungsmarkt an Bedeutung gewonnen hat, gab sich im Berichtsjahr den neuen Namen "Schweizerischer Mieterverband". Gleichzeitig wählte der Verband, welchem Mieterorganisationen mit insgesamt rund 100 000 Mitgliedern angehören, mit dem Zürcher Nationalrat Moritz Leuenberger (sp) einen in der Öffentlichkeit sehr bekannten Politiker zu ihrem neuen Präsidenten; Leuenberger hatte bisher den Regionalverband der Deutschschweiz präsidiert [31].
Der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) feierte im Berichtsjahr sein zehnjähriges Bestehen und konnte gleichzeitig das 100 000. Mitglied aufnehmen. Der am Aufbau dieser 'grünen' Interessenorganisation der Verkehrsteilnehmer massgeblich beteiligte Martin Sommer trat im Herbst von seinem Amt als Zentralsekretär zurück. Zu seinem Nachfolger wählte der Zentralvorstand den 32jährigen Markus Loosli [32].
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Weiterführende Literatur
H. Brugger, Landwirtschaftliche Vereinigungen in der Schweiz 1910 bis 1980, Frauenfeld 1989.
H.P. Kriesi / P. Farago, "The regional differentiation of business interest associations in Switzerland", in W.D. Coleman / H.J. Jacek (Hg.), Regionalism, business interests and public policy, London 1989.
G. Winterberger, "Legitime Interessenpolitik", in Schweizer Monatshefte, 69/1989, S. 495 ff.
Publikationen der Verbände zu Sachthemen sind in der Literaturübersicht der entsprechenden Kapitel aufgeführt.
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[1] Siehe unten, Arbeitnehmer. Für die Unternehmerverbände siehe SPJ 1988, S. 328 und 330.
[2] Bund und NZZ, 1.11.89. Siehe auch Finanz und Wirtschaft, 1989, Nr. 1, S. 16 ff. Zur Kritik siehe SPJ 1988, S. 329 f.
[3] Bund, 10.11.89; Ww, 7.12.89.
[4] NZZ, 29.6.89; AT, 30.12.89.
[5] NZZ, 31.5., 12.10., 27.10. und 21.11.89.
[6] JdG, 11.3.89; SGT, 14.3.89; BüZ, 22.3.89; BZ und LM, 31.3.89 (Kommission); BZ, 1.4.89 und TA, 14.4.89 (Urlaub); Presse vom 2.5.89 (Rücktritt). Siehe auch Ww, 13.4.89 sowie zur Wahl Clavadetschers SPJ 1984, S. 223 f.
[7] Bund, 6.9. und 2.10.89; 24 Heures, 2.10.89. Siehe auch die Interviews mit Triponez in Bund und LNN, 30.9.89.
[8] NZZ, 31.5., 18.8. (Tempo) und 21.11.89; SGZ, 6.4. (Kleinbauern) und 16.11.89 (Armee, Tempo).
[9] Vgl. oben, Teil I, 1b (Strafrecht) und 4b (Banken).
[10] Presse vom 21.4.89. Innerschweizer Bauernbund: Vat., 6.3.89. Vgl. auch Schweizerischer Bauernverband, 92. Jahresbericht 1989, S. 27 f. Zur Abstimmungskampagne selbst siehe oben, Teil I, 4c (Politique agricole).
[11] Presse vom 6.7.89; NZZ, 1.11.89 (Ehrler an der DV des SBV); BBl, 1989, III, S. 448 f. Vgl. auch Schweizerischer Bauernverband, 92. Jahresbericht 1989, S. 30 ff. Zu dieser und den anderen beiden angekündigten Initiativen siehe SPJ 1988, S. 108 sowie oben, Teil I, 4c (Politique agricole).
[12] AT, 4.4. und 8.4.89; Presse vom 4.4.89; Gnueg Heu dune!, 1989, Nr. 3, S. 1 ff.
[13] Presse vom 21.4.89; NZZ, 28.4.89; Gnueg Heu dune!, 1989, Nr. 4, S. 1 ff. Die Mitgliederversammlung vom 11.2.90 bestätigte den Austretensbeschluss (Gnueg Heu dune!, 1990, Nr. 2, S. 5).
[14] Gnueg Heu dune!, 1989, Nr. 6, S. 8 ff. und 13 ff.
[15] Union, 1.3.89 (Kleinbauern-Initiative), 10.5. (Austritt), 9.8. und 4.10.89 (SBV-Initiative).
[16] Bund, 18.4.89; BaZ, 24.4.89. Vgl. auch den Bericht über eine Tagung des SGB zu diesem Thema in BaZ, 20.6.89. Siehe auch "Europäischer Binnenmarkt: Soziale Dimension und 'Probleme der Freizügigkeit", in Gewerkschaftliche Rundschau, 81/1989, S. 50 ff. sowie die Aufsätze in Diskussion, 1989, Nr. 8 und das Streitgespräch zwischen Kappeler und Schäppi in WoZ, 7.4.89.
[17] Bund, 31.5.89. Zum Saisonnierstatut siehe auch V. Pedrina, "Ausländerpolitik in den neunziger Jahren", in Diskussion, 1989, Nr. 10, S. 5 ff.
[18] Kleinbauern: BaZ, 11.4.89 (SGB); Bund, 28.4.89
[19] NZZ, 3.7. (SMUV), 30.8. (VSA), 12.9. (SGB) und 29.9.89 (GBH). Siehe auch Diskussion, 1989, Nr. 9, S. 15.
[20] NZZ, 21.11.89.
[21] Lib., 23.6.89. Zur Gründung siehe SPJ 1988, S. 333 f. Vgl. auch "Ein Ziel und verschiedene Wege", in Diskussion, 1989, Nr. 7, S. 26 f.
[22] Presse vom 10. und 11.3.89. Vgl. auch Gewerkschaftliche Rundschau, 81/1989, deren Nr. 4 vollständig diesem Kongress gewidmet ist. Siehe auch "Patriarchale Gesellschaft – Patriarchale Gewerkschaft", in Diskussion, 1989, Nr. 7, S. 6 f.
[23] Vat., 28.4.89; LNN, 10.11. und 13.11.89; NZZ, 13.11.89. Vgl. auch die Gespräche mit Casetti in TA, 7.11.89, Vat., 10.11.89 und BZ, 11.11.89.
[24] NZZ, 29.5. (VPOD) und 3.7.89 (GDP).
[25] H. Anderegg, "Mitgliederentwicklung der Schweizer Gewerkschaften in den 80er Jahren und im Jahre 1989", in Gewerkschaftliche Rundschau, 82/1990, S. 113 ff. Vgl. auch SPJ 1988, S. 332 f. Zur Analyse der unterschiedlichen Mitgliederentwicklung siehe auch Gewerkschaftliche Rundschau, 82/1990, S. 131 ff.
[26] H. Anderegg, a.a.O., S. 120 ff.
[27] H. Anderegg, a.a.O., S. 125 ff.
[28] H. Anderegg, a.a.O., S. 125 ff. Zur Organisierbarkeit der Angestellten vgl. Gewerkschaftliche Rundschau, 81/1989, S. 210 ff.
[29] Presse vom 2.12.89; SGT, 9.12.89.
[30] TW, 8.4.89; TA, 12.10.89.
[31] NZZ, 6.3.89.
[32] NZZ und TA, 26.6.89; Zur Verbandsgeschichte und -politik siehe VCS-Zeitung, 1989, Nr. 3, S. 9 ff., zur Gründung vgl. auch SPJ 1979, S. 110. Sekretär: BZ, 21.3.89; VCS-Zeitung,1989, Nr. 4, S. 28, Nr. 6, S. 20 ff. und Nr. 7, S. 10.
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