Anfechtung des Anfangsmietzinses nur bei Notlage des Mieters (Pa.Iv. 16.451)

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HEV-Präsident Hans Egloff (svp, ZH) störte sich an einem im Mai 2016 gefällten Bundesgerichtsentscheid, der festlegte, dass Mieterinnen und Mieter bei der Anfechtung des Anfangsmietzinses keinen separaten Nachweis erbringen müssen, dass sie lange und vergeblich nach preiswerteren Alternativen gesucht hätten, sofern die Wohnungsknappheit – gemessen an der Leerwohnungsziffer – als offensichtlich gilt. Aus diesem Grund beabsichtigte er mittels parlamentarischer Initiative, die Hürden für die Anfechtung des Anfangsmietzinses anzuheben, wobei vom Mieter auch bei vorliegender Wohnungsknappheit ein Nachweis verlangt wird (bspw. durch Aufzeigen erfolgloser Suchbemühungen), dass er sich beim Abschluss des Mietverhältnisses in einer klaren Notlage befand. Die RK-NR gab dem Anliegen im Juni 2017 mit deutlicher Mehrheit (18 zu 6 Stimmen) Folge, da sie den im Vertragsrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben mit dem Bundesgerichtsurteil in Frage gestellt sah.

Dossier: Mietzinse: Bestimmung der Missbräuchlichkeit und Anfechtung

Gleich zwei parlamentarischen Initiativen von HEV-Präsident Hans Egloff (svp, ZH) gab die RK-SR im November 2018 Folge. Während die eine die Beweisbarkeit der Orts- und Quartierüblichkeit der Mieten erleichtern will (Pa.Iv. 17.493), beabsichtigt die andere die Anhebung der Hürden für die Anfechtung des Anfangsmietzinses. Demnach soll das Vorliegen der Wohnungsknappheit gemessen an objektiven Kriterien wie der Leerwohnungsziffer nicht als ausreichender Grund für die Anfechtung betrachtet werden, wie dies das Bundesgericht jüngst geurteilt hatte. Die ständerätliche Rechtskommission fällte ihren Beschluss mit 7 zu 5 Stimmen bei 1 Enthaltung und folgte damit ihrer erstberatenden Schwesterkommission.
Weniger erfolgreich waren hingegen zwei parlamentarischen Initiativen von Seiten der SP: Gleichentags gab die Kommission nämlich einer parlamentarischen Initiative Berberat (sp, NE; Pa.Iv. 17.511), welche den Schutz vor missbräuchlichen Mieten verstärken wollte, deutlich keine Folge. Ähnlich klar war bereits in der Herbstsession eine mit dem gleichen Zweck lancierte parlamentarische Initiative Sommaruga (sp, GE; Pa.Iv. 17.459) im Nationalrat gescheitert.

Dossier: Mietzinse: Bestimmung der Missbräuchlichkeit und Anfechtung

Die RK-NR beschloss Mitte Oktober 2020 einstimmig, ihrem Rat eine Fristverlängerung um zwei Jahre für die Umsetzung zweier das Mietrecht betreffender parlamentarischer Initiativen von Hans Egloff (svp, ZH) zu beantragen. In der ersten Initiative (Pa.Iv. 16.451) hatte Egloff gefordert, dass Mieterinnen und Mieter den Anfangsmietzins nur anfechten können sollen, wenn sie sich «wegen einer persönlichen oder familiären Notlage zum Vertragsabschluss gezwungen sah[en]». Dies etwa, weil sie bei Vertragsabschluss kein anderes zumutbares Mietobjekt finden konnten. Mit der zweiten Initiative (Pa.Iv. 17.493) wollte Egloff den Nachweis der Orts- und Quartierüblichkeit von Mieten vereinfachen, da die Hürden für einen solchen Nachweis heutzutage zu gross seien. Er schlug deshalb neue Kriterien für die Orts- und Quartierüblichkeit von Mieten vor. Die RKs beider Räte hatten den beiden Initiativen Folge gegeben. Die RK-NR begründete nun in ihrem Bericht ihren Antrag auf Fristverlängerung damit, dass sie vor der Ausarbeitung eines Erlassentwurfs erst noch die Behandlung einer Motion der RK-SR (Mo. 18.4101), welche mittels eines globalen Ansatzes die Regelungen im Mietrecht vereinfachen und den heutigen Gegebenheiten anpassen wollte, abgewartet hatte. Die Motion war jedoch im Nationalrat abgelehnt worden. Danach fehlte der Kommission, laut dem Bericht, «aufgrund ihrer hohen Arbeitsbelastung bislang die Zeit, einen eigenen Entwurf in dieser Sache auszuarbeiten».
Der Nationalrat beschloss in der Wintersession 2020 stillschweigend, die Frist zur Umsetzung der Initiativen bis zur Wintersession 2022 zu verlängern.

Dossier: Mietzinse: Bestimmung der Missbräuchlichkeit und Anfechtung

Auf Antrag der RK-NR beschloss der Nationalrat in der Wintersession 2022, die Behandlungsfrist für eine parlamentarische Initiative von Hans Egloff (svp, ZH) um zwei Jahre zu verlängern. Egloff wollte mit seiner Initiative erreichen, dass Anfangsmietzinse nur noch bei Notlage des Mieters oder der Mieterin angefochten werden können. Der Nationalrat hatte vor zwei Jahren bereits einmal die Frist für die Behandlung verlängert. Dass sie in der Zwischenzeit keinen Entwurf ausgearbeitet hatte, begründet die Kommission damit, dass sie erst noch das Ergebnis der vom Bund lancierten Diskussionen mit den Sozialpartnern zum Mietrecht habe abwarten wollen. Nachdem diese im Sommer 2022 gescheitert waren, beschloss die Kommission, die Umsetzung der Initiative – zusammen mit einer weiteren Initiative Egloff – an die Hand zu nehmen. Sie habe der Verwaltung bereits den Auftrag erteilt, verschiedene Umsetzungsvarianten auszuarbeiten. Eine Minderheit rund um Christian Dandrès (sp, GE) sprach sich derweil für eine Abschreibung der Initiative aus. Sie führe zu weniger Anfechtungen von Anfangsmietzinsen und damit zu steigenden Mieten. Die Kommissionsmehrheit vermochte sich jedoch auch im Rat durchzusetzen. Die grosse Kammer stimmte mit 128 zu 64 Stimmen, bei einer Enthaltung, für die Fristverlängerung.

Dossier: Mietzinse: Bestimmung der Missbräuchlichkeit und Anfechtung

Im Dezember 2023 schickte die RK-NR den Vorentwurf einer Mietrechtsvorlage in die Vernehmlassung. Im Rahmen der Gesetzesänderung sollten die Forderungen zweier parlamentarischer Initiativen Egloff (svp, ZH) (Pa.Iv. 16.451; Pa.Iv. 17.493) umgesetzt werden. Erstere sah vor, dass Anfangsmietzinse nur noch bei Notlage des Mieters oder der Mieterin angefochten werden können. Der zweite Vorstoss zielte darauf ab, beweisbare Kriterien für die Orts- und Quartierüblichkeit von Mieten aufzustellen.

Die Vernehmlassungsvorlage führte für die beiden Vorhaben je zwei Umsetzungsvorschläge auf: Einerseits stellte die RK-NR eine Umsetzung im Wortlaut der parlamentarischen Initiativen vor, andererseits konnten sich die Stellungnehmenden zu einer von der RK-NR ausgearbeiteten Variante äussern. Im Falle der Gesetzesänderung betreffend die Anfechtung von Anfangsmietzinsen schlug die RK-NR vor, dass Mieterinnen und Mieter lediglich bei einem akuten Mangel an Wohn- und Geschäftsraum eine persönliche Notlage belegen müssten, jedoch nicht, wenn die Vermieterin oder der Vermieter den Anfangsmietzins im Vergleich zum früheren Mietzins erheblich anheben sollte. Der Initiativtext im Wortlaut sah dagegen vor, dass bei jeder Anfechtung des Mietzinses eine persönliche oder familiäre Notlage belegt werden müsse.
Bei der Umsetzungsvariante der zweiten parlamentarischen Initiative Egloff entschied die RK-NR – analog zum Initiativtext –, dass die in der VMWG festgehaltenen Merkmale für den Vergleich der Mietobjekte zur Ermittlung der Quartierüblichkeit (Lage, Grösse, Ausstattung, Zustand und Bauperiode) ins OR überführt werden und mithilfe dreier Kategorien (einfach, gut, sehr gut) bewertet werden sollten. Diese Umsetzungsvariante schlug vor, einen Satz aus dem Initiativtext zu streichen, welcher vorsah, dass fehlende Eigenschaften einer Mietsache nach richterlichem Ermessen durch «ander[e], zusätzlich[e] oder höherwertig[e] Eigenschaften» kompensiert werden könnten. Die Kommissionsmehrheit befürchtete, dass der ursprüngliche Initiativtext zu Rechtsunsicherheit führen könne und mit einem erhöhten Aufwand für die beweisleistende Partei einhergehe. Eine Kommissionsminderheit beantragte indes, mit der Begründung, dass die Vorlage den Kern des Mieterinnen- und Mieterschutzes angreife, nicht auf die Vorlage einzutreten.

Nach Ablauf der Frist hatten insgesamt 47 Vernehmlassungsteilnehmende inhaltlich Stellung zum Entwurf der RK-NR bezogen. 29 der Stellungnehmenden befürworteten die Vorlagen in ihrem Grundsatz, wobei davon 13 Teilnehmende in beiden Themen den Initiativtext bevorzugten. Für die Vorlage im Wortlaut sprachen sich dabei drei Kantone (BE, SG, SH), die FDP und SVP und eine Reihe von Interessenvertretungen der Vermieterinnen- und Immobilienbranche aus. Sieben Kantone (AI, FR, LU, NW, TG, VS, ZG) und die KGAST unterstützten bei beiden Sachverhalten die Variante der RK-NR. Insgesamt sechs teilnehmende Kantone (AG, OW, TI, UR, VD, ZH) präferierten bei einem Sachverhalt die Variante der RK-NR, beim anderen dagegen den Wortlaut der Initiative. 15 Teilnehmende, darunter die Kantone Basel-Landschaft und Basel-Stadt sowie die EVP, die Grünen und die SP, lehnten die Vorlagen vollumfänglich ab und befürworteten deshalb den Minderheitsantrag auf Nichteintreten. Gegen die Vorlagen stellten sich unter anderem auch einige Interessenverbände aus der Immobilien-, Miet- und Gastronomiebranche.

Als Begründung für eine Einschränkung der Anfechtung der Mietzinse gemäss Wortlaut der Initiative und Variante der RK-NR wurde unter anderem ein erhöhtes Mass an Rechtssicherheit angeführt, wodurch ein Missbrauch des Anfechtungsverfahrens durch die Mieterinnen- und Mieterschaft in Zukunft besser vermieden werden könnte. Die Befürworterinnen und Befürworter der Initiative im Wortlaut kritisierten die Variante der RK-NR, da der Schweizer Mietwohnungsmarkt bereits durch eine Mangellage geprägt sei und so bereits von Grund auf ein Anfechtungsgrund gegeben sei. Für die Teilnehmenden, welche die Variante der RK-NR unterstützten, greife die Initiative im Wortlaut dagegen zu weit und Personen, welche sich auf bessergestellte Mietobjekte bewärben, würde das Recht auf Anfechtung gänzlich entzogen. Die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage beriefen sich unter anderem auf die prophylaktische Wirkung der Möglichkeit zur Anfechtung des Anfangsmietzinses, da Vermieterinnen und Vermieter durch die Existenz des Instruments abgeschreckt würden, die Mieten zu übersetzen. Dieser Effekt könne verloren gehen, wenn Anfechtungen eine persönliche Notlage bedingten, lautete die Argumentation.

Betreffend die beweisbaren Kriterien der Orts- und Quartierüblichkeit der Mieten wurden seitens der befürwortenden Teilnehmenden der damit einhergehende reduzierte Aufwand für Akteurinnen und Akteure im Mietwesen und eine erhöhte Rechtssicherheit als Argumente aufgeführt. Dagegen sahen einige kritische Teilnehmende in den vorgeschlagenen Änderungen eine zusätzliche Beschneidung des Mieterinnen- und Mieterschutzes und fürchteten eine unverhältnismässige Erleichterung des Nachweises der Orts- und Quartierüblichkeit, wobei dies auch die Tore für ungerechtfertigte Mietzinserhöhungen öffnen könne.

In den Medien wurden die Gesetzesänderungen kontrovers diskutiert. So nannte der SMV die Mietrechtsrevision eine «Gefährdung des Kerns des Mietrechts» und Teil einer «Salami-Taktik der Immobilien-Lobby», um schleichend eine Marktmiete, welche durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird, einzuführen. Der HEV zeigte sich dagegen erfreut über die beiden Vorlagen und sah in ebendiesen wichtige Massnahmen zur besseren Vergleichbarkeit der Mietzinse.

Dossier: Mietzinse: Bestimmung der Missbräuchlichkeit und Anfechtung

Im Februar 2025 beantragte die RK-NR ohne Gegenantrag die Abschreibung einer parlamentarischen Initiative Egloff (svp, ZH), welche forderte, dass Anfangsmietzinse nur noch bei Notlage des Mieters oder der Mieterin angefochten werden können. Die Kommission begründete ihren Entscheid mit der fehlenden Mehrheitsfähigkeit der entsprechenden Mietrechtsvorlage zum jetzigen Zeitpunkt. Trotzdem sehe die RK-NR weiterhin Handlungsbedarf bei der Rechtslage zur Mietzinsgestaltung. In der Frühlingssession 2025 kam der Nationalrat dem Antrag auf Abschreibung stillschweigend nach.

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