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Grundlagen der Staatsordnung
Rechtsordnung
Poursuite de la discussion sur la protection et les droits de l'individu — Les Chambres fédérales approuvent l'égalité politique de la femme dans les affaires fédérales — Succès dans plusieurs cantons du suffrage féminin — Initiatives en faveur de l'abaissement à 18 ans de l 'exercice du droit de vote — Elaboration de projets visant à lutter contre l'abstentionnisme — Nouvelle démarche du DFJP en faveur de la naturalisation des jeunes étrangers — Efforts pour compléter la liberté d'établissement — La consultation sur la révision des articles confessionnels révèle la tendance à biffer purement et simplement les articles 51 et 52 — Soleure rétablit l'autonomie corporative du monastère de Mariastein — Le Tribunal fédéral confirme le régime de l'autorisation pour organiser des manifestations — Procès tardifs de certains participants aux émeutes du Globus à Zurich — Le verdict négatif de deux cantons fait échouer le projet d'une Police mobile intercantonale — Conciliation des divergences sur la révision du Code pénal — Controverses sur les problèmes soulevés par l'exécution des peines et l'internement administratif.
 
Die Diskussion um den Umfang und die Wahrung der Individualrechte, die 1969 intensiver geworden war, nahm ihren Fortgang. Im Vordergrund standen Forderungen nach Gleichberechtigung von bisher Benachteiligten (Frauen, Jugendliche, katholische Geistliche); verschiedene Kritiker wandten sich ausserdem gegen allgemeine Beeinträchtigungen der persönlichen Freiheit, wobei sie je nach Anlass und politischem Standort Justiz- und Polizeibehörden, Massenmedien oder wissenschaftliche Experimente aufs Korn nahmen [1]. Das Bedürfnis nach vermehrtem Schutz der Persönlichkeit wurde auch vom EJPD im Geschäftsbericht des Bundesrates für 1969 anerkannt; einem parlamentarischen Auftrag aús dem Jahre 1968 Folge leistend, setzte es eine Expertenkommission ein, die entsprechende zivilrechtliche Massnahmen zu prüfen hat [2]. Die Gefahren, die sich aus mikrobiologischen Versuchen mit der menschlichen Erbmasse ergeben können, waren ihrerseits Gegenstand eines parlamentarischen Vorstosses [3]. Der Abstimmungskampf um die Initiative «Recht auf Wohnung» gab Anlass zu einer Gegenüberstellung von Individual- und Sozialrechten. Während die Initianten das neue Recht ohne genauere Abgrenzung neben die Individualrechte stellen wollten und nur in Kommentaren auf seinen besonderen Charakter hinwiesen, hielten andere Befürworter der Sozialrechte eine deutliche Unterscheidung in der Verfassung für erforderlich; auf der Gegenseite wurde die Formulierung von Sozialrechten als blosse Deklamation überhaupt abgelehnt [4].
Stimmrecht
Die Vorlage des Bundesrates für die Einführung des Frauenstimmrechts in eidgenössischen Angelegenheiten [5] fand in keinem der beiden Räte Opposition. Der Nationalrat nahm im Juni zunächst zu einer Motion Arnold (soz., ZH) Stellung, welche die politische Gleichberechtigung der Frau durch ausdehnende Anwendung des Begriffs «Schweizer» in Art. 74 der Bundesverfassung auf beide Geschlechter, also ohne Referendum, herbeiführen wollte. Nicht zuletzt wegen der eindeutigen Verwerfung des Frauenstimmrechts in der eidgenössischen Abstimmung vom 1. Februar 1959 lehnte der Rat eine Umgehung des Volksentscheids ab [6]. Nationalrat Schwarzenbach (ZH) beantragte, man solle zuerst eine Frauenbefragung durchführen; dies wurde jedoch als Ausweichmanöver verworfen. Im Ständerat führte Nänny (rad., AR) die Gefahr für die Landsgemeinde als Grund für seine Stimmenthaltung an. In beiden Räten wurde bedauert, dass die Vorlage sich auf das Stimmrecht in eidgenössischen Angelegenheiten beschränkte, andere Voten dagegen rechtfertigten das stufenweise Vorgehen damit, dass es eine Beteiligung der Frauen bereits an den Nationalratswahlen von 1971 ermögliche [7]. Der Sprecher des Landesrings im Nationalrat nahm die beibehaltene Regelung, dass kantonale Ausschliessungsgründe wie Armengenössigkeit oder Steuerschulden auch für das eidgenössische Stimmrecht gültig sind, zum Anlass, auf einen Ausgleich unter den kantonalen Stimmrechtserfordernissen zu dringen [8].
Auf kantonaler Ebene lagen zum Zeitpunkt der Verhandlungen in den eidgenössischen Räten sowohl ermutigende wie ernüchternde Ergebnisse vor. Im April sprach sich das Wallis als letzter überwiegend französischsprachiger Kanton für das volle kantonale und kommunale Frauenstimmrecht aus, und zwar ergaben sich auch in allen deutschsprachigen Bezirken starke annehmende Mehrheiten [9]. Überraschend wirkte die Einführung des obligatorischen Gemeindefrauenstimmrechts an der Nidwaldner Landsgemeinde; es geschah dies auf Antrag eines Komitees junger Nidwaldner, nachdem die Behörden den politischen Gemeinden die Einführung des neuen Rechts hatten freistellen wollen [10]. Dagegen wandten sich beide Appenzeller Landsgemeinden gegen jede Heranziehung der Frau zu öffentlichen Angelegenheiten [11]. Ende September versagten auch die St. Galler den Frauen die Möglichkeit der Gleichberechtigung auf Gemeindeebene [12]. Doch im Spätherbst nahm eine neue Erfolgsreihe ihren Anfang: Ende Oktober führte Luzern als erster katholischer Kanton der deutschen Schweiz mit starkem Mehr das volle politische Mitbestimmungsrecht der Frau ein [13], und Mitte November folgte Zürich, während in Solothurn in einem neuen Anlauf mindestens das Gemeindefakultativum durchdrang [14]. In weiteren Kantonen (Aargau, Schaffhausen, Schwyz und Zug) gediehen Vorlagen für die volle Einführung bis zur Abstimmungsreife [15]. So standen am Jahresende die Chancen für einen Durchbruch im eidgenössischen Urnengang nicht schlecht [16]. Im Aktionskomitee der Befürworter waren alle Parteien vertreten, erstmals auch die PdA, was nicht unbeanstandet blieb [17].
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Das schon 1968 laut gewordene Begehren nach einer Herabsetzung des Stimmrechtsalters auf 18 Jahre war Gegenstand parlamentarischer Beratungen auf Bundes- und Kantonsebene [18]. In beiden eidgenössischen Räten wurden im Juni entsprechende Postulate überwiesen, im Ständerat allerdings nicht ohne Opposition. Bundesrat von Moos nahm sie zuhanden einer Studiengruppe, die sich zugleich mit einer Reform des Nationalratswahlrechts zu befassen hat, entgegen [19]. In der öffentlichen Diskussion wurde einerseits auf kantonale Stimmrechtsordnungen in der Innerschweiz, die schon 18- oder 19jährige mitentscheiden lassen, anderseits auf die Entwicklung im Ausland hingewiesen [20]. Eine Meinungsumfrage ergab allerdings noch eine mehrheitliche Ablehnung [21]. Verschiedentlich wurde die Ansicht geäussert, dass das Stimmrecht der Frauen vor demjenigen der Jugendlichen den Vorrang haben müsse; ausserdem kam der Zusammenhang zwischen politischem und zivilrechtlichem Mündigkeitsalter zur Sprache [22]. In Genf stimmte der Grosse Rat auf christlichsozialen Antrag einer Verfassungsänderung zu, die das Stimmrechtsalter auf 18 Jahre senken soll [23]. Die Kantonsparlamente von Baselland, Luzern und Schaffhausen überwiesen entsprechende Motionen an ihre Regierungen; in Bern wurde nur ein Postulat angenommen, eine Motion dagegen abgelehnt [24]. In Luzern lancierten die Jungliberalen gleich nach der Annahme des Frauenstimmrechts eine Volksinitiative; in Baselstadt konnte eine solche durch die PdA bereits eingereicht werden [25]. Eine Petition der sanktgallischen Jungen christlichen Union wurde vom Regierungsrat mit Rücksicht auf den Misserfolg der Frauenstimmrechtsvorlage zurückgewiesen [26].
Die Ausdehnung des Stimmrechts auf neue Träger ist geeignet, die Problematik der politischen Abstinenz zu verschärfen, da erfahrungsgemäss die weiblichen und die jungen Aktivbürger im Durchschnitt weniger häufig zur Urne gehen als die männlichen bzw. die älteren. In diesem Zusammenhang sind Bestrebungen im Baselbieter Freisinn zu sehen, die darauf ausgingen, die politischen Rechte stärker mit politischen Pflichten zu verbinden. Auf kantonaler Ebene wurde die Einführung des Stimmzwangs erwogen, auf eidgenössischer dagegen die vorübergehende Streichung säumiger Bürger aus den Stimmregistern postuliert ; beide Anregungen stiessen jedoch auf Ablehnung [27].
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Bürgerrecht
Eine weitere von den politischen Rechten ausgeschlossene Bevölkerungsgruppe bilden die Ausländer; für sie führt normalerweise der Weg zur Gleichberechtigung über den Erwerb des Bürgerrechts. Im Grossen Rat von Baselstadt kam es freilich zu einem Vorstoss für ein politisches Mitbestimmungsrecht der Ausländer im lokalen Bereich, wie es im Kanton Neuenburg schon besteht, aber ohne Erfolg [28]. Das EJPD hatte schon 1965 und 1968 den Kantonsregierungen vorgeschlagen, die Einbürgerung ausländischer Kinder, die in der Schweiz aufgewachsen sind, den Bundesbehörden zu übertragen; die Reaktion war jedoch beidemale mehrheitlich negativ ausgefallen [29]. Im März 1970 unternahm es eine neue Initiative, nach welcher der Vollzug der Einbürgerung den Kantonen verbleiben, diese aber bundesgesetzlich verpflichtet werden sollten, in der Schweiz geborene Ausländer unentgeltlich einzubürgern, wenn sie 5 Jahre lang schweizerische Schulen besucht, 5 Jahre in einer bestimmten Gemeinde gelebt und ihr Gesuch im Alter von 18 bis 22 Jahren gestellt hätten und wenn nichts Schwerwiegendes gegen sie vorläge [30]. Diesmal waren die Antworten der Kantone überwiegend positiv; ein von Prof. J. Fr. Aubert erstelltes Gutachten stellte allerdings fest, dass eine solche Lösung nicht ohne Verfassungsänderung möglich wäre [31]. Die Beschränkung der Frist für die Einreichung eines Einbürgerungsgesuchs sollte verhindern, dass die Neubürger ihre Militärdienstpflicht in der Schweiz umgehen könnten. Die Tatsache, dass eingebürgerte Italiener nach italienischem Recht in ihrem Geburtsland militärpflichtig bleiben, bot Nationalrat Ketterer (LdU, ZH) Anlass, den Bundesrat aufzufordern, er möge vor dem Abschluss neuer Sozialabkommen mit Italien auf eine Aufhebung dieses Anspruchs dringen. Der Chef des EJPD gab jedoch keine entsprechende Zusicherung und machte geltend, dass die italienischen Behörden in der Praxis grosszügig seien [32]. Gegen Erleichterungen für die Einbürgerung von Ausländern trat die. Nationale Aktion gegen die Überfremdung auf den Plan. In Zürich ergriff sie das Referendum gegen eine neue städtische Bürgerrechtsverordnung, die namentlich für junge ausländische Bewerber weniger strenge Vorschriften enthielt [33].
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Grundrechte
Gegen die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit, die Art. 45 der Bundesverfassung zulässt, hatte sich 1965 Nationalrat Waldner (soz., BL) mit einer Einzelinitiative gewandt. Die seinerzeit mit der Vorberatung betraute Nationalratskommission nahm im November Stellung, indem sie sich wohl für die volle Freizügigkeit der Bedürftigen aussprach, die Möglichkeit einer Verweigerung der Niederlassung aus sicherheitspolizeilichen Gründen in Ausnahmefällen jedoch beizubehalten empfahl. Sie erwog auch eine Übernahme der Fürsorgeregelung, welche die Kantone im Konkordat über die wohnörtliche Unterstützung vereinbart haben, in die Bundesverfassung. Dem EJPD erteilte sie den Auftrag, Vorschläge für entsprechende Verfassungsänderungen sowie für die Grundzüge einer Ausführungsgesetzgebung zu unterbreiten [34].
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Die Revision der konfessionellen Ausnahmeartikel blieb während des ganzen Jahres im Stadium der Diskussion, da Bundespräsident Tschudi das 1969 eingeleitete Vernehmlassungsverfahren auf Wunsch des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes bis Ende Dezember ausdehnte [35]. In den bekanntgewordenen Antworten der Kantone und der Parteien zeichnete sich eine gewisse Tendenz zur einfachsten Lösung ab, die in einer blossen Streichung der Artikel 51 und 52 (Jesuiten- und Klosterartikel) bestünde; von einer Komplizierung der Vorlage befürchtete man eine Verminderung der Erfolgsaussichten. Eine Einbeziehung der Artikel 25 bis (Schächtverbot), 49 (Religionsfreiheit), 50 (insbesondere Bistumsklausel) und 75 (Ausschluss der Geistlichen aus dem Nationalrat) wurde gelegentlich empfohlen, jedoch nur in wenigen Fällen direkt verlangt. Allein die BGB erklärte die Einfügung eines Toleranzartikels als prüfenswert. Die Stellungnahmen der evangelischen Kantonalkirchen ergaben ein ähnliches Bild; allerdings enthielten einige von ihnen Kritik an der Missachtung des Grundsatzes der neutralen Staatsschule vor allem in den Kantonen Freiburg und Wallis wie auch an der diplomatisch-kirchlichen Doppelfunktion der Nuntiatur [36]. Im Schweizerischen Protestantischen Volksbund, der keinen kirchenoffiziellen Charakter trägt, traten nur vereinzelte Sektionen für die Beibehaltung des bestehenden Rechtszustandes ein. Gegen die Gewährung voller Bewegungsfreiheit für die Jesuiten nahm ein Schweizerischer Bund aktiver Protestanten den offenen Kampf auf [37]. Der Schweizerische Tierschutzverband wandte sich gegen eine Zulassung des Schächtens, das er als Tierquälerei verurteilte [38].
Als eine Art Test für die Chancen einer Revision der eidgenössischen Ausnahmeartikel konnte man die Wiederherstellung der korporativen Selbständigkeit des Benediktinerklosters Mariastein werten, das der Kanton Solothurn 1874 säkularisiert hatte, ohne aber seine kirchlichen Funktionen völlig aufzuheben. Ein Gutachten Prof. M. Imbodens hatte 1964 festgestellt, dass das Kloster, in welchem stets einige vom Kanton besoldete Benediktiner tätig gewesen waren, ohne Verletzung von Artikel 52 der Bundesverfassung wieder in seine frühere Rechtsstellung eingesetzt werden dürfe. Die Restauration, die mit einer zehnjährigen finanziellen Starthilfe für das verselbständigte Kloster verbunden wurde, begegnete im Grossen Rat keiner Opposition, wohl aber im Abstimmungskampf, wo sich ihr die Jungliberalen mit Berufung auf Artikel 52 widersetzten, allerdings ohne Erfolg [39]. Eine Eingabe, welche die Rechtmässigkeit des Entscheids anzweifelte, wurde vom Bundesrat negativ beantwortet [40].
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Öffentliche Ordnung
Das Jahr 1970 war wiederum reich an politischen Demonstrationen. Gewaltakte gegen die öffentliche Ordnung ereigneten sich jedoch abgesehen von den Anschlägen auf den Luftverkehr nur bei Manifestationen, die sich gegen ein ausländisches Regime richteten; im übrigen beschränkte sich die Auflehnung gegen die etablierten Autoritäten im wesentlichen auf den Bildungssektor [41]. Über Aufgabe und Methode der Polizei kam es wiederholt zu Kontroversen. So wurde über Beschnüffelung von Jugendlichen, über Beaufsichtigung von Kundgebungen sowie über brutales Zuschlagen bei der Auflösung nicht bewilligter Demonstrationen geklagt [42]. In der Frage des Demonstrationsrechts entschied das Bundesgericht über die staatsrechtliche Beschwerde, die gegen ein Urteil des Zürcher Obergerichts eingereicht worden war [43]. Es äusserte sich freilich nicht darüber, ob für den Bund ein ungeschriebenes Demonstrationsrecht existiere; es stellte bloss fest, dass ein solches auf alle Fälle nur in den Schranken der öffentlichen Ordnung ausgeübt werden dürfte, so dass die von den Zürcher Behörden geltend gemachte Bewilligungspflicht nicht zu bestreiten sei [44]. Die zürcherischen Gerichte führten mehr als zwei Jahre nach den Vorfällen die Prozesse gegen die erwachsenen Teilnehmer an den Globus-Krawallen von Sommer 1968 durch, wobei sich keine grösseren Zwischenfälle ereigneten. Die meisten Angeklagten kamen mit bedingten Gefängnisstrafen und Beteiligung an den Gerichtskosten davon; gegen die Urteile wurden jedoch verschiedene Kassationsbeschwerden eingereicht [45]. Die Übergriffe einer Anzahl von Polizeifunktionären wurden, wie ein Bericht des Zürcher Stadtrats bekanntgab, disziplinarisch geahndet [46]. Zur besseren Kontrolle der einzelnen Polizeimänner führte die Stadtpolizei — mindestens für besondere Einsätze — das früher übliche Tragen von Nummernschildern wieder ein [47].
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Die Bestrebungen, die kantonalen Polizeikorps durch eine Interkantonale Mobile Polizei (IMP) zu verstärken, die sich rechtlich auf ein Konkordat und materiell auf Bundessubventionen stützen sollte, endeten mit einem Misserfolg. Nachdem sich schon Zürich und Baselstadt dem Konkordat gegenüber desinteressiert verhalten hatten, bildeten sich in verschiedenen Kantonen, deren Parlamente einem Beitritt zustimmten, Referendumsbewegungen, die vor allem von den Sozialdemokraten, dem Landesring und der PdA getragen wurden; dabei verbanden sich Abneigung gegen polizeiliche Gewalt und Opposition gegen zentralistische Tendenzen [48]. Der Geschäftsführer der Stiftung für eidgenössische Zusammenarbeit, M. Frenkel, erklärte die vorgesehene Ausstattung des Bundesrates mit der Kompetenz, die IMP in gewissen Fällen nach eigenem Ermessen einzusetzen, als verfassungswidrig [49]. Anderseits liessen die Flugzeugentführungen im September erneut ein Bedürfnis nach einem zusätzlichen Ordnungsinstrument erkennen [50]. Im November fand in Schwyz, im Dezember in Genf die Volksabstimmung statt; in beiden Kantonen wurde die Beteiligung an der IMP stark verworfen [51]. Angesichts dieser negativen Reaktionen und nicht zuletzt der Tatsache, dass der Anstoss zu einer Verstärkung der kantonalen Polizeikräfte gerade von Genf ausgegangen war, betrachtete man das Projekt als gescheitert [52]. Als Frucht interkantonaler Zusammenarbeit im Polizeisektor konnte nur die Eröffnung einer schweizerischen Polizeischule in Neuenburg verzeichnet werden [53]. Dass jedoch Genf Mühe hat, seinen Bedarf an Polizeischutz aus eigenen Kräften zu decken, zeigten Rekrutierungsaktionen in anderen Kantonen, die dort zu Protest Anlass gaben [54].
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Strafrecht
Für die Revision des Strafgesetzbuches, die von den beiden eidgenössischen Räten in sehr unterschiedlicher Weise behandelt worden war, zog sich das Differenzenbereinigungsverfahren bis zum Jahresende hin [55]. Der Nationalrat, dessen Beschlüsse 1969 die Erziehungs- und Wiedereingliederungstendenz im Strafvollzug stärker zum Ausdruck gebracht hatten als diejenigen des Ständerates von 1967, konnte nur einen Teil seiner Abänderungen aufrechterhalten. So setzte er die Ermöglichung der sog. Haitifreiheit (Beschäftigung ausserhalb der Anstalt) durch, ferner den Verzicht auf die Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit als Nebenstrafe, allerdings mit dem Vorbehalt, dass ein Verurteilter amtsunfähig erklärt werden könne, sowie die Errichtung von Spezialanstalten für besonders schwer erziehbare Jugendliche (Therapieheime, Anstalten für Nacherziehung). In einzelnen Fällen stimmte der Nationalrat 1970 sogar noch reformfreundlicher als 1969, so etwa wenn er sich mit Erfolg gegen jede Einweisung von Jugendlichen unter 18 Jahren in gewöhnliche Strafanstalten wandte. Dagegen kam es bei der Festsetzung der maximalen Dauer für bedingte Freiheitsstrafen nur zu einem Kompromiss (18 Monate). Vollends siegreich blieb der Ständerat, als er darauf beharrte, dass Freiheitsentzug von weniger als drei Monaten weiterhin nicht nur als Haft, sondern auch als Gefängnis verhängt werden könne. Ausserdem überwies er ein Postulat, das als Kompensation für den Verzicht auf Einstellung in den bürgerlichen Ehren eine Verhinderung der Stimmabgabe von Anstaltsinsassen anstrebt [56].
Die Methoden des Strafvollzugs und der Anstaltserziehung wurden in der Öffentlichkeit lebhaft diskutiert [57]. Kritik richtete sich namentlich gegen die bernische Erziehungsanstalt Tessenberg [58], was bei den bernischen Behörden ein gewisses Gefühl der Isoliertheit entstehen liess und sie veranlasste, mit dem Austritt Berns aus dem nordwest-zentralschweizerischen Konkordat über die Planung im Strafvollzugswesen zu drohen [59]. Ein von privater Seite lanciertes Projekt, in Sevelen (SG) eine erste Anstalt für Nacherziehung zu errichten, stiess bei der sanktgallischen Regierung auf Vorbehalte [60]. Der Bundesrat versuchte durch eine Revision der Subventionsverordnung die erzieherischen Tendenzen im Anstaltswesen zu unterstützen [61]. Die Arbeitspflicht von administrativ Versorgten wurde Gegenstand einer Kontroverse, als das EVD die Kantone in einem Kreisschreiben zu deren Abschaffung aufforderte, da die Schweiz bereits 1940 ein entsprechendes Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation unterzeichnet habe. In Zürich wie in Bern spielte man den Ball an den Bund zurück, da auch das Schweizerische Zivilgesetzbuch die administrative Versorgung in Anstalten mit Arbeitszwang ermöglicht [62].
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[1] Vgl. ausser dem Folgenden auch weiter unten, S. 150 u. 159 f.
[2] Gesch. ber., 1969, S. 87; NZZ (sda), 435, 18.9.70. Vgl. SPJ, 1968, S. 25 u. 133; ferner NZZ, 389, 23.8.70.
[3] Postulat Schalcher (dem.-ev., ZH), vom NR überwiesen am 28.9. (NZZ. 452, 29.9.70; Lb, 249, 26.10.70).
[4] AZ, 168, 24.7.70; VO, 184, 14.8.70; Ostschw., 164, 17.7.70; NZZ, 341, 26.7.70. Vgl. dazu unten, S. 122.
[5] Vgl. SPJ, 1969, S. 15.
[6] Sten. Bull. NR, 1970, S. 432 ff. Vgl. SPJ, 1969, S. 15, Anm. 33. Das Postulat Gerwig (soz., BS), das die Einführung durch Gesetzesrevision empfahl, wurde kurz zuvor zurückgezogen (Verhandl. B.vers., 1970, II, S. 25).
[7] Verhandlungen im NR am 23.6. und 1.10. (Sten. Bull. NR, 1970, S. 442 ff. und 600), im StR am 23.9. (Sten. Bull. StR, 1970, S. 265 ff.).
[8] Einreichung eines Postulats Ketterer (LdU, ZH) (Verhandl. B.vers., 1970, II, S. 28).
[9] Annahme am 12.4. mit 26 263: 9895 Stimmen; Stimmbeteiligung 65 %; nur 8 verwerfende Gemeinden (TLM, 103, 13.4.70).
[10] NZZ, 187, 24.4.70; Vat., 96, 27.4.70.
[11] NZZ, 188, 24.4.70; 191, 27.4.70. Vgl. unten, S. 164.
[12] Verwerfung am 27.9. mit 26 950 : 24 129 Stimmen; Stimmbeteiligung 55 %; nur 16 annehmende Gemeinden (Ostschw., 226, 28.9.70).
[13] Annahme am 25.10. mit 25 170 : 14 781 Stimmen; Stimmbeteiligung 51 %; 52, annehmende und 55 verwerfende Gemeinden (Vat., 248, 26.10.70).
[14] Zürich: Annahme am 15.11. mit 115 839 : 57 010 Stimmen; Stimmbeteiligung 59 %; 110 annehmende und 61 verwerfende Gemeinden (AZ, 266, 16.11.70). Solothurn: Annahme am 15.11. mit 20 544 : 10 627 Stimmen; Stimmbeteiligung 53 %; nur 15 verwerfende Gemeinden (NZ, 529, 16.11.70; Bund, 269, 17.11.70); vgl. dazu SPJ, 1968, S. 24.
[15] Vgl. unten, S. 164 f.
[16] Vgl. Lb, 297, 21.12.70; gk, 47, 23.12.70. Am 7.2.71 wurde die Vorlage mit 621 403: 323 596 Stimmen und 15% : 6% Ständen angenommen.
[17] Vat., 301, 30.12.70.
[18] Vgl. SPJ, 1968, S. 26; SPJ, 1969, S. 15.
[19] Motion Tanner (LdU, ZH) vom NR am 3.6. als Postulat überwiesen (TLM, 155, 4.6.70); Postulat Ulrich (k.-chr., SZ), vom StR am 17.6. überwiesen (NZZ, 276, 18.6.70).
[20] Vgl. TLM, 119, 29.4.70; 120, 30.4.70; 121, 1.5.70; 122, 2.5.70; 123, 3.5.70; 124, 4.5.70; Tat, 102, 2.5.70; NZZ, 305, 5.7.70. In Schwyz liegt die Grenze bei 18, in Obwalden und Zug bei 19 Jahren; Grossbritannien hat 1969 eine Senkung auf 18 Jahre eingeführt.
[21] Umfrage des Schweiz. Instituts für öffentliche Meinungsumfrage (ISOP): 57 % dagegen, 42 % dafür (NZZ, sda, 482, 16.10.70; Tw, 242, 16.10.70).
[22] Vgl. Vat., 21, 27.1.70; Tat, 102, 2.5.70; Lb, 139, 19.6.70; TdG, 244, 19.10.70; NZZ, 305, 5.7.70.
[23] JdG, 141, 20./21.6.70; TdG, 244, 19.10.70. Die Liberalen enthielten sich der Stimme.
[24] Baselland: BN, 216, 29.5.70; Luzern: Vat., 21, 27.1.70; Schaffhausen: NZZ (sda), 488, 20.10.70; Bern: Bund, 277, 26.11.70 (Ablehnung einer christlichsozialen Motion mit 78 : 64 Stimmen).
[25] Luzern: NZZ, 509, 2.11.70; Baselstadt: Vorwärts, 44, 29.10.70.
[26] NZZ, 473, 12.10.70.
[27] Vgl. Postulat Jauslin (rad., BL), vom StR am 17.6. abgelehnt (NZZ, 276, 18.6.70). Der Antrag einer Parteikommission auf Einführung des Stimmzwangs wurde vom Parteitag der FDP Baselland verworfen (BN, 284, 11./12.7.70; NZ, 453, 2.10.70).
[28] BN, 479, 13.11.70; Volk+Heimat, 4/1970, Nr. 12.
[29] Gesch.ber., 1965, S. 151 f.; 1966, S. 148 f.; 1968, S. 150. Vgl. auch SPJ, 1966, S. 105; 1968, S. 24 f.
[30] NZZ (sda), 143, 27.3.70; Gesch.ber., 1969, S. 95.
[31] Mitteilung des EJPD; vgl. Gesch.ber., 1970, S. 97.
[32] Interpellation Ketterer (NZZ, 262, 10.6.70). Zu den Verhandlungen mit Italien vgl. unten, S. 135 f.
[33] NZZ, 394, 26.8.70; 528, 12.11.70; 578, 11.12.70; AZ, 280, 2.12.70.
[34] NZZ, 527, 12.11.70. Vgl. Verhandl. B.vers., 1965, III, S. 5.
[35] Bund, 171, 26.7.70.
[36] Für die Stellungnahmen vgl. vor allem die Dokumentation des Jesuiten JOSEF BRUHIN, Der Jesuiten- und Klosterartikel der Schweizerischen Bundesverfassung, Bericht 9 (1970) u. 10 (1971) (vervielf., teilweise abgedruckt in NZ, 358, 7.8.70); ferner für die Parteien Der Ring, 8, 29.5.70 (LdU); Evangelische Woche, 25-33, 19.6.-14.8.70 (Evangelische); Bund, 153, 5.7.70 (FDPS); Vat., 5, 8.1.71 (Christlichdemokraten); für die Kantone Ostschw., 135, 13.6.70 (SZ); 150, 1.7.70 (AG); 188, 14.8.70 (SG); Vat., 171, 27.7.70 (LU); NZ, 362, 10.8.70 (SO); 467, 11.10.70 (BL): 16, 12.1.71 (BS); für die evangelischen Kirchen NZZ (sda), 602, 28.12.70.
[37] Vgl. JOSEF BRUHIN, a.a.O.; ferner NZZ, 329, 19.7.70; 339, 24.7.70; 4, 5.1.71; NZ, 329, 22.7.70; Bund, 274, 24.11.70. Ergebnis einer Umfrage bei ausgewählten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens veröffentlicht in Civitas, 25/1969-70, S. 721 ff.
[38] NZN, 171, 25.7.70.
[39] NZ, 82, 20.2.70; 141, 26.3.70; Lb, 42, 21.2.70; Bund, 128, 5.6.70; 130, 8.6.70; Vat., 155, 8.7.70. Die Annahme erfolgte mit 29 035 : 14 017 Stimmen. Bereits 1941 war die aus ihrem deutschen Zufluchtsort ausgewiesene Mönchsgemeinschaft in das Kloster zurückgekehrt.
[40] Lb, 252, 29.10.70; 16, 20.1.71.
[41] Vgl. unten, S. 36 f., 41 ff., 136, 148, 150 u. 153 f.
[42] Lb, 86, 16.4.70; NZZ (sda), 202, 4.5.70; Bund, 107, 11.5.70; TdG, 116, 21.5.70; NZ, 326, 20.7.70; 475, 15.10.70; 481, 19.10.70; 489, 23.10.70. Vgl. auch unten, S. 150.
[43] Vgl. SPJ, 1969, S. 17.
[44] NZZ, 472, 11.10.70.
[45] NZZ, 359, 5.8.70; 419, 9.9.70; 517, 6.11.70; 591, 19.12.70; 593, 21.12.70; AZ, 296, 21.12.70; Vgl. SFJ, 1968, S. 15 f.; 1969, S. 16 ff.
[46] NZZ, 377, 16.8.70; AZ, 190, 19.8.70.
[47] NZZ, 140, 25.3.70; NZ, 148, 2.4.70.
[48] So in Schwyz (Vat., 8, 12.1.70; 36, 13.2.70), Uri (TdG, 111, 14.5.70; NZZ, sda, 360, 6.8.70) und Genf (JdG, 144, 24.6.70; 173, 28.7.70), während für den Thurgau das Bundesgericht auf staatsrechtliche Beschwerde hin feststellte, dass ein Beitritt dem obligatorischen Referendum unterstehe (NZZ, sda, 210, 9.5.70; 211, 10.5.70; NZZ, 432, 17.9.70). Vgl. dazu SPJ, 1969, S. 18 f.
[49] MAX FRENKEL, « Die Verfassungsmässigkeit von Art. 4/la und 4/2 der Interkantonalen Übereinkunft zur Verstärkung der polizeilichen Sicherheitsmassnahmen vom 28.3.1968 (IMPKonkordat), insbesondere im Hinblick auf BV 7/2 letzter Satz », in Schweizerische Juristenzeitung, 66/1970, S. 129 ff. Vgl. dazu anderseits Prof. H. Huber in Bund, 227, 29.9.70.
[50] Vgl. Antwort des Bundesrates auf dringliche Kleine Anfrage von NR Egli (k.-chr., LU) (Bund, 234, 7.10.70; TdG, 234, 7.10.70). Vgl. unten, S. 42 f.
[51] Schwyz: Verwerfung am 15.11. mit 8421: 4338 Stimmen, keine annehmende Gemeinde (NZZ, 543, 21.11.70; BN. 21./22.11.70); Genf: Verwerfung am 6.12. mit 25 097: 14 035 Stimmen (TdG, 286, 7.12.70).
[52] NZ, 565, 7.12.70; NZZ. 575, 10.12.70; JdG, 291, 14.12.70.
[53] TLM, 6, 6.1.70; Bund, 6, 9.1.70.
[54] TLM, 98, 8.4.70; 102, 12.4.70; GdL, 90, 20.4.70.
[55] Sten. Bull. StR, 1970, S. 82 ff., 117 ff., 427 ff. u. 456; Sten. Bull. NR, 1970, S. 515 ff. u. 739 f. Die Schlussabstimmungen fanden 1970 noch nicht statt. Vgl. dazu SPJ, 1967, S. 18; 1969, S. 19.
[56] Postulat Munz (rad., TG) (Verhandl. B.vers., 1970, II, S. 43; BN, 247, 18.6.70).
[57] Vgl. vor allem die Studientagung im Gottlieb-Duttweiler-Institut in Rüschlikon (Ostschw., 285, 5.12.70; NZ, 569, 9.12.70; AZ, 292, 16.12.70; Bund, 295, 17.12.70); ferner NZZ, 579, 12.12.70 und die Dissertation von IRMA WEISS, Schweizerischer Straf- und Massnahmenvollzug der Gegenwart in der Perspektive moderner poenologischer Behandlungsmethoden, Zürich 1970.
[58] Vgl. PETER HOLENSTEIN und WERNER FRITSCHI, « ... wer einmal in der Winde frass ... », in Team, Juli 1970; Sonntags-Journal, 35, 29./30.8.70.
[59] Bund, 269, 17.11.70; 280, 30.11.70; 284, 4.12.70.
[60] NZZ. 422, 11.9.70; Tat, 224, 24.9.70; NZ, 490, 24.10.70.
[61] AS, 1970, S. 913 f.; NZZ (sda), 326, 17.7.70.
[62] NZZ (ada) 315, 10.7.70; Bund. 261, 8.11.70; 270, 18.11.70.
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