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Grundlagen der Staatsordnung
Institutionen und Volksrechte
Le Conseil des Etats adhère au nouveau règlement concernant les Grandes lignes de la politique gouvernementale et le plan financier, règlement destiné à augmenter l'influence du parlement — Démission du conseiller fédéral Gnägi; conséquence de l'élection du Grison Schlumpf le canton de Berne n'est, pour la première fois, plus représenté au gouvernement fédéral — Au lendemain du renouvellement de l'exécutif le socialiste Ritschard est chargé de la direction du DFF — Le Conseil fédéral propose d'augmenter les compétences de l'Office fédéral de l'organisation — Une affaire de corruption en Valais fait du bruit — Le Conseil national introduit certaines réformes de procédure — Propositions visant à renforcer le personnel du Tribunal fédéral des assurances — Les explications officielles concernant les votations populaires sont critiquées — Suggestions tendant à élever la participation des électeurs.
Regierung
Das Auslaufen der Legislaturperiode von 1975—1979 gab Anlass zur Feststellung, dass in den vier vergangenen Jahren die Institutionen des Bundesstaates besonders belastet worden seien. Zwar legte der Bundesrat im Blick auf eine Neuregelung der staatlichen Planungspraxis noch keinen Rechenschaftsbericht über den Vollzug der Richtlinien der Regierungspolitik vor, doch stellten politische Beobachter fest, dass nur etwa die Hälfte der 1976 angekündigten Vorhaben verwirklicht worden sei [1]. Anderseits hat es noch nie in einer Legislaturperiode so viele Volksabstimmungen gegeben [2].
Mit der Problematik der politischen Planung in der halbdirekten Demokratie befasste sich eine Studie des Instituts für Orts-, Regional- und Landesplanung der ETH Zürich. Darin wurde festgestellt, die Regierungsplanung sei bis zum Einbruch der Rezession noch einigermassen gelungen, weil sie sich mit einer Bewältigung des Wachstums begnügt habe, wobei man allerdings kaum über eine Fortschreibung der bestehenden Strukturen hinausgegangen sei. Seither seien nun aber Fragen der Rationalisierung und der Umstrukturierung von Wirtschaft und Gesellschaft in den Vordergrund getreten. Diese Fragen verstärkten die Konflikte und überforderten die Institutionen. Die Studie empfahl deshalb eine Beschränkung aufdie wirtschaftlichen und sozialen Hauptprobleme, da für diese eine wirksame Mobilisierung politischer Kräfte leichter erscheine. Zugleich wurde auf die vermehrte Einbeziehung des Parlaments und der Stimmbürger in die politische Planung Gewicht gelegt. Jenes sollte zu den Regierungsprogrammen Gegenvorschläge einbringen können; diesen hätte man vor allem Gelegenheit zu Vor- und Alternativabstimmungen zu bieten, um die Gefahr eines Scherbenhaufens am Ende jahrelanger behördlicher Vorbereitungen zu vermeiden [3].
Eine stärkere Beteiligung des Parlaments an der politischen Planung erstrebt die neue Regelung für die Richtlinien der Regierungspolitik und den Finanzplan, die im Frühjahr nun auch vom Ständerat ohne wesentliche Abänderungen gutgeheissen wurde. Sie verankert nicht nur die 1974 provisorisch eingeführte Verbindung der beiden Planungsinstrumente, sondern gibt zudem dem Parlament die Möglichkeit. mit beschleunigt zu behandelnden Motionen zu den Absichtserklärungen des Bundesrates Stellung zu nehmen und damit auf ihre Durchführung unmittelbarer einzuwirken. Schliesslich wird die Exekutive verpflichtet, in der Mitte der Legislaturperiode über Abweichungen von den Richtlinien Bericht zu erstatten. Die Rechenschaftsablage über die abgelaufene Periode soll jeweils in die neuen Richtlinien eingebaut werden [4]. Regierungsprogramme werden seit einigen Jahren zunehmend auch auf kantonaler Ebene aufgestellt. Die Schweizerische Staatsschreiberkonferenz hat dafür ein Hilfsmittel ausgearbeitet [5].
Das Herannahen der eidgenössischen Wahlen intensivierte die Diskussion über die Frage. ob die Regierung des Bundesstaates weiterhin auf der Zusammenarbeit aller grossen Parteien beruhen solle. Da die verschlechterte Wirtschafts- und Finanzlage die politischen Konflikte verschärft hatte, sah sich die SP mehr und mehr in eine Oppositionshaltung innerhalb der Vierparteienkoalition gedrängt, forderten doch starke Kräfte in ihren Reihen einen entschiedeneren Kampf für eine Veränderung der Gesellschaftsordnung. Zwar vermochte die Parteileitung. wie an anderer Stelle zu zeigen sein wird, den namentlich aus welschen Sektionen erhobenen Ruf nach einem Rückzug aus dem Bundesrat zu dämpfen. Sie beanspruchte jedoch Freiheit zur Opposition im Parlament und eine Lockerung der Kollegialitätspflichten für ihre Regierungsvertreter [6]. Von bürgerlicher Seite wurde demgegenüber das wiederholte Ausscheren der Sozialdemokraten aus der Koalition als ein Verhalten gewertet, das die Vierparteienregierung grundsätzlich in Frage stelle [7]. Von einer Reduktion der Vierergemeinschaft sprach man aber nicht nur im Blick auf einen Rückzug der SP. Die CVP-Führung, die sich nach wie vor gegen die Bildung eines Bürgerblocks wandte. erwog vor den Wahlen einen Ausschluss der SVP. falls sich deren Anhang weiter verringern sollte [8].
Der Sitz der SVP im Bundesrat geriet freilich nicht ernstlich in Gefahr, konnte doch die Partei in den Nationalratswahlen kräftig aufholen [9]. Doch seine personelle Besetzung wurde durch die Demission Rudolf Gnägis zu einem Politikum. Der Chef des EMD war infolge der Auseinandersetzungen um die Landesverteidigung sowie verschiedener Pannen seit einiger Zeit ins Schussfeld der Kritik geraten. Er kündigte seinen Rücktritt am Ende der parlamentarischen Sommersession an. nachdem der Ständerat einen Rüstungskredit zurückgewiesen und die Aufdeckung ernsthafter Mängel am Panzer 68 einen Produktionsstopp für die laufende Serie veranlasst hatte. Der Demissionär betonte, dass er seinen Entschluss schon am Anfang der Amtsperiode gefasst habe, bestritt aber nicht, dass der Zeitpunkt der Bekanntgabe mit den aufgetretenen Schwierigkeiten zusammenhänge [10]. Während die SVP ihre Stellungnahme aufdie Zeit nach den Wahlen verschob, begann in der Öffentlichkeit sogleich die Diskussion um die Nachfolge. Im Vordergrund stand von Anfang an der als Preisüberwacher populär gewordene Bündner Ständerat Leon Schlumpf, dem die Berner Kantonalpartei keinen chancengleichen Kandidaten entgegensetzen konnte [11]. Ende Oktober nominierte sie immerhin den eben zum Nationalrat gewählten kantonalen Finanzdirektor W. Martignoni. Erst Mitte November stellte sich Schlumpf zur Verfügung. worauf ihn die Bündner SVP sogleich auf den Schild erhob. Nachdem der Thurgauer Regierungs- und Nationalrat H. Fischer zugunsten Schlumpfs verzichtet hatte, entschied sich die Bundeshausfraktion zu einem Doppelvorschlag, da sich die Stimmen fast gleichmässig auf den Berner und den Bündner verteilten [12]. Die Bundesversammlung wählte jedoch am 5. Dezember mit Zweidrittelmehrheit Leon Schlumpf [13]. Damit sah sich der Kanton Bern. kaum ein Jahr nach dem Verlust des Nordjuras. erstmals in der Geschichte des Bundesstaates ohne Vertreter in der Landesregierung [14].
Eine Zeitlang schien es, als werde es mit der einen Vakanz nicht sein Bewenden haben. Willi Ritschard musste 1979 wegen Krankheit wiederholt die Arbeit aussetzen. Er liess sich dadurch aber nicht zum Rücktritt bewegen [15]. Dagegen betrachtete man eine neue Verteilung der Departemente in verschiedener Hinsicht als wünschbar. So verlangte die Leitung der CVP nach der Verwerfung der Finanzvorlage am 20. Mai einen Wechsel im EFD [16], Der Präsident der SPS, die der Kritik am Militärdepartement ein wenig respektvolles «Schwarzbuch» widmete, schlug bei dessen Veröffentlichung im September Kurt Furgler als neuen Verteidigungsminister vor [17]. Zensuren teilte auch die Bundesversammlung aus: bei den Gesamterneuerungswahlen für den Bundesrat erzielte zunächst der freisinnige Finanzchef Chevallaz nur ein mässiges Resultat, worauf der sozialdemokratische Aussenminister Aubert infolge einer Art Retourkutsche gerade noch auf das absolute Mehr der Parlamentsmitglieder kam [18]. Die Lösung freilich, die von der neubestellten Landesregierung kurz vor Weihnachten getroffen wurde, wirkte überraschend. Chevallaz trat das Finanzdepartement ab und erhielt dafür das EMD. Zur Übernahme des EFD wurde der ehemalige Solothurner Finanzdirektor Ritschard gedrängt, der nach Rücksprache mit SPS-Präsident Hubacher zusagte und das EVED dem neuen Kollegen Schlumpf überliess. Er hoffte, dadurch weiteren Auseinandersetzungen mit seiner Partei in der Atomenergiefrage aus dem Wege zu gehen und zugleich den sozialdemokratischen Anliegen in der Finanzpolitik mehr Nachdruck verleihen zu können [19]. Während man in SP-Kreisen diese Chance verschieden beurteilte [20], versprach man sich auf bürgerlicher Seite eine stärkere finanzpolitische Mitarbeit des linken Koalitionspartners [21]. Die im November aufgenommenen Gespräche der vier Bundesratsparteien über gemeinsame Legislaturziele hatten namentlich in der Finanz- und Wirtschaftspolitik wesentliche Differenzen ergeben [22].
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Verwaltung
Nachdem die Revision des Organisationsgesetzes für die eidgenössische Verwaltung 1978 ihren Abschluss gefunden hatte, legte die Regierung dem Parlament noch eine Neufassung des Gesetzes über das Bundesamt für Organisation (früher Zentralstelle für Organisationsfragen der Bundesverwaltung) vor. Sie trug damit einer 1971 überwiesenen Motion der Finanzkommission des Nationalrates Rechnung, die vor allem verlangt hatte. dass die Zentralstelle ein fachtechnisches Weisungsrecht gegenüber den anderen Amtern erhalte und nicht nur der Exekutive, sondern auch dem Parlament für die Verwaltungskontrolle zur Verfügung stehe. Der Bundesrat übernahm die beiden Begehren, nicht ohne zu betonen, dass das Organisationsamt in erster Linie durch Beratung zu wirken habe [23].
Einer eingehenden Kontrolle musste sich das bereits im Vorjahr öffentlich angefochtene Bundesamt für Wohnungswesen unterziehen. Das EVD liess sowohl Organisation wie Tätigkeit des Amtes durch verschiedene Gremien überprüfen; dies führte jedoch 1979 — mit Ausnahme von beträchtlichen Budgetabstrichen — noch zu keinen Anderungen, obwohl die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates auf eine Redimensionierung drang. Klagen von SP-Vertretern, dass die Kritik am Bundesamt für Wohnungswesen eine persönliche und parteipolitische Spitze gegen dessen sozialdemokratischen Direktor habe, wurden von Bundesrat Honegger zurückgewiesen [24].
Die Vorarbeiten für eine Einführung des Ombudsmanns im Bund wurden vom EJPD zwar abgeschlossen, doch schob der Bundesrat einen entsprechenden Antrag an das Parlament noch hinaus. Dieser Beschluss wurde namentlich mit der Finanzknappheit begründet [25]. Wenige Monate zuvor war ein entsprechendes Projekt im Kanton Bern daran gescheitert, dass sich eine Initiative und ein Gegenvorschlag der Behörden in der Volksabstimmung konkurrenzierten [26].
Missstände und mangelnde Kontrolle in der Verwaltung des Kantons Wallis erregten landesweites Aufsehen. Betrügereien der Baufirma Savro waren von hohen Beamten begünstigt und vom sozialen Prestige der Beteiligten und ihrer im Verwaltungsrat sitzenden Freunde verdeckt worden. Die Affäre wurde einerseits als Sumpfblüte der Hochkonjunktur im lange zurückgebliebenen Bergkanton gedeutet, anderseits aber auch als Symptom einer gesellschaftlichen und politischen Oligarchie. die sich der Vorherrschalt der übermächtigen CVP bediene. Während die gerichtliche Verfolgung der Delikte zu ersten Strafurteilen führte, sah sich eine vom Parlament eingesetzte Untersuchungskommission durch das zähe Widerstreben in Regierung und Verwaltung behindert, so dass die erforderlichen Reformen auf sich warten liessen [27].
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Parlament
Der Bericht über eine Reform des eidgenössischen Parlaments, der 1978 von einer aus Mitgliedern beider Räte bestehenden Studienkommission veröffentlicht worden war, fand noch vor den Wahlen eine erste Berücksichtigung durch den Nationalrat. Wie es die Studienkommission vorgesehen hatte, wurden ihre Vorschläge durch parlamentarische Initiativen in beiden Räten aufgenommen und im Sommer von den Fraktionen diskutiert. Die vorberatende Kommission des Nationalrats entschloss sich, eine erste Gruppe von Neuerungen noch in der zu Ende gehenden Legislaturperiode behandeln zu lassen; damit liess sich gleich auch eine Erhöhung der Spesenentschädigungen unter Dach bringen. Trotz dem Einwand der SP-Fraktion, das vorgelegte Paket sei zu mager, nahm die Volkskammer die Beratung auf, zeigte sich aber nicht besonders reformfreudig. Sie akzeptierte zwar eine Neuordnung des Systems der ständigen Kommissionen, damit ein grösserer Teil der Geschäfte von besonderen Sachkennern vorbereitet werden kann, wandte sich aber gegen einschneidendere Massnahmen zur Straffung des Ratsbetriebs (Sichtung der persönlichen Vorstösse, Vermeidung des Ablesens von Manuskripten). Immerhin soll der Rat die Gesamtredezeit für allgemeine Debatten beschränken können ; dafür werden in jeder Session Fragestunden eingerichtet [28]. Die Anpassung der Entschädigungen für Reise- und Unterhaltsspesen der Parlamentarier an die Teuerung fand in beiden Räten Zustimmung [29].
Über diese ersten Schritte zu einer Verfahrensreform hinaus drangen einzelne Vorstösse auf die Prüfung besonderer politischer Aspekte. So verlangte ein sozialdemokratisches Postulat die Einrichtung einer elektronischen Abstimmungsapparatur, um damit nicht zuletzt den Wählern eine Kontrolle ihrer Vertreter zu ermöglichen. Weitere Begehren betrafen die Problematik der Interessenbindungen von politischen Persönlichkeiten. Die Volkskammer beschloss, eine Kommission solle über die Zulässigkeit solcher Bindungen für Parlamentarier eine Regelung vorschlagen. Eine Motion, die zudem Vorschriften für ehemalige Bundesräte und für hohe Beamte anstrebte, wurde dagegen bloss als Postulat überwiesen [30].
Doch das Parlament war nicht nur grundsätzlich bestrebt, durch Verfahrensreformen — wie auch die bereits erwähnte Einbeziehung in die Regierungsplanung — seine Stellung aufzuwerten; es bemühte sich überdies, praktisch auf die Tätigkeit der Exekutive dann und wann stärker Einfluss zu nehmen. Von solchen Aktionen wird namentlich im Zusammenhang mit der Rüstungs- und der Aussenpolitik noch die Rede sein [31]. Ein Versuch jedoch, die Wirksamkeit der parlamentarischen Kontrolle dadurch zu erhöhen, dass wegen einer Indiskretion gegen Mitglieder der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats ein gerichtliches Verfahren eingeleitet wurde. zeitigte keinen Erfolg [32].
Die Neuordnung des Kommissionensystems erwies sich für Kleinfraktionen nicht unbedingt als günstig. Im Nationalrat wurden den ständigen Kommissionen wie bis anhin höchstens 23 Mitglieder zugeteilt; diese Gremien sollen aber künftig einen grösseren Teil der Geschäfte vorberaten. Während die Liberalen mit acht Mandaten fast überall Einsitz nehmen konnten, sah sich die Fraktion der äussersten Linken, obwohl sie nach den Wahlen auf sieben Vertreter angewachsen war, auf wenige grosse Spezialkommissionen beschränkt. Ihr Protest gegen den angewandten Verteilungsmodus blieb freilich vergeblich [33].
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Gerichte
Die Überlastung der Gerichte des Bundes steigerte sich weiter. Um insbesondere das Versicherungsgericht, dessen IV-Fälle sprunghaft anstiegen, zu verstärken, trat der Bundesrat für die Erhöhung der Zahl der Richter wie der Gerichtsschreiber und -sekretäre ein. Die ohne Gesetzesänderung mögliche Wahl zweier zusätzlicher Vollmitglieder durch die Bundesversammlung kam jedoch trotz Ersuchen der Regierung noch nicht zustande. Für die Erweiterung des übrigen Personals wurde dem Parlament ein Beschlussentwurf zugeleitet [34]. Die besonderen Schwierigkeiten der Prozessführung bei Terrordelikten warfen die Frage auf, wie weit die Rechte der Verteidiger reichten. Die Berner Anwaltskammer entzog den vier zürcherischen Verteidigern der 1978 in Pruntrut verurteilten deutschen Terroristen wegen ungewöhnlicher Praxis und Publizität die Bewilligung zur Berufsausübung im Kanton. Dagegen erhob sich Kritik. und der Entscheid wurde vor Bundesgericht angefochten [35].
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Volksrechte
Die Inanspruchnahme der Volksrechte nahm erneut zu. Zwar kam im Wahljahr nur 1 Referendum (1978: 3) zustande, doch wurden 5 (1) neue Volksbegehren eingereicht und für fünf weitere Initiativen lief die Unterschriftensammlung an. Der Abstimmungskalender wurde angesichts der Wahlen entlastet: nur 6 (14) Gegenstände gelangten zum Entscheid, darunter 2 Initiativen. So stieg die Zahl der hängigen Volksbegehren wieder an (von 8 auf 10; eines wurde zurückgezogen) [36].
Die Probleme der Information und der Beteiligung der Stimmbürger beschäftigten Behörden und Öffentlichkeit weiterhin. Die seit 1978 den eidgenössischen Abstimmungsvorlagen beigegebenen offiziellen Erläuterungen, das sogenannte «Bundesbüchlein», wurden vielfach kritisch beurteilt. Besonderen Unwillen erregte es bei den Befürwortern der Atomschutzinitiative. als deren Formulierung «Zustimmung der Stimmberechtigten» vom Bundesrat dahin interpretiert wurde, dass die vorgesehenen Abstimmungen über Atomanlagen nicht durch einfache Stimmenmehrheit. sondern nur mit dem absoluten Mehr aller Stimmberechtigten positiv entschieden werden könnten und deshalb prohibitiv wären [37]. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund und eine sozialdemokratische Motion verlangten darauf, dass den Urhebern einer Initiative oder eines Referendurns im «Bundesbüchlein» Raum für eine eigene Darstellung ihres Standpunktes gewährt werde. Der Bundesrat erklärte sich aber nur bereit, künftig jeweils Vertreter des gegnerischen Standpunktes zu einem Gespräch zu empfangen, um so der Vorschrift, dass die Erläuterung den Auffassungen wesentlicher Minderheiten Rechnung tragen müsse, besser genügen zu können [38].
Aufgrund der 1977 veröffentlichten Untersuchung der Politologen Neidhart und Hoby über die Stimmabstinenz hat eine Arbeitsgruppe des EJPD Vorschläge zu Gegenmassnahmen aufgestellt. Da diese jedoch von tiefgreifenden institutionellen Anderungen absehen, wirken sie wenig spektakulär. Behördliche Beteiligungswerbung, Auszeichnung regelmässiger Urnengänger, Erleichterungen der Stimmabgabe sowie Verbesserung von Information und Gesetzessprache bilden die hauptsächlichen Anregungen, die den Behörden aller Stufen, den Parteien und den Massenmedien nahegelegt worden sind [39]. Als wesentliche Ursachen der geringen Stimmbeteiligung in der Schweiz nennt eine neue wissenschaftliche Studie namentlich die Überforderung der Bürger durch zu viele Sachfragen sowie das Konkordanzsystem, das die Konflikte zu eliminieren sucht und nur minimale Neuerungen zulässt [40].
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[1] TA, 235. 10.10.79; LNN, 237. 12.10.79; SGT, 240. 13.10.79. Vgl. dazu auch SPJ, 1974. S. 17 u. 20. Zur Neuregelung vgl. unten.
[2] 50 Gegenstände (15 obligatorische und 15 fakultative Referenden. 16 Initiativen, davon 3 mit Gegenentwurf. 1 weiterer Gegenentwurf) in 15 Urnengängen (1971-1975: 28 Gegenstände). Vgl. auch A. Auer / J.-D. Delley. «Le référendum facultatif– La théorie à l'épreuve de la réalité», in Zeitschrift für schweiz. Recht. NF. 98/1979. S. 113 ff.
[3] W. Linder / B. Hotz / H. Werder. Planung in der schweizerischen Demokratie. Bern 1979. insbes. S. 151, 206 ff. u. 245 ff. Von der für die Behörden verbindlichen Vorabstimmung zu unterscheiden ist die unverbindliche Konsultativabstimmung (vgl. J.P.Müller / P. Saladin. «Das Problem der Konsultativabstimmung im schweizerischen Recht», in Berner Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1979, hrsg. v. E. Bucher u. P. Saladin. Bern 1979. S. 405 ff.). Vgl. auch M. Lendi / W. Linder (Hrsg. ). Politische Planung in Theorie und Praxis. Ein Kolloquium des Instituts für Orts-, Regional- und Landesplanung der ETH Zürich. Bern 1979 sowie R. Reich. «Parlament und politische Planung». in Wirtschaftspolitische Mitteilungen, 35, 1979. Nr. 12.
[4] Ratsverhandlungen: Amtl. Bull. StR, 1979. S. 2 ff.; Amtl. Bull. NR, 1979. S. 249; vgl. SPJ, 1978. S. 21. Definitiver Text: AS 1979, S. 1318 ff.
[5] Anhaltspunkte fuir die Ausarbeitung von kantonalen Regierungsprogrammen, Luzern 1978; vgl. auch LNN, 16. 220.1.79.
[6] Infragestellung der BR-Beteiligung: TLM, 71. 12.3.79 (SP von GE); 112. 12.4.79 (SP von VD). NR J. Ziegler forderte ausdrücklich den Rückzug (BaZ, 119. 23.5.79; 128. 5.6.79). Über die Diskussionen am Parteitag und an einer Arbeitstagung vgl. unten, Teil lIla (Sozialdemokratische Partei) sowie NZZ (sda). 215. 17.9.79 (Stellungnahme der Geschäftsleitung).
[7] NR Friedrich (fdp. ZH) in NZZ, 14.18.1.79 ; JdG, 47. 26.2.79; SVP-Pressedienst, 20. 16.5.79; A. Fisch in Schweizer Monatshefte, 59/1979. S. 501 ff. ; E. Hugentobler. ebenda. S. 601 ff. Vgl. auch SPJ, 1978. S. 20. Ein Koalitionssvstem mit Opposition skizziert M. Bucheli. Die direkte Demokratie im Rahmen eines Konkordanz- oder Koalitionssystems. Bern 1979. Zu Funktion und Formen der Opposition vgl. auch R. Zwahlen. Opposition in der direkten Demokratie. Zürich 1979.
[8] JdG, 207. 5.9.79; NZZ, 237. 12.10.79. Vgl. SPJ, 1978. S. 171.
[9] Vgl. unten, Teil I, 1e (Résultat des élections au Conseil national).
[10] Rücktrittserklärung: Amtl. Bull. NR, 1979. S. 865; Bund, 144, 23.6.79; NZZ (ddp). 143, 23.6.79. Zur Kritik vgl. BaZ, 135, 13.6.79; SGT, 135. 13.6.79; ferner Presse vom 23.6.79 und SPJ, 1977, S. 19. Rüstungskredit und Panzer: vgl. unten, Teil I. 3 (Rüstung).
[11] SVP: TA, 143, 23.6.79. Nachfolge: Presse vom 23.6.79. Preisüberwacher: SPJ, 1974. S. 59; 1978. S. 56 sowie unten, Teil I, 4a (Konjunkturpolitik).
[12] Martignoni: LNN, 254. 2.11.79; NZZ, 255. 2.1 1.79. Schlumpf: NZZ (sda). 266. 15.11.79; Presse vom 19.11.79. Fischer: TA, 271. 21.11.79. Bundeshausfraktion: Presse vom 28.11.79. Der Doppelvorschlag einer Fraktion stellt in der neueren Bundesstaatsgeschichte ein Novum dar.
[13] Amtl. Bull. NR, 1979. S. 1745. Schlumpf erhielt 159 Stimmen. Martignoni 72. sonstige 10.
[14] Die bernischen Reaktionen waren gelassen (BaZ, 286, 6.12.79; Bund, 286. 6.12.79; LNN, 283, 6.12.79; TW, 286, 6.12.79). Vgl. dagegen frühere Äusserungen: BaZ, 210. 8.9.79; NZZ, 272. 22.11.79.
[15] BaZ, 108. 10.5.79; 206. 4.9.79; TA, 153. 5.7.79; NZZ (sda). 204. 4.9.79.
[16] Vat.. 117, 21.5.79; 118, 22.5.79; 122, 28.5.79; vgl. unten, Teil I, 5 (Réforme des finances fédérales). Über die «stoische» Grundhaltung BR Chevallaz vgl. seine Schrift Les raisons de l'espoir, Lausanne 1979.
[17] TA, 208.8.9.79 ; SPS, Schwarzbuch EMD, Notizen zur « Panzerschlacht », Bern 1979. Der BR warf der SPS vor, mit dem Schwarzbuch «das landesübliche Mass an Kritik überschritten» zu haben (Presse vom 13.9.79).
[18] Stimmen erhielten: Furgler 206. Ritschard 212. Hürlimann 214, Chevallaz 170. Honegger 198. Aubert 124 (Amtl. Bull. NR, 1979, S. 1744 f.). Vgl. dazu TA, 284.6.12.79. Das Zurückbleiben der welschen Regierungsmitglieder gab in der Westschweiz zu Verstimmung Anlass (JdG, 285, 6.12.79 ; Lib., 57. 6.12.79 ; TLM, 340. 2.79 ; 24 Heures, 284. 6.12.79). Zur Kritik an Aubert vgl. unten, Teil I, 2 (Führung des EDA).
[19] Presse vom 20.12.79. Vgl. dazu Interview Ritschards in Vr, 295. 27.12.79.
[20] Positiv: TW. 299. 21.12.79 (NR Hubacher); 24 Heures. 297. 21.12.79 (NR Hubacher. NR R. Müller); NZZ (sda). 298. 22.12.79 (Büro der Geschäftsleitung). Kritisch : SGT, 298.21.12.79 (NR H. Schmid); TLM, 355. 21.12.79 (NR J.Ziegler). Vgl. ferner Vr, 293. 21.12.79.
[21] Vat.. 294. 20.12.79; JdG, 298. 21.12.79; NZZ, 297. 21.12.79 (auch FDPS).
[22] Presse vom 15.11.79 und 14.12.79.
[23] BBl, 1979. II. S. 804 ff. Vgl. SPJ, 1971. S;.21. Zum Organisationsgesetz vgl. Gesch.ber., 1979. S. 1 sowie SPJ, 1978. S. 22. Die neuen Departements- und Amterbezeichnungen traten auf den 1.6.79 in Kraft (Presse vom 1.6.79).
[24] Amtl. Bull. StR, 1979. S. 247 ff..; Gesch. ber.. 1979, S. 266. Vgl. dazu SPJ, 1978. S. 22. Zur parteipolitischen Polemik um Direktor Th. Guggenheim vgl. auch Amtl. Bull. NR, 1979. S. 753 u. 756; ferner TW. 7. 10.1.79; 27. 1.2.79; Vat.. 28. 3.2.79.
[25] NZZ, 159. 12.7.79; Gesch. ber., 1979. S. 114. Vgl. dazu SPJ, 1978. S. 22 ; ferner W. Rosen.« Ein Amt geht um die Welt: der Ombudsmann». in Schweizer Monatshefte, 59/1979. S. 35 f.; Vat., 74. 29.3.79; NZZ, 275. 26.11.79. Zum Armee-Ombudsmann vgl. unten, Teil I, 3 (Innere Ordnung der Armee).
[26] NZZ, 36. 13.2.79; Bund, 41. 19.2.79. Vgl. unten, Teil II, 1f.
[27] Affäre: BZ. 52. 3.3.79; Vat., 52.3.3.79;62. 15.3.79; 24 Heures, 52.3.3.79; LNN, 53. 5.3.79. Gerichtliche Verfolgung: Presse vom 24.3.79; Bund, 140. 19.6.79; Vat., 181. 7.8.79. Parlamentskommission: Vat., 72. 27.3.79; TLM, 87. 28.3.79. Vgl. auch TLM, 62. 2.3.80; ferner SPJ, 1977. S. 175.
[28] Amtl. Bull. NR, 1979. S. 983 ff., 1169 ff. Definitiver Text: AS, 1979. S. 1546 ff. Eine Beschränkung der Redezeit wurde auch dem BR auferlegt. Vgl. dazu BBI, 1978, II. S. 996 ff.; SPJ, 1978. S. 22 f.; ferner A. Fisch in Schweizer Monatshefte, 59/1979. S. 9 ff. Die parlamentarischen Initiativen wurden im NR vom Präsidenten der Studienkommission, Akeret (svp. ZH), im StR von F. Muheim (cvp. UR) eingereicht ( Verhandl. B.vers., 1978. IV. S. 15 f.). Der NR beauftragte im März eine neue Kommission mit der Ausarbeitung von Vorschlägen im Sinne des Berichtes der Studienkommission (Amtl. Bull. NR, 1979. S. 382).
[29] BBl, 1979. II. S. 955 ff.; Amtl. Bull. NR, 1979. S. 1016 ff.. 1173 ; Amtl. Bull. StR, 1979. S. 409 f.; AS. 1979. S. 1323. Der NR beschloss zunächst etwas höhere Ansätze.
[30] Elektronische Apparatur: Amtl. Bull. NR, 1979. S. 96 f. Interessenbindungen von Parlamentariern; Amtl. Bull. NR, 1979. S. 131 ff. (Parlamentarische Initiative Ziegler, sp. GE) und 940 ff. (Motion Jaeger. Idu, SG). Ehemalige Bundesräte und Beamte: vgl. dieselbe Motion Jaeger.
[31] Rüstungspolitik: vgl. unten, Teil I. 3 (Rüstung). Aussenpolitik: vgl. unten Teil I. 2 (Staatsrechtliche Zuständigkeit). Zur Regierungsplanung vgl. oben. Institutionen.
[32] NR-Präsident Generali (fdp. TI) erstattete Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft wegen Indiskretion im Zusammenhang mit dem Bericht eines Ausschusses der Geschäftsprüfungskommission des NR über die Schweiz. Radio- und Fernsehgesellschaft. Zu gleich gab das Präsidium beider Räte die Ermächtigung zu einer Strafuntersuchung gegen NR-Mitglieder (NZZ, sda. 231. 5.10.79). Vgl. dazu unten, Teil I, 8c (Information).
[33] Die Sitzverteilung folgt den Proporzregeln für die NR-Wahlen (BaZ, 280, 29.11.79; LNN, 279. 1.12.79; Ldb,2280. 3.12.79; Vat., 292. 18.12.79). Protest: VO, 242. 17.12.79; 247. 27.12.79.
[34] Richter: LNN. 216. 18.9.79. Gerichtsschreiber: BBI, 1980.1. S. 153 ff. Vgl. auch Gesch.ber., 1979. S. 314 u. 329; ferner SPJ, 1977. S. 21; 1978. S. 23.
[35] LNN. 124. 30.5.79; 133. 11.6.79; TA, 125. 1.6.79; 24 Heures, 126. 1.6.79; BaZ, 127.2.6.79; Vr, 256, 1.11.79. Vgl. SPJ, 1978, S. 17. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde gut (LNN. 46. 25.2.80).
[36] Vgl. SPJ, 1978. S. 23 f.; Gesch.ber., 1979. S. 4 f.; NZZ, 274. 24.1 1.79. Referendum: vgl. unten, Teil I. 6a (Kernenergie). Eingereichte Initiativen: vgl. unten, Teil I, 3 (Dienstverweigerer). 4a (Konjunkturpolitik), 4b (Banken). 6c (Droit foncier). 7a (Durée du travail). Zurückgezogene Initiative: vgl. unten, Teil I, 6d (Bruit).
[37] Kritik: BaZ, 15. 18.1.79; TA, 14. 18.1.79; Ldb, 171. 27.7.79. Atomschutzinitiative: TA (ddp/sda). 4. 6.1.79; (ddp). 8. 11.1.79; vgl. unten, Teil I, 6a (Kernenergie). Vgl. auch SPJ, 1977. S. 22; Vox. Analysen eidgenössischer Abstimmungen, 28.5.78. S. 15 f.; Gesch.ber., 1979, S. 2.
[38] SGB: TW, 155. 6.7.79. Motion Euler (sp. BS). als Postulat überwiesen: Amtl. Bull. NR, 1979. S. 1679 f. Bundesrat: Presse vom 10.10.79. Vgl. auch BaZ, 182. 7.8.79.
[39] Massnahmen zur Erhöhung der Stimm- und Wahlbeteiligung in der Schweiz, Bern 1979. Vgl. Gesch.ber.. 1979. S. 110 ff. sowie Kritik in Bund, 72. 27.3.79 u. TA, 72. 27.3.79.
[40] A. Riklin, Stimmabstinenz und direkte Demokratie, hrsg. vom Schweiz. Aufklärungsdienst. Zürich 1979.
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