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Wirtschaft
Allgemeine Wirtschaftspolitik
Bei anhaltend guter Konjunkturlage beschleunigte sich das wirtschaftliche Wachstum wieder. – Der Bundesrat beschloss, der 2. Preisüberwachungsinitiative einen indirekten Gegenvorschlag gegenüberzustellen. – Der Ständerat befasste sich bei der Aktienrechtsrevision mit dem Problem der vinkulierten Namenaktien.
Wirtschaftssystem
Der Bundesrat stellte seinen Bericht über die Legislaturplanung 1987–1991 unter den Leitgedanken des qualitativen Wachstums. Er bekundete damit, dass er ein weiteres wirtschaftliches Wachstum nur dann positiv beurteilt, wenn dabei den Erfordernissen des Umweltschutzes und den nicht-materiellen Bedürfnissen der Menschen Genüge getan wird. Der Bundesrat stützte sich bei der Formulierung der Regierungsrichtlinien auf den 1986 vorgestellten Bericht einer vom EVD eingesetzten Expertenkommission. Diese hatte das qualitative Wachstum definiert als Zunahme der .individuellen und der gesellschaftlichen Lebensqualität, die mit geringerem oder zumindest nicht ansteigendem Einsatz von nicht vermehrbaren oder regenerierbaren Ressourcen und mit reduzierter oder zumindest nicht zunehmender Umweltbelastung erzielt wird [1].
Neben der ökologischen Problematik stand im Berichtsjahr die Frage nach der Wettbewerbsfähigkeit der schweizerischen Wirtschaft im Zentrum der Debatte. Symptomatisch dafür war, dass die Ankündigung des Maschinenbaukonzerns Asea Brown Boveri (ABB), in Baden (AG) rund 2 500 Arbeitsplätze abzubauen, im Parlament nicht zu einer Auseinandersetzung über die Notwendigkeit von Beschäftigungsprogrammen, sondern zu einer Diskussion über die Zukunft des Industriestandorts Schweiz und der Konkurrenzfähigkeit seiner Unternehmen führte [2]. Beide Kammern des Parlaments überwiesen ferner Postulate der SVP-Fraktion resp. des Christlichdemokraten Delalay (VS), welche vom Bundesrat eine Situationsanalyse fordern [3]. Die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft bildete auch das Thema der Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Volkswirtschaft und Statistik [4].
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Konjunkturlage
Obwohl nach dem Börsenkrach vom Herbst 1987 ein Konjunktureinbruch oder zumindest eine -verflachung befürchtet worden war, setzte sich die gute Konjunktur auch 1988 fort. Die Wachstumsgeschwindigkeit der Wirtschaft steigerte sich in den OECD-Staaten sogar gegenüber dem Vorjahr; das reale Bruttosozialprodukt (BSP) nahm gemäss ersten Schätzungen um durchschnittlich rund 4% zu (1987: 3,3%). Eine wichtige Ursache für diese Entwicklung bestand in der Lockerung der Geldmengenpolitik durch die Zentralbanken der meisten OECD-Länder. Der daraus resultierende Rückgang der Zinssätze stimulierte die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen und belebte die Investitionstätigkeit. Zwischen den einzelnen Industrieländern bestanden keine grossen Wachstumsunterschiede, einzig Japan lag mit einem Anstieg des realen BSP um 5,8% deutlich über dem Mittel. Das hohe Wachstum wirkte sich positiv auf die Beschäftigung aus; allerdings ergab sich daraus nur in den USA und in Grossbritannien eine nennenswerte Reduktion der Arbeitslosenquote. Die in der ersten Jahreshälfte gelockerte Geldmengenpolitik und das gesteigerte Wirtschaftswachstum führten freilich auch zu einer Verstärkung der Teuerung. Die durchschnittliche Inflationsrate stieg in den OECD-Staaten auf 3,8% (1987: 3,2%).
Die wirtschaftliche Entwicklung in den Nichtindustriestaaten verlief uneinheitlich. Die kräftige Nachfrage der Industriestaaten und die höheren Rohstoffpreise wirkten sich für die nicht-erdölexportierende Staaten Lateinamerikas und vor allem für die sogenannten Schwellenländer Südostasiens sehr positiv aus. In den erdölexportierenden Ländern Lateinamerikas und Afrikas verschärften sich demgegenüber infolge der sinkenden Erdölpreise die Probleme [5].
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In der Schweiz verstärkte sich das Wirtschaftswachstum ebenfalls wieder. Das reale Bruttoinlandprodukt nahm mit einer geschätzten Wachstumsrate von 3,0% jedoch etwas weniger stark zu als in den meisten andern Industrieländern. Der Aufschwung war breiter abgestützt als im Vorjahr, indem nun nicht mehr ausschliesslich die Binnennachfrage den Wachstumsmotor bildete, sondern auch die Exporte deutlich anzogen. Die Investitionen stellten mit einer Zunahme um 5,8% weiterhin die am relativ schnellsten wachsende Komponente der Gesamtnachfrage dar. Die Wachstumsbeiträge des Konsums der privaten Haushalte sowie der laufenden Käufe des Staates und der Sozialversicherungen blieben demgegenüber mit Steigerungsraten von 2,3% resp. 3,2% relativ gering. Der lebhaften Nachfrage des Auslands nach schweizerischen Gütern stand eine noch grössere Zunahme der Importe gegenüber, so dass sich das Defizit der Handelsbilanz massiv ausweitete. Da sich zudem der Überschuss aus dem Dienstleistungsverkehr verminderte, reduzierte sich gemäss ersten Schätzungen der Saldo der Ertragsbilanz um 1,7 Mrd auf 9,1 Mrd Fr. [6].
Die Beschäftigung nahm 1988 im Jahresmittel um 1,2% zu. Neben dem Dienstleistungssektor trug auch das Baugewerbe spürbar zum Wachstum bei; im industriellen Bereich stagnierte hingegen die Beschäftigtenzahl. Dass die Zuwachsrate bei den Frauen mit 2,0% erneut höher ausfiel als bei den Männern (0,8%), deutet auf den ausgetrockneten Arbeitsmarkt hin. Per Saldo rekrutierten sich die zusätzlich Beschäftigten wiederum aus ausländischen Erwerbstätigen. Die Zahl der ganz oder teilweise Arbeitslosen reduzierte sich im Jahresmittel auf 22 249, womit sich die Arbeitslosenquote von 0,8 auf 0,7% verringerte [7].
Der Index der industriellen Produktion erhöhte sich massiv um 6%. Als einziger Wirtschaftszweig musste die Bekleidungsbranche einen Einbruch in Kauf nehmen (-8%). Das grösste Wachstum wies die Chemie mit 13% auf; die Maschinenindustrie konnte die Stagnation des Vorjahres überwinden und steigerte die Produktion um 8%. Die Investitionsbereitschaft blieb mit einer Zunahme der realen Anlageinvestitionen um 5,8% weiterhin hoch, wenn auch die Zuwachsraten der beiden vorangegangenen Jahre nicht ganz erreicht werden konnten. Die Bautätigkeit nahm weiterhin zu und beim Auftragsbestand ergab sich gar eine zweistellige Steigerungsrate gegenüber dem Vorjahr (16%) [8].
Der Fremdenverkehr profitierte relativ wenig von der guten Wirtschaftslage. Die Anzahl der Logiernächte bildete sich um 1,4% zurück und die Totaleinnahmen aus dem Tourismus wuchsen mit 1,8% weniger stark an als die Teuerung. Ausschlaggebend für diese Entwicklung war der starke Rückgang der Reisenden aus nichteuropäischen Ländern, was mit dem Wertverlust des Dollars nach dem Börsenkrach vom Herbst 1987 in Verbindung gebracht wurde [9].
Die Teuerung beschleunigte sich im Berichtsjahr leicht, konnte aber, gemessen an der grossen wirtschaftlichen Nachfrage, noch recht gut unter Kontrolle gehalten werden. Der Index der Konsumentenpreise stieg im Jahresdurchschnitt um 1,9%. Diese Teuerung war wiederum weitgehend auf die Entwicklung bei den inländischen Gütern zurückzuführen (+2,6%); das Preisniveau der ausländischen Güter blieb demgegenüber unverändert. Zum erstenmal seit 1985 stiegen die Grosshandelspreise wieder an (2,3%). Dieser Preisauftrieb verstärkte sich in der zweiten Jahreshälfte und erfasste sowohl die inländischen Güter als auch die Importe [10].
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Konjunkturpolitik
Die anhaltend gute Wirtschaftslage bot den Behörden auch 1988 keinen Anlass, von der in den letzten Jahren verfolgten konjunkturpolitischen Linie abzuweichen. Im Anschluss an den Börsenkrach und den Dollarsturz im Herbst 1987 hatte zwar die Nationalbank eine etwas expansivere Geldmengenpolitik betrieben, an der sie auch noch zu Beginn des Berichtsjahres festhielt. Bereits im Frühjahr konnte sie dann wieder auf eine restriktivere Gangart umschalten. Mit einer Veränderung der bereinigten Notenbankgeldmenge um -3,9% wurde das anfangs Jahr genannte Geldmengenwachstumsziel von 3,0% deutlich unterboten. Dieser Grösse kommt 1988 allerdings nur beschränkte Aussagekraft zu, da ihre Entwicklung durch die Einführung von neuen Liquiditätsvorschriften und den Ausbau des Interbank-Zahlungssystems nachhaltig beeinflusst worden ist. Die Geldmengen M1, M2 und M3 stiegen um 14,5%, 7,9% resp. 9,8% an [11].
Der gute Geschäftsgang in praktisch allen Branchen erlaubt es den Unternehmern, Rückstellungen für schlechtere Zeiten zu machen. Mit dem vom Bundesrat auf den 9. August in Kraft gesetzten Bundesgesetz über die Bildung steuerbegünstigter Arbeitsbeschaffungsreserven sind die Bedingungen dafür wesentlich attraktiver geworden [12].
Da zur Zeit überhaupt kein Bedarf an Konjunkturstützungsmassnahmen besteht, erstaunt es nicht, dass der Ständerat oppositionslos eine Motion Lauber (cvp, VS) überwies, welche verlangt, dass das Bundesgesetz über die Krisenbekämpfung und Arbeitsbeschaffung zu einem eigentlichen Stabilitätsgesetz ausgebaut wird. Darin soll der Hauptakzent nicht mehr auf die strukturerhaltenden Stützungsmassnahmen gelegt werden, sondern die Förderung der Anpassung an den Strukturwandel im Vordergrund stehen. Daneben soll das revidierte Gesetz auch Instrumente zur Konjunkturdämpfung enthalten [13].
Nach der Einschätzung der Gewerkschaft Bau und Holz (GBH) war die Lage im Baugewerbe bereits derart überhitzt, dass sie von den Behörden ähnliche Dämpfungsmassnahmen wie anfangs der 70er Jahre, dass heisst Abbruchverbote und die Zurückstellung öffentlicher Bauvorhaben, verlangte. Das Bundesamt für Konjunkturfragen lehnte derartige Sonderinterventionen in der Baubranche ab, da gesamtwirtschaftlich gesehen noch keine Uberhitzung festzustellen sei und zudem die Geldmengenpolitik das effizientere Mittel zur Konjunktursteuerung darstelle als die geforderten Eingriffe. Der Baumeisterverband bezeichnete die Befürchtungen und Forderungen der GBH als "völlig deplaciert" [14].
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Strukturpolitik
Die enge Zusammenarbeit zwischen der staatlich finanzierten Forschung und der Wirtschaft wird immer mehr als wichtiger Faktor für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der schweizerischen Wirtschaft anerkannt. Beide Kammern des Parlaments überwiesen unbestrittene Motionen der CVP-Fraktion resp. von Ständerat Danioth (cvp, UR), welche Massnahmen zur Verbesserung der Kooperation zwischen den Hochschulen und der privaten Wirtschaft verlangen [15].
Eine vom EVD eingesetzte Expertengruppe stellte in einem Bericht einen Rückstand der Schweiz im Bereich der computerintegrierten Fertigung (CIM) insbesondere auf die BRD fest. Sie forderte ein vom Bund unterstütztes Sofortprogramm zur Förderung industrieorientierter CIM-Projekte und zur Verbesserung der Ausbildung [16].
Nachdem das Parlament im Vorjahr eine Motion Auer (fdp, BL) für die Schaffung eines Patentschutzes für Substanzen und Systeme, wie sie die Gentechnologie hervorbringt, überwiesen hatte, gab der Bundesrat eine entsprechende Teilrevision des Patentgesetzes in die Vernehmlassung. Opposition erwuchs dem Entwurf namentlich von seiten der Tierschutzorganisationen, der SP und des Gewerkschaftsbundes, welche verlangten, dass eine gesetzliche Regelung der biotechnologischen Forschung dringlicher sei als der Patentschutz für die dabei erzielten Ergebnisse. Grundsätzliche Zustimmung zum Vernehmlassungsentwurf äusserten die drei bürgerlichen Regierungsparteien, wobei allerdings auch die CVP und die SVP auf die Notwendigkeit einer Gesetzgebung über die bio- und gentechnologische Forschung hinwiesen [17].
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Dem Tourismus kommt nicht nur als dominierende Branche in den wirtschaftlich relativ schwachen Berggebieten grosse Bedeutung zu, sondern er ist mit seinem Anteil von rund 6% am Bruttosozialprodukt und seinem positiven Beitrag zur Ertragsbilanz auch für die Gesamtwirtschaft von erheblicher Bedeutung. Der Bündner Columberg (cvp) forderte den Bundesrat auf, das aus dem Jahre 1979 stammende Tourismuskonzept des Bundes zu aktualisieren und dabei der wichtigen Rolle des Fremdenverkehrs vermehrt Rechnung zu tragen. Der Nationalrat überwies seine Motion als Postulat und der Bundesrat sicherte zu, dass er der Expertenkommission für Fremdenverkehr den Auftrag zu einer umfassenden Analyse erteilen werde [18]. Der Nationalrat stimmte ferner einem Postulat Savary (fdp, VD) zu, welches Subventionen für die Einrichtung von touristischen Unterkünften in Landwirtschaftsbetrieben verlangt. Diese Neuerung soll im Rahmen der Revision des Bundesgesetzes über Investitionskredite in der Landwirtschaft verwirklicht werden [19].
Der Nationalrat überwies ein Postulat Baggi (cvp, TI), welches einen Bericht über die Wirksamkeit der diversen Gesetze zur Berggebietsförderung verlangt. Die beratende Kommission für regionale Wirtschaftsförderung veröffentlichte im Berichtsjahr ihren dem Bundesrat bereits 1987 unterbreiteten Bericht zur zukünftigen Regionalpolitik. Sie stützte sich dabei im wesentlichen auf die Ergebnisse des Nationalen Forschungsprogramms "Regionalprobleme" (NFP 5) [20].
Die beiden Interessenverbände für die Anliegen der Berggebiete, die "Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Bergbevölkerung" (SAB) und die "Vereinigung Schweizer Berggebiete" (VSB), fusionierten im Berichtsjahr. Die neu unter der Bezeichnung "Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Berggebiete" auftretende Organisation erhofft sich davon vermehrte Durchschlagskraft namentlich in den Fragen der Energie- und der Verkehrspolitik [21].
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Wettbewerbspolitik
Nachdem sich 1987 im Parlament niemand für die "Eidgenössische Konsumentenschutz-Initiative" der Denner AG, welche in bestimmten Bereichen des Konsumgüterhandels ein Kartellverbot verankern wollte, eingesetzt hatte, und auch die Interessenorganisationen der Konsumentinnen auf Distanz gegangen waren, beschlossen die Initianten den Rückzug. Sie kündigten allerdings an, dass sie die Lancierung einer umfassenderen Kartellverbotsinitative überprüfen wollen [22].
Der Chef der Denner AG, Karl Schweri, hatte mit dieser Volksinitiative vor allem die Kartelle für Tabakerzeugnisse und Bier ins Visier genommen. Das letztere Kartell blieb im Berichtsjahr vor Auflockerungserscheinungen nicht verschont. Um im Preiskampf mit den einen wachsenden Marktanteil beanspruchenden Importbieren bestehen zu können, hatten die beiden grössten schweizerischen Brauereien (Feldschlösschen und Sibra) eine Lockerung der Preisbindung der zweiten Hand — d.h. im Detailverkauf — angestrebt. Nachdem die übrigen Produzenten dies abgelehnt hatten, unterzeichnete die Sibra den neuen Kartellvertrag nicht mehr und kündigte Preissenkungen im Detailhandel an [23].
Die eidgenössische Kartellkommission veröffentlichte ihren Bericht zum Sachversicherungsmarkt. Sie empfahl in dieser ersten aufgrund des neuen Kartellrechts vorgenommenen Untersuchung unter anderem die Aufhebung der Kartellabsprache über die Tarife. Da der Interessenverband der Sachversiçherer dies ablehnte, beantragte die Kommission dem Bundesrat, diese und weitere Empfehlungen in Verfügungen umzuwandeln [24].
Der Bundesrat nahm Stellung zur 2. Preisüberwachungsinitiative bei Kartellen und kartellähnlichen Organisationen und beauftragte das EVD mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Botschaft. Er beschloss, die von den Konsumentinnenorganisationen eingereichte Volksinitiative zur Ablehnung zu empfehlen, ihr jedoch als indirekten Gegenvorschlag eine Teilrevision des Preisüberwachungsgesetzes gegenüberzustellen. Damit soll eines der Hauptanliegen der Initiative, die Unterstellung der Kredite und damit der Zinsen unter das Gesetz, verwirklicht werden [25].
Der Ständerat befasste sich mit einer Teilrevision des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG). Nachdem die kleine Kammer im Vorjahr eine entsprechende parlamentarische Initiative Schönenberger (cvp, SG) überwiesen hatte, beantragte ihre vorberatende Kommission nun eine Streichung der Bestimmungen, die sich auf das Kleinkreditwesen beziehen. Gemäss ihrer Argumentation fehlt diesem Begriff nach der ständerätlichen Ablehnung des Kleinkreditgesetzes in der Schlussabstimmung eine rechtliche Definition. Der Bundesrat sprach sich gegen diese Teilrevision aus. Für ihn stellt das Fehlen einer rechtlichen Definition keinen Mangel dar, da auch andere im UWG verwendete Begriffe, wie z. B. "aggressive Verkaufsmethoden" oder "Leistungen", rechtlich nicht definiert sind. Zudem rief er in Erinnerung, dass es bei den Bestimmungen des UWG über das Kleinkreditwesen lediglich um die Lauterkeit in der Werbung und bei der Vertragsvorbereitung gehe und nicht um den Sozialschutz für Kleinkreditnehmer. Der Ständerat folgte indessen seiner Kommission und strich mit 22:17 Stimmen die umstrittenen Artikel. Die vorberatende Nationalratskommission schloss sich demgegenüber den Argumenten der Exekutive an und wird dem Plenum Ablehnung empfehlen [26].
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Nachdem im Vorjahr der Ständerat recht ungnädig mit den beiden Vorlagen des Bundesrates zur Verbesserung der Stellung der Konsumenten umgesprungen war, gab im Berichtsjahr die vorberatende Kommission des Nationalrats Gegensteuer. Sie strich beim Bundesgesetz über die Konsumenteninformation die von der kleinen Kammer beschlossene restriktive Aufzählung der für Tests subventionsberechtigten Organisationen und sprach sich auch dagegen aus, dass die konsultative Kommission für Konsumentenfragen paritätisch besetzt sein müsse. Die zweite Vorlage, in welcher es unter anderem um das Widerrufsrecht bei Verkäufen ausserhalb von Geschäftslokalitäten geht, konnte von der Kommission im Berichtsjahr noch nicht zu Ende beraten werden. Im Gegensatz zum Ständerat beschloss sie aber, darauf einzutreten [27].
Nationalrat Neukomm (sp, BE) verlangte mit einer parlamentarischen Initiative die Schaffung eines eigentlichen Touristenrechts, welches Reisende unter anderem vor Übervorteilung bei Verträgen mit Reisebüros schützen soll. Die vorberatende Kommission hält dies nicht für nötig, da ihrer Ansicht nach die Vereinbarungen der Reisebranche genügen würden. Sie will lediglich den Bundesrat mit einem Postulat beauftragen, die diesbezügliche Entwicklung in der EG zu beobachten und gegebenenfalls dem Parlament eine Anpassung der schweizerischen Bestimmungen vorzuschlagen [28].
Unmittelbar nach der 1986 erfolgten Ablehnung des Kleinkreditgesetzes durch den Ständerat hatte der Sozialdemokrat Eggli (ZH) in der Volkskammer eine parlamentarische Initiative für ein Verbot der Lohnzession bei Kleinkreditverträgen eingereicht. Auf Antrag seiner vorberatenden Kommission stimmte der Nationalrat diesem Vorstoss zu, wobei er es allerdings noch offen liess, ob eine entsprechende Revision des Obligationenrechts von einer Ratskommission selbst vorbereitet werden soll, oder ob der Bundesrat mit einer Motion damit zu beauftragen sei [29].
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Gesellschaftsrecht
Die Ständekammer befasste sich als Zweitrat mit der Revision des Aktienrechtes. Nach den dreitägigen Verhandlungen ergaben sich einige gewichtige Differenzen zu den Beschlüssen des Nationalrats. So wandte sich der Rat gegen die präzise Formel, welche die Volkskammer für die Bekanntgabe der Auflösung von Stillen Reserven geschaffen hatte. Die Öffentlichkeit soll nur dann informiert werden müssen, wenn dank der Auflösung das erwirtschaftete Ergebnis wesentlich günstiger dargestellt wird. Bei der Frage der Depotstimmrechte entschied sich der Rat in Übereinstimmung mit dem Bundesrat für eine aktionärsfreundlichere Regelung. Die Depotvertreter – in der Regel Banken – müssen gemäss seinem Beschluss nicht nur bei wichtigen, sondern bei allen Geschäften die Weisungen der Aktionäre einholen. Wie bereits der Nationalrat lehnte auch der Ständerat sozialdemokratische Anträge für verbesserte Einsichtsrechte der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter in die Rechnung der Aktiengesellschaften ab.
Das Problem der vinkulierten Namenaktien, deren Eintrag ins Aktienregister und damit auch deren Stimmrecht an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden sind, war 1985 anlässlich der Beratungen im Nationalrat noch nicht aktuell gewesen. Die mit der Häufung von sogenannt unfreundlichen Übernahmen durch den Aufkauf von Aktienpaketen entstandenen Auseinandersetzungen über die Eintragungen ins Aktienregister veranlassten den Ständerat, sich eingehender mit der Materie zu befassen. Die vorberatende Kommission präsentierte einen Kompromissvorschlag, der ihrer Meinung nach einen gangbaren Weg zwischen dem Schutzbedürfnis der Unternehmen gegen unerwünschte Einflussnahmen einerseits und einem möglichst liberalen Börsenhandel andererseits darstellt. Am Prinzip der vinkulierten Namenaktie soll demnach festgehalten werden. Das Konzept macht jedoch eine Unterscheidung zwischen nicht börsengängigen Titeln und solchen, die an der Börse gehandelt werden. Während bei ersteren keine Einschränkungen der Verweigerungsgründe für die Anerkennung vorgesehen sind, sollen bei den letzteren nur die Abwehr von ausländischen Aktionären und eine Höchstanteilsquote am Aktienkapital als zulässige Ablehnungsgründe gelten. Die Abwehr gegen den Aufkauf durch schweizerische Konkurrenz soll demgegenüber nicht mehr erlaubt sein. Vor Beginn der Ratsverhandlungen hatte der Vorort in einem persönlichen Brief an die Ständeräte das Konzept der Kommission kritisiert und sich dafür eingesetzt, dass im neuen Gesetz auf eine Festlegung der zulässigen Verweigerungsgründe verzichtet werde. Seiner Meinung nach soll im Gesetz lediglich festgehalten werden, dass die Verweigerungsgründe in den Gesellschaftsstatuten erwähnt sein müssen. Der Rat lehnte jedoch einen entsprechenden Antrag Küchler (cvp, 0W) mit 16:13 Stimmen ab und verabschiedete den Kommissionsvorschlag. Der Vorort gab allerdings seine Opposition nicht auf und brachte das Argument ins Spiel, dass es im Hinblick auf die EG-Politik nicht opportun sei, eine Gesetzesbestimmung zu formulieren, welche explizit die Ausländer diskriminiere. Ein im Verlauf der Verhandlungen vom Freisinnigen Villiger (LU) eingebrachter Antrag, der forderte, dass bei öffentlichen Übernahmeangeboten die Identität der Anbieter und ihrer allfälligen Auftraggeber bekannt gegeben werden müsse, stiess im Rat auf Sympathie, wurde jedoch abgelehnt, da ihn die Kommission nicht hatte vorberaten können [30].
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Weiterführende Literatur
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K. Hug, "'Rahmenbedingungen' – Schlagwort, Alibi, Notwendigkeit?", in Documenta, 1988, Nr. 3, S. 29 ff.
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H.G. Graf e.a. (Hg.), Praxisorientierte Volkswirtschaftslehre. Festschrift für Francesco Kneschaurek, Bern 1988.
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Blattner / M. Maurer / M. Weber, Voraussetzungen der schweizerischen Wettbewerbsfähigkeit, Bern 1987.
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Christlichdemokratische Volkspartei, Die schweizerische Regionalpolitik. Aktuelle Probleme, neue Ziele und künftige Massnahmen, Bern 1987.
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"Zukünftige Regionalpolitik. Bericht der beratenden Kommission für regionale Wirtschaftsförderung zuhanden des Bundesrates vom 6. Juli 1987", in Die Region, 1988, Nr. 4, S. 1 ff.
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L. David, Schweizerisches Wettbewerbsrecht. Eine systematische Darstellung des neuen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und des neuen Kartellgesetzes sowie der wettbewerbsrechtlichen Nebengesetze, Bern 1988.
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[1] BBl, 1988, I, S. 395 ff. Siehe dazu oben, Teil I, 1c (Regierung). Zum Bericht der Expertenkommission vgl. SPJ 1986, S. 64 f. Siehe auch SHIV (Vorort), Jahresbericht, 118/1987-88, S. 29 ff.
[2] Amtl. Bull. NR, 1988, S. 268 ff. (Dringliche Interpellation der SP-Fraktion); Presse vom 1.3.88. Zur ABB siehe auch T. Gasser, "Ein europäisches Unternehmen im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel", in Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, 125/1988, S. 233 ff.
[3] Amtl. Bull. NR, 1988, S. 1939; Amtl. Bull. StR, 1988, S. 781 f.
[4] NZZ, 11.6.88; Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, 124/1988, S. 233 ff. (Heft 3). Siehe auch unten, Strukturpolitik und Lit.
[5] SNB, Geschäftsbericht, 81/1988, S. 5 f. und 12 ff.; Die schweizerische. Konjunktur im Jahre 1988 und Vorschau auf 1989. 316. Mitteilung der Kommission für Konjunkturfragen, Bern 1988, S. 3 ff. Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, 59. Jahresbericht. 1. April 1988 - 31. März 1989, Basel 1989, S. 9 ff.
[6] SNB, Geschäftsbericht, 81/1988, S. 21 ff.; Die schweizerische Konjunktur im Jahre 1988 und Vorschau auf 1989. 316. Mitteilung der Kommission für Konjunkturfragen, Bern 1988, S. 8 ff. Für die Wirtschaftsdaten siehe insbes. die Seiten *1 ff. in der amtlichen Zeitschrift Die Volkswirtschaft, 62/1989, Nr. 1 ff. Zur Aussenwirtschaft siehe oben, Teil I, 2.
[7] Die Volkswirtschaft, 62/1989, Nr. 6, S. *8 ff. Zum Arbeitsmarkt siehe unten, Teil I, 7a (Marché du travail).
[8] Die Volkswirtschaft, 62/1988, Nr. 6, S. *4 (Investitionen), S. *19 (Produktion) und S. *38 (Baugewerbe). Zur Entwicklung der einzelnen Branchen vgl. auch Schweizerische Bankgesellschaft, Branchenspiegel der Schweizer Wirtschaft 1988/89, Zürich 1989.
[9] Die Volkswirtschaft, 62/1988, Nr. 6, S. *42. Siehe auch Die Volkswirtschaft, 62/1988, Nr. 7, S. 35 ff. und unten, Strukturpolitik.
[10] SNB, Geschäftsbericht, 81/1988, S. 26; Die Volkswirtschaft, 62/1988, Nr. 6, S. *15 ff.
[11] SNB, Geschäftsbericht, 81/1988, S. 28 ff. Vgl. unten, Teil I, 4b (Geld- und Währungspolitik).
[12] AS, 1988, S. 1420 ff. und 1428 ff. (Verordnung). Vgl. auch SGT, 18.10.88 und SNZ, 17.11.88. Zum Beschluss.über das Gesetz siehe SPJ 1985, S. 62.
[13] Amtl. Bull. StR, 1988, S. 738 f.
[14] TA, 25.10.88. Zu den Konjunkturdämpfungsmassnahmen von 1971/72 siehe SPJ 1971, S. 69 f. und 1972, S. 61 f.
[15] Amtl. Bull. NR, 1988, S. 1469 f.; Amtl. Bull. StR, 1988, S. 762 f. Vgl. dazu auch unten, Teil I, 8a (Recherche) sowie SPJ 1987, S. 97.
[16] AT, 5.7.88; BZ, 11.7.88; Gesch.ber. 1988, S. 360 f. Vgl. auch "Computerintegrierte Fertigung in der Schweiz", in wf, Dok., 40, 3.10.88, S. 1 ff. und "Das Aktionsprogramm zur Förderung computerintegrierter Fertigung", in wf, AD, 49, 5.12.88.
[17] Bund, 21.6.88; NZZ, 7.10.88. Vgl. auch SPJ 1987, S. 97 f.
[18] Amtl. Bull. NR, 1988, S. 430 f. Siehe auch Die Volkswirtschaft, 62/1989, S. *42 und Schweizerische Verkehrszentrale, 48. Geschäftsbericht 1988, Zürich 1989.
[19] Amtl. Bull. NR, 1988, S. 1486.
[20] Amtl. Bull. NR, 1988, S. 439. "Zukünftige Regionalpolitik. Bericht der beratenden Kommission für regionale Wirtschaftsförderung zuhanden des Bundesrates vom 6. Juli 1987", in Die Region, 1988, Nr. 4, S. 1 ff. Zum NFP 5 siehe SPJ 1986, S. 69.
[21] NZZ, 25.5. und 27.8.88; Bund und NF, 27.6.88.
[22] BBl, 1988, II, S. 619; Presse vom 27.4.88; vgl. SPJ 1987, S. 98 f.
[23] NZZ, 23.4., 9.7., 15.7. und 16.7.88; TA, 28.4., 3.6. und 20.7.88; Presse vom 21.9.88.
[24] NZZ, 16.12. und 21.12.88. Siehe auch Veröffentlichungen der Schweizerischen Kartellkommission, 1989, Heft 1b (Jahresbericht 1988).
[25] Presse vorn 25.8.88. Siehe auch SPJ 1987, S. 99.
[26] BBl, 1988, II, S. 629 ff. (Korn. StR) und S. 638 ff. (BR);Amtl. Bull. StR, 1988, S. 75 ff.; NZZ, 8.9.88 (Kom. NR). Vgl. auch SHZ, 11.2.88 sowie SPJ 1986, S. 72 und 1987, S. 99.
[27] NZZ, 19.1. und 1.11.88; TA, 14.4.88. Siehe auch SPJ 1987, S. 99.
[28] Verhandl. B.vers., 1988, IV, S. 20; NZZ und SZ, 21.10.88.
[29] Amtl. Bull. NR, 1988, S. 1495 f.; SPJ 1986, S. 72.
[30] Amtl. Bull. StR, 1988, S. 453 ff.; Presse vom 22.9., 23.9., 24.9. und 27.9.88. Vorort: NZZ, 20.9. und 21.9.88 und SHIV (Vorort), Jahresbericht, 118/1987-88, S. 125 ff. Siehe auch SHZ, 28.4. und 15.12.88; SAZ, 33, 18.8.88; Schweizerische Bankiervereinigung, Jahresbericht, 76/1987-88, S. 104 ff. sowie SPJ 1985, S. 66 f. und 1987, S. 100.
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