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Sozialpolitik
Sozialversicherungen
Wegen der vom Parlament beschlossenen schrittweisen Erhöhung des Frauenrentenalters auf 64 Jahre ergriffen die Gewerkschaften das Referendum gegen die 10. AHV-Revision. - Die Stimmbürger lehnten die 1986 von SP und SGB eingereichte Initiative "für eine gesunde Krankenversicherung" deutlich ab. Das totalrevidierte Krankenversicherungsgesetz, welches mehrere Organisationen mit einem Referendum bekämpft hatten, wurde in der Volksabstimmung knapp angenommen. - Der Bundesrat gab seinen Vorschlag für eine Mutterschaftsversicherung in die Vernehmlassung. - Der Ständerat stimmte den Vorschlägen der Landesregierung zur zweiten Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes zu, doch wurde die Vorlage im Nationalrat zu Gunsten einer aktiveren Arbeitsmarktpolitik völlig neu formuliert.
Grundsatzfragen
Zu Beginn des Jahres geriet die Sozialpolitik in eine grundsätzliche Kontroverse. Als erster prellte Arbeitgeberdirektor Hasler vor. Er verlangte ein Moratorium beim weiteren Ausbau der verschiedenen Zweige der Sozialversicherung, da die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz keine zusätzlichen Lohnprozente und Lohnnebenkosten mehr erlaube. An der Delegiertenversammlung der FDP doppelte Parteipräsident Steinegger nach und forderte eine bedarfsgerechte Sozialpolitik, welche die Sozialwerke sichere, ohne den Staat zu überfordern. Das Engagement der öffentlichen Hand solle auf jene konzentriert werden, die wirklich Hilfe nötig hätten. In ähnlichem Sinn äusserte sich auch SVP-Präsident Uhlmann. Er vertrat ebenfalls die Auffassung, der Sozialstaat sei nun genügend ausgebaut, und es werde in Zukunft vordringlich darum gehen, in einer schwierigen Gratwanderung zwischen Finanz- und Sozialpolitik einen allzu schmerzhaften Abbau zu verhindern [1].
Die SP wertete diese Äusserungen als Attacke auf den Sozialstaat und wies sie als "Angstmacherei" zurück. Der Umstieg auf eine bedarfsgerechte Sozialhilfe bedeute nichts anderes als der Rückschritt von einem auf Solidarität basierenden System zur Armengenössigkeit. Parteipräsident Bodenmann rief dazu auf, 1994 nicht zum Jahr der "inneren", sondern der "sozialen" Sicherheit zu machen. Eine gute Sozialpolitik und eine radikal neue Drogenpolitik seien die beste Prävention gegen steigende Kriminalität. Die politische Rechte benutze das Thema der inneren Sicherheit (s. oben, Teil I, 1b), um von den realen sozialen Problemen abzulenken und den Sozialabbau voranzutreiben. Auch der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) beurteilte die meisten der von den Bürgerlichen geäusserten finanziellen Prognosen zur Zukunft der Sozialwerke als zu pessimistisch und plädierte für einen weiteren Ausbau des Systems der sozialen Sicherheit. Zur Finanzierung erachtete er weitere lohnprozentuale Abzüge als vertretbar, und er empfahl zudem einkommensabhängige Zuschläge zur direkten Bundessteuer sowie eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes [2].
Da die Äusserungen der Arbeitgeber und der Vertreter von FDP und SVP - insbesondere auch die immer wieder vorgebrachte These, wonach die AHV kurz vor dem finanziellen Kollaps stehe - vor allem in der älteren Bevölkerung bedeutende Ängste auslösten, griff Bundesrätin Dreifuss schliesslich zu einem für schweizerische politische Verhältnisse ungewohnten Mittel. Sie liess der Presse einen offenen Brief an die Bevölkerung zukommen, in welchem sie das materielle Fundament der AHV bis über die Jahrtausendwende hinaus als solide und für die Sicherung der Renten ausreichend taxierte, weshalb sich ihrer Ansicht nach auch die Anhebung des Rentenalters der Frauen im Rahmen der 10. AHV-Revision nicht aufdränge (s. unten). Da der Gesamtbundesrat im Vorjahr beschlossen hatte, sich entgegen seiner ursprünglichen Haltung dieser Erhöhung des Rentenalters nicht zu widersetzen, sah sich Dreifuss dem Vorwurf der bürgerlichen Parteien ausgesetzt, mit ihrer Initiative das Kollegialitätsprinzip verletzt zu haben.
Im Frühjahr beriet der Bundesrat in einer Klausursitzung erstmals den von ihm beim EDI in Auftrag gegebenen Drei-Säulen-Bericht, dessen sozialpolitische Bedeutung schwergewichtig in der Darstellung und in der Überprüfung der Tauglichkeit der Drei-Säulen-Konzeption für die Alters-, Hinterbliebenen- und Invalidenvorsorge liegt. Der Bericht sollte als Grundlage für die Diskussion der Probleme dienen, die sich insbesondere im Zusammenhang mit der demographischen Entwicklung stellen. Der Bundesrat teilte die Schlussfolgerung des Berichts, wonach an der Drei-Säulen-Konzeption bei der AHI-Vorsorge grundsätzlich festgehalten werden soll, erachtete den Bericht in Detailfragen aber als ungenügend und beauftragte das EDI, ihn hinsichtlich verschiedener Leistungs- und Wirtschaftsszenarien zu ergänzen. Um Aspekte zu beleuchten, die über den Rahmen der eigentlichen AHI-Vorsorge hinausgehen, ermächtigte der Bundesrat das EDI Ende Jahr zudem, eine interdepartementale Arbeitsgruppe "Finanzierungsperspektiven in der Sozialversicherung" einzusetzen, die mögliche Lösungswege für die mittel- und langfristige Finanzierung der Sozialwerke aufzeigen soll [4].
Die Kommission des Nationalrates für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) nahm im Spätsommer die Beratung des von einer Ständeratskommission erarbeiteten Entwurfes zu einem Bundesgesetz über einen allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) wieder auf, welche sie Ende 1992 ausgesetzt hatte. Nach Kenntnisnahme der zustimmenden Stellungnahme des Bundesrates beschloss sie, auf die Vorlage einzutreten. Sie bestimmte eine Subkommission, die sich vertieft mit der gesetzestechnisch sehr komplexen Materie befassen und Anträge zuhanden der Gesamtkommission formulieren soll [5].
In den letzten Jahren ist von rot-grüner Seite immer wieder die Forderung nach einem garantierten Mindesteinkommen erhoben worden. Im Plenum der eidgenössischen Räte wurden derartige Vorschläge jeweils deutlich abgelehnt. Auch im Berichtsjahr verwarf der Nationalrat mit grossem Mehr eine parlamentarische Initiative Zisyadis (pda, VD) für ein Mindesteingliederungseinkommen. Eine analoge Motion einer Minderheit der nationalrätlichen SGK, welche das Anliegen im Rahmen der Arbeitslosenversicherung realisieren wollte, konnte sich ebenfalls nicht durchsetzen. Der Bundesrat war zwar bereit, die Motion in Form eines Postulates entgegenzunehmen, doch wurde auch dieses von Nationalrat Allenspach (fdp, ZH) bekämpft. Diskussionslos nahm die grosse Kammer hingegen ein entsprechendes Postulat ihrer Kommission an [6].
Erste Schritte in diese Richtung unternahmen hingegen die Kantone Genf und Tessin. In Genf erhalten ausgesteuerte Arbeitslose anstatt Fürsorgeleistungen ein garantiertes Mindestsozialhilfeeinkommen (RMCAS), wenn sie als Gegenleistung bereit sind, Arbeiten für die Allgemeinheit zu übernehmen oder sich weiterzubilden. Der Tessin machte noch einen zusätzlichen Schritt und führte ein generelles Recht auf soziale und berufliche Wiedereingliederung ein. Jede Person, welche seit mehr als drei Monaten von der öffentlichen Fürsorge unterstützt wird, kann entscheiden, ob sie weiterhin Sozialhilfe beziehen möchte, welche bei einer Verbesserung der finanziellen Lage zurückbezahlt werden muss, oder ob sie mit dem Kanton einen Wiedereingliederungsvertrag unterzeichnen will, der ihr ein nicht rückerstattungspflichtiges Mindesteinkommen bringt, allerdings auch hier nur unter der Bedingung, dass Arbeiten für die Allgemeinheit geleistet oder eine Weiterbildung bzw. eine Umschulung angegangen werden [7].
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Alters- und Hinterlassenenversicherung
Wie schon der Nationalrat, beschloss auch Der Ständerat, die freiwillige AHV für Auslandschweizer und -schweizerinnen vorläufig nicht aufzuheben, selbst wenn damit auf längere Frist Einsparungen von jährlich rund 40 Mio Fr. vergeben werden. Die kleine Kammer übernahm die Argumentation des Nationalrates, wonach mit einer Auflösung dieser Versicherungsmöglichkeit für einzelne Betroffene grosse Probleme entstehen könnten, weshalb vorderhand aus Gründen der Solidarität auf diese letztlich geringfügige Einsparung verzichtet werden sollte. Damit die Sanierungsmassnahmen dennoch verabschiedet werden konnten, sah der Ständerat aber von einer Rückweisung an den Bundesrat ab und strich die Teilvorlage ganz. Der Nationalrat schloss sich diesem Prozedere diskussionslos an [8].
Die 1990 von der SP und dem SGB eingereichte Volksinitiative "zum Ausbau von AHV und IV" wurde vom Parlament, weil sie als zu weitreichend erachtet wurde, klar und ohne lange Diskussionen abgelehnt. Da diese Initiative primär die Frage der Finanzierung von AHV und IV angeht, zielt sie eigentlich auf die 11. AHV-Revision ab, welche sich vorrangig mit diesem Problemkreis befassen wird. Die Initiative verlangt eine Gewichtskorrektur zwischen erster und zweiter Säule, eine existenzsichernde Rente, eine Vorruhestandsregelung ab 62 Jahren bei ungekürzter Rente, volle Freizügigkeit beim Pensionskassenwechsel sowie eine Mindestbeteiligung des Bundes an der AHV von 25 Prozent.
Auch der Ständerat machte sich bereits Gedanken zur 11. AHV-Revision. Diskussionslos und mit Zustimmung des Bundesrates überwies er eine Motion seiner vorberatenden Kommission, welche den Bundesrat beauftragt, ohne Verzug die Vorarbeiten für diese nächste Revision an die Hand zu nehmen, dabei die Altersstruktur der Bevölkerung zu berücksichtigen und das Rentenalter der Frauen jenem der Männer anzugleichen [10].
Im Nachgang an den Beschluss des Parlaments, das Rentenalter der Frauen bereits bei der 10. AHV-Revision in zwei Schritten auf 64 Jahre zu erhöhen (s. unten), lancierten der Schweizerische Kaufmännische Verband (SKV) und die Grüne Partei der Schweiz drei Volksinitiativen, die sich, inspiriert von der "Ausbau-Initiative" von SP und SGB, ebenfalls auf die 11. AHV-Revision beziehen. Sowohl SKV (Initiative "für eine Flexibilisierung der AHV - gegen die Erhöhung des Rentenalters der Frauen") wie GP (Initiative "für ein flexibles Rentenalter ab 62 für Frau und Mann") fordern eine Vorruhestandsregelung mit voller Pension für Männer und Frauen ab 62 Jahren. In einer Parallelinitiative machen die Grünen Angaben über die Finanzierung der Mehrkosten; diese Mittel sollen mit einer Steuer auf nicht erneuerbarer Energie beschafft werden (Initiative "für eine gesicherte AHV - Energie statt Arbeit besteuern") [11].
Auf einstimmigen Antrag der vorberatenden Kommission lehnte der Nationalrat eine parlamentarische Initiative Tschopp (fdp, GE) für die Errichtung einer "AHV plus" ab, die AHV, berufliche Vorsorge sowie Kranken- und Unfallversicherung durch eine Einrichtung ergänzen wollte, welche die Gesundheits- und Betreuungskosten für Betagte übernimmt. Die Kommission befand, der Vorschlag sei zwar prüfenswert, werfe aber noch allzuviele offene Fragen auf, unter anderem die ganz zentrale der Solidarität zwischen Jungen und Alten, weshalb sie anregte, die angesprochene Problematik in einem Bericht vertiefter auszuleuchten. Das Plenum überwies ein entsprechendes Postulat der Kommission diskussionslos [12].
Der Nationalrat verabschiedete hingegen mit Zustimmung des Bundesrates eine Motion Tschopp (fdp, GE), welche die Landesregierung beauftragt, eine Reihe statistischer Indikatoren erarbeiten zu lassen, auf deren Grundlage die Entwicklung der wichtigsten demographischen und wirtschaftlichen Parameter verfolgt werden kann, um die Kohärenz der Gesetzgebungsprozesse im Bereich der AHV-Revisionen zu verbessern und bezüglich der sozialen Sicherheit mehr Transparenz zu schaffen [13].
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Der Ständerat erteilte nach ausgedehnten Vorarbeiten dem aus CVP-Kreisen lancierten Modell einer Einheitsrente eine deutliche Absage und kehrte zum Splitting-Modell zurück, verzichtete aber auf die im Vorschlag des Nationalrates enthaltene steilere Rentenformel zugunsten der 1992 eingeführten geknickten Formel. Um Rentenverluste bei den verwitweten IV- und Altersrentnerinnen und -rentnern zu vermeiden, soll bei diesem Personenkreis ein 20prozentiger Zuschlag zur Rente ausgerichtet werden, allerdings höchstens bis zum Betrag der Maximalrente. Im Unterschied zum Nationalrat beschloss die kleine Kammer zudem, vier Jahre nach Inkrafttreten der Revision auch die altrechtlichen Renten in das neue System zu überführen. Damit soll die jahrelange Parallelführung zweier Rentensysteme und die Ungleichbehandlung von Alt- und Neurentnerinnen und -rentnern beseitigt werden.
Bereits zu Beginn der Debatte wurde deutlich, dass auch im Ständerat der hauptsächlichste Diskussionspunkt die Heraufsetzung des Rentenalters der Frauen sein würde. Zwei Rückweisungsanträge Onken (sp, TG) und Petitpierre (fdp, GE), welche den Bundesrat beauftragen wollten, eine Ruhestandsrente einzuführen bzw. das Rentenalter von der Beitragsdauer abhängig zu machen, wurden ebenso verworfen wie der Antrag einer Kommissionsminderheit, das heutige Rentenalter beizubehalten. Hingegen wurde ein Antrag Beerli (fdp, BE) / Cottier (cvp, FR) angenommen, wonach während einer Übergangsfrist der Kürzungssatz für die Frauen beim Vorbezug von 6,8% auf 3,4% halbiert werden soll. Ein Antrag Onken, die Vorlage in einen Rentenalter- und einen Splitting-Teil aufzuschlüsseln, wurde mit 32:5 Stimmen deutlich abgelehnt [14].
Bei den Verfeinerungen der Leistungsberechnungen schloss sich der Nationalrat mit geringfügigen Differenzen der kleinen Kammer an. Noch einmal viel zu reden gab die Erhöhung des Rentenalters der Frauen. Dem Plenum lag ein Kompromissvorschlag seiner Kommission vor, wonach Frauen, die unmittelbar vor Erreichen des Rentenalters während mindestens fünf Jahren ununterbrochen erwerbstätig waren und die Erwerbstätigkeit definitiv aufgeben, die Rente um ein Jahr ungekürzt vorbeziehen können. Dieser Antrag vermochte sich ebensowenig durchzusetzen wie ein Minderheitsantrag, der am ursprünglichen Beschluss des Nationalrates festhalten wollte, worauf sich die grosse Kammer der Lösung des Ständerates anschloss. Ein Antrag aus den Reihen der SP, die Vorlage sei derart aufzuteilen, dass über die Grundsatzfrage des Rentenalters getrennt von den übrigen Revisionspunkten entschieden werden könne, wurde - gleich wie im Ständerat - klar verworfen [15].
Wegen der progressiven Anhebung des Rentenalters der Frauen ergriffen der Christlich-nationale Gewerkschaftsbund (CNG) und der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) gegen die 10. AHV-Revision das Referendum, wobei Ende Jahr bereits feststand, dass dieses mit weit über 100 000 Unterschriften zustande kommen wird. Die mit dem SGB eng verbundene SP zeigte sich in dieser Angelegenheit gespalten. Die Geschäftsleitung unter Präsident Bodenmann stellte sich hinter das Referendum, der Parteivorstand hingegen wollte die positiven Aspekte der Revision - Rentensplitting, Erziehungs- und Betreuungsgutschriften - nicht gefährden und sprach sich dagegen aus. Die Partei beschloss schliesslich, der SP-Basis diesen schwierigen Entscheid anfangs 1995 in einer Urabstimmung zu unterbreiten, der ersten seit 1921, als sich die Genossinnen und Genossen für oder gegen einen Beitritt zur 3. Internationalen zu entscheiden hatten [16].
Um den Vorwurf abzuwenden, mit dem Referendum auch die Errungenschaften der 10. AHV-Revision zu gefährden, lancierten CNG und SGB mit Unterstützung der SP eine Volksinitiative "für die 10. AHV-Revision ohne Erhöhung des Rentenalters" ("Auffanginitiative"), mit welcher die Betreuungsgutschriften, das Rentensplitting und die vorteilhaftere Rentenformel gerettet werden sollen. Nach den Vorstellungen der Initianten könnte das Parlament nach Annahme der Initiative umgehend in einer Sondersession die unbestrittenen Neuerungen der 10. AHV-Revision wieder aufnehmen und in Kraft setzen [17].
Auf den 1. Januar des Berichtsjahres trat jener vorgezogene Teil der 10. AHV-Revision in Kraft, mit dem das Parlament die Lage der geschiedenen Frauen mit Kindern verbessern will. Pro Betreuungsjahr von Kindern unter 16 Jahren wird diesen Frauen - unabhängig davon, ob sie in dieser Zeit einer Erwerbstätigkeit nachgingen oder nicht - ein fiktiver Lohn angerechnet, der dreimal der einfachen AHV-Rente entspricht. Das kann zu einer Rentenerhöhung von mehreren Hundert Franken pro Monat führen. Bedingung ist allerdings, dass die Frauen im Zeitpunkt des Rentenbezugs nicht wieder verheiratet sind. Da sich die parlamentarische Beratung der 10. AHV-Revision verzögerte und zudem das Referendum gesichert schien, wurde auf Initiative der vorberatenden Kommission des Nationalrates dieser Bundesbeschluss um ein Jahr verlängert. Eine Motion Küchler (cvp, OW), den vorgezogenen Teil auf den 1.1.1996 in geltendes Recht zu überführen, wandelte der Ständerat auf Antrag des Bundesrates aus juristischen Gründen in ein Postulat um [18].
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Invalidenversicherung
Das Parlament folgte der Landesregierung und erhöhte den Beitragssatz der IV von 1,2 auf 1,4 Lohnprozente, lehnte aber eine weitergehende Kompetenz des Bundesrates zur Erhöhung bis auf 1,5% ab. Gleichzeitig wurde der Beitragssatz in der Erwerbsersatzordnung von 0,5 auf 0,3% herabgesetzt, womit die Gesamtbeitragsleistung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleich bleibt. Dieser Beitragstransfer hilft, das infolge einer markanten Ausdehnung der Leistungen entstandene Defizit der IV zu verringern, wird aber kaum ausreichen, um dieses Sozialwerk aus den roten Zahlen zu bringen [19].
Bei den Sanierungsmassnahmen 1993 für den Bundeshaushalt lehnte auch der Ständerat die Streichung gewisser Beiträge der IV an Einrichtungen für Behinderte im Rentenalter ab. Die Ratsmehrheit teilte damit die Befürchtung des Nationalrates und der Kommissionsminderheit, dass dadurch Schwerbehinderte im Alter ihre ihnen vertrauten Heime verlassen müssten. Die Räte vergaben damit Einsparungen von jährlich 20 Millionen Franken [20].
In der Wintersession befasste sich der Ständerat mit einer von seiner SGK eingereichten Motion, welche angesichts der sich zuspitzenden finanziellen Situation der IV (immer mehr Rentner, zunehmende Defizite, komplexe Organisation, uneinheitliche Anwendung) eine grundlegende Überprüfung, eine bessere Abstimmung auf andere Sozialversicherungen und verstärkte Eingliederungsmassnahmen verlangte. Im Einverständnis mit dem Bundesrat überwies die kleine Kammer die Motion ohne Gegenstimme [21].
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Berufliche Vorsorge
Eine parlamentarische Initiative Rechsteiner (sp, SG) für eine Verbesserung der Insolvenzdeckung in der beruflichen Vorsorge wurde auf einstimmige Empfehlung der vorberatenden Kommission oppositionslos angenommen. Damit soll der Zuständigkeitsbereich des Sicherheitsfonds auf die vor- und überobligatorischen Leistungen ausgedehnt werden, um so in erster Linie ältere Arbeitnehmer mit einem grossen Anteil an vorobligatorischen Ansprüchen im Fall eines Konkurses ihres Betriebes besser zu schützen [22].
Die grosse Kammer verabschiedete - ohne es zu diskutieren - ein Postulat Deiss (cvp, FR), welches den Bundesrat bittet, in der anstehenden BVG-Revision die Frage zu prüfen, ob man für die Pensionskassen nicht zur reinen individuellen Äquivalenz (Beitragsprimat) wechseln und die Solidaritätskomponente (Leistungsprimat) allein der AHV zuordnen sollte [23].
Ende Juni wurde die rund fünf Jahre zuvor eingereichte Volksinitiative "für eine volle Freizügigkeit in der beruflichen Vorsorge" von den Initianten zurückgezogen. Da das Referendum gegen das neue Gesetz nicht ergriffen wurde, wurde die Regelung auf den 1.1.1995 in Kraftgesetzt [24].
Für die Altersvorsorgeregelung der Parlamentarierinnen und Parlamentarier siehe oben, Teil I, 1c (Parlament). Zur Verwendung der Kapitalien der 2. Säule zum Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum siehe oben, Teil I, 6c (Wohnungsbau).
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Krankenversicherung
Die 1986 von SP und SGB eingereichte Volksinitiative "für eine gesunde Krankenversicherung", welche das Gesundheitswesen nicht mehr über Kopfprämien finanzieren wollte, sondern über Beiträge, die nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit abzustufen wären, wurde erwartungsgemäss in der Volksabstimmung vom 4. Dezember deutlich mit über drei Viertel Neinstimmen sowie von allen Kantonen verworfen. Einkommensabhängige Krankenkassenprämien sind eine alte Forderung der Linken, die auf bürgerlicher Seite seit jeher als rotes Tuch gilt, da damit eine - im Ausland durchaus gängige - Beteiligung der Arbeitgeber an den Gesundheitskosten der Arbeitnehmer verbunden wäre. Die von der Initiative ebenfalls verlangte stärkere finanzielle Beteiligung des Bundes an den Ausgaben der sozialen Krankenversicherung (mindestens 25%) wurde von den Gegnern als "Schönwettervorschlag" taxiert, da die Initiative zu einem Zeitpunkt eingereicht worden ist, als die Lage der Bundesfinanzen noch bedeutend rosiger aussah als heute [25].
Volksinitiative "für eine gesunde Krankenversicherung"
Abstimmung vom 4. Dezember 1994

Beteiligung: 43,8 %
Nein: 1 504 177 (76,5% ) / 20 6/2 Stände
Ja: 460 674 (23,5%) / 0 Stände

Parolen:
- Nein: FDP, CVP, SVP, LPS, LdU, EVP, FPS, SD, EDU; Arbeitgeber, Vorort, SGV, CNG, FMH, Konsumentinnenforum.
- Ja: SP, PdA; SGB, Vereinigung unabhängiger Ärzte, Stiftung für Konsumentenschutz.
- Stimmfreigabe: GPS (2*), Lega.

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Die Gültigkeitsdauer der drei dringlichen Bundesbeschlüsse zur Anhebung der Subventionen an die Krankenkassen (1990), über Massnahmen gegen die Entsolidarisierung in der Krankenversicherung (1991) und gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (1992) war seinerzeit bis zum 31. Dezember 1994 befristet worden, in der Annahme, das neue Gesetz über die Krankenversicherung (KVG) könne am 1. Januar 1995 in Kraft treten. Da das Gesetz erst in der Frühjahrssession von den Räten verabschiedet wurde (s. unten), zeigte die Anhörung der Kantone und der Versicherer, dass ein Inkrafttreten selbst ohne Referendum frühestens auf den 1. Januar 1996 in Frage kommen könnte. Weil die drei Bundesbeschlüsse aber den reibungslosen Übergang zum neuen Gesetz bezwecken, beantragte der Bundesrat dem Parlament deren Verlängerung bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes, längstens aber bis zum 31. Dezember 1997. Die einzige gewichtige Änderung gegenüber den früheren Beschlüssen sah der Bundesrat bei den Massnahmen gegen die Entsolidarisierung (Beschluss B) vor. In Umsetzung des vor der Abstimmung zur Mehrwertsteuer abgegebenen Versprechens, zur sozialen Abfederung der neuen Steuer während fünf Jahren jeweils 5% von deren Ertrag (schätzungsweise rund 500 Mio Fr.) zur Verbilligung der Krankenkassenprämien für die sozial schwächere Bevölkerung zu verwenden, schlug der Bundesrat vor, ab 1995 die Bundessubvention auf 600 Mio Fr. zu erhöhen, nämlich 100 Mio gemäss dem Beschluss B von 1991 und 500 Mio aus der Mehrwertsteuer. Damit die Kantone dies nicht zum Vorwand nehmen können, ihre eigenen Beiträge einzufrieren, wollte die Landesregierung die Kantone verpflichten, wie bis anhin ungefähr 200 Mio Fr. zur gezielten Prämienverbilligung beizusteuern [26].
Als Erstrat stimmte die grosse Kammer der Vorlage zu, verkürzte aber die Verlängerung von drei auf zwei Jahre, weil sie nicht schon für den Fall einer Ablehnung des revidierten Krankenversicherungsgesetzes vorsorgen wollte. Zudem entliess sie beim Beschluss B die Kantone wieder aus der Verantwortung. Diesen soll weiterhin freigestellt werden, ob sie durch eigene Beiträge die Bundessubventionen auslösen wollen oder nicht. Im Ständerat führte ein Antrag Schmid (cvp, AI), angesichts der Ausschüttung der Mehrwertsteuermillionen seien die 100 Mio Fr. des Beschlusses B aus Rücksicht auf die prekäre Finanzlage des Bundes zu kappen, zu einer längeren Diskussion, doch schwenkte die kleine Kammer schliesslich - wenn auch nur knapp - auf die Linie des Nationalrates ein [27].
In der Wintersession kam der Nationalrat aufgrund des generellen Spardruckes auf diesen Beschluss zurück und stimmte einem von seiner Finanzkommission in eigener Regie ausgearbeiteten dringlichen Bundesbeschluss (Beschluss D) zu, welcher die Argumentation Schmid wieder aufnahm und den Subventionsbeitrag aus dem Bundesbeschluss B um 80 Mio Fr. kürzte, sehr zum Unmut von Finanzminister Stich, der warnte, die Verunsicherung, die damit in der Bevölkerung ausgelöst werde, sei die eingesparten Millionen nicht wert. Im Ständerat setzte sich dann aber die bereits von einer Minderheit der grossen Kammer geäusserte Auffassung durch, wonach es weder juristisch noch politisch haltbar sei, einen Bundesbeschluss, für den noch die Referendumsfrist läuft, bereits wieder abzuändern, worauf die Kammer dem Antrag ihrer Kommission folgte und Nichteintreten auf den Beschluss des Nationalrates beschloss. Allerdings wollte auch der Ständerat 80 Mio Fr. einsparen. Er entschied deshalb, die durch die Kantone nicht ausgelösten Beiträge nicht wie bisher einer zweiten Verteilrunde zuzuführen, sondern in der Bundeskasse zu belassen. Dies dürfte zu Einsparungen in der Grössenordnung von 40 Mio Fr. führen. Das Budget 1995 soll zudem durch eine erst 1996 erfolgende nachschüssige Auszahlung an die Kantone um weitere 40 Mio Fr. entlastet werden [28].
Nach Swica 1992 und Swisscare 1993 entstand mit der in Bern domizilierten Arcovita - einer Dienstleistungsgesellschaft, an der die vier Krankenkassen CCS, Evidenzia, Grütli und KKB zu gleichen Teilen beteiligt sind - ein neuer Machtfaktor im Gesundheitswesen, der dank seiner Grösse (rund 2,2 Mio Versicherte) mit Spitälern, Ärzten und anderen Leistungserbringern günstigere Tarife aushandeln, flächendeckend neue Versicherungsmodelle (HMO-Praxen) realisieren sowie auf dem Gebiet der Gesundheitsförderung tätig werden will [29].
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In der im Berichtsjahr erfolgten Differenzbereinigung zwischen den beiden Kammern erwiesen sich die Prämienverbilligungen für wirtschaftlich Schwächere, deren Finanzierung und die Modalitäten ihrer Ausrichtung als die Schicksalsartikel der gesamten Vorlage. Der Nationalrat kam hier dem Ständerat und den Kantonen insofern entgegen, als er zwar daran festhielt, dass die Kantone für die Finanzierung der Prämienverbilligungen die Hälfte der Bundessubventionen, nämlich 1 Mia Fr. beisteuern müssen, andererseits aber die Erhöhung der Kantonsbeiträge auf vier Jahre etappierte. Als weiteres Zugeständnis sollen die Kantone mit niedrigem Prämiendurchschnitt - was vor allem die Ostschweiz betrifft - ihren Beitrag kürzen dürfen, wenn die Prämienverbilligungen gleichwohl sichergestellt sind. Die grosse Kammer bestimmte, dass die dadurch freiwerdenden Bundesmittel jenen Kantonen zugute kommen sollen, die aus eigenen Beiträgen stärker zur Prämienverbilligung beitragen.
Der Nationalrat hielt zudem an der Verpflichtung der Versicherer zur Gesundheitsförderung fest, akzeptierte aber einen Selbstbehalt bei der individuellen Prävention. Bekräftigt wurden auch das vom Ständerat abgelehnte Anhörungsrecht der Patientenorganisationen vor Abschluss eines Tarifvertrages, die weitgefasste, dem bisherigen Recht entsprechende Beschwerdelegitimation bei Tarifbeschwerden und die Verneinung des alleinigen Rechts der Kantonsregierungen, bei Streitigkeiten um die Tarifsetzung in öffentlichen Spitälern als Schiedsrichter aufzutreten. Der kleinen Kammer schloss sich der Nationalrat hingegen in der Beschränkung der Globalbudgetierung auf den stationären Bereich und in der Begrenzung des Risikoausgleichs zwischen den Kassen auf zehn Jahre an. Auch in der Frage der Medikamentenabgabe durch die Ärzte fand sich der Nationalrat zu einem Kompromiss bereit. Die Selbstdispensation sollte zwar durch den Bund eingeschränkt werden, wobei aber auf den möglichen Zugang der Patienten zu einer Apotheke Rücksicht genommen werden müsste [30].
Der Ständerat lenkte bei der Frage der Tarifbeschwerde auf die Fassung des Nationalrates ein und schloss sich weitgehend auch beim Prämienverbilligungssystem an, lehnte allerdings aus Spargründen die Weiterverteilung der allenfalls frei werdenden Bundesbeiträge ab. Bei der Selbstdispensation hielt er an der kantonalen Regelungsbefugnis fest, übernahm aber vom Nationalrat das Kriterium der Apothekendichte. In der Frage der Tarifsetzung für öffentliche Spitäler im vertragslosen Zustand blieb die kleine Kammer hart [31].
In einer weiteren Runde des Differenzbereinigungsverfahrens stimmte der Nationalrat dem Ständerat mit der einzigen Ausnahme der Regelung der Selbstdispensation zu. Diese Pattsituation machte die Einberufung der Einigungskommission zwischen den vorberatenden Kommissionen beider Räte notwendig. Diese entschied im Sinne des Ständerates, worauf die Gesamtvorlage von beiden Kammern stillschweigend angenommen wurde. In der Gesamtabstimmung passierte das neue Gesetz im Ständerat mit 35:1 und im Nationalrat mit 124:38 Stimmen bei 14 Enthaltungen. Abgelehnt wurde die Vorlage lediglich von der SD/Lega, der Freiheitspartei (ex-AP), der EdU und der PdA sowie von den Rechtsexponenten der bürgerlichen Parteien [32].
Bereits bevor die Räte das neue Gesetz definitiv verabschiedet hatten, erklärte die Krankenkasse Artisana, dass sie das Referendum dagegen ergreifen werde. Zwei weitere Kassen (Swica und Winterthur) und vier Ärztevereinigungen aus dem Bereich der Komplementärmedizin machten ebenfalls für das Referendum mobil, so dass dieses im Laufe des Sommers mit 148 952 gültigen Unterschriften eingereicht werden konnte [33].
Die Gegner des neuen KVG fochten mit der Behauptung, das neue Gesetz sei zu dirigistisch und zu sehr der Schulmedizin verhaftet, zu wenig wettbewerbsorientiert und zu teuer für die öffentliche Hand und die Prämienzahler. Der Ausbau in der Grundversicherung werde zu einem massiven Aufschlag bei den Prämien führen, der in erster Linie den Mittelstand treffe. Die Befürworter bestritten die Möglichkeit eines einmaligen Prämienanstiegs nicht, argumentierten aber, die verbesserte Grundversicherung mache für viele die teuren Zusatzversicherungen überflüssig, und sie verwiesen auf die vorgesehenen Prämienverbilligungen, die rund einem Drittel der Bevölkerung zugute kommen sollen [34].
Wegen der Festsetzung ihres Beitrages auf die Hälfte der Bundessubventionen äusserten viele Kantone - wenn auch eher hinter vorgehaltener Hand - gewichtige Vorbehalte gegen das neue Gesetz. Die gezielte Prämienverbilligung fand zwar durchaus Beifall, doch sollte ihrer Meinung nach das Ausmass der Subventionen nicht über den heutigen Stand, wo der Bund 1,3 Mia und die Kantone rund 600 Mio Fr. bezahlen, ausgedehnt werden. Sie vertraten die Ansicht, eine zusätzliche finanzielle Belastung der Kantone sei nicht zu verkraften, da ihnen das neue Gesetz neben den bereits bestehenden Ausgaben im Gesundheitswesen, zum Beispiel durch die Übernahme der Spitaldefizite, zusätzliche Lasten aufbürde, so etwa die Begleichung der Mehrkosten bei medizinisch bedingten ausserkantonalen Spitalaufenthalten. Acht Kantonsregierungen - AG, BE, SH, SO, SG, SZ, TG und ZH - drohten schliesslich unverhohlen mit Steuererhöhungen, falls das revidierte KVG vom Volk angenommen werde [35].
In einer echten Zitterpartie, in welcher das definitive Resultat erst sehr spät feststand, wurde das neue Krankenversicherungsgesetz mit rund 52 % Ja-Stimmen von den Urnengängern knapp gutgeheissen. Ausschlaggebend für das positive Ergebnis waren die hohen Ja-Stimmenanteile im Tessin und in der Westschweiz [36].
Totalrevision Krankenversicherungsgesetz
Referendumsabstimmung vom 4. Dezember 1994

Beteiligung: 43,8
Ja: 1 021 175 (51,8%)
Nein: 950 360 (48,2%)

Parolen:
- Ja: FDP (15*), SP, CVP (6*), GP, LP (1*), LdU (1*), EVP; Arbeitgeberverband, Vorort, SGB, CNG, Apotheker-Verein, Patienten- und Konsumentenorganisationen, Rentnerverband, Krankenkassenkonkordat.
- Nein: SVP (6*), FPS, SD, Lega, PdA (1*), EDU; SGV, VESKA, Vereinigung der Privatkliniken.
- Stimmfreigabe: FMH (11*), SBV, Sanitätsdirektorenkonferenz.

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Die Vox-Befragung zur Abstimmung zeigte klar, dass die beiden Themenkreise Solidarität (Obligatorium der Versicherung, unbeschränkte Leistungspflicht bei Spitalaufenthalten) und Bedürfnis nach Eindämmung der Kostensteigerung die wichtigsten Beweggründe für ein "Ja"waren. Die Nein-Stimmen rekrutierten sich primär aus dem Lager jener, die einen Anstieg der individuellen Prämien befürchteten.
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Mutterschaftsversicherung
Fast 50 Jahre nach der Annahme einer entsprechenden Verfassungsgrundlage (Art. 34quinquies Abs. 4) schickte der Bundesrat Ende Juni seinen Vorentwurf zum Bundesgesetz über die Mutterschaftsversicherung in die Vernehmlassung. Die Vorsteherin des dafür zuständigen EDI betonte, der Bundesrat erachte die Realisierung der obligatorischen Mutterschaftsversicherung für dringlich, da es gelte, die heute je nach Arbeitsvertrag unterschiedlich definierte und oftmals ungenügende Urlaubsregelung und Lohnfortzahlungspflicht, welche stossende Ungleichbehandlungen der verschiedenen Arbeitnehmerinnen bewirkten, abzulösen.
Der Bundesrat sieht die Mutterschaftsversicherung als eine eigenständige, obligatorische und von der Krankenversicherung unabhängige Sozialversicherung vor. In einem ersten Schritt sollen selbständig und unselbständig erwerbstätige Frauen Anspruch auf einen bezahlten 16wöchigen Mutterschaftsurlaub erhalten, wovon mindestens acht Wochen auf die Zeit nach der Niederkunft fallen müssen. Die Entschädigung soll grundsätzlich den ganzen Lohnausfall decken, wie bei der Unfallversicherung aber höchstens 97 200 Fr., und unabhängig davon bestehen, ob die Mutter nach dem Urlaub weiterarbeitet oder nicht.
Für die Beitragserhebung und Auszahlung der Leistungen schlug der Bundesrat vor, diese über die AHV-Kassen abzuwickeln, wo bereits sämtliche Arbeitgeber und Selbständigerwerbenden angeschlossen sind. Die Kosten seien von den Sozialpartnern solidarisch zu tragen, wobei Arbeitnehmer und Arbeitgeber je 0,2% Lohnprozente aufzubringen hätten. Nach Ansicht des Bundesrates bleibt die Belastung für die Arbeitgeber ungefähr gleich hoch wie heute, da durch die Mutterschaftsversicherung die in vielen Gesamtarbeitsverträgen vereinbarten Lohnfortzahlungen wegfallen. Für Bund und Kantone entstehen keine Mehrkosten [38].
In der Vernehmlassung herrschte über den in der Verfassung verankerten Grundsatz zwar Einigkeit, über den Umfang, die Finanzierung und die Ausgestaltung gingen die Meinungen hingegen weit auseinander. Der Entwurf des Bundesrates wurde von FDP, SVP, CVP und den Arbeitgeber-Organisationen zur Überarbeitung zurückgewiesen, während ihm SP, Gewerkschaften und Frauenorganisationen grundsätzlich zustimmten. Übereinstimmend wurde von allen Parteien und Organisationen verlangt, dass früher oder später eine Ausdehnung der Leistungen auch auf nicht erwerbstätige Frauen erfolgen müsse. Mit Ausnahme der SP, die sich in der Frage der Finanzierung dem Bundesrat anschloss, legten die Regierungsparteien eigene, von den Lohnprozenten wegführende Leistungs- und Finanzierungsmodelle vor. Die CVP sprach sich für einen Solidaritätsbeitrag von 2500 Fr. während vier Monaten aus, wobei für niedrige Einkommen auch höhere Leistungen denkbar sein sollten. Die FDP plädierte für einen monatlichen Zuschuss von 1250 Fr. Die Finanzierung soll nach den Vorstellungen von FDP und CVP über eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes um 0,4% bzw. 0,2% erfolgen. Die SVP votierte für eine Lösung, die den Versicherungsgedanken in den Vordergrund stellt und eine Finanzierung über Prämien für Männer und Frauen vorsieht. Vehemente Kritik an der gesamten Vorlage übte der Zentralverband schweizerischer Arbeitgeberorganisationen. Er schlug vor zu prüfen, ob die heutige Rechtslage, ergänzt durch das Krankenversicherungsgesetz, den Verfassungsauftrag von 1945 nicht bereits erfülle [39].
Die CVP verlangte zusätzlich zur eigentlichen Mutterschaftsversicherung Bedarfsleistungen an Familien, die durch eine Mutterschaft in finanzielle Not geraten. Mit einer Motion forderte die christlichdemokratische Fraktion den Bundesrat auf, ein diesbezügliches Rahmengesetz auszuarbeiten, welches auf den in einzelnen Kantonen bereits bestehenden Lösungen aufbaut und Beiträge des Bundes an die Kantone (analog zu den Ergänzungsleistungen) vorsieht. Der Bundesrat war bereit, die Motion als Postulat entgegenzunehmen, doch wurde der Vorstoss von der Waadtländer Liberalen Sandoz bekämpft und seine Diskussion deshalb auf einen späteren Zeitpunkt verschoben [40].
In ihrer Rede zum Abschluss des Internationalen Jahres der Familie erklärte Bundesrätin Dreifuss, die Forderung nach sofortigen Mutterschaftsleistungen für alle - also auch für nichterwerbstätige Frauen - gehe von einem konservativen Familienbild aus und sei nicht seriös, da dieses Vorhaben in nächster Zukunft nicht finanzierbar sei. Die Vermutung liege deshalb nahe, dass die bürgerlichen Parteien mit dieser unrealistischen Forderung das ganze Projekt einer Mutterschaftsversicherung zu Fall bringen wollten [41].
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Unfallversicherung
Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt SUVA beschloss, ab 1. Januar 1995 die Prämien für die Nichtberufsunfallversicherung im Durchschnitt um 8% anzuheben und gleichzeitig risikoabhängige Prämien einzuführen, da Untersuchungen gezeigt hatten, dass zwischen dem Verhalten im Beruf und in der Freizeit ein Zusammenhang besteht. Branchen mit einem hohen Berufsunfallrisiko weisen auch bei den Freizeitunfällen eine starke Häufigkeit und vor allem hohe Kosten auf. Nach Gesprächen mit Vertretern von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden erarbeitete die SUVA deshalb ein neues Berechnungsmodell, das die Prämien nach dem Verursacherprinzip den Risiken angleicht. Die rund 100 000 SUVA-versicherten Betriebe wurden in vier Risikogemeinschaften eingeteilt. Für die Kategorie mit den geringsten Risiken - Büroberufe und Verwaltungen - werden die Prämien von den bis anhin allgemeingültigen 15,5 Lohnpromille auf 14,7 Promille gesenkt. Die anderen Kategorien werden höhere Prämien abzuliefern haben: Maschinen-, Uhren- und Chemieindustrie 16,3 Promille, Metallgewerbe, Landwirtschaft, Holz- und Steinbearbeitung 18 Promille. Den höchsten Anstieg - 20 Promille - werden Baugewerbe, Forstwirtschaft und Temporärfirmen verzeichnen. Gleichzeitig soll in den Hauptprämienklassen der Berufsunfallversicherung ein Bonus-Malus-System eingeführt werden, welches den letztgenannten Branchen weitere rund 10% Prämienerhöhungen bringen wird. Mit dieser Massnahme soll die Eigenverantwortlichkeit in den Betrieben gefördert werden, ohne das Solidaritätsprinzip substantiell zu tangieren  [42].
Mit einem überwiesenen Postulat beantragte Nationalrat Vollmer (sp, BE), das Bundesgesetz von 1981 über die Unfallversicherung (UVG) sei so zu ändern, dass die Taggelder der obligatorischen Unfallversicherung ausdrücklich dem massgebenden Lohn im Sinn des AHV-Gesetzes gleichgestellt werden. Gleichzeitig bat er den Bundesrat, Vorschläge zu unterbreiten, wie die durch die fehlende Gleichstellung der UVG-Taggelder entstandenen AHV-Renten-Einbussen nachträglich korrigiert werden könnten [43].
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Arbeitslosenversicherung (ALV)
Die Schulden der Arbeitslosenversicherung wuchsen im Berichtsjahr auf den Rekordstand von 6,3 Mia Fr. an (1993: 4,1 Mia Fr.). Die laufende Rechnung schloss mit einem Defizit von 2,24 Mia Fr. und damit um 190 Mio Fr. besser als im Vorjahr ab. Bei einem Jahresmittel von rund 171 000 Erwerbslosen und einer durchschnittlichen Arbeitslosenquote von 4,7% wurden 1994 insgesamt 4,2 Mia Fr. an Arbeitslosenentschädigungen ausbezahlt (1993: über 4,3 Mia Fr.). Für Kurzarbeits- und Schlechtwetterentschädigung wurden 530 Mio Fr. (880 Mio Fr.) und für Insolvenzentschädigungen 61 Mio Fr. (66 Mio Fr.) ausgeschüttet. Die Präventivmassnahmen schlugen mit 322 Mio Fr. zu Buche gegenüber 137 Mio Fr. im Vorjahr. Allein für die Verzinsung der gewährten Darlehen mussten 238 Mio Fr. aufgewendet werden. Die gesamten Ausgaben der ALV beliefen sich auf 6,13 Mia Fr. (1993: 6,2 Mia), die Erträge stiegen - als erstes Zeichen des einsetzenden Aufschwungs - von 3,77 auf 3,89 Milliarden Franken [44].
Da sich die zweite Teilrevision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG) im parlamentarischen Ablauf verzögerte (s. unten), legte der Bundesrat den Kammern in der Wintersession im Rahmen der dringlichen Entlastungen im Voranschlag 1995 einen Bundesbeschluss vor, welcher die zentralen Finanzierungsbestimmungen der Revision vorwegnimmt und auf den 1.1.1995 in Kraft setzt. Unbestritten war dabei die Erhöhung des Beitragssatzes von zwei auf drei Lohnprozente, was pro Jahr 1,85 Mia Fr. Mehreinnahmen bringen soll. Wesentlich kontroverser war die als Gegenstück dazu vorgeschlagene fünftägige Karenzfrist vor Bezug der ersten ALV-Leistungen, welche der Nationalrat bei seinen Beratungen der zweiten Teilrevision des AVIG als Kompensation für den Verzicht auf die Degression eingeführt hatte. Auf Antrag von CVP-Nationalrat Epiney (VS) beschloss der Nationalrat aber, die Karenzfrist sozial abzufedern. Demnach sollten nur jene Arbeitnehmer zu Beginn ihrer Arbeitslosigkeit fünf Tage leer ausgehen, deren letztes Monatseinkommen 3500 Fr. (plus 500 Fr. pro minderjähriges oder in Ausbildung stehendes Kind) übersteigt. Mit ihrem ebenfalls an die Teilrevision des AVIG angelehnten Antrag, dass der zwei Lohnprozente übersteigende Anteil ab dem 1.1.1996 zur Tilgung der aufgelaufenen Schulden beim ALV-Ausgleichsfonds verwendet werden muss, setzte sich Nationalrätin Spoerry (fdp, ZH) erfolgreich gegen Bundesrat Stich durch, der diese Regelung nur sinnvoll fand, falls tatsächlich nach diesem Datum keine neuen Schulden anfallen sollten. Auf Antrag Bonny (fdp, BE) wurde auch die Einrichtung der regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) (s. unten) vorgezogen [45].
Der Ständerat stimmte dem Nationalrat im Sinn des Antrags Spoerry zu, wollte aber weder die soziale Abfederung gelten lassen, noch die RAV bereits in diesen Beschluss aufnehmen. Bei den RAV gab der Nationalrat nach, da er anerkannte, dass deren Einführung ohne die anderen Massnahmen des revidierten AVIG nur schwierig zu realisieren wäre. In der Frage der sozialen Abfederung der Karenzfrist beschloss er hingegen Festhalten, kam aber der kleinen Kammer insofern entgegen, als er den Grenzbetrag auf 3000 Fr. (plus 500 Fr. pro Kind) reduzierte, worauf auch der Ständerat auf diese Position einschwenkte. Damit der Beschluss auf den 1.1.1995 in Kraft treten kann, wurde er von beiden Kammern für dringlich erklärt [46].
Ein Postulat Loeb (fdp, BE), die Arbeitslosenvorsorge analog zur Altersvorsorge durch ein Zweisäulenprinzip sicherzustellen, bei dem die zweite Säule auf steuerbegünstigter Eigenvorsorge beruhen sollte, wurde von Nationalrat Leuenberger (sp, SO) bekämpft und so vorderhand der Diskussion entzogen [47].
Der Nationalrat verabschiedete oppositionslos ein Postulat seiner Kommission für Wirtschaft und Abgaben, welches den Bundesrat beauftragt, die Arbeitslosenstatistik so rasch als möglich durch Angaben über die Zahl der Ausgesteuerten und der Sozialhilfebezüger in Kantonen und Gemeinden sowie der Gesamtausgaben aller öffentlichen und privaten Stellen als Folge der Arbeitslosigkeit zu ergänzen [48].
In den letzten Jahren verloren viele ausländische Arbeitskräfte, welche infolge wirtschaftlich begründeter Kündigung ihres Arbeitsplatzes keine neue Aufenthaltsbewilligung erhielten, die ihnen aufgrund ihrer Beitragszeit zustehenden ALV-Leistungen, da diese nicht ins Ausland exportiert werden. Einzelne Kantone sind deshalb dazu übergegangen, die Aufenthaltsbewilligung dieser Arbeitnehmer bis zum Auslaufen der Taggelder provisorisch zu verlängern. Mit einer Motion wollte Nationalrätin Brunner (sp, GE) den Bundesrat verpflichten, für ausländische Arbeitslose mit B-Ausweis eine Lösung zu suchen, die es ihnen in allen Kantonen erlaubt, im Ausmass der entrichteten Beiträge die Leistungen der ALV zu beziehen. Der Bundesrat hielt fest, dass gemäss Art. 69ter BV die Kantone allein für die Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen zuständig sind. Er erinnerte aber daran, dass das Bundesamt für Ausländerfragen bereits 1992 die Kantone dazu eingeladen hat, diese Verlängerungen generell zu gewähren. Auf seinen Antrag wurde die Motion in ein Postulat umgewandelt [49].
Die Behörden Deutschlands und der Schweiz schlossen mit Blick auf die Arbeitslosenversicherung eine Zusatzvereinbarung ab, die eine Lücke in den bisher getroffenen Regelungen schliessen soll. Im Zentrum des Abkommens stehen die Angehörigen eines Drittstaates, die in Deutschland wohnen und in der Schweiz arbeiten oder die Grenze mit umgekehrter Absicht täglich passieren. Diese Personen fielen bisher aus dem sozialen Netz, sobald sie arbeitslos wurden, da die früheren Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz den Anspruch auf Arbeitslosengeld nur für jene Grenzgänger regelten, die entweder deutscher oder schweizerischer Nationalität waren [50].
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Mit wenig Begeisterung trat der Ständerat in der Frühjahrssession auf die im Vorjahr vom BIGA ausgearbeitete zweite Teilrevision des AVIG ein. Die Vorlage wurde als notdürftiges Flickwerk kritisiert, das keine neuen Ideen bringe und keine angemessene Antwort auf die Situation der fast 200 000 Arbeitslosen darstelle. Da sie aber auch nicht eine schnell realisierbare, bessere Lösung sah, schwenkte die kleine Kammer vorab aus finanziellen Gründen schliesslich in fast allen Punkten auf die Vorschläge des Bundesrates ein. In Detailfragen setzte der Rat dennoch etwas andere Akzente als der Bundesrat. So limitierte er die Kompetenz zur Heraufsetzung des Beitragssatzes auf drei Lohnprozente bis Ende 1999 und entband die Kantone von der Verpflichtung, sich in ausserordentlichen Situationen mit nicht rückzahlbaren Darlehen an den Ausgaben beteiligen zu müssen. Die Wartefrist vor dem erstmaligen Bezug von ALV-Entschädigungen für Schul- und Studienabgänger verlängerte er gegenüber dem Bundesratsentwurf um weitere sechs Monate auf ein Jahr.
Bei der Verschärfung des Begriffs der zumutbaren Arbeit fügte er zusätzlich das Kriterium ein, dass eine Arbeit auch dann zumutbar ist, wenn der Lohn bis zu 10% unter dem letzten Taggeld liegt. Als neue Leistung bezog der Ständerat sogenannte Vorruhestandszuschüsse ins Gesetz ein. Diese sollten an Arbeitnehmer ausgerichtet werden, die mindestens zwei Jahre vor dem ordentlichen Pensionierungsalter in den Ruhestand treten, sofern an ihrer Stelle eine junge Person eingestellt wird. Einstimmig verabschiedete die kleine Kammer die Vorlage zuhanden des Nationalrats [51].
Die Kommission des Nationalrates - im Gegensatz zum Ständerat nicht die SGK, sondern die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) - war dann endgültig nicht mehr bereit, einer fast ausschliesslich auf die Finanzierung ausgerichteten Vorlage zuzustimmen, welche die Anspruchsbedingung für ALV-Leistungen in erster Linie aufs Stempeln beschränkt. Sie setzte eine Arbeitsgruppe ein, der auch Vertreter der Sozialpartner angehörten, welche wegweisende Lösungen ausarbeiten sollte, nach denen vorab die Wiedereingliederung der Arbeitslosen verstärkt wird.
Bei der Finanzierung folgte die Kommission in den grossen Linien Bundes- und Ständerat, brachte aber noch einige Retouchen an. So soll die Finanzierung grundsätzlich weiterhin über maximal 2% des für die obligatorische Unfallversicherung massgebenden Lohnes, d.h. bis 97 200 Fr. pro Jahr erfolgen. Zur Tilgung der bis Ende 1995 aufgelaufenen Schulden soll der Bundesrat aber die Kompetenz erhalten, auf den über den plafonierten Betrag hinausgehenden Lohnsummen einen Beitrag von 1% zu erheben. Im Gegensatz zum Ständerat führte die WAK wieder die Bestimmung ein, dass bei ausserordentlichen Verhältnissen Bund und Kantone A-fonds-perdu-Beiträge in der Höhe von maximal 10% der laufenden Verpflichtungen zu leisten haben, d.h. je 5%.
Neu - und vor allem von den Medien als fast schon revolutionäre Kehrtwende gefeiert - war die Übernahme des Grundsatzes der IV, wonach Wiedereingliederung vor Rente kommt. Zu diesem Zweck soll die Arbeitsvermittlung in neuen regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) zusammengefasst und professionalisiert werden, damit die Versicherten während der ganzen zweijährigen Rahmenfrist intensiv betreut werden können. Um vom passiven Taggeldbezug wegzukommen, reduzierte die WAK den Anspruch auf "normale" Taggelder grundsätzlich auf 150. Einzig ältere Versicherte sollten ohne Gegenleistung während 250 bzw. 400 Tagen Leistungen der ALV beziehen können. In der Absicht, aktive arbeitsmarktliche Massnahmen zu fördern, sollten bis zur Ausschöpfung der Rahmenfrist "besondere" Taggelder ausgerichtet werden, wenn der Arbeitslose einen Kurs besucht, an einem Beschäftigungsprogramm teilnimmt, einen Zwischenverdienst erzielt oder eine von der ALV unterstützte selbständige Arbeit aufnimmt. Zudem sollte die ALV unter gewissen Bedingungen Ausbildungszuschüsse für höchstens drei Jahre gewähren können.
Mit dieser neuen Ausrichtung wollte die WAK auch die Kantone in die Pflicht nehmen, vermehrt Plätze in Kursen und Beschäftigungsprogrammen zur Verfügung zu stellen. Sie führte deshalb die Bestimmung ein, dass die Kantone, falls sie dazu nicht imstande sind, einen Teil - 25% im Normalfall, 15% bei überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit - der ersatzweise auszurichtenden 80 besonderen Taggelder berappen müssen, auf die jeder Versicherte Anspruch hat. Im Gegenzug sollte der Arbeitslosenversicherungsfonds neu 90% der anrechenbaren Kosten für Programme zur vorübergehenden Beschäftigung übernehmen anstatt 50 bis 85% wie bis anhin.
Aber auch die Versicherten wurden von der WAK härter angefasst. Der Begriff der Zumutbarkeit einer Arbeit wurde gegenüber dem Ständerat noch etwas verschärft, die Wartezeit von 12 Monaten für Schul- und Studienabgänger bekräftigt und für alle Versicherten eine generelle Karenzfrist von fünf Tagen vor dem erstmaligen Bezug von ALV-Leistungen eingeführt. Da in letzter Zeit immer häufiger Missbräuche der ALV durch Arbeitgeber ruchbar geworden waren, verkürzte die WAK den Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung und führte strengere Kontrollen ein. Die Schlechtwetterentschädigung wollte sie ganz streichen [52].
Nach ausgiebigen Diskussionen - und nach der deutlichen Ablehnung von drei Rückweisungsanträgen Blocher (svp, ZH), Zisyadis (pda, VD) und SD/Lega-Fraktion - folgte das Plenum des Nationalrates der Kommission in den wesentlichen Punkten. Es kam aber den Kantonen insofern entgegen, als es die Finanzierung der ersatzweise auszurichtenden Taggelder in dem Sinn änderte, dass der Kantonsanteil bei andauernder Arbeitslosigkeit bis auf 10% reduziert werden kann. Die Beteiligung der Kantone an den Kursauslagen wurde auf 5% gesenkt und der Beitrag des ALV-Fonds an die Beschäftigungsprogramme auf 95% erhöht. Der Aufhebung der Schlechtwetterentschädigung stimmte die grosse Kammer nicht zu. In der Gesamtabstimmung passierte das revidierte Gesetz mit 123:30 Stimmen bei 16 Enthaltungen [53].
Im Anschluss an diese Beratungen wollte die WAK des Nationalrates den Bundesrat verpflichten, dem Parlament bis Ende 1996 die gesetzlichen und verfassungsmässigen Grundlagen für eine teilweise oder vollständige Finanzierung der ALV über eine Ressourcen- oder Konsumsteuer anstelle von Lohnprozenten zu unterbreiten. Die Landesregierung machte geltend, die Frage der Finanzierung der ALV müsse im Kontext aller Sozialversicherungen gesehen werden, weshalb der Zeitrahmen 1996 zu eng gesteckt sei. Zudem verwies sie darauf, dass sie zur Prüfung dieser Problematik eine interdepartementale Arbeitsgruppe eingesetzt habe (s. oben, Grundsatzfragen). Da die WAK die Ausführungen des Bundesrates nachvollziehen konnte, wurde mit ihrem Einverständnis die Motion nur als Postulat überwiesen [54].
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Erwerbsersatzordnung
Parallel zur Beitragserhöhung in der Invalidenversicherung (s. oben, IV) wurde der EO-Beitragssatz von 0,5 auf 0,3 Lohnprozente herabgesetzt. Die Gesamtbelastung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bleibt somit konstant und soll auch durch die 6. EO-Revision, welche von der Verwaltung vernehmlassungsreif vorbereitet wurde und nur mässige Mehrausgaben von rund 140 Mio Fr. pro Jahr vorsieht, nicht tangiert werden [55].
Mit einer Motion wollte Ständerat Seiler (svp, SH) den Bundesrat verpflichten, die EO-Revision gleichzeitig mit der Armeereform auf den 1. Januar 1995 in Kraft zu setzen und dabei die Entschädigungsarten und die Höhe der Leistungen den heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen anzupassen. Da Bundesrätin Dreifuss auf die bereits weit gediehenen und in die Richtung der Motion zielenden Vorarbeiten verweisen konnte, den Zeithorizont 1995 hingegen als zu eng erachtete, wurde der Vorstoss im Einverständnis mit dem Motionär bloss als Postulat verabschiedet [56].
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Weiterführende Literatur
P. Coullery, "Das Zusammenspiel von Sozialversicherungen und Sozialhilfe im System der sozialen Sicherheit: Probleme und Lösungsansätze", in Soziale Sicherheit, 1994, Nr. 2, S. 61 ff.
A. Flessenkämper, "Sozialstaatsmoratorium - der richtige Weg?", in Soziale Sicherheit, 1994, Nr. 2, S. 93 ff.
L. Gärtner, "Demografische Entwicklung und Sozialversicherung", in Soziale Sicherheit, 1994, Nr. 1, S. 4 ff.
P. Gilliand, La sécurité sociale en Suisse, Chavannes-près-Renens 1994 (Cahiers de l'IDHEAP no 134).
U. Kieser / G. Riemer-Kafka, Tafeln zum schweizerischen Sozialversicherungsrecht, Zürich 1994.
M. Lauterburg / M. Aeschbacher / B. Lischetti-Greber, Durchs Netz gefallen. Eine juristische Analyse der Frauen im schweizerischen Sozialversicherungssystem unter Berücksichtigung der Eigenheiten von Frauenlebensläufen, Muri b. Bern 1994.
Th. Locher, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, Bern 1994.
H.P. Tschudi, "Die Stellung der Kantone im Sozialversicherungsrecht", in Schweiz. Zeitschr. für Sozialversicherung und berufliche Vorsorge, 1994, Nr. 3, S. 161 ff.
Widerspruch, Nr. 27 (Heft zum Thema "Sicherheit contra Solidarität").
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W. Seiler, "Die Invalidenversicherung im gegenwärtigen wirtschaftlichen Umfeld", in Soziale Sicherheit, 1994, Nr. 3, S. 108 ff.
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T. Bandi / S. Dätwyler / H. Känzig, "Gesundheitskassen (HMOs) und Bonusversicherungen in der Evaluation", in Soziale Sicherheit, 1994, Nr. 1, S. 38 ff.
M. Moser, "Das neue Krankenversicherungsgesetz - eine Gesamtbeurteilung", in Soziale Sicherheit, 1994, Nr, 4, S. 156 ff.
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N. Gerner Fellay, "Vor der zweiten Teilrevision des Bundesgesetzes über die Arbeitslosenversicherung (AVIG)", in Soziale Sicherheit, 1994, Nr. 1, S. 46 ff.
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[1] Presse vom 6.1. und 7.1.94; SGT, 8.1.94; SoZ, 9.1.94; Cash, 14.1.94; TA, 17.1. und 29.6.94.1
[2] SP: Bund, 18.1. und 24.1.94; JdG, 16.2.94; NQ, 18.2.94. SGB: Den Sozialstaat stärken. Manifest des SGB zur sozialen Sicherheit, Bern 1994; Presse vom 31.8.94.2
[4] Gesch.ber., 1994, I, S. 40 und II, S. 96 f. Siehe dazu auch zwei Postulate Deiss (cvp, FR) und Raggenbass (cvp, TG) sowie eine Interpellation der SP-Fraktion in Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1193 f., 1903 f. und 1915 ff.; Presse vom 31.3.94; SoZ, 1.5.94; NZZ, 5.8.94.4
[5] BBl 1994, V, S. 921 ff.; SGT, 22.9.94. Vgl. M. Kocher, "Zum Wesen der Koordination in der schweizerischen Sozialversicherung", in recht, 1994, S. 67 ff. und SPJ 1992 S. 225.5
[6] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 588 f., 599 und 1862 ff. Vgl. SPJ 1993, S. 215. Siehe auch F. Wolffers, "Der Anspruch auf Existenzsicherung", in Plädoyer, 1994, Nr. 4, S. 30 ff. Vgl. SPJ 1993, S. 215. Beide Kammern lehnten eine Standesinitiative des Kantons BS zur Schaffung eines Grundrechts auf Existenzbedarf als die Einheit der Materie nicht respektierend und teilweise erfüllt ab (Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1155 f.; Amtl. Bull. StR, 1994, S. 1307 f.).6
[7] Genf: Soziale Sicherheit, 1995, Nr. 1, S. 23 ff.; TdG, 5.3.94; NQ, 28.6. und 14.10.94; Lib., 27.10.94. Tessin: P. Jardini, "Soziale und berufliche Eingliederung: Wegweisende Neuerungen im Gesetz über die Sozialhilfe des Kantons Tessin", in Soziale Sicherheit, 1994, Nr. 3, S. 114 ff.7
[8] Amtl. Bull. StR, 1994, S. 57 f. und 375; Amtl. Bull. NR, 1994, S. 356 und 667. Vgl. auch die Ausführungen des BR in Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1202. Siehe SPJ 1993, S. 216.8
[10] Amtl. Bull. StR, 1994, S. 612.10
[11] BBl, 1994, V, S. 257 ff., 403 ff. und 407 ff. Einer von der SP mit 42 000 Unterschriften eingereichten Petition mit dem Inhalt, die Frage des Rentenalters der Frauen solle erst in der 11. AHV-Revision diskutiert werden, gab der NR mit 104:58 Stimmen keine Folge (Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1880 f.).11
[12] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 593 f. und 1377 ff.12
[13] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 2458 f. 13
[14] Amtl. Bull. StR, 1994, S. 546 ff., 582 ff., 979 ff. und 1072 f.; Presse vom 10.6.94. Siehe SPJ 1993, S. 217 f.14
[15] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1342 ff., 1365 ff., 1676 und 1960 f.; BBl, 1994, III, S. 1804 ff. Für eine umfassende Würdigung der vom Parlament gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag des BR eingeführten Neuerungen siehe Soziale Sicherheit, 1994, Nr. 6, S. 248 ff. und 259 ff.15
[16] Presse vom 26.5., 22.6., 22.8., 27.8., 5.9., 6.9., 22.9. 10.10., 11.10. und 21.11.94. Anfangs Juni demonstrierten rund 7000 Personen in Bern gegen die Erhöhung des Frauenrentenalters (Presse vom 2.6.94).16
[17] BBl, 1994, V, S. 399 ff. 17
[18] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1367 f. und 1959; Amtl. Bull. StR, 1994, S. 805 ff., 981 und 1072; AS, 1995, S. 510. Siehe SPJ 1992, S. 228. Die Besserstellung der geschiedenen Frauen und die Verlängerung der Beschlüsse von 1992 gelten sinngemäss auch für die IV (Gesch.ber., 1994, II, S. 61).18
[19] BBl 1994, I, S. 1 ff.; Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1105 ff. und 1962 f.; Amtl. Bull. StR, 1994, S. 802 ff. und 1073; AS, 1995, S. 221. Ende des Berichtsjahres betrug das Defizit der IV 625 Mio Fr. gegenüber 420 Mio Fr. im Vorjahr (Soziale Sicherheit, 1995, Nr. 2, S. 114).19
[20] Amtl. Bull. StR, 1994, S. 58 ff. Vgl. SPJ 1993, S. 216.20
[21] Amtl. Bull. StR, 1994, S. 1308 ff. Siehe dazu auch die Ausführungen des BR in Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1219 f.21
[22] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1868 ff.22
[23] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1193 f.23
[24] BBl, 1994, III, S. 767; AS, 1994, S. 2386 ff.; Presse vom 25.6. und 4.10.94. Siehe auch W. Nussbaum, "Die neuen Bundesgesetze über die Freizügigkeit und über die Wohneigentumsförderung", in Soziale Sicherheit, 1994, Nr. 1, S. 15 ff. Gleich wie im Vorjahr der NR, schrieb auch der StR eine Standesinitiative des Kantons BS auf Freizügigkeit in der beruflichen Vorsorge als durch das neue Gesetz erfüllt ab (Amtl. Bull. StR, 1994, S. 1159). Siehe SPJ 1993, S. 220.24
[25] BBl, 1995, I, S. 278 ff.; Presse vom 6.9.-3.12.94. Siehe SPJ 1992, S. 236. Die Initiative wurde von einem Komitee "Gesundheit muss wieder bezahlbar sein: 2x JA" unterstützt, dem 53 eidgenössische Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus den Reihen der SP, der GP und der LdU/EVP angehörten (Bund, 18.10.94). Bekämpft wurde sie von einem Komitee "NEIN zur sozialistischen Krankenversicherung", in welchem rund 100 bürgerliche Abgeordnete zusammengeschlossen waren (TA, 16.10.94). Die Vox-Analyse zum Urnengang zeigte denn auch ein deutliches Links-Rechts-Schema (M. Delgrande / W. Linder, Analyse der eidg. Abstimmungen vom 4. Dez. 1994, Vox Nr. 55, Adliswil/Bern 1995).25
[26] BBl, 1994, II, S. 833 ff. Zum Beschluss B siehe SPJ 1991, S. 233.26
[27] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1133 ff., 1380 und 1963 f.; Amtl. Bull. StR, 1994, S. 791 ff. und 1073; AS, 1995, S. 511 ff.27
[28] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 2045 ff.; Amtl. Bull. StR, 1994, S. 1208 ff. In der Verordnung wurde die Verteilung der 500 Mio Fr. aus dem Ertrag der MWSt bereits nach dem Modell des revidierten KVG geregelt, indem für die Verteilung an die Kantone deren Wohnbevölkerung und Finanzkraft sowie die kantonale Durchschnittsprämie berücksichtigt wurden, nicht aber - anders als in der bisherigen Regelung - die allfälligen Verbilligungsbeiträge der Kantone (Soziale Sicherheit, 1994, Nr. 6, S. 245).28
[29] Presse vom 15.7.94.29
[30] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 13 ff. und 34 ff. Der Entscheid für die Erhöhung des Kantonsbeitrages fiel nur knapp mit 88:85 Stimmen. Ein Postulat der SGK-NR für eine Prämiengleichheit von Frau und Mann auch in den Zusatzversicherungen wurde vom Plenum recht deutlich abgelehnt (Amtl. Bull. NR, 1994, S. 42 ff.).30
[31] Amtl. Bull. StR, 1994, S. 89 ff.31
[32] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 357 ff., 493 f. und 663 f.; Amtl. Bull. StR, 1994, S. 89 ff., 308 und 374; BBl, 1994, II, S. 236 ff.; Presse vom 19.3.94.32
[33] BBl 1994, III, 1256 f.; BZ, 16.3. und 13.4.94; Bund, 10.5.94; NZZ, 18.8.94.33
[34] Soziale Sicherheit, 1994, Nr. 5, S. 199 ff. (Übersicht über die Argumente der Befürworter und Gegner); Presse vom 6.9.-3.12.94. Siehe dazu auch die Stellungnahme des BR in Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1942 f. Das Gesetz wurde von einem Komitee "für eine zukunftsgerichtete Krankenversicherung" unterstützt, dem neben rund 75 bürgerlichen Abgeordneten auch einige Sozialdemokraten angehörten. Bekämpft wurde es von einem "NEIN zum unbezahlbaren Krankenversicherungsgesetz", das vom Zürcher FDP-NR Cincera koordiniert wurde (TA, 16.10.94).34
[35] TA, 10.1.94; Bund, 30.8.94; Blick, 30.10.94.35
[36] BBl, 1995, I, S. 278 ff.36
[38] Soziale Sicherheit, 1994, Nr. 4, S. 181 ff.; Presse vom 23.6.94. Die vorläufige Beschränkung auf die erwerbstätigen Frauen begründete der BR mit finanziellen Argumenten sowie dem Umstand, dass ein generelles Mutterschaftstaggeld in der Volksabstimmung von 1987 über die Teilrevision des KVG deutlich abgelehnt worden war (Amtl. Bull. StR, 1994, S. 788). Ende Januar überreichten Vetreterinnen von 30 Frauenorganisationen BR Dreifuss eine Petition mit rund 27 000 Unterschriften für die sofortige Einführung des 16-wöchigen, bezahlten Mutterschaftsurlaubs (Presse vom 29.1.94). Ende November fand unter dem Motto "49 Jahre warten sind genug" ein nationaler Aktionstag statt (Presse vom 26.11.94).38
[39] Bund, 19.2.94; NZZ, 8.9. (Arbeitgeber) und 12.11.94; Presse vom 9.9. (Frauen von FDP, CVP und SVP) und 7.10.94 (Resultate Vernehmlassung); SoZ, 25.12.94. Zur Stellung der Eidg. Kommission für Frauenfragen, die ebenfalls eine Ausdehnung auf die nichterwerbstätigen Frauen verlangte, vgl. F-Frauenfragen, 1994, Nr. 3, S. 3 ff. Für einen Vergleich mit dem Ausland siehe Beobachter Extra, 1994, Nr. 3, S. 4 ff.39
[40] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1900 f. Neun Kantone (FR, GL, GR, LU, SH, SG, VD, ZG und ZH) kennen bereits heute Bedarfsleistungen zugunsten von Familien mit Kindern (Soziale Sicherheit, 1995, Nr. 1, S. 23 ff.).40
[41] JdG, 29.12.94. Gefahren für die Gesamtvorlage, falls das Fuder überladen werde, sah auch die Berner FDP-Ständerätin Beerli. Sie nahm deshalb eine abweichende Haltung innerhalb der bürgerlichen Frauen ein und schlug vor, die Leistungen für erwerbstätige Mütter auf 80% des letzten Lohnes zu beschränken und mit dem freiwerdenden Geld den nicht erwerbstätigen Müttern einen einmaligen Beitrag an die durch die Geburt entstehenden Kosten auszurichten (Presse vom 9.9.94).41
[42] Presse vom 2.7., 13.10. und 18.10.94. Nach der SUVA führten auch die privaten Unfallversicherer per 1995 einen vierklassigen Prämientarif für die NBU ein. Bei der Privatassekuranz sind etwa 230 000 Betriebe versichert (SGT, 25.10.94).42
[43] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1903.43
[44] Presse vom 9.5.95. Für den Ausbau der aktiven Präventionsmassnahmen (Weiterbildung, Einarbeitungszuschüsse, Beschäftigungsprogramme) vgl. S. Schnyder, "Weiterer Ausbau des Angebots an arbeitsmarktlichen Massnahmen" in Die Volkswirtschaft, 68/1995, Nr. 1, S. 48 ff. Siehe auch oben, Teil I, 7a (Arbeitsmarkt).44
[45] BBl, 1994, V, S. 581 ff.; Amtl. Bull. NR, 1994, S. 2006 und 2030 ff. Anstatt einer Erhöhung der Lohnprozente hatte die GP eine Energiesteuer zur Finanzierung der ALV vorgeschlagen (BaZ und NZZ, 12.1.94). Die FDP hatte sich ursprünglich für eine Karenzfrist von einem Monat stark gemacht (Presse vom 16.4.94).45
[46] Amtl. Bull. StR, 1994, S. 1222 ff., 1291 f., 1320 ff., 1340 und und 1360; Amtl. Bull. NR, 1994, S. 2262 ff., 2308 f., 2396 f. und 2542; AS, 1994, S. 3098 f.46
[47] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 2480.47
[48] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 2478.48
[49] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1180 f.49
[50] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 415 f.; Amtl. Bull. StR, 1994, S. 323 f.; BaZ, 20.1. und 27.1.94; SHZ, 30.6.94; NZZ, 26.7.94. Siehe SPJ 1992, S. 238.50
[51] BBl, 1994, I, S. 340 ff.; Amtl. Bull. StR, 1994, S. 216 ff. und 309 ff. Zur Wartefrist für Schulabgänger vgl. auch die Ausführungen des BR in Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1210 f. Für eine Petition des Verbandes der Schweizerischen StudentInnenschaften (VSS), von welcher der NR Kenntnis nahm, ohne ihr Folge zu geben, siehe Amtl. Bull. NR, 1994, S. 2456 f. Vgl. auch SPJ 1993, S. 226. Um die Bedeutung der Beratung der Arbeitslosen zu unterstreichen, überwies auch der StR eine entsprechende Motion des NR (Amtl. Bull. StR, 1994, S. 426 f. Vgl. SPJ 1993, S. 192).51
[52] Presse vom 17.8. und 8.9.94.52
[53] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1536 ff., 1544 ff., 1582 ff., 1631 ff., 1647 ff. und 1707 ff.; Soziale Sicherheit, 1994, Nr. 5, S. 223 ff. Trotz dem teilweisen Entgegenkommen des Plenums an die Kantone meldeten diese umgehend ihre Opposition an (Bund, 1.10.94). Zu möglichen Missbräuchen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite siehe Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1723 ff. Zur Bedeutung der RAV vgl. P. Bucher, "Einführung Regionaler Arbeitsvermittlungszentren (RAV)", in Die Volkswirtschaft, 68/1995, Nr. 4, S. 42 ff. Nach den Beschlüssen des NR zog die SP-Fraktion eine 1993 eingereichte parlamentarische Initiative zurück, welche ebenfalls das Prinzip "Wiedereingliederung vor Rente" zum Ziel gehabt hatte (Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1728 ff.).53
[54] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1722 f.54
[55] Gesch.ber., 1994, II, S. 61.55
[56] Amtl. Bull. StR, 1994, S. 102 ff.56
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