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Sozialpolitik
Sozialversicherungen
Der Bundesrat gab seine Entwürfe für die 11. Revision der AHV in die Vernehmlassung. – Die Volksinitiative ”für die 10. AHV-Revision ohne Erhöhung des Rentenalters” wurde an der Urne abgelehnt. – Als Zweitkammer stimmte auch der Nationalrat der Erhebung eines zusätzlichen Mehrwertsteuerprozents für die AHV ab 1999 zu.– Das Parlament beschloss die Abschaffung der Viertelsrente in der Invalidenversicherung. Gegen diese Gesetzesänderung wurde das Referendum ergriffen. – Das Parlament stimmte der Revision der Erwerbsersatzordnung (EO) zu. – Die Landesregierung stellte ihre Vorschläge für die erste Revision des Bundesgesetzes über die berufliche Vorsorge vor. – Der Bundesrat leitete dem Parlament seine Vorschläge für eine erste Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes zu. – Die Räte verabschiedeten die Mutterschaftsversicherung.
Grundsatzfragen
Bereits in der Vernehmlassung zur neuen Bundesverfassung war von bürgerlicher Seite immer wieder verlangt worden, neben der Auflistung der Sozialziele in einem eigenen Kapitel (siehe unten) und der Übernahme ungeschriebenen Verfassungsrechts im Bereich der minimalen Existenzsicherung (siehe oben, Teil I, 7b, Sozialhilfe) müsse auch ein Artikel über die Pflichten des Individuums gegenüber dem Staat aufgenommen werden. Nach mehrmaligem Hin und Her zwischen den Kammern stimmte das Parlament schliesslich einem neuen Art. 6 (Individuelle und gesellschaftliche Verantwortung) zu, der besagt, dass jede Person für sich selber Verantwortung wahrnimmt und nach ihren Kräften zur Bewältigung der Aufgaben in Staat und Gesellschaft beiträgt. Der Nationalrat hatte diese Bestimmung mit der Ergänzung versehen wollen, dass jede Person ihre Fähigkeiten nach ihren Neigungen soll entfalten und entwickeln können. Angesichts der Opposition von Ständerat und Bundesrat, welche dies als Ausdruck einer individualistischen Grundhaltung erachteten, der man hier gerade entgegentreten möchte, verzichtet die grosse Kammer schliesslich auf diesen Zusatz [1].
Bei den Sozialzielen in Art. 41, der in einem eigenen Kapitel Grundsätze bündelt, die in der bisherigen Verfassung an verschiedener Stelle standen oder in internationalen Verträgen stipuliert sind, schlug der Bundesrat vor, in Abs. 1 das Subsidiaritätsprinzip, wonach sich Bund und Kantone ”in Ergänzung zu privater Initiative und Verantwortung” im Rahmen ihrer verfassungsmässigen Zuständigkeiten und ihrer verfügbaren Mittel dafür einsetzen, dass jede Person an der sozialen Sicherheit teilhat und besonders gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität, Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit, Mutterschaft, Verwaisung oder Verwitwung gesichert ist, ausdrücklich zu erwähnen. Beide Kammern ergänzten auf Antrag ihrer jeweiligen Kommission den Begriff der Verantwortung mit dem Adjektiv der ”persönlichen” Verantwortung. Im Nationalrat versuchte die Linke mit zwei Minderheitsanträgen vergeblich, sowohl das Subsidiaritätsprinzip wie den Hinweis auf die verfügbaren Mittel zu streichen. Sie argumentierte, Sozialziele gehörten als eigenständiger – und nicht im gleichen Atemzug wieder einzuschränkender – Grundpfeiler in die Verfassung. Die bürgerliche Mehrheit machte deutlich, dass die Erwähnung dieser Elemente sowie der individuellen Verantwortung für sie der Preis dafür sei, dass dieses – in der Vernehmlassung durchaus nicht unbestrittene – Kapitel in dieser Form überhaupt in der nachgeführten Verfassung verbleibe, und sie setzte sich mit 117 zu 62 resp. 116 zu 62 Stimmen klar durch.
Streichen wollte die linke Minderheit auch den zweiten Absatz des Artikels, wonach aus den Sozialzielen keine unmittelbaren Ansprüche auf staatliche Leistungen abgeleitet werden können. Sie erklärte, es gehe nicht an, Sozialziele gleich zweimal zu relativieren. Obgleich es sich eindeutig nicht um Sozialrechte handle, sollten sie doch für alle Behörden als Richtlinien gelten. Die bürgerlichen Parteien erhoben die Beibehaltung dieses Absatzes erneut zur Schicksalsfrage für den ganzen Artikel. Der Streichungsantrag unterlag denn auch in ähnlicher Deutlichkeit wie jener zu Abs. 1, nämlich mit 117 zu 61 Stimmen. Damit waren die inhaltlichen Leitlinien dieses Artikels bereits in erster Lesung bereinigt [2].
In der Herbstsession behandelte der Nationalrat zwei grundsätzliche Vorstösse zur Sozialpolitik. Seine Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) verlangte in einer Motion, der Bundesrat solle bis Ende des Jahres ein Gesamtkonzept für die künftige Sozialpolitik vorlegen, das die Erkenntnisse sozialer Risiken und die Ergebnisse der Berichte IDA-Fiso 1 und 2 einschliesst. Da der Bundesrat auf bereits laufende Vorarbeiten der Verwaltung in diesem Bereich verweisen konnte, folgte das Plenum seinem Antrag und überwies das Anliegen als Postulat. Ebenfalls nur in dieser abgeschwächten Form wurde eine Motion Dormann (cvp, LU) angenommen, welche die Landesregierung verpflichten wollte, eine Projektorganisation einzusetzen, die Vorschläge für eine kohärente Reform des Systems der sozialen Sicherung (Sozialversicherung und Sozialhilfe) und der Existenzsicherung erarbeitet und deren Umsetzung begleitet. Hier vertrat der Bundesrat die Auffassung, eine problemorientierte Lösung dieser Fragen, die sowohl den Bund wie die Kantone und Gemeinden betreffe, könne erst nach Abschluss der Arbeiten zum neuen Finanzausgleich in Angriff genommen werden [3].
Die Frist für die Behandlung der Ratifizierung der Europäischen Sozialcharta wurde vom Nationalrat um weitere zwei Jahre verlängert. Eine Minderheit meinte, mit der Aufnahme des Streikrechts in den Entwurf zur neuen Bundesverfassung sei einer der beiden Stolpersteine, die bisher eine Genehmigung der Charta verunmöglicht hatten, aus dem Weg geräumt. Die Mehrheit weigerte sich aber, auf den entsprechenden Bundesbeschluss einzutreten, bevor nicht ein endgültiger Entscheid zur revidierten Bundesverfassung vorliegt [4].
Der Nationalrat forderte den Bundesrat mit einem überwiesenen Postulat seiner SGK auf, für die rasche Schliessung von bestehenden statistischen Lücken und für eine Koordination der Statistiken im Bereich der sozialen Sicherung besorgt zu sein [5].
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Aufgrund der beiden Berichte IDA-FiSo 1 und 2 traf sich der Gesamtbundesrat zu mehreren Aussprachen über die künftige Entwicklung der Sozialwerke. Zwei grundsätzliche Vorgaben leiteten ihn dabei. Erstens die Feststellung, dass sich die Sozialversicherungen alles in allem bewährt haben und politisch gut verankert sind, weshalb sich eine generelle Änderung des Systems nicht aufdrängt. Zweitens die Erkenntnis, dass es zu deren finanzieller Sicherung zusätzlicher Mittel bedarf, und zwar unabhängig davon, ob die Leistungen ausgebaut, auf dem jetzigen Stand eingefroren oder verringert werden. Der Bundesrat will die Sozialwerke auch in Zukunft aus verschiedenen Quellen alimentieren, weil eine Mischfinanzierung am ehesten Stabilität gewähre. Für die Beschaffung zusätzlicher Mittel steht die Erhöhung der Mehrwertsteuer im Vordergrund. Ausgehend von der Gesamtschau von IDA-FiSo 2 definierte die Landesregierung drei Bereiche, die prioritär bearbeitet werden sollen, nämlich die Krankenversicherung mit der Umsetzung der kostendämpfenden Massnahmen, die Arbeitslosenversicherung mit der sozialen und beruflichen Wiedereingliederung und die AHV/IV mit einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Einnahmen und Leistungen [6].
In der Volksabstimmung vom 7. Juni sprachen sich die Stimmberechtigten für die Sanierung der Bundesfinanzen aus (siehe oben, Teil I, 5, Sanierungsmassnahmen). Die Gegner des neuen Verfassungsartikels hatten im Vorfeld die Befürchtung geäussert, damit würden Tür und Tor für einen unüberlegten Sozialabbau geöffnet. Insbesondere könnte sich der Druck zu weiteren Einsparungen bei der AHV erhöhen. Die Sozialversicherungen seien jedoch auf das Vertrauen der Bevölkerung in ihre langfristige Stabilität angewiesen. Dieses werde durch den Einbezug der Sozialversicherungen in institutionelle Sparautomatismen wie das Haushaltsziel 2001 beeinträchtigt. Die Befürworter, angeführt von Bundesrat Villiger, betonten demgegenüber, dass solide Staatsfinanzen auch die Voraussetzung für eine langfristige Sicherung der Sozialwerke bilden [7].
Am ”Runden Tisch” wurde ausgehandelt, dass die Kantone 500 Mio Fr. zur Sanierung der Bundesfinanzen beitragen. Für gut 180 Mio Fr. davon lagen nach Abschluss der Gespräche drei Varianten vor: Erhöhung der Kostenbeteiligung an der Prämienverbilligung in der Krankenversicherung, Beteiligung an den Kosten der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) oder Erhöhung der Kantonsbeiträge an die AHV. Der Bundesrat entschied sich für letzere Variante. Damit wird der Bund von 1999 an bei der AHV um diesen Betrag entlastet [8].
In Beantwortung einer Einfachen Anfrage Rychen (svp, BE) zu den Sozialversicherungskosten, welche der Schweiz bei Abschluss der bilateralen Verhandlungen mit der EU ins Haus stehen, machte die Landesregierung anfangs Juli erstmals konkrete Angaben. Ihrer Ansicht nach sind die grössten Kosten bei der Arbeitslosenversicherung zu erwarten, da Kurzaufenthalter und Saisonniers künftig nach einem Aufenthalt von sechs Monaten Taggelder beziehen können, wobei die Schweiz die zuvor in einem anderen EU-Staat geleistete Versicherungszeit berücksichtigen muss. Positiv zu vermerken sei aber, dass die EU in eine Übergangsfrist von sieben Jahren einwillige, da die Schweizer Wirtschaft überdurchschnittlich viele Wanderarbeiter mit befristeten Verträgen beschäftigt. In diesem ersten Zeitraum wird die Schweiz jährlich Beiträge von rund 170 Mio Fr. ausbezahlen und weitere 40 Mio Fr. an ausländische Versicherungen rückerstatten. Nach Ablauf der Frist wird volles EU-Recht gelten: dannzumal, schätzte der Bundesrat, werden die Zusatzkosten auf 370 bis 600 Mio Fr. pro Jahr steigen. Eine Entlastung sei dagegen bei den Grenzgängern absehbar. Heute zahlt die Schweiz den Arbeitslosenkassen in den Nachbarländern die Beiträge der Grenzgänger im Umfang von rund 200 Mio Fr. zurück. Diese Rückerstattung ist innerhalb der EU nicht vorgesehen und fällt deshalb nach der Übergangsfrist dahin.
Bei der AHV rechnet der Bundesrat mit jährlichen Kosten von 34 Mio Fr. Für die berufliche Vorsorge liegen die Ausgaben bei 10,7 und für die Familienzulagen bei 2 Mio Fr. Die Krankenversicherung für die Angehörigen von EU-Wanderarbeitnehmern und Grenzgängern wird dem Staat kaum Mehrkosten verursachen, da die Kassen das Angebot selbsttragend gestalten sollen. Allerdings wird die Schweiz in Härtefällen die Prämienverbilligung exportieren müssen. Damit liegen die gesamten Zusatzkosten während der siebenjährigen Übergangsfrist bei 462 Mio Fr. In der anschliessenden Phase mit uneingeschränktem EU-Recht muss mit Kosten von 422 bis 652 Mio Fr. jährlich gerechnet werden. Dem stehen Verbesserungen gegenüber, von denen auch Schweizer im EU-Rahmen profitieren. So ist vorgesehen, die zwischenstaatliche Leistungsaushilfe zu gewähren und die Beitragszeiten an ausländische Sozialversicherungen zu addieren und als Basis für die Auszahlungen zu verwenden [9].
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Alters- und Hinterbliebenenversicherung (AHV)
Das Defizit der drei staatlichen Sozialwerke AHV, IV und EO fiel um gut eine Milliarde Franken höher aus als im Vorjahr, allerdings etwas niedriger als im voraus befürchtet. Die AHV allein lag Ende 1998 mit 1,4 Mia Fr. im Minus. Bei der IV gab es einen Fehlbetrag von 696 Mio Fr. Nur die EO erzielte 251 Mio Fr. Überschuss. Mit dem erneut eingefahrenen Defizit sank das AHV-Vermögen auf 24,2 Mia Fr., was 82% einer Jahresausgabe entspricht [10].
Die Volksinitiative der SP und der Gewerkschaften ”für die 10. AHV-Revision ohne Erhöhung des Rentenalters” wurde in der Volksabstimmung vom 27. September mit 58% Neinstimmen verworfen. Angenommen wurde sie nur von den welschen Kantonen Waadt, Neuenburg, Genf, Jura und Freiburg (sehr knapp) sowie dem Tessin. Die Initianten wollten mit dem Begehren einen Teil der 10. AHV-Revision, nämlich die schrittweise Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 64 Jahre, vom Volk an der Urne korrigieren lassen. Sie argumentierten, dass sich im Juni 1995 bei der Abstimmung zur 10. AHV-Revision ein grosser Teil der Stimmenden in einer Zwickmühle befunden habe: ein Ja zum fortschrittlichen Paket (Splitting und Erziehungsgutschrift) habe zwingend auch eine Zustimmung zum heftig umstrittenen höheren Rentenalter für die Frauen bedeutet. Die Gegner taten dies als ”Rosinenpickerei” ab und führten vor allem die Finanzen ins Feld: Die Beibehaltung des Rentenalters 62 für die Frauen würde die AHV jedes Jahr mindestens 700 Mio Fr. kosten. Bundesrätin Dreifuss, vor ihrer Wahl in den Bundesrat als Gewerkschafterin entschiedene Kämpferin gegen die Erhöhung des Frauenrentenalters, zeigte sich nach der Abstimmung erfreut über das klare Ergebnis, äusserte aber gleichzeitig auch ihre Besorgnis über die starken regionalen Unterschiede mit Ja-Stimmenanteilen zwischen 23 und 68% [11].
Volksinitiative ”für die 10. AHV-Revision ohne Erhöhung des Rentenalters”
Abstimmung vom 27. September 1998

Beteiligung: 51,6%
Nein: 1 347 139 (58%) / 17 6/2 Stände
Ja: 973 966 (42%) / 5 Stände

Parolen:
Nein: CVP, FDP, SVP, LP, FP, SD, EDU, KVP; SGV, Arbeitgeber, Vorort, SBV; Schweizerischer Senioren- und Rentnerverband (SSRV).
Ja: SP, GP, LdU, EVP, CSP, Lega, PdA; SGB, CNG, VSA; SAJV.
Die Vox-Analyse dieses Urnengangs zeigte, dass das Resultat vor allem auf die relativ homogene Haltung der Sympathisanten der bürgerlichen Bundesratsparteien zurückzuführen war, welche die Initiative zu 75% ablehnten (CVP 77%, FDP 73%, SVP 75%). Die Anhänger der SP stimmten zu 59% dem Begehren zu, die Mitglieder der Gewerkschaften hingegen nur mit 51%. Mit 46% Ja lehnten die Frauen die Vorlage weniger deutlich ab als die Männer (36%). Zu dem höheren Ja-Stimmenanteil der Frauen trugen vor allem die Frauen der Romandie bei; sie sprachen sich zu 65% für das Begehren aus. Die Deutschschweizer Frauen (39% Ja) unterstützten dagegen die Vorlage nicht signifikant besser als die Männer [12].
Der Bundesrat hatte dem Parlament zu Ende des Vorjahres beantragt, sowohl die Volksinitiative des Schweiz. Kaufmännischen Verbandes und der Angestelltenverbände ”für eine Flexibilisierung der AHV – gegen die Erhöhung des Rentenalters für Frauen” als auch jene der Grünen Partei ”für ein flexibles Rentenalter ab 62 für Frau und Mann” Volk und Ständen ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen. Die vorberatende Kommission des Nationalrates sprach sich ganz knapp – mit Stichentscheid ihres Präsidenten (Rechsteiner, sp, SG) – für Annahme der beiden Initiativen aus. Sie argumentierte, das Rentenalter 65 entspreche nicht mehr der gelebten Wirtschaftsrealität; heute stehe jeder Fünfte – freiwillig oder zwangsweise – schon vor dem gesetzlichen Rentenalter nicht mehr im Erwerbsleben. Das Plenum sah das anders. Zwar wurde die Notwendigkeit einer flexiblen Pensionierung breit unterstützt, aus finanziellen Gründen wurde eine faktische Herabsetzung des Rentenalters auf 62 Jahre aber als nicht machbar erachtet. Mit 104 zu 72 bzw. 106 zu 71 Stimmen empfahl der Nationalrat die Initiativen zur Ablehnung. Nach kurzer Diskussion folgte ihm der Ständerat und verwarf die Volksbegehren mit 32 resp. 31 zu 3 Stimmen [13].
Auch zur Volksinitiative der Grünen ”für eine gesicherte AHV – Energie statt Arbeit besteuern” will der Bundesrat keinen Gegenvorschlag vorlegen. Das Begehren verlangt in erster Linie die Einführung einer Energieabgabe, um damit die Herabsetzung des Rentenalters zu finanzieren und die Sozialversicherungsbeiträge zu senken. Die Landesregierung machte keine Einwände gegen eine Energiesteuer geltend, kritisierte aber die zu weit gehende Zweckbindung der Abgabe, die sie als massive Beschränkung des zukünftigen finanzpolitischen Spielraumes erachtete [14].
Ende August bereinigte der Bundesrat seinen Entwurf für die 11. AHV-Revision und gab ihn in eine breite Vernehmlassung. Die Vorlage hat im wesentlichen zwei Schwerpunkte, nämlich die finanzielle Konsolidierung der AHV und das flexible Rentenalter. Eine ausgeglichene Finanzierung der 1. Säule soll einerseits durch Mehreinkünfte, andererseits durch Einsparungen erzielt werden. Dabei bestehen die Mehreinnahmen aus einer Zusatzfinanzierung (Erhöhung der Mehrwertsteuer um gesamthaft 2,5 Prozentpunkte bis ins Jahr 2007) und aus Massnahmen zu mehr Beitragsgerechtigkeit (Vereinheitlichung der Beitragssätze der Selbständigerwerbenden und der Arbeitnehmenden, Aufhebung der sinkenden Beitragsskala und des Freibetrags für erwerbstätige Altersrentner). Auf der Ausgabenseite sollen durch eine Anhebung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre und eine Angleichung der Witwen- an die Witwerrente (Aufhebung der Rente für Frauen unter 50 Jahren, wenn keine minderjährigen Kinder mehr zu betreuen sind) Einsparungen erzielt werden.
Der Bundesrat möchte die Anhebung des Rentenalters der Frauen durch einen Ausbau des flexiblen Rentenalters abfedern. Unter bestimmten Voraussetzungen sollen Frauen nach wie vor die Möglichkeit haben, ihre Altersrente mit 62 Jahren zu beziehen und zwar ohne Rentenkürzung. Männer sollen neu in den Genuss einer gegenüber heute erheblich günstigeren Flexibilität kommen. Anders aber als die beiden hängigen Volksinitiativen macht der Bundesrat diesen Anspruch von bestimmten Bedingungen abhängig. Für die Voraussetzung zum Bezug einer vorgezogenen Rente legte er drei Modelle vor, welche im Rahmen der Vernehmlassung breit diskutiert werden sollen (lange Erwerbsdauer, einkommensabhängiger Kürzungssatz, lineare Kürzung mit versicherungstechnischem Kürzungssatz) [15].
In ersten Reaktionen stiessen die Vorschläge des Bundesrates von Rechts bis Links auf Kritik. Der Arbeitgeberverband erklärte, die Regierung setze falsche Prioritäten; nicht die Flexibilisierung des Rentenalters sei vordringlich, sondern die Sanierung der AHV, wozu Mehreinnahmen über die Mehrwertsteuer nichts taugten. Der Gewerbeverband unterstützte das einheitliche Rentenalter für Mann und Frau, lehnte jede Erhöhung des Beitragssatzes für Selbständigerwerbende hingegen kategorisch ab. Die FDP äusserte sich ebenfalls positiv zur vorgesehenen Gleichstellung von Mann und Frau, meldete aber bereits Opposition gegen das Modell der langen Erwerbsdauer an, da es ausbildungsfeindlich sei. Die SP sah in den bundesrätlichen Vorschlägen einen Schritt in die richtige Richtung, bedauerte aber, dass die Einsparungen einmal mehr einseitig zu Lasten der Frauen gehen sollen. Für den SGB gingen die vorgeschlagenen Flexibilisierungsmodelle eindeutig zu wenig weit. Einzig die CVP zeigte sich auf der ganzen Linie zufrieden und meinte, die Gleichstellung der Geschlechter sei ebenso zu begrüssen wie die Beschaffung zusätzlicher Finanzmittel über die Mehrwertsteuer. Im Lauf der Vernehmlassung änderte sich kaum etwas an diesen ersten Stellungnahmen; allerdings wurde klar, dass die bürgerlichen Bundesratsparteien und die Wirtschaftsverbände nur auf die 11. AHV-Revision einzutreten gewillt sind, wenn der Bundesrat vorgängig eine Gesamtstrategie für die Sicherung aller Sozialwerke vorlegt [16].
Parallel zu seinen Vorschlägen für die 11. AHV-Revision legte der Bundesrat auch die Grundzüge zur weiteren Ausgestaltung der freiwilligen AHV fest, die den Auslandschweizerinnen und -schweizern vorbehalten ist. Dieses Sozialversicherungswerk war 1948 geschaffen worden, als die meisten Residenzländer eine obligatorische staatliche Alters- und Hinterbliebenenversicherung noch kaum oder nicht kannten. Da in der Zwischenzeit die meisten ausländischen Staaten ebenfalls existenzsichernde Altersvorsorgesysteme eingeführt haben, denen die Auslandschweizer aufgrund der bilateralen Sozialversicherungsabkommen beitreten können, hatte der Bundesrat dem Parlament bereits 1992 im Rahmen der ”Eurolex” und dann noch einmal 1994 beantragt, die freiwillige AHV, die seit ihrer Einführung stets defizitär war, aufzuheben. Die Räte hatten dies damals abgelehnt, die Landesregierung aber im Gegenzug beauftragt, einen Entwurf auszuarbeiten, welcher der Situationen jenes Viertels der Auslandschweizer Rechnung trägt, die nicht in einem Staat mit einem bilateralen Abkommen wohnen.
Der Bundesrat möchte nun den Kreis der Versicherten einschränken und das Beitragsvolumen durch gezielte Massnahmen erhöhen. Die freiwillige Versicherung soll nur noch jenen Auslandschweizern angeboten werden, die unmittelbar vor ihrer Abreise ins Ausland während mindestens fünf Jahren obligatorisch versichert waren. Die Versicherung wird ausserdem auf Personen beschränkt, die in einem sogenannten Nichtvertragsstaat leben; damit soll die Zahl der Versicherten innerhalb von 15 Jahren von heute 50 000 auf 4700 zurückgehen. Zudem wird der Beitragssatz von 9,2 auf 9,8% erhöht. In einer Übergangsregelung können freiwillig Versicherte in einem Vertragsstaat, die das 50. Altersjahr erreicht haben, die Versicherung bis zum Eintritt ins Rentenalter weiterführen. Der Auslandschweizerrat, eine Art ”Parlament der Fünften Schweiz”, sprach sich einstimmig gegen die Vorlage aus, da sie die sonst so viel gepriesene Mobilität der jungen Schweizerinnen und Schweizer bestrafe [17].
Nach der kleinen Kammer stimmte auch der Nationalrat der einprozentigen Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes zugunsten der AHV/IV zu. Streitpunkt in der ausführlichen Debatte war nicht die grundsätzliche Notwendigkeit dieser neuen Einnahmequelle, die im Rahmen der Einführung der MWSt ohnehin für den Zeitpunkt vorgesehen war, in dem die demographische Entwicklung der Alterspyramide zu finanziellen Engpässen in der AHV führen würde. Diskussionen lösten vor allem die Fragen aus, ob es korrekt sei, das zusätzliche Prozent nur beim ordentlichen Satz von 6,5% voll zu erheben, bei den reduzierten Sätzen dagegen nur proportional, und ob es der Absicht des Verfassungsgebers entspreche, dass ein Teil des ”AHV-Prozentes” der Bundeskasse zugute kommt, die damit bei ihren Beiträgen an die AHV entlastet wird (siehe dazu auch oben, Teil I, 5, Indirekte Steuern). Trotz Meinungsverschiedenheiten in beiden Punkten überwog der Wille, die Zusatzfinanzierung rasch zu realisieren, weshalb gleich wie im Ständerat die Inkraftsetzung auf 1999 beschlossen wurde. Der Antrag von Borer (fp, SO) und Bortoluzzi (svp, ZH) auf eine lineare Erhöhung aller MWSt-Sätze um ein Prozent wurde schliesslich ebenso deutlich abgelehnt wie die Forderung (Bortoluzzi/Borer), den ganzen Ertrag dem AHV-Ausgleichsfonds zukommen zu lassen. Verworfen wurde auch der zu diesem Zeitpunkt am ”Runden Tisch” erst andiskutierte und hier von Egerszegi (fdp, AG) eingebrachte Vorschlag, den erwarteten Mehreinnahmen eine Sparmassnahme in dem Sinn gegenüberzustellen, dass die Renten nur noch alle drei, anstatt alle zwei Jahre der Teuerung angepasst werden. In der Schlussabstimmung sprach sich der Ständerat einstimmig für die Vorlage aus, der Nationalrat mit 130 zu 39 Stimmen bei 10 Enthaltungen [18].
Entgegen den am ”Runden Tisch gefassten Beschlüssen reichte die mit der Vorberatung des Stabilisierungsprogramms betraute Kommission im Nationalrat eine Motion ein, welche den Bundesrat verpflichtet, anlässlich der 11. AHV-Revision die Frage des Rhythmus der Teuerungsanpassung der AHV/IV-Renten neu zu regeln. Gegen den Widerstand der Linken wurde die Motion mit 111 zu 56 angenommen [19].
Mit einer Motion wollte Nationalrätin Baumann (sp, BE) erreichen, dass alleinstehenden Rentnerinnen und Rentnern ein Zuschlag von 20% zu ihrer Rente gewährt wird, wobei Rente und Zuschlag den Höchstbetrag der Altersrente nicht übersteigen dürften. Baumann betrachtete ihren Vorstoss als Beitrag zur Armutsbekämpfung, welche vor allem einkommensschwächere Frauen und Männer ohne Partnereinkommen bedroht. Der Bundesrat verwies auf Verbesserungen bei der Rentenformel im Rahmen der 10. AHV-Revision und beantragte Umwandlung in ein Postulat. Der Vorstoss wurde aber von Egerszegi (fdp, AG) generell bekämpft und damit der Diskussion vorderhand entzogen [20].
Die grosse Kammer überwies ein vor allem von der SP und der CVP getragenes Postulat Widmer (sp, LU), welches den Bundesrat einlädt, die Einführung eines Bonus bei der AHV für Freiwilligenarbeit im Sozialbereich zu prüfen. Diese Gutschrift soll Personen gewährt werden, die nicht erwerbstätig sind oder deren Einkommen nicht zum Bezug der AHV-Maximalrente berechtigt [21].
Seit Anfang 1997 wird dem AHV-Ausgleichsfonds erlaubt, einen Teil seines Vermögens von rund 23 Mia Fr. in Schweizer Aktien und Fremdwährungsobligationen zu investieren. In den ersten anderthalb Jahren wurde mit den Aktien ein Gewinn von 13% erzielt, dem ein Verlust bei den Obligationen von 1,5% gegenüberstand. Die Börsenschwankungen im zweiten Halbjahr 1998 liessen die Aktien-Euphorie allerdings rasch wieder abflauen. Dennoch gedenkt die Verwaltung des Fonds, in den nächsten sechs Jahren die Darlehen an Bund, Kantone und Gemeinden um 6 Mia Fr. abzubauen und die Hälfte davon an der Börse zu investieren. Die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) der Räte schlugen eine weitere Lockerung der Anlagevorschriften vor; so sollten auch ausländische Aktien erworben werden können. Zudem sei zu prüfen, ob es nicht zweckmässig wäre, die gesamte Verwaltung des Fondsvermögens externen Portfolio-Managern zu übertragen [22].
Zu Vorstössen, die auf 18 Mia geschätzten überschüssigen Goldreserven der Nationalbank für die AHV zu verwenden, siehe oben, Teil I, 1a (Grundsatzfragen). Für eine zusätzliche Einnahme zugunsten der AHV, wie sie Nationalrätin Hafner (sp, SH) in einer Motion für eine gesamtschweizerische Erbschaftssteuer verlangte, sowie den Vorschlag einer nationalrätlichen Kommission, die AHV durch eine Ökosteuer zu finanzieren, siehe oben, Teil I, 5 (Direkte und indirekte Steuern). Zu den für die AHV reservierten Gewinnen der Spielbanken vgl. oben, Teil I,4a (Strukturpolitik).
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Invalidenversicherung
Eine Überraschung ergab sich in der Sommersession vorerst im Nationalrat bei der Beratung der 4. Revision des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IV). Recht knapp mit 84 zu 76 Stimmen folgte die Volkskammer einem Antrag Gross (sp, TG) und beschloss, gegen Bundes- und Ständerat an der Viertelsrente für Personen mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung zwischen 40 und 50 Prozent festzuhalten. Den Durchbruch schaffte der Antrag dank der Unterstützung durch bürgerliche Ratsmitglieder aus FDP, CVP und SVP. Die Gegner des nun vom Bundesrat bereits zum dritten Mal präsentierten Vorschlags argumentierten, dass es sich bei den geschätzten 20 Mio Fr. pro Jahr um ”unechte” Einsparungen handle, da dadurch voraussichtlich mehr Halbrenten gesprochen würden; zudem widerspreche die Massnahme dem ursprünglichen Grundsatz der IV (Wiedereingliederung vor Rente), weil damit jede Erwerbstätigkeit über 50% finanziell unattraktiv würde. Die Befürworter einer Streichung führten ins Feld, die Ablösung der Viertelsrente durch eine bessere Berücksichtigung von Härtefällen bei den Ergänzungsleistungen entspreche dem Bestreben, den individuellen Bedürfnissen der betroffenen Personen gerecht zu werden. Bundesrätin Dreifuss verwies zudem darauf, dass die Viertelsrenten im Rahmen der Verträge mit der EU wohl auch ins Ausland exportiert werden müssten, was mit der vorgeschlagenen Überführung der Härtefallrenten ins EL-System vermieden werden könnte. Abgelehnt wurde hingegen ein rot-grüner Antrag, das Defizit der IV mit einer Erhöhung der Beiträge um drei Lohnpromille von heute 1,4 auf 1,7% auszugleichen oder zumindest zu verringern. Die Abschaffung der Zusatzrenten für die Ehepartner passierte auch in der grossen Kammer praktisch diskussionslos [23].
Im Ständerat beantragte eine Minderheit aus CVP und SP, dem Nationalrat zu folgen, unterlag aber mit 25 zu 13 Stimmen. Auch ein Antrag Rochat (lp, VD), Viertelsrenten jeweils nur für zwei Jahre zu sprechen und dann den Fall erneut zu überprüfen, wurde nicht als tauglicher Kompromiss erachtet. Im Nationalrat beantragte die Kommission zwar Festhalten am ersten Entscheid. Da Abklärungen der Verwaltung in der Zwischenzeit jedoch ergeben hatten, dass die Viertelsrenten bei einem Abschluss der bilateralen Verhandlungen tatsächlich exportiert werden müssten, wurde der ohnehin nur knapp zustandegekommene Beschluss gekippt. Mit 76 zu 72 stimmte nun auch die grosse Kammer der Streichung der Viertelsrenten zu; bereits gesprochene Renten sollten aber bestehen bleiben [24].
Vor der Schlussabstimmung kündigte Nationalrat Suter (fdp, BE) im Namen der Behindertenverbände das Referendum gegen diese Gesetzesrevision an. Die Nationalrätinnen Hafner (sp, SH) und Gonseth (gp, BL) sicherten ihm die Unterstützung ihrer Parteien zu. Die Fraktionen der SP, GP und LdU/EVP votierten denn auch geschlossen gegen die Vorlage. Die CVP unterstützte offiziell den Beschluss, doch stimmten mehrere ihrer Abgeordneten dagegen oder enthielten sich der Stimme [25]. Das Referendum wurde von der Schweizer Paraplegikervereinigung und vom Schweizerischen Invalidenverband mit Unterstützung der Dachorganisation der Behindertenhilfe Askio ergriffen und mit 77 580 gültigen Unterschriften Mitte Oktober eingereicht [26].
Im Rahmen der Sanierungsmassnahmen der Bundesfinanzen beschloss der Nationalrat gegen den Widerstand der Linken, vom Bund beaufsichtigte, regionale ärztliche IV-Dienste zu schaffen, welche die bestehenden kantonalen Strukturen ablösen sollen. Von dieser stärkeren Einbindung in die Weisungskompertenz des BSV erhoffte sich der Bundesrat eine Abschwächung des Ausgabenwachstums in der IV. Die Gegner befürchteten, eine fast ausschliessliche Untersuchungskompetenz durch eigens dafür angestellte Ärzte könnte dazu führen, dass die medizinisch-theoretische Bewertung ausschlaggebend wird gegenüber dem bisherigen Invaliditätsbegriff, bei dem es auf die wirtschaftlichen Folgen eines Gesundheitsschadens im Einzelfall ankommt. Da dieser Vorschlag auch in der 4. IV-Revision enthalten ist, gegen welche in der Zwischenzeit erfolgreich das Referendum eingereicht wurde, gehe es ohnehin nicht an, vor der Abstimmung einen einzelnen Gesetzesartikel herauszupicken. Trotz all dieser Bedenken wurde der Vorschlag mit 90 zu 66 Stimmen angenommen [27].
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Erwerbsersatzordnung
Der Bundesrat leitete dem Parlament seine Botschaft für eine Revision des Bundesgesetzes über die Erwerbsersatzordnung für Dienstleistende in Armee, Zivildienst und Zivilschutz zu. Mit der Gesetzesänderung sollen die seit längerer Zeit sich manifestierenden Anliegen sozial-, familien- und gleichstellungspolitischer Art erfüllt werden. Insbesondere schlug die Landesregierung eine zivilstandsunabhängige Vereinheitlichung der Entschädigungsgrundsätze bei 60% des vordienstlichen Einkommens vor, die Erhöhung der Ansätze für Rekruten sowie eine Erziehungszulage für Dienstleistende mit Betreuungspflichten. Nicht aufgenommen wurde wegen der angespannten Lage in anderen Bereichen der Sozialwerke die in der Vernehmlassung noch vorgesehene Einführung einer Langzeitzulage für lange Dienstleistungen [28].
Als Erstrat behandelte die kleine Kammer die Vorlage. Obgleich der Rat die Vorschläge des Bundesrates generell begrüsste, fielen in der Eintretensdebatte doch Voten, wonach das System der EO grundsätzlich überdacht werden müsse, insbesondere deren Finanzierung durch Lohnprozente. Zudem sei eine Vereinfachung und Harmonisierung notwendig. Dies bestätigte auch Bundesrätin Dreifuss, meinte aber, wegen der Dringlichkeit der angestrebten Verbesserungen sei diese Überprüfung auf später zu verschieben. Im Detail wurde beschlossen, dass der Anspruch auf Erziehungszulagen nur bestehen soll, wenn tatsächliche Mehrkosten nachgewiesen werden können. Die Diskussionen drehten sich vor allem um die Höhe der Grundentschädigung. Bei Beförderungsdiensten wurde der Entschädigungssatz diskussionslos auf 65% des durchschnittlichen vordienstlichen Erwerbseinkommens angehoben (Bundesrat 60%). Damit sollte sichergestellt werden, dass die EO-Entschädigungen in jedem Fall mindestens das Niveau der Arbeitslosenversicherung erreichen. Ein Minderheitsantrag Seiler (svp, SH), den Ansatz für die Rekruten von 20 auf 25% des Höchstbetrages der Gesamtentschädigung anzuheben, wurde hingegen knapp mit 19 zu 18 Stimmen abgelehnt [29].
Eintreten auf die Vorlage war auch im Nationalrat unbestritten. Einzelne Redner aus dem rechtsbürgerlichen Lager meinten allerdings sowohl hier wie in der Detailberatung, die Erhöhung der Ansätze hätte durchaus substantieller ausfallen dürfen. Der EO-Fonds sei für die IV geplündert worden und werde nun erneut für die vorläufige Finanzierung der Mutterschaftsversicherung (siehe unten) zur Kasse gebeten. Es sei empörend, dass man im Gegenzug bei den wirklich Berechtigten sparen wolle. Die vom Ständerat vorgenommene Erhöhung des Maximalansatzes für Beförderungsdienste auf 65% des vordienstlichen Einkommens passierte ohne Widerspruch; ein Antrag Borer (svp, SO), auf eine weitere Anhebung auf 70% wurde angesichts der hohen Kosten ganz knapp abgelehnt. Darüber hinaus stellte Borer eine Reihe von Minderheitsanträgen für die Heraufsetzung weiterer Entschädigungssätze. Der Antrag auf eine Erhöhung der Grundentschädigung für Rekruten von 20 auf 25% wurde abgelehnt, jene auf eine Anhebung der Mindestsätze für Beförderungsdienste auf 45% und für die übrigen Dienste auf 25% hingegen angenommen. Verworfen mit 89 zu 36 Stimmen wurde ein Antrag Bortoluzzi (svp, ZH), die neuen Betreuungszulagen seien aus allgemeinen Bundesmitteln zu finanzieren; er begründete sein Ansinnen damit, dass es dem Grundgedanken der EO widerspreche, den Verzicht auf einen Erwerb zu finanzieren [30].
Im Ständerat beantragte die Kommission Festhalten an den ursprünglichen Beschlüssen. Bei der Untergrenze der Entschädigung für allgemeine Dienste setzte sie sich diskussionslos durch. Beim Mindestsatz für Beförderungsdienste obsiegte hingegen mit 23 zu 10 Stimmen der Antrag einzelner Vertreter von LP, FDP und CVP, in diesem Punkt dem Nationalrat zu folgen. Als Sprecher der Minderheit argumentierte Rochat (lp, VD), hier handle es sich vor allem um junge Leute am Ende ihrer Ausbildung, die fürs ”Weitermachen” möglicherweise auf eine erste Arbeitsstelle verzichten, weshalb sie nicht für ihr Engagement zugunsten der Armee bestraft werden dürften. Angesichts des klaren Votums der kleinen Kammer kam auch der Nationalrat auf die zuvor beschlossene Anhebung des Mindestsatzes für allgemeine Dienste zurück und stimmte dem Ständerat zu [31].
Nachdem der Nationalrat ein Postulat seiner SGK überwiesen hatte, welches den Bundesrat ersucht, eine Finanzierung der EO über allgemeine Bundesmittel zu prüfen, zog Hafner (sp, SH) ihre Motion zurück, welche verlangte, die EO sei aus dem EMD-Budget zu bezahlen [32].
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Berufliche Vorsorge
Parallel zur Vernehmlassung über die 11. AHV-Revision eröffnete der Bundesrat auch jene über die 1. BVG-Revision. Bei den Beratungen zum BVG (1976 bis 1982) war sich der Gesetzgeber bewusst gewesen, dass das Ziel der 2. Säule (Fortführung der gewohnten Lebenshaltung im Alter) nur in Etappen zu erreichen ist, weshalb das Gesetz selber den Auftrag zur periodischen Revision enthält. Die erste Überarbeitung hätte eigentlich 1995 durchgeführt werden sollen (zehn Jahre nach Inkrafttreten), verzögerte sich aber vor allem wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage. Partiell wurde das Gesetz aber schon für die Lösung drängender Probleme (Freizügigkeit, Wohneigentumsförderung, Ausweitung der Insolvenzdeckung) abgeändert. Die nun vorgelegten Revisionsvorschläge betreffen die Koordination mit der AHV insbesondere in den Bereichen Rentenalter und flexible Pensionierung, die Konsolidierung des Obligatoriums der 2. Säule und die Weiterentwicklung des Systems, wobei der Bundesrat den beiden ersten Punkten Priorität einräumt. Für sie präsentierte er konkrete Lösungsvorschläge. Neben technischen Änderungen betrifft dies vor allem das gleiche Rentenalter für Mann und Frau, die Flexibilisierung des Rentenalters, das BVG-Obligatorium ab dem 22. Lebensjahr sowie die Einführung einer Witwerrente. Als grundsätzlich wünschenswert erachtet der Bundesrat den gezielten Leistungsausbau für kleine und mittlere Einkommen (inklusive den zwingenden Teuerungsausgleich auf den Altersrenten) sowie die bessere Berücksichtigung der Anliegen der Teilzeitarbeitenden (Abschaffung oder Proportionalisierung des Koordinationsabzuges), doch soll die Vernehmlassung hier erst zeigen, ob und inwieweit ein Konsens über diese Weiterentwicklung besteht. Die diesbezüglichen Modelle sind nur materiell umschrieben; für sie liegt noch kein Gesetzestext vor [33].
Im Nationalrat wurden mehrere Motionen zum BVG behandelt. Hafner (sp, SH) forderte den Bundesrat auf, eine lückenlose Versicherung des Invaliditätsrisikos aller Personen sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass faktische Vorbehalte aus gesundheitlichen Gründen vermieden werden. Hochreutener (cvp) wollte den Bund verpflichten, den Alterssparprozess, der im BVG nach Vollendung des 24. Altersjahres beginnt, zugunsten eines flexiblen Altersrücktritts auf 21 anzusetzen, sowie für die Vorsorgeerinrichtungen eine spezielle Rechtsform einzuführen, die ihnen mehr Handlungsspielraum bietet. Alle drei Vorstösse wurden auf Antrag des Bundesrates in Postulate umgewandelt [34].
Der Nationalrat überwies ein Postulat seiner SGK, welches den Bundesrat auffordert, die Verordnung zum BVG dahingehend zu ändern, dass nicht nur die in einer Pensionskasse angelegten Gelder, sondern auch jene, die auf Freizügigkeitskonten resp. -policen ruhen, zu einem Mindestsatz verzinst werden müssen [35].
1997 hatte ein Bericht der Gewerkschaft Bau und Industrie neben der AHV auch im Bereich der Pensionskassen rund 68 000 ”vergessene Konten” im Umfang von über 400 Mio Fr. ausgemacht, auf welche vor allem ausländischen Arbeitskräfte Anspruch haben, die nicht bis zu ihrer Pensionierung in der Schweiz arbeiteten. Um dieses Problem zu lösen, beantragte der Bundesrat dem Parlament eine Änderung des Freizügigkeitsgesetzes in dem Sinn, dass eine zentrale Meldestelle geschaffen werden soll. Ihr werden die Vorsorgeeinrichtungen jene Personen melden, die sich im Rentenalter befinden und ihre Pensionskassenguthaben noch nicht abgerufen haben. Zusammen mit der Zentralen Ausgleichskasse der AHV wird die Meldestelle versuchen, die Adresse der Berechtigten zu eruieren. Sie wird zudem ein Register jener Versicherten führen, zu denen die Vorsorgeeinrichtungen keinen Kontakt mehr haben. Auf Anfrage kann sie so auch jüngeren Versicherten (ausländischen wie schweizerischen Abeitnehmern) mitteilen, welche Kasse möglicherweise für sie ein Konto unterhält. Beide Kammern nahmen die Vorlage praktisch diskussionslos an [36].
Bei den Gesprächen am ”Runden Tisch” wurde beschlossen, die im Vorjahr vom Nationalrat genehmigte parlamentarischen Initiative Nabholz (fdp, ZH) für eine Öffnung der Säule 3a für Nichtberufstätige wegen ihrer finanziellen Konsequenzen unter ein Moratorium zu stellen. Die Frist für ihre Behandlung wurde um zwei Jahre verlängert. Der neuerliche Versuch der Linken, das Anliegen durch Abschreiben des Vorstosses zu erledigen, unterlag mit 95 zu 53 Stimmen [37].
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Krankenversicherung
Das Krankenversicherungsgesetz (KVG) aus dem Jahr 1996 wird erstmals einer Teilrevision unterzogen. Nach einer kontrovers verlaufenenen Vernehmlassung verabschiedete der Bundesrat im September die entsprechende Botschaft. Als wichtigste Änderung soll den Kantonen die Möglichkeit eingeräumt werden, bei ausserordentlicher Kostenentwicklung für alle Leistungserbringer Globalbudgets einzuführen, also auch für die Ärzte und nicht wie bisher nur für Spitäler und Heime. Im Gegensatz zur Ärzteschaft und den meisten Kantonen (mit Ausnahme von Bern, Genf und Solothurn) verspricht sich Bundesrätin Dreifuss von dieser Massnahme eine kostendämpfende Wirkung. Globalbudgets in der ambulanten Medizin hatten bereits im Entwurf zum neuen KVG figuriert, waren dann aber vom Parlament wieder gestrichen worden.
Punktuelle Änderungen zugunsten der Versicherten betreffen die Erleichterung eines Kassenwechsels (u.a. Verbot der Verknüpfung einer Zusatz- mit der Grundversicherung), die Möglichkeit für die Kantone, Jugendlichen bis zum 25. Altersjahr eine Prämienverbilligung zu gewähren, die Ausnahme einzelner der Prävention dienender Leistungen von der Franchise sowie die Sistierung der Versicherung bei längerdauerndem Militärdienst. Für Revisionsvorschläge im Bereich der Heilmittel siehe oben, Teil I, 7b (Gesundheitspolitik).
Weiteres zentrales Anliegen des Projekts ist eine substantielle Verbesserung bei den Modalitäten, nach welchen die im KVG vorgesehenen und mit der Mehrwertsteuerabstimmung von 1993 versprochenen Prämienverbilligungen an Versicherte in bescheidenen finanziellen Verhältnissen ausbezahlt werden. Obgleich die Kantone in den letzten beiden Jahren vermehrt durch eigene Beiträge die dafür vorgesehenen Bundesgelder auslösten, wurden nach wie vor stossende Ungleichbehandlungen je nach Wohnort der Anspruchsberechtigten festgestellt. Dem soll konkret durch eine umfassendere Information der Betroffenen begegnet werden. Zudem sollen die Kantone verpflichtet sein, zur Überprüfung der Anspruchsberechtigung einheitliche Kriterien anzuwenden sowie die aktuellsten Einkommens- und Familienverhältnisse zu berücksichtigen. Die Prämienverbilligung soll auch Personen ohne dauerndem Wohnsitz in der Schweiz (v.a. Saisonniers) zukommen, sofern sie sich längere Zeit hier aufhalten. Als Zeichen der Solidarität mit den minderbemittelten Versicherten erklärte sich der Bund bereit, mit einem separaten Bundesbeschluss seine eigenen Beiträge für die Jahre 2000 bis 2003 um jährlich 1,5 Prozent anzuheben. Damit würden diese anfänglich auf 2,213 Mia Fr. und schliesslich auf 2,314 Mia Fr. pro Jahr ansteigen. Die Kantone müssten diese Beiträge weiterhin um 50 Prozent aufstocken, wenn sie die volle Subvention bekommen wollen [38].
Entgegen der Forderung mehrerer Krankenversicherungen soll der Risikoausgleich unter den Kassen, der gemäss KVG nur Alter und Geschlecht berücksichtigt, in dieser Revision noch nicht verändert werden. Die Krankenkasse CSS hatte vorgeschlagen, neben Alter und Geschlecht auch eine Hospitalisierung im Vorjahr als weiteren Risikofaktor einzubeziehen. In diesem Sinn reichte Nationalrat Gross (sp, TG) eine Motion ein, die als Postulat überwiesen wurde. Ebenfalls nur als Postulat angenommen wurde eine Motion Engler (cvp, AI) für einen Verzugszins auf dem Risikoausgleich [39].
Ab 2002 wird das kantonale Prämienniveau bei den Bundesbeiträgen zur Verbilligung der Krankenkassenprämien nicht mehr berücksichtigt. Der Bundesrat hatte dies 1994 in Eigenregie beschlossen, um den prämienintensiven Kantonen der Romandie entgegenzukommen. Dieser Entscheid hatte die Kantonsregierungen der Ost- und der Zentralschweiz auf den Plan gerufen, weil damit jene Kantone ”bestraft” würden, die sich bisher besonders für Einsparungen im Gesundheitswesen eingesetzt hätten. Stellvertretend für eine ganze Reihe von Standesinitiativen hatte der Ständerat 1997 eine parlamentarische Initiative Schiesser (fdp, GL) angenommen, welche die Massnahme nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren wieder abschafft. Der Nationalrat stimmte diesem Vorstoss diskussionslos zu [40].
Oppositionslos hiessen beide Kammern eine parlamentarische Initiative der SGK des Ständerates gut, welche die Kantone verstärkt in das Prämiengenehmigungsverfahren einbeziehen will. Auslöser dafür waren zwei diesbezügliche Standesinitiativen der Kantone Genf und Tessin. Der vorgesehene neue KVG-Artikel räumt den Kantonen zwar keine eigentliche Mitsprache, jedoch ein umfassendes Einsichtsrecht ein. Faktisch wurde den Kantonen bereits im Herbst 1997 die Einsichtnahme in die Daten der Versicherer zur Festlegung der Prämien 1998 ermöglicht; 21 Kantone machten davon Gebrauch [41].
Art. 102 KVG besagt klar, dass die unter dem früheren Recht zurückgelegten Versicherungszeiten bei der Festsetzung der Prämie anzurechnen sind. Diesen Artikel erklärte nun aber das Bundesgericht im Fall der Zusatzversicherung eines älteren Ehepaares als nicht anwendbar, weil er dem Geist des neuen Gesetzes widerspreche, wonach die Prämien risikogerecht festzusetzen sind. Mit diesem Urteil, das recht viel Staub aufwirbelte, wichen die Lausanner Richter erstmals vom Grundsatz ab, dass die Auslegung einer Rechtsnorm erst dort anfangen darf, wo die Klarheit des Textes aufhört. Das EDI nahm keine Stellung zu dieser brisanten Frage und verschanzte sich hinter der Feststellung, bei der Beratung des KVG habe der Gesetzgeber ganz bewusst darauf verzichtet, die Zusatzversicherungen im Krankenversicherungsrecht zu regeln und hätten diese dem Privatassekuranzbereich überlassen. Dieser Entscheid des Bundesgerichtes führte für 1999 zu teilweise massivsten Prämienschüben für die privat- oder halbprivatversicherten älteren Versicherungsnehmer [42].
Anfang Mai einigten sich die Gewerkschaften SGB und CNG darauf, gemeinsam eine Volksinitiative für eine obligatorische Taggeldversicherung zu lancieren. In den Genuss dieser Versicherungsform, für die eine Finanzierung über Lohnprozente vorgesehen ist, sollen vor allem Arbeitnehmer und Arbeitslose kommen. Auf der Leistungsseite verlangten die Gewerkschaften eine Mindestregelung, welche etwa den heutigen üblichen Standards in Gesamtarbeitsverträgen gleichkommt. Der obligatorisch versicherte Lohn entspräche dem Plafonds der Unfallversicherung (heute 97 200 Fr.). Die Taggelder hätten 80% des versicherten Verdienstes und bei den Arbeitslosen die volle Entschädigung durch die ALV abzudecken und würden ab dem 31. Krankheitstag ausbezahlt. Für die ersten 30 Krankheitstage verpflichtet die Initiative die Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung [43]. Im Nationalrat versuchten zwei Abgeordnete, den Bundesrat mit Motionen zu beauftragen, die Taggeldversicherung wieder in die obligatorische Grundversicherung aufzunehmen und so auszugestalten, dass sie zu einer echten Erwerbsausfallversicherung wird. Die Motion Schmid (cvp, VS) wurde als Postulat überwiesen, die Motion Maury Pasquier (sp, GE) hingegen auf Antrag von Hess (cvp, ZG) abgelehnt [44].
Die im Vorjahr lancierte Volksinitiative der PdA ”für einkommens- und vermögensabhängige Krankenkassenprämien” kam nicht zustande; sie erreicht knapp 50 000 Unterschriften. Nach Ansicht der Partei scheiterte die Initiative, weil sich die Linke auf kein gemeinsames Vorgehen einigen konnte und weitere Initiativen das Begehren konkurrenzierten. Die gesammelten Unterschriften wurden als Petition eingereicht [45]. Im Parlament versuchte Nationalrätin Jeanprêtre (sp, VD) das gleiche Ziel über eine parlamentarischen Initiative zu erreichen. Die vorberatende Kommission ging zwar mit der Initiantin einig, dass die Krankenkassenprämien vor allem für Familien des Mittelstandes eine schwere finanzielle Belastung bedeuten, meinte aber, das Problem lasse sich durch eine andere Finanzierung (Lohnprozente, Mehrwertsteuer, Energiesteuer) höchstens etwas entschärfen, nicht aber lösen. Der Verzicht auf Kopfprämien könnte zudem den unerwünschten Effekt haben, dass das Kostenbewusstsein des Einzelnen verloren ginge. Mit 83 zu 50 Stimmen wurde der Initiative keine Folge gegeben. Ein Postulat Cavalli (sp, TI) für eine einkommensabhängige Franchise wurde hingegen überwiesen [46].
Eine vom BSV in Auftrag gegebene Studie wies anhand von konkreten Zahlen nach, dass alternative Versicherungsformen (HMOs, wählbare Jahresfranchisen von mindestens 1200 Fr. und Bonus-Versicherungen) bei gleichbleibender Qualität die Gesundheitskosten bis zu 40% senken können. Die Einsparung resultiert vor allem aus dem veränderten Verhalten der Versicherten (Bonus und Franchise) bzw. der Ärzte (HMO). Signifikant gesenkt wurden die Spitaleinweisungen (-50%) und der Medikamentenkonsum (-60%). Bisher sprachen die neuen Versicherungsformen vor allem die ”guten Risiken” (v.a. also jüngere Männer) an, doch steige die Bereitschaft der Bevölkerung, sich mit den neuen Modellen auseinanderzusetzen. Die Autoren der Untersuchung meinten aber auch, die Einsparungen würden zu wenig an die Versicherten weitergegeben, da das BSV die maximale Prämienreduktion auf 20% festgesetzt hat [47].
Die Aktion der Krankenkasse Visana im Vorjahr, ältere und kranke Versicherte als ”schlechte Risiken” zum Austritt zu bewegen, hatte Folgen. Das Konkordat der Krankenkassen beschloss einen neuen Ehrenkodex, wonach die Versicherer ausdrücklich auf alle Handlungen verzichten, die dazu dienen, beitrittswillige kranke Personen oder Anwärter mit einem hohen Krankheitsrisiko resp. anderweitig unerwünschte Personen von sich fernzuhalten oder sie abzuschieben, wenn sie bereits versichert sind [48].
Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) bietet vorerst keine Krankenversicherung an. Für die Anwendung der kostenwirksamen Instrumente der Unfallversicherung fehlten im Krankenversicherungsgesetz die Voraussetzungen, begründete sie ihren Entscheid. Die Idee, die case-management-Erfahrung der Suva auch in der Krankenversicherung einzusetzen, war durch eine parlamentarische Initiative Gysin (fdp, BL) lanciert worden, welcher der Nationalrat im Vorjahr Folge gegeben hatte[49].
Nachdem sie lange Zeit ihre finanzielle Stabilität betont hatte, gab die Visana-Krankenkasse im August bekannt, dass sie sich auf Ende Jahr aus der Grundversicherung in acht Kantonen (Genf, Jura, Neuenburg, Glarus, Graubünden, Thurgau und beide Appenzell) zurückziehen werde. 103 000 Versicherte wurden so zum Wechsel in eine andere Kasse gezwungen. Der damit verbundene Prestigeverlust und zum Teil massive Prämienerhöhungen in den restlichen Kantonen sowie in den Zusatzversicherungen (siehe oben) führten zu einem massiven Exodus der Versicherten. Bis Ende Jahr verlor die Visana gesamthaft einen Drittel ihres Bestandes in der Grundversicherung; bei den Zusatzversicherten betrug der Mitgliederschwund 15%. Mit immer noch 900 000 Kunden in der Grund- und Zusatzversicherung bleibt die Visana die drittgrösste Krankenkasse der Schweiz nach der Helsana und der CSS [50].
Das EDI war nicht bereit, das Vorgehen der Visana stillschweigend zu akzeptieren. Es genehmigte zwar den Rückzug, koppelte ihn aber an klare Auflagen. Unter anderem darf die Visana in den betroffenen acht Kantonen in den nächsten zehn Jahren nicht mehr als Grundversicherer auftreten und soll 25 Mio Fr. aus ihren Reserven an jene Kassen abtreten, welche die abgeschobenen Versicherten übernehmen. Für Bundesrätin Dreifuss zeigte der Fall Visana aber auch die Stärke des neuen KVG. Dank dem Obligatorium in der Grundversicherung konnten alle von der Visana abgehalfterten Mitglieder ohne grössere Probleme in eine andere Kasse wechseln; unter dem alten Regime wären die Versicherten (mit Ausnahme der ”guten Risiken”) bei Bankrott, Teilauflösung oder Fusion einer Kasse unweigerlich auf der Strecke geblieben [51]. Die Visana akzeptierte – wenn auch zähneknirschend – den zehnjährigen Ausschluss aus der Grundversicherung in den Rückzugskantonen, wehrte sich aber mit Zähnen und Klauen gegen die Herausgabe der Reserven und legte Rekurs beim Eidg. Versicherungsgericht ein [52].
In der Herbstsession reichte die Genfer Freisinnige Saudan eine Motion ein mit der Forderung, die Reservenbewirtschaftung der Krankenkassen effizienter zu kontrollieren. Angesichts der Aktualität der Problematik behandelte der Ständerat diesen Vorstoss bereits in der Wintersession. Der Bundesrat bekräftigte noch einmal, dass das Visana-Debakel ein einmaliger Ausrutscher in einem System sei, das ansonsten gut funktioniere; zudem verwies er auf die mit der 1. Teilrevision des KVG beabsichtigte Stärkung der Aufsichtskompetenz des BSV. Auf seinen Antrag wurde die Motion als Postulat überwiesen. Der Nationalrat nahm eine analoge Motion Tschopp (fdp, GE) ebenfalls nur als Postulat an [53].
Weitergehende Massnahmen, wie etwa der generelle Ausschluss der Visana aus der Grundversicherung, erwiesen sich als nicht durchführbar, weil das KVG keine Kasse verpflichtet, ihre Angebote flächendeckend anzubieten. Dem möchte Nationalrat Cavalli (sp, TI) in gewisser Weise abhelfen. In der Herbstsession reichte er eine parlamentarischen Initiative mit dem Ziel ein, dass Krankenkassen nur dort im (lukrativen) Zusatzversicherungsgeschäft tätig sein dürfen, wo sie auch die Grundversicherung anbieten. Bereits einen Monat später beschloss die zuständige Kommission des Nationalrates mit 10 zu 5 Stimmen, dem Plenum zu beantragen, der Initiative Folge zu geben [54].
Die Turbulenzen um die Visana veranlassten CNG-Präsident Fasel (gp, FR), einen bereits mehrfach in die Diskussion gebrachten Vorschlag wieder aufleben zu lassen und mit einer parlamentarischen Initiative die Einführung einer Einheitskasse für die Grundversicherung zu verlangen. Die Gewerkschaft hatte bereits vor zwei Jahren eine Volksinitiative für eine einzige ”Gesundheitskasse” erwogen, sie aber dann zugunsten der mit dem SGB vereinbarten Initiative für eine obligatorische Taggeldversicherung zurückgestellt. Falls Fasel mit seinem Vorstoss im Parlament keinen Erfolg hat, will der CNG das Projekt mit einem Volksbegehren lancieren [55].
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Unfallversicherung
Beide Räte verabschiedeten in der Herbstsession eine Änderung des Unfallversicherungsgesetzes, nach welcher die Sanktionen wegen grobfahlässigen Verhaltens in der Nichtberufsunfallversicherung gemildert werden. Ausgehend von einer parlamentarischen Initiative Suter (fdp, BE) änderte der Gesetzgeber eine Bestimmung des UVG in dem Sinn, dass inskünftig bei Grobfahrlässigkeit nicht mehr sämtliche Geldleistungen, sondern nur noch die Taggelder gekürzt werden, und dies höchstens während zwei Jahren. Das bedeutet, dass die Renten an allenfalls Hinterbliebene ohne Kürzungen ausbezahlt werden; überlebt der Unfallverursacher, so kommt er nach der Karenzfrist von zwei Jahren ebenfalls in den Genuss einer ungekürzten Rente. Diese Lösung wurde vor allem im Interesse der (mit)betroffenen Familien beschlossen [56].
Gegen einen rechts-grünen Minderheitsantrag gab der Nationalrat mit 100 zu 60 Stimmen einer parlamentarischen Initiative Raggenbass (cvp, TG) Folge, welche das UVG in dem Sinn abändern will, dass für Invaliditäten unter 10% keine Renten mehr gesprochen werden [57].
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Mutterschaftsversicherung
Die vorberatende Kommission des Ständerates trug den Bedenken aus dem bürgerlichen Lager Rechnung und erarbeitete für die Mutterschaftsversicherung (MSV) ein von den Vorschlägen des Bundesrates abweichendes Finanzierungsmodell unter Ausschluss von Lohnprozenten. Alle Leistungen für erwerbstätige und nichterwerbstätige Mütter (gesamthaft jährlich rund eine halbe Milliarde Franken) sollen aus einem neuen gemeinsamen Fonds bezahlt werden. Dieser soll in einer ersten Phase mit Geldern aus der Erwerbsersatzordnung für Militärdienstpflichtige (EO) gespiesen werden, die über ein Reservepolster von gut 2,5 Mia Fr. verfügt. Zeichnet sich ab, dass der Fonds unter den Betrag einer halben Jahresausgabe fällt, soll mit der Zustimmung der Stimmberechtigten die Mehrwertsteuer (MWSt) angezapft werden, und zwar mit 0,25% Prozent. Im Fall einer Ablehnung durch das Volk hätte der Bundesrat die Kompetenz, den EO-Lohnabzug von 0,3 auf 0,5% zu erhöhen. Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Leistungen schienen der Mehrheit der Kommission hingegen angemessen [58].
Eintreten auf die Vorlage war in der kleinen Kammer nicht bestritten, doch ertönten sehr kritische Voten aus den Reihen der FDP. Am heftigsten äusserte sich Schiesser (GL). Er gestand zwar gute Gründe für eine MSV ein und bezeichnete die Vorlage als letztlich moderat. Er erinnerte Bundesrätin Dreifuss aber auch an die ungelösten Finanzierungsprobleme in den anderen Sozialversicherungen und stellte bei der Landesregierung einen Mangel an klaren Vorstellungen und nachhaltigen Konzepten zum Sozialversicherungssystem fest. Die Vorlage fand hingegen Unterstützung bei den beiden FDP-Frauen Saudan (GE) und Forster (SG), welche betonten, die heutigen Ungleichheiten im arbeitsrechtlichen Mutterschaftsschutz müssten unbedingt korrigiert werden. Die Vertreter der CVP stellten sich – traditionellerweise – voll und ganz hinter die MSV, vor allem da mit dem neuen Finanzierungsmodell ein durchaus wirtschaftsfreundlicher Vorschlag zur Debatte stehe. Die SP beteiligte sich nicht an der Eintretensdebatte.
Zu Beginn der Detailberatung stellte Beerli (fdp, BE) den Antrag, auf die Grundleistung für alle Mütter zu verzichten. Die Grundbeiträge stellten in Tat und Wahrheit eine ”Geburtsprämie” dar, die in einer liberalen Gesellschaft nicht zu suchen habe. Eine Versicherung könne nur einen Schaden ausgleichen, und der erfolge eben beim Erwerbseinkommen. Mit der Einführung der Grundbeiträge werde das Versicherungs- mit einem Bedarfssystem im gleichen Gesetz vermischt, wobei es sich bei der Geringfügigkeit der Beträge gar nicht um echte Bedarfsleistungen handle, für die ohnehin die Kantone zuständig wären. Mit ihrer Argumentation fand die Bernerin nicht viel Gehör. Sowohl Brunner (sp, GE) wie Delalay (cvp, VS) erinnerten an die vielen Frauen, die aufgrund ihrer familiären Pflichten gar nicht auswärts arbeiten können; ohne Grundleistung würden diese Frauen für ihr Engagement zugunsten der Familie quasi bestraft. Simmen (cvp, SO) setzte sich ebenfalls klar für die Grundbeiträge ein; es gehe weniger um die Frage, ob es eine echte Versicherung sei oder nicht, sondern vielmehr um einen gesellschaftspolitischen Entscheid für die Zukunft der Familien. Mit 25 zu 8 Stimmen wurde der Antrag Beerli deutlich abgelehnt. Mehr Glück hatte Respini (cvp, TI) mit seinem Antrag, die Adoption der leiblichen Geburt gleichzusetzen und mit analogen Leistungen zu honorieren. Die Kommission hatte diesen Vorschlag des Bundesrates wieder aus der Vorlage gekippt. Mit Unterstützung von Bundesrätin Dreifuss setzte er sich mit 23 zu 11 Stimmen durch.
Die Geister schieden sich dann aber vor allem an der Frage, ob die Erhöhung der MWSt in einer speziellen Abstimmung oder zusammen mit dem Gesamtpaket, das der Bundesrat im Jahr 2000 oder 2001 für die finanzielle Sicherung der Sozialwerke (AHV und IV) vorlegen will, erfolgen soll. Vor allem die Vertreter der FDP und SVP bezeichneten eine generelle Abstimmung als ”Mogelpackung” und drängten auf eine Grundsatzabstimmung vor Einführung der MSV, da es nicht angehe, einen neuen Versicherungszweig einzuführen, bevor dessen langfristige Finanzierung gesichert sei. Von ihren Kontrahenten aus SP und CVP mussten sie sich deshalb den Vorwurf gefallen lassen, auf diese Weise die gesamte Vorlage torpedieren zu wollen. Auch Bundesrätin Dreifuss plädierte für eine Verschiebung der Abstimmung, da Kaskadenabstimmungen zur MWSt vermieden werden sollten, und zu verhindern sei, dass die verschiedenen Sozialwerke gegeneinander ausgespielt werden. Schliesslich stand eine Gruppe aus FDP, SVP und einzelnen Christdemokraten einer gleich starken Koalition bestehend aus der SP, der Mehrheit der CVP und einzelnen Freisinnigen aus der Romandie gegenüber. Mit 20 zu 20 Stimmen führte die Abstimmung denn auch zu einem Patt. Ratspräsident Zimmerli (svp, BE) gab den Stichentscheid zugunsten einer vorgezogenen Abstimmung [59].
Im Nationalrat sprach sich ebenfalls (mit 139 zu 38 Stimmen) eine Mehrheit für die Eintreten aus. Einzig die SVP – mit Ausnahme ihrer weiblichen Abgeordneten , ein paar Freisinnige um Egerszegi (AG) sowie die äussere Rechte hatten Nichteintreten beantragt. In der Detailberatung war der Grundsatz, dass auch nichterwerbstätige Mütter eine Grundleistung beziehen sollen, kaum bestritten, ebensowenig wie das Prinzip, die Adoption der natürlichen Geburt gleichzusetzen. Zu etwas mehr Diskussionen führte die Ausgestaltung der Lohnfortzahlung für die erwerbstätigen Mütter. Gegen Bundesrat und Ständerat schlug die Kommission vor, hier 16 anstatt 14 Wochen vorzusehen, da dies auch dem internationalen Vergleich standhalten würde. Der Berner CVP-Vertreter Hochreutener warnte aber davor, das Fuder zu überladen, worauf sich der Rat mit 101 zu 75 Stimmen für die kürzere Frist entschied. Zweiter Diskussionspunkt war die Frage, welcher Prozentsatz des Lohnes entschädigt werden soll. Der Ständerat war hier dem Bundesrat gefolgt und hatte 80% des letzten Lohnes beschlossen. Die Grüne Baselbieterin Gonseth beantragte, den Lohnausfall zu 100% auszugleichen. Sie argumentierte, mit 14 Wochen Schwangerschaftsurlaub und 80% stehe die Schweiz im europäischen Vergleich immer noch am Schluss. Zapfl (cvp, ZH) gab demgegenüber zu bedenken, mit einer Pauschalleistung für alle Mütter und einem 80prozentigem Lohnersatz biete dies Frauen mit einem Jahreseinkommen bis 48 000 Fr. vollen Ausgleich. Mit 105 zu 67 Stimmen entschied der Rat gegen den Antrag Gonseth.
Bei der Finanzierung folgte der Nationalrat im Grundsatz diskussionslos der kleinen Kammer. Damit waren allfällige Lohnprozente definitiv vom Tisch. Um so heftiger war die Frage umstritten, ob der Start der MSV so lange ausgesetzt werden soll, bis die für eine langfristige Finanzierung nötigen Mehrwertsteuerzuschläge in einer Gesamtabstimmung vom Volk bewilligt sind. SP, CVP und GP erklärten, gegen das neue Gesetz könne ohnehin noch das Referendum ergriffen werden; jene (rechts)bürgerlichen Kreise, welche eine separate MWSt-Vorlage verlangten, wollten nur den neuen Versicherungszweig am Ständemehr scheitern lassen. Die SVP, die äussere Rechte und ein Teil der FDP bezeichneten die Vorlage ohne vorgängige langfristig sichergestellte Finanzierung hingegen einmal mehr als ”Mogelpackung”. Überraschend deutlich mit 111 zu 68 Stimmen setzte sich schliesslich die Auffassung durch, die vorläufige Finanzierung der MSV mit den Mitteln der EO sei legitim, weil dieser Fonds stark überschüssig sei und seit Beginn seines Bestehens mit Beiträgen erwerbstätiger Frauen gespiesen worden sei; der allfällig notwendig werdende Rückgriff auf die MWSt solle erst später im Rahmen eines ohnehin vorgesehenen Gesamtpaketes erfolgen [60].
In der Wintersession debattierte der Ständerat noch einmal heftig über die Finanzierung bzw. über deren Fahrplan. Mit 23 zu 21 Stimmen schloss sich die kleine Kammer dann doch dem Nationalrat an, was bedeutet, dass die MSV auch ohne vorgängige MWSt-Abstimmung eingeführt werden kann. Zu verdanken war der Entscheid vor allem der Geschlossenheit und Diszipliniertheit der CVP, welche die Linke unterstützte. Die Freisinnigen (mit Ausnahme von Saudan, GE), die SVP und die Liberalen stimmten dagegen. Nach diesem Grundsatzentscheid waren nur noch unwesentliche Details zu bereinigen. In der Gesamtabstimmung wurde das Gesetz im Nationalrat mit 116 zu 58 Stimmen verabschiedet, mit 25 zu 10 Stimmen im Ständerat [61].
Die Junge SVP kündigte bereits im Vorfeld der Differenzbereinigung an, dass sie das Referendum ergreifen werde, falls die MSV ohne vorgängige MWSt-Abstimmung eingeführt werden sollte. Obgleich sich die Arbeitgeber durch die MSV mehrheitlich entlastet sähen, da die tariflich vereinbarten internen Lohnfortzahlungen weitgehend wegfallen würden, erklärten sie dennoch, ihre Fundamentalopposition gegen dieses neue Sozialversicherungswerk beizubehalten und das Referendum höchst wahrscheinlich zu unterstützen. Die gleiche Haltung nahm auch der Gewerbeverband ein [62].
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Arbeitslosenversicherung
Die erfreuliche Entwicklung bezüglich der Arbeitslosigkeit (siehe oben, Teil I, 7a, Arbeitsmarkt) führte zu einem gegenüber dem Vorjahr günstigeren Rechnungsabschluss der Arbeitslosenversicherung (ALV). Der Gesamtaufwand sank von 8,4 auf 6,7 Mia Fr., der Fehlbetrag entsprechend von 2,3 auf 0,3 Mia Fr. [63]. Gemäss ersten provisorischen Zahlen des BWA bezogen im Berichtsjahr 10,7% Personen weniger als im Vorjahr Arbeitslosengelder. Die Bezugstage sanken um 18,9% und die durchschnittliche Bezugsdauer nahm um 8,7% ab [64].
Bei den Gesprächen am ”Runden Tisch” (siehe oben, Teil I, 5, Sanierungsmassnahmen) einigten sich die Teilnehmer bei den einkommenswirksamen Massnahmen unter anderem auf die Weiterführung bis 2003 des dritten Lohnprozentes, die befristete Deplafonierung eines weiteren ALV-Lohnprozentes und die Anhebung des in der Unfallversicherung maximal versicherten Lohnes von 97 200 Fr. auf 106 800 Fr. sowie auf Kürzungen im Leistungsbereich (Wechsel vom Lohn zum Taggeldkonzept bei Beschäftigungsprogrammen, Beschränkung der Bezugsdauer für Wiedereinsteigerinnen von 520 auf 260 Tage). Damit, so rechnete das Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit (BWA, ex-Biga) vor, sollten bis zu diesem Zeitpunkt die Schulden der Versicherung abgetragen sein. In der Wintersession stimmte der Nationalrat diesem Kompromiss der Sozialpartner zu. Gegen den Widerstand von Goll (sp, ZH), die befand, dies sprenge die Gespräche am ”Runden Tisch” nahm die grosse Kammer auch zwei Motionen ihrer Kommission an, welche den Bundesrat verpflichten, bis zum Winter 2000 einen Revisionsplan für die ALV vorzulegen mit dem Ziel einer Rückkehr auf zwei Lohnprozente, sowie Massnahmen zur Reduktion der Verwaltungskosten in der ALV zu ergreifen [65].
Auf eine grundlegende Neuordnung der ALV zielte eine Motion von Nationalrat Bonny (fdp, BE) ab, die verlangte, die heutigen Vollzugsorgane des Bundes, der Kantone, der Gemeinden und der Arbeitslosenkassen im Bereich der ALV seien durch ein Modell analog der SUVA zu ersetzen (öffentlich-rechtliche Anstalt unter Aufsicht der Sozialpartner und finanziert durch den ALV-Fonds). Da der Vorstoss von Vollmer (sp, BE) bekämpft wurde, fand vorderhand keine Diskussion darüber statt [66].
Im Vorjahr hatte der Ständerat gegen den erbitterten Widerstand der Linken sowie unter Missbilligung des Bundesrates eine Motion überwiesen, welche einschneidende Massnahmen zur Sanierung der ALV verlangte, insbesondere Leistungskürzungen auf allen Ebenen. Angesichts des fragilen Gleichgewichts der Gespräche am ”Runden Tisch” wurde die Motion vom Nationalrat zwar als Postulat angenommen, dann aber gleich abgeschrieben [67].
Mit einer Motion verlangte Ständerat Bieri (cvp, ZG), dass das Arbeitslosenversicherungsgesetz (Avig) so zu ändern sei, dass Militärdienstleistenden zwischen zwei in kurzer Zeit aufeinanderfolgenden Beförderungsdiensten bei Arbeitslosigkeit eine Entschädigung ausbezahlt werden kann. Bundesrat Delamuraz meinte, dies sei kein gangbarer Weg, denn damit würde ein wesentlicher Pfeiler des Systems, nämlich der Grundsatz der Vermittlungsfähigkeit zum Bezug der Leistungen, herausgebrochen. Er erklärte sich hingegen bereit, das Problem zu prüfen und beantragte Umwandlung in ein Postulat. Der Rat hielt aber mit 15 zu 12 Stimmen an der verbindlichen Form fest [68].
In einer als Postulat überwiesenen Motion ersuchte Nationalrat Imhof (cvp, BL) den Bundesrat zu überprüfen, wie das Kriterium der zumutbaren Beschäftigung in den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) umgesetzt wird. Der Bundesrat begründete seinen Antrag auf Abschwächung in ein Postulat mit der Feststellung, der Begriff der Zumutbarkeit sei nicht immer eindeutig zu handhaben und die Mitarbeiter der RAV müssten dazu noch einschlägige Erfahrungen sammeln können [69].
Mit einer Motion wollte Nationalrat Vollmer (sp, BE) erreichen, dass im Interesse der Förderung von Ausbildungsplätzen die Bestimmung des Avig gelockert wird, wonach die Arbeitgeber auf den dafür von der ALV gesprochenen Zuschüssen nicht sozialversicherungspflichtig sind; für die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes sollte allenfalls die ALV aufkommen. Der Bundesrat äusserte in seiner Stellungnahme die Befürchtung, die vorgeschlagene Regelung könnte dazu führen, dass Arbeitgeber solche Ausbildungsplätze zulasten regulärer Lehrstellen ausbauen könnten. Er erklärte sich aber bereit, die Frage erneut zu prüfen, sobald sich der heute sehr angespannte Lehrstellenmarkt deutlich verbessert. Auf seinen Antrag wurde die Motion als Postulat überwiesen [70].
Der Nationalrat überwies ein Postulat Langenegger (fdp, VD), welches anregt, dass junge Leute, welche eine Anlehre absolviert haben, bei der Arbeitslosenentschädigung den Lehrlingen gleichgestellt werden, die direkt nach ihrer Ausbildung keine Stelle finden. Heute ist es so, dass Lehrlinge in diesem Fall 127 Fr. pro Tag erhalten, während Angelernten nur 40 Fr. pro Tag ausbezahlt werden. Da beide Personenkategorien dem Bundesgesetz über die Berufsbildung unterstellt sind, befand die Postulantin, diese Ungleichbehandlung sei stossend [71].
Wiedereinsteigerinnen, die nach der Erziehungsperiode eine Erwerbsarbeit aufnehmen möchten, aber keine Stelle finden, dürfen seit 1996 Arbeitslosengelder beziehen, selbst wenn sie nie Beiträge der ALV bezahlt haben. Der Gesetzgeber hatte dabei vor allem an mehr oder minder vermittelbare Schweizerinnen gedacht, die aufgrund familiärer Umstände praktisch dazu gezwungen sind, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. In der Praxis zeigte sich, dass dieses Angebot vor allem von Ausländerinnen namentlich aus Ex-Jugoslawien in Anspruch genommen wird, oft kurz nach ihrer Einreise in die Schweiz, und obgleich sie noch Kinder im Betreuungsalter haben; da sie in den meisten Fällen schlecht oder gar nicht ausgebildet sind, gelingt es ihnen nur selten, tatsächlich eine Stelle zu finden. In den ersten zweieinhalb Jahren ihres Bestehens kostete die neue Regelung die ALV gegen 80 Mio Fr., ein Vielfaches des ursprünglich geschätzten Betrages. Der Bundesrat anerkannte, dass hier die Möglichkeit eines Missbrauchs bestehe, weshalb er bereit war, eine Motion Baumann (svp, TG) entgegenzunehmen, die ihn verpflichtet, das Gesetz in dem Sinn anzupassen, dass nur Frauen in den Genuss der Versicherungsleistungen kommen, die vor ihrer Erziehungsperiode während mindestens sechs Monaten eine beitragspflichtige Erwerbstätigkeit in der Schweiz ausgeübt haben. Der Vorstoss wurde jedoch aus dem links-grünen Lager bekämpft und deshalb vorderhand der Diskussion entzogen [72].
Unmut bei den Angestelltenverbänden und den Gewerkschaften weckte die Weisung des BWA, Abgangsentschädigungen als ALV-relevanten Lohn zu betrachten und den Entlassenen deshalb vorderhand keine Arbeitslosenentschädigung auszurichten. Der Streit entzündete sich am Sozialplan für die rund 1800 Personen, die als Folge der Fusion von Bankgesellschaft und Bankverein ihre Stelle verloren. Gemäss den Arbeitnehmervertretern sollten die – teilweise sehr grosszügigen – Abfindungen unter anderem als Startkapital für die Gründung einer eigenen Firma dienen; das Stempelgeld sollte dagegen den täglichen Lebensbedarf abdecken [73]. Auch die Genfer Ständerätin Brunner (sp) rief den Bundesrat dazu auf, Abgangsentschädigungen nicht wie Lohnfortzahlungen zu behandeln. Erstere würden für die Betroffenen weitergehende Nachteile ausgleichen, etwa den Wegfall der betrieblichen Taggeldversicherung oder den Altersbonus [74]. Angesichts der geballten Opposition kam das BWA auf seinen Entscheid zurück; dies wurde auch von Arbeitgeberverbandsdirektor Hasler begrüsst, der meinte, dass mit dieser Weisung der Zweck eines Sozialplanes ausgehöhlt worden wäre [75].
Das BWA krebste gegenüber früher gemachten Aussagen zurück und erklärte, die Missbräuche in der ALV seien deutlich geringer als ursprünglich vermutet. Unter den 18% Taggeldbezügern, die 1997 ihre Anspruchsberechtigung vorübergehend verloren, wurde nur 6% grobes Verschulden vorgeworfen. 12% wurden wegen eines Fehlverhaltens bestraft, das oftmals aufgrund mangelnder Information erfolgte. Stärker ins Gewicht fallen Unregelmässigkeiten der Betriebe in den Bereichen Kurzarbeits- und Schlechtwetterentschädigung. In 174 Stichproben wurden 112 Regelverstösse festgestellt. Bei knapp 6% handelte es sich um eigentliche Missbräuche, 4% lagen in der Grauzone zwischen Missbrauch und Fehlverhalten, und 54% der kontrollierten Betriebe wurden der Nachlässigkeit bezichtigt [76].
Für Pilotprojekte der ALV zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit siehe oben, Teil I, 7a (Arbeitsmarkt).
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[1] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 24 ff., 54 ff., 684 f., 690, 701 und 1100 ff.; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 641 ff., 917 ff., 1756 und 2362 ff.1
[2] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 58 ff., 701 f. und 1006 f.; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 890 ff. und 1786. Im NR beantragte eine Minderheit aus SVP- und FP-Kreisen Streichung des gesamten Kapitels mit dem Argument, in eine Bundesverfassung gehörten keine – zum Teil erst noch vage formulierten – Ziele, unterlag aber sehr deutlich mit 143:32 Stimmen.2
[3] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2171 f. und 2175 f. Zu den Perspektiven in der Sozialversicherung siehe auch die Stellungnahme des BR zu einer Interpellation der CVP-Fraktion (ibid., S. 2913 ff.).3
[4] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2779. Siehe SPJ 1996, S. 253 f.4
[5] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2194.5
[6] Presse vom 20.2.98; SHZ, 15.7.98 (Interview mit BR Dreifuss).6
[7] Presse vom 10.5. bis 6.6.98.7
[8] Presse vom 2.7.98. Siehe oben, Teil I, 5 (Sanierungsmassnahmen).8
[9] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1668 f.; TA, 15.6. und 2.7.98; NLZ, 19.12.98. Siehe dazu auch ein überwiesenes Postulat der SVP-Fraktion (Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2194).9
[10] Presse vom 15.4.99.10
[11] BBl, 1998, S. 5529 ff. Presse vom 10.7.-28.9.98. Vertreterinnen und Vertreter der SP vor allem aus der Romandie zeigten sich indigniert darüber, dass sich Dreifuss für die Erhöhung des Rentenalters der Frauen einsetzte. In einem ”offenen Brief” erinnerten sie die Magistratin daran, dass sie aufgrund einer Bewegung der Frauen und der militanten Linken in den BR gewählt worden sei, die sie mit ihrer Haltung nun quasi desavouiere (LT, 2.9., 11.9. und 14.9.98; TA, 15.9.98). Siehe auch SPJ 1997, S. 263 f.11
[12] M. Delgrande / W. Linder, Vox. Analyse der eidgenössischen Abstimmungen vom 27. September 1998, Bern 1998.12
[13] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1972 ff., 2110 ff. und 2953 f.; Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1196 ff. und 1402. Siehe auch SPJ 1997, S. 263 f.13
[14] BBl, 1998, S. 4185 ff. Siehe dazu auch oben, Teil I, 5 (Indirekte Steuern).14
[15] CHSS, 1998, Nr. 5 (Schwerpunktthema); Presse vom 3.4., 9.4., 27.6., 23.7. und 28.8. 8; NZZ, 26.8.98 (Interview von BSV-Direktor Piller). Die Angleichung des Rentenalters der Frauen an jenes der Männer erachtet der BR nicht nur von sich aus als wünschenswert; er wird auch durch eine Motion beider Räte dazu angehalten (SPJ 1994, S. 218 und 1995, S. 246). Gleichzeitig mit der Erhöhung der MWSt für AHV und IV möchte der BR auch die Kompetenz erhalten, bei Bedarf die MWSt um je einen halben Prozentpunkt zugunsten der Erwerbsersatzordnung und der Mutterschaftsversicherung anzuheben. Die Mehrwertsteuer stiege damit auf 10,5%. Die vom BR vorgeschlagene Aufhebung des Freibetrages für erwerbstätige Rentner verlangte auch eine als Postulat überwiesene Motion Epiney (cvp, VS): Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1507 f.15
[16] Presse vom 28.8.98; TA, 14.12.98; NZZ, 21.12.98. Siehe auch B. Despland, ”11e révision de l’AVS: quelques considérations critiques”, sowie J.-P. Fragnière, ”La 11e révision de l’AVS: dimensions du débat”, in Aspects de la sécurité sociale, S. 19-20 und 21-24.16
[17] M.-P. Cardinaux,, ”Vor der Revision der freiwilligen AHV/IV”, in CHSS, 1998, S. 159-161.; SGT, 12.1.98; Presse vom 9.4., 23.6. und 21.8.98 (Reaktion der Auslandschweizer). Siehe SPJ 1992, S. 225 f., 1993, S. 216 und 1994, S. 218. Weltweit sind rund 516 000 Schweizer Bürgerinnen und Bürger bei den konsularischen Vertretungen im Ausland registriert, 63% davon in Europa. Sozialversicherungsabkommen bestehen momentan mit den Staaten der EU sowie mit Chile, Jugoslawien, Israel, Kanada, Kroatien, Liechtenstein, Norwegen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Türkei, Ungarn, USA und Zypern.17
[18] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 383 ff. und 809 f.; Amtl. Bull. StR, 1998, S. 462. Siehe auch SPJ 1997, S. 263.18
[19] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2400 und 2433 f.; Presse vom 7.11.98. Am ”Runden Tisch” hatten sich die Teilnehmer darauf geeinigt, auf eine verzögerte Rentenanpassung zu verzichten (BaZ, 7.11.98). Zum Stabilisierungsprogramm generell siehe oben, Teil I, 5 (Sanierungsmassnahmen).19
[20] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 729.20
[21] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2195 f.21
[22] LT, 3.7. und 2.10.98; 24 Heures und NZZ, 11.7.98; TA, 21.7., 5.8. und 15.12.98; BaZ, 2.9.98. Zur Anlagepolitik des AHV-Fonds siehe auch die Stellungnahme des BR zu einer Interpellation Epiney (cvp, VS): Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2885 f.22
[23] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1244 ff. und 1248 ff. Vgl. SPJ 1997, S. 266. Zur Kostenentwicklung in der IV siehe: F. Donnini, ”Anstieg der IV-Rentenbezüger: Erklärungsansätze”, in CHSS, 1998, S. 202-207.23
[24] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 734 ff.; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1398 ff.24
[25] Im StR wurde die Revision schliesslich mit 35:4 Stimmen angenommen, im NR mit 92:77 Stimmen bei 12 Enthaltungen (Amtl. Bull. StR, 1998, S. 839; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1634 f.).25
[26] BBl, 1999, S. 241 f.; CHSS, 1998, S. 166-167; Presse vom 15.10.98. Zu einer von den Behindertenorganisationen lancierten Volksinitiative für eine entschiedenere Gleichstellungspolitik siehe unten, Teil I, 7d (Invalide). Für Sparmassnahmen der IV im Bereich der Suchttherapie vgl. oben, Teil I, 7b (Drogen).26
[27] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2427 ff. Zu den Sanierungsmassnahmen generell siehe oben, Teil I, 5 (Sanierungsmassnahmen). In der die 4. IV-Revision vorberatenden Kommission des NR war die Einführung eines zentralisierten ärztlichen Dienstes hart umstritten gewesen, im Plenum geriet dieser Punkt dann in den Schatten der Diskussionen um die Viertelsrente und passierte diskussionslos, was im StR einiges Erstaunen hervorrief (Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1264; Amtl. Bull. StR, 1998, S. 739 f.).27
[28] BBl,1998, S. 3418 ff. Siehe SPJ 1997, S. 267.28
[29] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 880 ff.29
[30] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2697 ff.30
[31] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1385 ff. und 1403; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2760 und 2954 f.; CHSS, 1998, S. 40-41 (Zusammenfassung der Neuerungen).31
[32] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2710. Die Motion Hafner war 1997 im Rat bekämpft worden (Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2205).32
[33] CHSS, 1998, Nr. 5 (Schwerpunktthema); V. Darbellay, ”Loi sur la prévoyance professionnelle, LPP: une révision nécessaire”, in Aspects de la sécurité sociale, 1998, S. 8-12; Presse vom 9.4. und 27.8.98. Zur Forderung nach der Einführung einer Witwerrente im BVG vgl. SPJ 1995, S. 249 und 1996, S. 259. Zu parlamentarischen Bestrebungen, den Koordinationsabzug dem Beschäftigungsgrad anzupassen, siehe oben, Teil I, 7a (Arbeitszeit).33
[34] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1503 f. und 2172 ff.34
[35] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2847. Zu Diskussionen über die steuerliche Belastung von Leistungen aus der 2. Säule und der Säule 3a siehe oben, Teil I, 5 (Andere Steuerfragen und Stabilisierungsprogramm). Für die Lockerung der Anlagepolitik der Pensionskassen vgl. oben, Teil I, 4a (Strukturpolitik).35
[36] BBl, 1998, S. 5569 ff.; Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1201 ff., 1385 und 1403; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2595 ff. und 2955. Siehe dazu auch die Äusserungen des BR in Amtl. Bull. NR, 1998, S. 754 f.; CHSS, 1998, S. 271-272.; TA, 24.8.98. Zu den ”vergessenen” Konten in der AHV vgl. die Antwort des BR auf eine Interpellation Vermot (sp, BE) in Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1583 ff.; TA, 17.2.98; TG, 30.5.98.36
[37] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2146 ff.37
[38] BBl, 1999, S. 793 ff.; CHSS, 1998, S. 92 (Vernehmlassungsvorlage) und 273-274 (Übersicht über sämtliche Revisionspunkte); Presse vom 10.3., 20.5. (Resultate Vernehmlassung) und 22.9.98 (definitive Vorlage). Zu einer Motion Gysin (sp, BS), welche eine Verbilligung der KK-Prämien für Jugendliche verlangt, siehe Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2129 f.; zu einer als Postulat überwiesenen Motion Gross (sp, TG) auf Zulassungsbeschränkungen für Leistungserbringer vgl. ibid., S. 2136 f. Weitere Sparvorschlägen brachte die SGK des NR ein, doch wurde über den Vorstoss nicht abgestimmt (ibid., S. 1864 ff.). Ein neuer dringl. Bundesbeschluss zur Prämienverbilligung wurde nötig, da der erste 1999 ausläuft. Mit über 260 000 Unterschriften wurde Ende Jahr eine Petition des Konkordats der Krankenversicherer und der Schweiz. Patientenorganisation eingereicht, die ein gesamtschweizerisch einheitliches, gerechtes und soziales System der Prämienverbilligung verlangen (Presse vom 17.11.98).38
[39] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 730 und. 2141 f. Vgl. auch die Stellungnahme des BR zu einer Interpellation Deiss (cvp, FR): ibid., 2864 ff. CSS: NZZ, 21.9.98.39
[40] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 462; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 408 ff. und 808. Die Standesinitiativen wurden abgeschrieben (Amtl. Bull. StR, 1998, S. 632 ff.; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 410 ff.). Siehe SPJ 1994, S. 261 und 1997, S. 271.40
[41] BBl, 1998, S. 1335 ff. und 1342 ff. (Stellungnahme BR); Amtl. Bull. StR, 1998, S. 406 ff. und 1402; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 413 ff., 2124 f. und 2951 f. Siehe SPJ 1997, S. 271. Auch diese Standesinitiativen wurden als erfüllt abgeschrieben (Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1204 f.; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2123 f.).41
[42] Presse vom 8.5.98; Bund, 9.5.98; BaZ, 11.5.98; NZZ, 13.5.98. Bei der finanziell arg angeschlagenen Visana (s. unten) betrugen die Aufschläge z.T. bis gegen 150% (Presse vom 23.10.98; SHZ, 4.11.98). Ein Postulat Scheurer (lp, NE), welches den BR ersuchte, Massnahmen vorzuschlagen, welche sicherstellen, dass auch über 60jährige Versicherte noch problemlos die Zusatzversicherung wechseln können, falls ihr Versicherer in Konkurs geht, wurde vom BR zwar entgegengenommen, allerdings erneut mit dem deutlichen Hinweis darauf, dass die Zusatzversicherungen nicht dem KVG unterstehen (Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2852 f.).42
[43] BBl, 1998, S. 3202 ff.43
[44] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2128 f. und 2131 ff.44
[45] BBl, 1998, S. 4958; Presse vom 3.10.98. Siehe SPJ 1997, S. 270.45
[46] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1376 ff. (Jeanprêtre) und 2127 f. (Cavalli).46
[47] CHSS, 1998, S. 14-17; Presse vom 11.2.98.47
[48] Presse vom 6.6.98; NZZ, 7.11.98.48
[49] NZZ, 7.2.98; NQ, 13.2.98; BZ , 24.3.98; Ww, 26.3.98; NLZ, 17.6.98; Presse vom 21.11.98. Siehe auch SPJ 1997, S. 269.49
[50] Resultate 199: Presse vom 14.2. 98. Rückzug: Presse vom 20.8., 5.9. und 9.9.98; siehe dazu auch die Ausführungen des BR zu einer Interpellation im NR (Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2867 ff.). Mitgliederschwund 1998: Presse vom 17.12.98; Bund, 30.1.99. Für 1999 betrugen die angekündigten Prämienerhöhungen aller Kassen im Schnitt noch 2,8%, was gegenüber den Vorjahren (1997: 11,7%; 1998: 4,7%) einer deutlichen Abflachung der Kurve gleichkommt; einzig die Visana beantragte dem BSV, in gewissen Regionen die Prämien in der Grundversicherung um bis zu 30% anzuheben, musste sich dann aber mit 15% begnügen (Presse vom 3.10.98). Zur Prämienentwicklung siehe auch die Ausführungen des BR zu einer abgelehnten Motion Jaquet (sp, VD), welche ein Moratorium für Prämienerhöhungen verlangte (Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2140 f.).50
[51] Presse vom 28.8., 9.9. und 18.9.98.51
[52] Presse vom 18.9.98; NZZ, 22.9.98. Den ebenfalls hörbar gewordenen Vorwurf, die Visana habe Reserven aus der Grund- in die Zusatzversicherungen transferiert, entkräftete das BSV (BZ, 19.10.98). Dass das BSV die Entwicklung bei der Visana mit Besorgnis beobachtet, ging aus der Auflage an die Kasse hervor, ihre Konten monatlich der Kontrollbehörde vorzulegen (Presse vom 3.12.98).52
[53] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1205 ff.; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2817 f. Für weitere Konsequenzen aus dem Visana-Rückzug siehe auch die Stellungnahme des BR zu einer Interpellation Comby (fdp, VS): ibid, S. 2915 f.53
[54] Verhandl. B.vers., 1998, IV, Teil I, S. 34. Kommission: Presse vom 24.11.98. Siehe dazu auch die Antwort des BR zu einer Frage Berberat (sp, NE) in Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2974 f.54
[55] Verhandl. B.vers., 1998, IV, Teil I, S. 36; BZ, 23.9.98; Presse vom 14.10.98; SHZ, 21.10.98.55
[56] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 789 f. und 1143; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1843 ff. und 2295 f.56
[57] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 710 ff.57
[58] Presse vom 1.4.98. Siehe SPJ 1997, S. 272.58
[59] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 742 ff. und 762 ff.59
[60] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2071 ff., 2081 ff. und 2094 ff.60
[61] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1218 ff. und 1402; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2594 und 2952 f.61
[62] TA, 4.11.98; BaZ, 5.11.98; LT, 9.11.98; Presse vom 12.11. und 26.11.9862
[63] CHSS, 1999, S. 2-3.63
[64] Die Volkswirtschaft, 1999, Nr. 5, S. 30*.64
[65] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2427 ff. und 2434 f.; TA, 7.7.98; LT, 23.10.98; Presse vom 7.11.98. In der Frühjahrssession nahm der StR eine Motion Cottier (cvp, FR) als Postulat an, welche u.a. die (zeitlich befristete) Weitererhebung des 3. Lohnprozentes sowie die Aufhebung der Höchstgrenze beim beitragspflichtigen Lohn verlangte (Amtl. Bull. StR, 1998, S. 391 ff.). Ebenfalls als Postulat überwiesen wurde eine Motion Lötscher (cvp, LU) im NR, die Obergrenze vom Zweieinhalbfachen des für die Unfallversicherung massgebenden Höchstbetrags auf mindestens das Zehnfache zu erhöhen (Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2653 f.).65
[66] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1518 f. Zu den Wiedereinsteigerinnen siehe auch unten.66
[67] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2643 ff. Siehe SPJ 1997, S. 274 f.67
[68] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 393 ff.68
[69] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2835 ff.69
[70] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2655 f.70
[71] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2198 f.71
[72] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2835. Für ein Postulat mit ähnlicher Stossrichtung vgl. ibid., S. 2198. Siehe auch die Ausführungen des BR zu einer Interpellation im NR (ibid., S. 1557 f.). Das BWA reagierte auf diese Missbrauchsvermutung mit der Weisung an die kantonalen und regionalen Arbeitsvermittlungsstellen, diese Frauen umgehend einem Beschäftigungsprogramm zuzuweisen, um ihren Willen zur arbeitsmarktlichen Integration so auf die Probe zu stellen (24 Heures, 17.7.98). Im Rahmen des Sanierungsprogramms der Bundesfinanzen wurde die Bezugsdauer für Wiedereinsteigerinnen von 520 auf 260 Tage reduziert (s. oben).72
[73] Presse vom 22.4.98.73
[74] 24 Heures, 6.5.98.74
[75] Bund, 16.5.98.75
[76] Lit. Aeppli. Die hohe Anzahl der beanstandeten Betriebe erklärt sich allerdings auch dadurch, dass das BWA vor allem Betriebe kontrolliert, die bereits in der Vergangenheit durch Fehlverhalten aufgefallen sind. Vgl. dazu auch die Stellungnahme des BR zu einer Interpellation der SP-Fraktion (Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1556 f.). Vgl. SPJ 1993, S. 227 und 1997, S. 276.76
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