Sozialpolitik
Sozialversicherungen
Der Bericht IDA-FiSo-2 zeigte verschiedene Möglichkeiten der Entwicklung der Sozialversicherungen auf. - Der Ständerat ermächtigte den Bundesrat, ab 1999 ein zusätzliches Mehrwertsteuerprozent zur finanziellen Sicherung der AHV zu erheben. - Beim ersten Teil der 4. Revision des Gesetzes über die Invalidenversicherung wurde einem Kapitaltransfer von der Erwerbsersatzordnung zur IV zugestimmt, nicht aber einer Erhöhung der IV-Beiträge. - Beide Kammern verabschiedeten die 3. Revision des Bundesgesetzes über die Ergänzungsleistungen. - Zwei Volksinitiativen für eine andere Finanzierung der Krankenversicherung wurden lanciert. - Der Bundesrat stellte seinen Vorschlag für die Mutterschaftsversicherung vor. - Die im Vorjahr beschlossene Kürzung der Arbeitslosentaggelder wurde in einer Referendumsabstimmung verworfen.
Grundsatzfragen
Der Nationalrat überwies ein von mehreren Parlamentarierinnen und Parlamentariern aller Bundesratsparteien unterzeichnetes Postulat Ratti (cvp, TI), welches anregte, zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit die Arbeitskosten dadurch zu senken, dass die
Sozialabgaben der Arbeitgeber durch eine
andere Finanzierung (beispielsweise über die Mehrwertsteuer oder eine Ressourcensteuer) ersetzt würden
[1].
Der Nationalrat hiess in der Wintersession die von seiner vorberatenden Kommission beantragte Fristverlängerung für das Gesetzesprojekt
Allgemeiner Teil Sozialversicherungsrecht (ATSG) gut. Dieses geht auf eine parlamentarische Initiative von alt Ständerätin Meier (cvp, LU) aus dem Jahre 1985 zurück. Nach jahrelangen Vorarbeiten, mehreren Vernehmlassungsverfahren und Stellungnahmen des Bundesrates sowie inzwischen geänderter Ausgangslage durch den Wandel in der Gesetzgebung wurde im Sommer des Berichtsjahres von einer Subkommission eine
schlankere Version "ATSG light" erarbeitet, welche insbesondere das BVG nicht mehr beinhalten will, weil in den meisten Ländern der EU die betriebliche Altersvorsorge nicht der staatlichen Sozialgesetzgebung unterstellt ist. Diese letzte Version wurde von der zuständigen Kommission mit 18 zu 2 Stimmen verabschiedet. Innerhalb der nochmals um zwei Jahre verlängerten Frist wird das BSV den Entwurf und insbesondere den sehr komplexen Anhang bereinigen
[2].
In der Märzsession befasste sich der Ständerat mit einem Postulat Saudan (fdp, GE), welches die Prüfung einer
generellen Erwerbsausfallversicherung für die Bereiche Mutterschaft, Militärdienstleistungen und Invalidität anregte. Die kleine Kammer lehnte die zwei ersten Punkte des Postulates (Zusammenfassung der drei Versicherungsbereiche sowie Finanzierung über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 4%) ab, überwies hingegen die beiden weiteren (Prüfung der volkswirtschaftlichen Auswirkungen und einer allfälligen Einführung des Konzepts zusammen mit dem neuen Finanzausgleich). Der Nationalrat schloss sich diesem Vorgehen bei der Behandlung eines gleichlautenden Postulates Tschopp (fdp, GE) an
[3].
Der vom neuen Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV), Otto Piller, präsidierte Konsultativausschuss verwaltungsexterner Kreise, der die Arbeiten von IDA-FiSo-2 (siehe unten) mit Empfehlungen begleitete, hielt seine Überlegungen in einem eigenen Bericht fest. Dieser analysierte neue, durch den gesellschaftlichen Wandel hervorgerufene soziale Risiken sowie mögliche Gegenmassnahmen. Die neu auf die Gesellschaft zukommenden Bedürfnisse sind nach Ansicht einer Mehrheit des Ausschusses nicht einfach das Resultat zufälliger individueller Umstände, sondern das Produkt eines tiefen Wandels der Lebensformen, insbesondere im Bereich der Familie und im Berufsleben. Diese stellten neue soziale Risiken dar, denen mit den Sozialversicherungs- und Sozialhilfesystemen nicht mehr angemessen begegnet werden könne. Die Veränderungen der Lebens- und Arbeitsformen führten bei immer mehr Leuten zu gesellschaftlicher Marginalisierung und Armut sowie zu Deckungslücken im Sozialschutz. Weil die verfügbaren finanziellen Mittel sogar bei Werktätigen und erst recht bei Nichterwerbstätigen nicht mehr für den Lebensunterhalt ausreichten, sollte beispielsweise das Prinzip der Ergänzungsleistungen
auf Bereiche ausserhalb von AHV und IV ausgedehnt werden. Die EL würden damit zum Bindeglied zwischen dem individuellen Sozialversicherungsanspruch und der bedarfsabhängigen Sozialhilfe. Als mögliche Verbesserungen nannte der Bericht die Verankerung des Rechts auf Sozialhilfe in der Verfassung, die Verabschiedung eines diesbezüglichen Rahmengesetzes auf Bundesebene, die Harmonisierung der materiellen Bestimmungen sowie die Einführung eines Ausgleichssystems in bezug auf die zu tragenden Lasten. Als weitere mögliche Massnahmen schlug der Ausschuss unter anderem gezielte, einkommensergänzende Leistungen oder eine Abgabenbefreiung für Betriebe vor, die Arbeitnehmer mit geringer Qualifikation beschäftigen, sowie ein Impulsprogramm zur Schaffung sogenannt ergänzender Arbeitsplätze für Minderqualifizierte.
Gerade mit derartigen Vorschlägen konnte eine
wirtschaftsfreundliche Minderheit des Konsultativausschusses wenig anfangen. Der Weiterausbau des Sozialstaats über eine gewisse Limite hinaus könnte ihrer Ansicht nach für die Mittelschicht zu einer kaum mehr verkraftbaren finanziellen Belastung werden. Zudem dürften die wirtschaftlichen Folgen von eigenverantwortlichem Handeln, beispielsweise bei einer Scheidung, nicht einfach auf das Gemeinwesen überwälzt werden. Ein soziales Sicherungssystem, das nicht mehr hauptsächlich auf der Arbeit beruhe, würde zwar die Schliessung gewisser Lücken im sozialen Netz ermöglichen, doch wäre der
Anreiz zur Arbeit nicht mehr gegeben. Ein solches Modell wäre auch schlicht nicht finanzierbar
[4].
Gleich wie andere
Städte mit Zentrumsfunktion ist auch Zürich überproportional vom Anstieg der Sozialausgaben betroffen. In der Stadt Zürich sind 80 von 1000 Einwohnern auf Sozialleistungen angewiesen, im restlichen Kanton lediglich 18 Promille aller ansässigen Personen. Die grüne Städträtin Stocker verlangte deshalb die
Schaffung einer nationalen Projektorganisation für die soziale Sicherung, ähnlich wie sie auch zur Koordination in der Drogenpolitik gebildet wurde. Darin sollten Vertreter von Bund, Kantonen und Gemeinden gemeinsame Strategien entwickeln, um die Spätfolgen der Rezession und die Not der öffentlichen Haushalte zu lindern. Die sozialen Risiken dürften nicht allein den Kommunen als letztem Auffangnetz überlassen werden
[5].
Die finanzielle Situation der AHV und der Invalidenversicherung (IV) verschlechterte sich im Berichtsjahr weiter. Insbesondere die 10. AHV-Revision und die Anpassung der Renten an die Teuerung führten zu
hohen Mehraufwendungen. Demgegenüber stiegen die Beitragszahlungen der Versicherten rezessionsbedingt nur ganz schwach an. Die drei Sozialwerke AHV, IV und Erwerbsersatzordnung (EO) erzielten einen
Fehlbetrag von 812 Mio Fr. Ohne den Überschuss der EO von 386 Mio Fr. hätte das Defizit sogar 1198 Mio Fr. betragen. Das Gesamtvermögen der drei Sozialwerke belief sich Ende Jahr auf 26 033 Mio Fr
[6].
Kurz vor Weihnachten stellte das EDI den zweiten Bericht der interdepartementalen Arbeitsgruppe Finanzierung der Sozialversicherung (IDA-FiSo-2) der Öffentlichkeit vor. Nachdem der erste Bericht die finanziellen Folgen der Weiterführung des geltenden Leistungssystems in den Jahren 2010 und 2025 dargestellt hatte, wurden mit dem zweiten Bericht die möglichen Aus-, Um- oder Abbauszenarien im Leistungsbereich dargestellt. IDA-FiSo-1 war im Vorjahr zum Schluss gelangt, dass im Jahre 2010 15,3 Mia Fr. mehr nötig sind, um die heutigen Sozialleistungen inklusive Mutterschaftsversicherung zu finanzieren. Der Bundesrat hatte IDA-FiSo-2 daraufhin den Auftrag erteilt, anhand von drei Szenarien darzustellen, was getan werden müsste, um den Mehrbedarf auf 9 Mia Fr. zu beschränken, welche Massnahmen die Fortführung des Status quo fordert und welche die Erhöhung der Ausgaben auf 18 Mia Fr. Der IDA-FiSo-2-Bericht zeigte den Gestaltungsraum innerhalb der einzelnen Sozialversicherungszweige auf sowie die Auswirkungen für das ganze System, die Versicherten und die Wirtschaft. Bei allen Varianten wurde mit einem finanziellen Mehrbedarf gerechnet.
Sowohl die bürgerlichen Parteien und die Arbeitgeber auf der einen, als auch die SP und die Gewerkschaften auf der anderen Seite sahen sich von den Schlussfolgerungen des Berichtes in ihren Ansichten bestätigt. Die FDP fand, dass jetzt weder ein Ausbau noch die Schliessung von Lücken im sozialen Netz möglich sei. Sie forderte den Bundesrat auf, für die ' mittel- und langfristigen Aspekte der Finanzierung der Sozialwerke zu einem Gespräch am runden Tisch einzuladen. Die SVP verlangte ein Sanierungspaket, das auf der Leistungsseite zwingende Korrekturen vornehme. Die Arbeitgeber vertraten die Auffassung, dass nur das Szenario "gezielter Abbau" wirtschaftsverträglich sei, und dass im jetzigen Zeitpunkt die Einführung einer Mutterschaftsversicherung nicht zur Diskussion stehen könne. Gegen jeglichen Ausbau war auch der Schweizerische Gewerbeverband; er verlangte unter anderem ein einheitliches Rentenalter von mindestens 65 Jahren, eine Kürzung der Bezugsdauer bei der Arbeitslosenversicherung sowie Kostendämpfungen im Gesundheitswesen.
Ganz andere Schlüsse zogen SP und Gewerkschaften aus dem Bericht. Für die Sozialdemokraten zeigte dieser, dass kein Bedarf für Leistungsabbauszenarien im Sozialversicherungsbereich bestehe und auch ein Moratorium wirtschaftspolitisch nicht zu rechtfertigen sei. Aus dem Bericht sei zudem ersichtlich, dass die Politik in der Ausgestaltung der sozialen Schweiz der nächsten Jahrzehnte einen sehr grossen Spielraum habe. Für den Christlichnationalen Gewerkschaftsbund (CNG) stellte der Bericht eine gute Ausgangslage dar, um die Auseinandersetzungen über die künftige Ausgestaltung der Sozialwerke zu versachlichen. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hingegen bezeichnete den Bericht als mangelhaft. Er liste unzählige Abbauvorschläge auf und beschränke sich dabei auf die Bezifferung der möglichen Einsparungen. Dabei hätten die Experten vergessen, die Folgen für die Betroffenen darzulegen. SP und SGB verlangten die rasche Realisierung der Mutterschaftsversicherung und der Ruhestandsrente.
Einmal mehr zwischen den Fronten versuchte sich die
CVP zu positionieren. Die Partei sprach sich sowohl gegen den Abbau als auch gegen den Ausbau, sondern für den
Umbau der Sozialversicherungen auf dem Niveau der heutigen Sozialleistungsquote sowie für eine Mutterschaftsversicherung aus. Sie kritisierte aber, die Arbeitsgruppe sei von zu optimistischen Arbeitslosenquoten (maximal 3,5%) ausgegangen. Sparpotential ortete sie in mehr Eigenverantwortung und in der Missbrauchsbekämpfung
[7].
Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV)
Die Leistungen der AHV stiegen 1997 um 4% auf 25 803 Mio Fr. 98,5% davon entfielen auf die Geldleistungen, insbesondere die Renten. Allein wegen der Anpassung an die Teuerung fielen diese um 2,6% (640 Mio Fr.) höher aus als im Vorjahr. Kostensteigernd wirkten ferner der demographisch bedingte Zuwachs der Rentnerinnen und Rentner, der überproportionale Anstieg von Rentenabfindungen und Beitragsüberweisungen an ehemalige ausländische Arbeitskräfte sowie der allmähliche Übergang von der Ehepaarrente zu zwei Einzelrenten. Die gesamten Einnahmen der AHV deckten mit 25 219 Mio Fr. 97,7% der Ausgaben. Durch das
Defizit von 583 Mio Fr. (Vorjahr -28 Mio Fr.) verringerte sich das Vermögen der AHV auf 23 223 Mio Fr., was noch 90% der Ausgaben entspricht. Nach dem AHV-Gesetz sollte der AHV-Fonds "in der Regel" nicht unter eine Reserve von einer Jahresausgabe sinken. Durch das dem Parlament beantragte zusätzliche Mehrwertsteuerprozent (siehe unten) sollte sich das Rechnungsergebnis ab 1999 deutlich verbessern
[8].
Seit dem Inkrafttreten der 10. AHV-Revision ist es dem Ausgleichsfonds der AHV gestattet, in begrenztem Rahmen Aktien von schweizerischen Unternehmen zu erwerben. Der Verwaltungsrat des Fonds leitete demzufolge eine
neue Anlagepolitik in die Wege. Im Verlaufe des Sommers wurden für 500 Mio Fr. Fremdwährungsobligationen und für weitere 500 Mio Schweizer Aktien gekauft. Diese Anlagen werden durch externe Spezialisten bewirtschaftet
[9].
Am 1. Mai verabschiedete der Bundesrat eine Botschaft zuhanden der eidgenössischen Räte mit dem Antrag, das in der Mehrwertsteuervorlage von 1993 vorgesehene
zusätzliche Mehrwertsteuerprozent zugunsten der AHV auf Anfang 1999 zu mobilisieren. Die Bundesverfassung (Art. 41ter Abs. 3bis) erlaubt diese Massnahme, wenn wegen der Entwicklung des Altersaufbaus die Finanzierung der AHV und IV nicht mehr gewährleistet ist. In formeller Hinsicht wird hierfür der Erlass eines allgemeinverbindlichen, dem fakultativen Referendum unterstellten Bundesbeschlusses vorgeschrieben. Gemäss Vorschlag des Bundesrates soll der ordentliche Mehrwertsteuersatz von 6,5 auf 7,5% angehoben werden, die reduzierten Mehrwertsteuersätze hingegen unter Wahrung der bisherigen Satzproportionen in entsprechend geringerem Umfang (von 2,0% auf 2,3% für den reduzierten Satz auf den Gütern des täglichen Bedarfs und von 3,0 auf 3,5% für den Sondersatz für Beherbergungsleistungen)
[10].
Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit im
Ständerat befürwortete zwar
einstimmig die Erhebung eines zusätzlichen Mehrwertsteuerprozentes, wollte dieses aber
erst 2000 einführen - ein Jahr später als vom Bundesrat beantragt. Die Kommissionsmehrheit argumentierte, bei einer Inkraftsetzung 1999 sei der zögerliche wirtschaftliche Aufschwung gefährdet. Überdies stehe der Entzug von Mitteln aus dem Wirtschaftskreislauf im Widerspruch zum beschlossenen Impulsprogramm. Das Plenum folgte aber mit 23 zu 15 Stimmen einem Antrag Beerli (fdp, BE) und Brunner (sp, GE), die wie der Bundesrat
bereits 1999 das zusätzliche Prozent erheben wollten. Beerli argumentierte, dass sich der Bund eine spätere Einführung finanziell nicht leisten könne. Selbst mit dem zusätzlichen MWSt-Prozent seien die Kosten der zunehmenden Alterung nicht voll gedeckt. Auch bezweifelte Beerli, dass die erhöhte Mehrwertsteuer die wieder erwachte Konsumneigung der Bevölkerung brechen könnte. Mehr Sicherheit bei den Sozialwerken könne möglicherweise die Kauflust gar steigern
[11].
Der Bundesrat beantragte dem Parlament, die
Volksinitiative der Gewerkschaften SGB und CNG
"für die 10. AHV-Revision ohne Erhöhung des Rentenalters" Volk und Ständen
zur Ablehnung zu empfehlen. Er begründete seinen Beschluss mit dem Wunsch, längerfristig die vollständige Gleichstellung der Geschlechter beim Rentenalter im Rahmen eines flexibilisierten Systems zu erreichen sowie mit den hohen Kosten, welche mit der Beibehaltung des Rentenalters 65/62 verbunden wären. Die Initiative bezweckt, die mit der 10. AHV-Revision beschlossene Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 64/65 Jahre bis zum Inkrafttreten der 11. AHV-Revision auszusetzen
[12].
Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates beantragte dem Rat überraschend mit 12 zu 9 Stimmen Annahme der Initiative. In der Plenumsdebatte zeigte sich aber rasch, dass die befürwortende Kommissionsmehrheit einer fast
geschlossenen Allianz der bürgerlichen Parteien gegenüber stand. Als Hauptargument führten diese an, die Initiative würde die an und für sich schon schwierige
finanzielle Lage der AHV zusätzlich massiv belasten; ferner setze die den Frauen mit der 10. AHV-Revision zugestandene Gleichstellung in den Rechten auch eine solche bei den Pflichten voraus. Demgegenüber wiesen die Vertreter und Vertreterinnen der links-grünen Parlamentsminderheit auf die Folgen der Heraufsetzung des Rentenalters der Frauen für den Arbeitsmarkt hin. Bundesrätin Dreifuss appellierte einmal mehr an das Parlament, Lösungen für eine flexible Pensionsaltersregelung zu finden. Mit 111 zu 72 Stimmen empfahl der Nationalrat Volk und Ständen die
Ablehnung der Initiative. Auch im Ständerat hatte die Initiative der Gewerkschaften keine Chancen. Als Gegenargumente wurden auch hier die Kosten und die finanzielle Lage der AHV vorgebracht
[13].
Der Schweizerische Kaufmännische Verein hatte Mitte Mai 1996 eine
Volksinitiative "für eine Flexibilisierung der AHV - gegen eine Erhöhung des Rentenalters für Frauen" eingereicht. Zehn Tage darauf waren die Grünen mit ihrem Begehren für ein
flexibles Rentenalter ab 62 für Frau und Mann gefolgt - gekoppelt mit einer zweiten Initiative, welche die Einführung einer
Energiesteuer zur Mitfinanzierung der Sozialwerke fordert. Beide Volksbegehren verlangen die Einführung einer Ruhestandsrente in der AHV. Danach sollen Frauen wie Männer ab dem 62. Altersjahr eine ungekürzte Altersrente beziehen können, wenn sie ihre Erwerbstätigkeit aufgeben oder - im Fall der SKV-Initiative - nur noch ein Erwerbseinkommen unter dem Anderthalbfachen der Mindestrente erzielen
[14]. Mitte Dezember
lehnte der
Bundesrat in seiner Botschaft an die Räte
beide Initiativen ohne Gegenvorschlag
ab, obgleich ihm die eidgenössische AHV/IV-Kommission - wenn auch nur sehr knapp - eine Annahme der Initiativen empfohlen hatte. Die Landesregierung argumentierte, dass die Ruhestandsrente ab Alter 62 tendenziell zu einer allgemeinen Senkung des Rentenalters mit
erheblichen Kostenfolgen führen würde. Er schätzte die Mehrbelastung der Sozialwerke auf netto 1,6 Mia Fr.: Mehrkosten von 2,46 Mia Fr. bei der AHV stünden Einsparungen von 490 Mio Fr. bei der IV und 365 Mio Fr. bei der ALV gegenüber
[15].
Ein Postulat Vermot (sp, BE), welches anregte, der Bundesrat solle sich doch noch einmal eingehend mit der Frage einer möglichen Nachzahlung von
fehlenden AHV-Beitragsjahren befassen, wurde mit Zustimmung des Bundesrates überwiesen. Bei der Beratung der 10. AHV-Revision war - vor allem aus Rücksicht auf die Auslandschweizerinnen und -schweizer - beschlossen worden, dass ab 1990, je nach Beitragsdauer, bis zu drei Jahre rückwirkend angerechnet werden können. Vermot begründete ihren Vorstoss damit, dass dieser Zeitraum je nach persönlicher Biographie völlig ungenügend sei
[16].
Auf Antrag seiner vorberatenden Kommission lehnte der Nationalrat eine parlamentarische Initiative Keller (sd, BL) ab, welche erreichen wollte, dass AHV- und IV-Renten, welche an Personen mit Wohnsitz im Ausland überwiesen werden, der
Kaufkraft des jeweiligen Landes anzupassen seien. Da im Plenum nicht einmal mehr der Initiant das Wort ergriff, wurde der Vorstoss diskussionslos verworfen
[17].
Der Ständerat nahm relativ knapp eine Empfehlung Rochat (lp, VD) an, welche anregte, der Bund möge auf die Erhebung von AHV-Prämien für jene ausländischen Arbeitskräfte verzichten, welche im Bereich der Landwirtschaft und des Rebbaus beschäftigt werden und die sich weniger als acht Wochen in der Schweiz aufhalten. Damit sollte die kurzfristige Anstellung ausländischer Arbeitnehmer in extrem jahreszeitlich geprägten Betrieben erleichtert werden
[18].
Um das in letzter Zeit etwas ramponierte
Vertrauen der Bevölkerung in die AHV wieder neu zu beleben, überwies der Ständerat eine Empfehlung Bieri (cvp, ZG), die den Bundesrat auffordert, im Jubiläumsjahr 1998 (150 Jahre Bundesstaat und 50 Jahre Bestehen der AHV) eine nationale AHV-Kampagne zu lancieren, welche die landesweite Bedeutung der AHV darstellen und die Idee der Solidarität zwischen den Generationen im Bewusstsein der Bevölkerung vertiefen soll
[19].
Invalidenversicherung (IV)
Die Invalidenversicherung schloss erneut mit tiefroten Zahlen ab. Das
Defizit von 615 Mio Fr. (Vorjahr -427 Mio Fr.) erhöhte den gesamten Schuldenbetrag der Versicherung auf 2190 Mio Fr. Die Ausgaben der IV stiegen auch im Berichtsjahr stärker an als jene der AHV, doch schwächte sich die Zunahme mit 4,6% (Vorjahr 7,1%) deutlich ab
[20].
Der Bundesrat unterbreitete dem Parlament den
ersten Teil der 4. IV-Revision, mit welchem vor allem die
Finanzierung dieses Versicherungszweiges mittelfristig sichergestellt werden soll. Als Einsparung bei den Ausgaben schlug er vor, für Neurentner die Zusatzrenten für die Ehepartnerin oder den Ehepartner sowie die Viertelsrenten abzuschaffen. Zudem beantragte er, die Härtefallrenten für Versicherte mit einem Invaliditätsgrad zwischen 40 und 50%, die in wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen leben, in das System der Ergänzungsleistungen zu überführen. Weitere Einsparungsmöglichkeiten sah der Bundesrat im Bereich der Kostensteuerung, wo Bedarfsplanungen für Werkstätten, Tagesheime und -stätten eingeführt sowie die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden sollen, um statistische Erhebungen und Wirkungsanalysen der IV-Leistungen vorzunehmen. Auf der Einnahmenseite kleidete der Bundesrat seine Vorstellungen in
zwei allgemeinverbindliche Bundesbeschlüsse. Zum einen sollte ein
Kapitaltransfer von 2,2 Mia Fr. von der derzeit überfinanzierten Erwerbsersatzordnung (EO) in die IV vorgenommen werden. Zum anderen schlug er eine
befristete Erhöhung des Beitragssatzes der IV um 1 Lohnpromille auf Kosten der EO vor
[21].
Angesichts der Dringlichkeit der Sanierung wurden die
Finanzierungsbeschlüsse vorgezogen und in beiden Räten gleichzeitig behandelt. Zuerst stimmte der
Ständerat - wenn auch nicht oppositionslos - mit 23 zu 11 Stimmen dem Transfer von 2,2 Mia Fr. aus dem EO- in den AHV/IV-Fonds zu. Ein Antrag Seiler (svp, SH), nur die Hälfte des Betrages zu überweisen, wurde recht deutlich verworfen.
Abgelehnt wurde hingegen mit 21 zu 16 Stimmen Eintreten auf den
Bundesbeschluss über die befristete Verlagerung eines Lohnpromilles der EO zugunsten der IV. Vertreter der CVP und der SP begründeten dies damit, dass dieses Lohnpromille der geplanten Mutterschaftsversicherung vorbehalten bleiben sollte. Demgegenüber wollten insbesondere Teile der FDP die EO-Kasse nicht beanspruchen, bevor nicht die genauen Pläne für die 6. EO-Revision bekannt sind
[22].
Im
Nationalrat wurde die Umlagerung von EO-Geldern zur IV ebenfalls mit einem gewissen Unbehagen aufgenommen. Ein rechtsbürgerlicher Antrag auf eine lediglich darlehensmässige Übertragung der Mittel scheiterte aber ebenso wie ein aus den gleichen Kreisen stammender Vorschlag, die Vorlage nur in Zusammenhang mit der 6. EO-Revision zu beraten. Auch ein CVP-Antrag, die überschüssigen EO-Gelder anstatt für die IV eher für die Mutterschaftsversicherung einzusetzen, wurde abgelehnt. Der Rat
stimmte schliesslich sowohl dem einmaligen Finanztransfer als auch - mit 85 zu 75 Stimmen - der
Verschiebung eines Lohnpromilles von der EO zur IV
zu. Damit schuf er eine gewichtige Differenz zum Ständerat. Diese konnte nicht ausgeräumt werden, da die kleine Kammer an ihrem Entscheid auf Nichteintreten festhielt. Dadurch wurde dieser
zweite Bundesbeschluss
obsolet
[23].
In der Wintersession befasste sich der
Ständerat mit den weiteren Punkten des ersten Teils der 4. IV-Revision, welche vorab Massnahmen zur Kosteneinsparung beinhalten. Unbestritten war die
Aufhebung der Zusatzrente für die Ehepartnerin oder den Ehepartner, nachdem die gleiche Leistung in der AHV mit der 10. Revision bereits gestrichen worden war. Hingegen erwuchs der
Abschaffung der Viertelsrente Opposition, und dies nicht bloss aus SP-Kreisen. Die Gegner argumentierten, dies gehe in die falsche Richtung, weil damit die Eingliederung Behinderter noch mehr erschwert werde; zudem bestehe die Gefahr, dass dadurch die Zahl der (teureren) 50%-Renten ansteige. Die Befürworter der Abschaffung wiesen darauf hin, dass die Viertelsrenten nur schwach beansprucht würden (ca. 4000 Fälle seit deren Einführung) und dass Härtefälle durch das EL-System aufgefangen werden könnten. Der Rat sprach sich schliesslich mit 23 zu 13 Stimmen für die Aufhebung aus
[24].
Im Hinblick auf die gesamthaft anstehende 4. IV-Revision erarbeitete die Stiftung "Pro Mente Sana" zwei Modelle zur
beruflichen Integration Behinderter, eines mit einem Bonus-Malus-System und Quoten, das andere mit einem schlankeren Anreizsystem. Gemäss der "Pro Mente Sana" könnten bei erfolgreicher Eingliederung der Behinderten bei der IV rund 228 Mio Fr. pro Jahr gespart werden. Die Stiftung gab zu bedenken, dass die Finanzen der IV nicht zu sanieren seien, solange Behinderte vom Arbeitsmarkt vertrieben werden. Die IV müsse ihren Grundsatz "Eingliederung vor Rente" wieder neu beleben können
[25].
Ergänzungsleistungen (EL)
Nach einem markanten Rückgang der Auszahlungen von EL im Vorjahr - bedingt durch das neue Verbilligungssystem bei den Prämien der Krankenkassen -
stiegen die Leistungen im Berichtsjahr
wieder stark an. Gesamtschweizerisch erhöhte sich das Total der Auszahlungen um 6,6%. Es konnten aber auch auffallende Unterschiede zwischen den Kantonen (Zunahmen von 1,2 bis 30,9%) sowie den AHV- und IV-Bezügern (3,8% bzw. 12,9%) festgestellt werden. Letzteres erklärt sich einerseits mit dem Anstieg der Zahl der IV-Berechtigten und andererseits mit deren - gegenüber den AHV-Bezügern - höheren Bedürftigkeit
[26].
Nach kurzer Diskussion genehmigte der Nationalrat in der Frühjahrssession die 3. Revision des Bundesgesetzes über die Ergänzungsleistungen (ELG) mit 112 gegen 3 Stimmen. Die Revision bringt vor allem verschiedene Verbesserungen für die nicht in einem Heim, sondern zu Hause lebenden Leistungsbezügerinnen und -bezüger sowie administrative Vereinfachungen. Die wichtigsten Punkte sind der Übergang von der Netto- zur Bruttomiete bei der Feststellung der Anspruchsberechtigung, die Herabsetzung der Karenzfrist für Ausländer und Ausländerinnen auf 10 Jahre, die Neuregelung der Krankheitskosten, die Einführung eines Vermögensfreibetrages bei der selbstbewohnten Liegenschaft von 75 000 Fr. sowie der Wegfall der Abzüge für Lebens-, Unfall- und Invaliditätsversicherungen.
Im Rat herrschte von links bis rechts Einigkeit über die Notwendigkeit der Revision, so dass ein Rückweisungsantrag von Bortoluzzi (svp, ZH) , welcher die Erarbeitung einer kostenneutralen Revision forderte, keine Chancen hatte. In der Detailberatung
stimmte die grosse Kammer
allen Änderungen im Sinn des Bundesrates zu. Zusätzlich fügte sie auf Antrag ihrer Kommission eine Bestimmung ein, welche die kantonalen Steuerbehörden verpflichtet, jeder
Steuererklärung für AHV und IV-Rentenbezüger ein vereinfachtes EL-Berechnungsblatt beizulegen. Ein Antrag Rechsteiner (sp, SG), die EL sowie die zugrundeliegenden AHV-Renten von den Bundes- und Kantonssteuern auszunehmen, wurde hingegen mit 77 zu 51 Stimmen verworfen
[27].
Im Anschluss an dieses Geschäft verabschiedete der Nationalrat zwei Postulate seiner vorberatenden Kommission. Das eine ersuchte den Bundesrat, eine definitive verfassungsrechtliche Grundlage für die EL zu schaffen und gleichzeitig die
Ausdehnung auf neue Risiko- bzw. Armutsgruppen zu prüfen. Das andere regte an, die Auswirkungen der erhöhten Vermögensfreigrenzen für Eigentümer selbstbewohnter Liegenschaften zu untersuchen und allenfalls eine Rückerstattungspflicht für Erben vorzusehen
[28].
Der
Ständerat beschloss in zwei Punkten eine vom Nationalrat
abweichende Lösung. Beim neu einzuführenden
Freibetrag für selbstbewohntes Wohneigentum soll es den Kantonen freistehen, ob sie an Stelle dieses Freibetrages eine Vorschussmöglichkeit für die EL einrichten und diese dann hypothekarisch sichern wollen. Wie die bürgerliche Ratsmehrheit argumentierte, kann damit verhindert werden, dass selbstbewohntes Grundeigentum veräussert werden muss, um in den Genuss von Ergänzungsleistungen zu kommen. Gleichzeitig wurden auch verschiedene Arten von Vermögen (Grundeigentum und bewegliches Vermögen) gleichgestellt und den Kantonen die Möglichkeit eingeräumt, zu verhindern, dass EL-Bezüger ihre abbezahlten Liegenschaften ihren Erben überlassen können. Zudem wollte die kleine Kammer auf die Bestimmung verzichten, dass die kantonalen Steuerbehörden jeder
Steuererklärung für die AHV- und IV-Rentenbezüger ein EL-Berechnungsblatt beilegen müssen und stattdessen die
Art der Orientierung ("in angemessener Weise")
den Kantonen überlassen. In der Differenzbereinigung setzte sich im Nationalrat - wenn auch relativ knapp mit 84 zu 72 Stimmen - die Auffassung des Ständerates durch
[29].
Erwerbsersatzordnung
Der Bundesrat befasste sich im Juni gleichzeitig mit der 4. IV-Revision, der Einführung einer Mutterschaftsversicherung und der geplanten
6. EO-Revision. Angesichts der angespannten Wirtschafts- und Finanzlage beschloss er, vorläufig auf sozialpolitisch zwar wünschbare, aber nicht qualifiziert begründete
Ausbauschritte bei der EO zu
verzichten, auch wenn eine Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer die Revision grundsätzlich befürwortet hatte. Druck auf die Landesregierung zu einer umgehenden Revision machte dann aber eine in der Herbstsession überwiesene Motion Seiler (svp, SH) im Ständerat. Entgegen seiner zögerlichen Haltung vom Juni erklärte sich der Bundesrat nun einverstanden, mit der EO-Revision rasch vorwärts zu machen
[30].
Zur Übertragung von 2,2 Mia Fr. von der EO zur IV siehe oben (Invalidenversicherung).
Berufliche Vorsorge
Dem Antrag des Stiftungsrates des Sicherheitsfonds BVG folgend, erhöhte das BSV per 1. Januar 1998 den Beitrag der Vorsorgeeinrichtungen an den
Sicherheitsfonds von bisher 0,06% der Löhne auf 0,1%. Die Erhöhung drängte sich einerseits wegen der weiterhin angespannten Wirtschaftslage auf, die häufiger zu Zahlungsunfähigkeit von Vorsorgeeinrichtungen führt, andererseits infolge der Erweiterung der Insolvenzdeckung, die anfangs des Berichtsjahres in Kraft trat
[31].
Mit dem Ziel, eine wirklich
paritätische Verwaltung der Pensionskassen sicherzustellen, hatte Nationalrat Borel (sp, NE) im Vorjahr eine parlamentarische Initiative eingereicht. Er verlangte insbesondere, dass der Kündigungsschutz für Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter ausgebaut werden und es der Belegschaft gestattet sein sollte, auch Personen aus anderen Betrieben als ihre Vertreter zu bestimmen, wenn damit die fachliche Kompetenz der Arbeitnehmerdelegation gestärkt werden kann. Die Mehrheit des Rates vertrat die Ansicht, es bestehe in diesem Bereich momentan kein Handlungsbedarf, auch wenn die Realität nicht immer den ursprünglichen Intentionen des Gesetzgebers entspreche; allenfalls könne das Anliegen in der 1. BVG-Revision wieder aufgenommen werden. Der Initiative wurde nach kurzer Diskussion mit 65 zu 52 Stimmen keine Folge gegeben
[32].
Der Nationalrat befasste sich mit einer Motion Rechsteiner (sp, BS), welche verlangte, dass der Sicherheitsfonds die Mehrkosten tragen soll, die Vorsorgeeinrichtungen durch eine
ungünstige Risikozusammensetzung bei der gesetzlichen Minimalversicherung der Risiken Tod und Invalidität erwachsen, damit inskünftig die Risikoprämie für den teuersten Betrieb nicht mehr als 50% über der durchschnittlichen Prämie liegt. Nachdem der Bundesrat erklärt hatte, er werde das Anliegen im Rahmen der anstehenden BVG-Revision prüfen, wurde der Vorstoss als Postulat überwiesen
[33].
Für zwei Motionen des Nationalrates zur Verpflichtung der Pensionskassen, einen Teil ihrer Mittel in Risikokapital anzulegen, welches zur Gründung von Jungunternehmen beitragen könnte, siehe oben, Teil I, 4a (Strukturpolitik).
Eine Motion Gross (sp, TG), welche eine Differenzierung der
Haftungsbestimmungen im Falle von Fehlleistungen der BVG-Organe verlangte, wurde auf Antrag des Bundesrates, der auf bereits laufende haftungsrechtliche Revisionsarbeiten ausserhalb des BVG verwies, als Postulat überwiesen. Ebenfalls als Postulat verabschiedet wurde eine Motion Steiner (fdp, SO), welche forderte, die
Vertretung der Rentnerinnen und Rentner in den Organen ihrer Vorsorgeeinrichtungen gesetzlich zu verankern. Hier erinnerte der Bundesrat daran, dass es Pensionskassen frei steht, derartige Bestimmungen in ihre Reglemente aufzunehmen, weshalb es im Sinne der immer wieder geforderten organisatorischen Freiheit der Vorsorgeeinrichtungen nicht sinnvoll wäre, dies per Gesetz vorzuschreiben
[34].
Da dem Bund durch den unbegrenzten Steuerabzug von Beiträgen an die zweite Säule und die Abzugsmöglichkeiten bei der dritten Säule (siehe unten, private Vorsorge) bedeutende Steuerausfälle erwachsen, verlangte eine Motion Thür (gp, AG), dass der
Steuerabzug auf jenen Arbeitserwerb beschränkt wird, der dem versicherten Lohnmaximum gemäss Unfallversicherungsgesetz (momentan 97 200 Fr.) entspricht. Die Motion wurde vom Vertreter der Privatversicherungen im Nationalrat - Hochreutener (cvp, BE) - sowie von Dreher (fp, ZH) bekämpft und deshalb der Diskussion entzogen
[35].
Die berufliche Vorsorge erhielt eine
privatrechtlich organisierte Ombudsstelle. Diese soll den Versicherten als neutrale Einrichtung beratend zur Seite stehen. Da sie einen gesamtschweizerischen Charakter hat, wird sie der Aufsicht des EDI unterstehen
[36].
Mit 109 zu 60 Stimmen gab der Nationalrat einer parlamentarischen Initiative Nabholz (fdp, ZH) Folge, welche eine
Öffnung der Dritten Säule für bestimmte Kategorien Nichterwerbstätiger verlangt. Konkret davon betroffen werden insbesondere
Hausfrauen sein, die ohne Entlöhnung Erziehungs- und Betreuungsaufgaben wahrnehmen, sowie
Arbeitslose und
Invalide. Sie sollen inskünftig ebenfalls den Steuerabzug für ihre in der individuellen Selbstvorsorge angelegten Mittel geltend machen können. Eine linke Kommissionsminderheit monierte vergebens, hier handle es sich in erster Linie um ein verkapptes Steuergeschenk an wohlhabende Kreise, da nur sie über die dafür notwendigen zusätzlichen Mittel verfügten, währenddem Arbeitslose und nichterwerbstätige Invalide nur in den seltensten Fällen ein Einkommen erzielten, welches dieses Sparpotential erlaube
[37].
Auf den 1. Januar setzte der Bundesrat eine Verordnungsänderung in Kraft, welche es ermöglicht, bei einer
Scheidung auch die Ansprüche aus der Säule 3a güterrechtlich aufzuteilen. Die Abtretung unter Ehegatten soll neu immer dann möglich sein, wenn der Güterstand anders als durch Tod aufgelöst wird. Allerdings muss auch bei der Abtretung der Vorsorgezweck der Kapitalien erhalten bleiben. Das heisst, dass der zugesprochene Betrag auf eine Einrichtung der Säule 3a oder auf eine Vorsorgeeinrichtung der zweiten Säule überwiesen werden muss
[38].
Krankenversicherung
Unter dem Druck der trotz neuem Krankenversicherungsgesetz (KVG) ständig ansteigenden Prämien berief Bundesrätin Dreifuss im Februar einen
"Krankenversicherungs-Gipfel" ein. Haupttenor der Veranstaltung, an der alle massgeblichen Akteure des schweizerischen Gesundheitswesens teilnahmen, war die Feststellung, dass die Mängel der Krankenversicherung weniger dem neuen KVG als vielmehr dessen rascher Einführung und der zu wenig koordinierten Umsetzung zuzuschreiben sind. Mit dem Ziel, Einfluss auf die Kostenentwicklung im Krankenversicherungsbereich zu nehmen, wurden die Gespräche auf drei Themenkreise konzentriert: das Spitalwesen mit Fragen der Spitalplanung und der ausserkantonalen Hospitalisation, die öffentlichen Gesundheitsdienste mit dem Beispiel der spitalexternen Krankenpflege (Spitex) sowie die Kalkulation und Kontrolle der Krankenversicherungsprämien
[39].
Da die nationalrätliche SGK auf Antrag von Bundesrätin Dreifuss, welche auf die Folgearbeiten des "Krankenversicherungs-Gipfels" verwies, einen Vorschlag ihrer Subkommission für einen Bundesbeschluss über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung knapp ablehnte, reichte Nationalrat Rychen (svp, BE) eine analoge parlamentarische Initiative ein. Sie verlangt den Erlass eines Bundesbeschlusses zur
Einsparung von Kosten im Gesundheitswesen auf den Ebenen Spitex, Pflegeheime und (Nicht-)Zulassung neuer Leistungserbringer. Der Nationalrat gab dieser Initiative in seiner Sommersession mit 96 zu 80 Stimmen Folge
[40]. Zu der teilweise erfolgten Umsetzung des Anliegens von Rychen siehe oben, Teil I, 7b (Gesundheitspolitik).
Die grosse Kammer unterstützte ebenfalls eine parlamentarische Initiative Gysin (fdp, BL), welche verlangt, die
SUVA sei als
Krankenversichererin zuzulassen. Heute erlaubt das KVG den Zugang zur obligatorischen Grundversicherung nur den nicht-gewinnorientierten Krankenkassen und den dem Versicherungsaufsichtsgesetz unterstellten Privatversicherern. Vom Marktzutritt der SUVA erhoffte sich eine Mehrheit des Nationalrates einen heilsamen Druck auf die Prämien, da die SUVA ihre "Case-management"-Erfahrung bei der Unfallversicherung möglicherweise auf die Krankenversicherung übertragen könnte. Die Ratsminderheit befürchtete dagegen, die SUVA würde mit 1,8 Millionen UVG-Versicherten ihre starke Marktposition als Wettbewerbsvorteil ausnützen, umso mehr, als zu ihren Versicherten vor allem berufstätige Personen und damit "gute Risiken" gehören. Eine CVP-Minderheit der vorberatenden Kommission reichte vergebens eine Motion mit dem Ziel ein, die als Gegenstück zur KVG-Zulassung die Aufhebung des Teilmonopols der SUVA im UVG-Bereich verlangte
[41].
Ein Postulat Loeb (fdp, BE), welches den Bundesrat bat, die Schweizer Haushaltungen umfassend über das neue KVG zu orientieren, ein Postulat Grendelmeier (ldu, ZH), das den Bundesrat ersuchte zu prüfen, ob bei der direkten Bundessteuer die Maxima für den Abzug von Krankenkassenprämien nicht entsprechend dem Anstieg der Prämien angehoben werden sollten, sowie ein Postulat Schmid (svp, BE) für eine Prämienbefreiung während längerer Militärdienstzeiten wurden ohne Opposition überwiesen
[42].
Die
PdA lancierte eine
Volksinitiative für einkommens- und vermögensabhängige Krankenkassenprämien. Um die Prämien für die einkommensschwachen Bevölkerungsteile massiv zu senken, müsste der Bund mindestens 50% der jährlichen Ausgaben der sozialen Krankenversicherung übernehmen. Der Bundesbeitrag soll unter anderem durch eine Gewinnabgabe der Banken finanziert werden. In der Herbstsession behandelte der Nationalrat eine parlamentarische Initiative Spielmann (pda, GE) mit der gleichen Stossrichtung, welche vom rot-grünen Lager unterstützt wurde. Nach kurzer Diskussion lehnte der Rat die Initiative mit 74 zu 53 Stimmen ab
[43].
An ihrem Parteitag im Juni beschloss die
SP, eine
Volksinitiative "für eine soziale Krankenversicherung" zu lancieren. Eine Arbeitsgruppe unter dem Tessiner Arzt und Nationalrat Cavalli hatte dafür zwei Varianten vorbereitet. Gegen den abtretenden Parteipräsidenten Bodenmann setzte sich das moderatere, als mehrheitsfähiger erachtete Modell durch. Danach werden die individuellen
Krankenkassenprämien je zur Hälfte über vier
zusätzliche Mehrwertsteuerprozente sowie über
einkommensabhängige Kopfprämien bezahlt und die Kinderprämien ganz abgeschafft. Zur Kostendämpfung sollten die
Kompetenzen des Bundes im Gesundheitsbereich ausgebaut werden. Der Bundesrat soll verpflichtet werden, jährliche Globalbudgets zu erlassen, die pro Region und Sparte die Ausgaben für die obligatorische Krankenversicherung limitieren. Zudem soll er die Prämien festsetzen und die Spitzenmedizin sowie die Zulassung der Ärzte beschränken können
[44].
Dieser Vorschlag stiess beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund vorerst nicht auf grosse Begeisterung. Der SGB fürchtete vor allem, dass durch Globalbudgetierungen gerade jene Hausärzte getroffen würden, die eine relativ preiswerte Medizin anbieten. Im definitiven Text, den SP und SGB Ende Oktober mit dem Titel
"Gesundheit muss bezahlbar bleiben" verabschiedeten, wurde die zentrale Steuerung durch den Bund etwas relativiert. Die Kantone sollen nach wie vor auch ihre eigenen Gesundheitsplanungen vornehmen können. Die einkommensabhängigen Prämien wurden ebenfalls noch einmal überarbeitet, um auch den Mittelstand zu entlasten.
Rund 90% der Bevölkerung würden mehr oder weniger deutlich vom neuen Modell profitieren, während die restlichen 10% mit Prämien zu rechnen hätten, die einer verdeckten Reichtumssteuer gleichkommen würden. Mit der Verlagerung auf die Reichen konnte auch die zur Schliessung der Finanzierungslücke notwendige Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes auf 3,5% reduziert werden, was namentlich den Bedenken des SGB und der Romands Rechnung trug
[45].
Entgegen dem Willen der SP, welche diese Massnahme als äusserst unsozial taxierte, überwies der Nationalrat ein Postulat Rychen (svp, BE), das anregte, die
Jahresfranchise für die Versicherten auf 600 Fr. anzusetzen, um so einen gewissen Spareffekt beim Bezug medizinischer Leistungen zu erreichen. Bei dieser Gelegenheit fragte sich sein Kollege Leuba (lp, VD), ob es nicht sinnvoller wäre, eine einkommensabhängige Franchise einzuführen. Bundesrätin Dreifuss sagte zu, dass die Landesregierung auch diesen Vorschlag prüfen werde. In seiner letzten Sitzung vor den Sommerferien beschloss der Bundesrat für 1998 eine Erhöhung der Jahresfranchise auf 230 Fr
[46].
In der Frühjahrssession behandelte der Nationalrat zwei Motionen seiner SGK. Die beiden Vorstösse wollten den Bundesrat verpflichten, den Kantonen
strengere Vorschriften über die Ausrichtung von Prämienverbilligungen an Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen zu machen. Insbesondere sollten die Kantone dazu angehalten werden, entweder 100% der Bundessubventionen abzuholen oder mit anderen Massnahmen sicherzustellen, dass die Prämienverbilligungen dem Willen des eidgenössischen Gesetzgebers entsprechen. Da der Bundesrat die Parlamentarierinnen und Parlamentarier daran erinnerte, dass sie sich entgegen seinen ursprünglichen Intentionen unter dem Druck der Kantone für ein föderalistisches System der Prämienverbilligung ausgesprochen hatten, weshalb der Bund in diesem Bereich nur sehr bescheidene Weisungskompetenzen hat, wurden die beiden Motionen nur in Postulatsform verabschiedet
[47].
Auf einen weiteren Vorschlag seiner SGK, welche mit einem dringlichen Bundesbeschluss erreichen wollte, dass die von den Kantonen nicht beanspruchten Mittel zur Prämienverbilligung in den Jahren 1997 bis 1999
an die Versicherten ausgeschüttet werden, trat der Nationalrat hingegen nicht ein. In der engagiert geführten Debatte argumentierten die Gegner der Vorlage, damit würde man wieder zum verpönten Giesskannenprinzip zurückkehren. Von Befürworterseite (SP und GP) wurde vergeblich geltend gemacht, der Einsatz dieser Gelder sei in der Volksabstimmung versprochen worden, weshalb sie nun nicht in der Bundeskasse zurückbehalten werden dürften
[48].
Mit einer parlamentarischen Initiative schlug Nationalrat Cavalli (sp, TI) vor, die für die Prämienverbilligung nicht beanspruchten Gelder in den Fonds für den
Risikoausgleich zwischen den Kassen fliessen zu lassen. Die Mehrheit der Kommission schätzte die Verteilung der Gelder über den Risikoausgleich aber als ungünstig ein, da dieser nur die beiden Elemente Alter und Geschlecht berücksichtigt. Im Plenum wurde die Initiative mit 69 zu 49 Stimmen abgelehnt
[49]. Eine Motion Rychen (svp, BE) zur Verstärkung des Risikoausgleichs unter den Krankenkassen wurde auf Antrag des Bundesrates, der auf eine anstehende Evaluationsstudie zu diesem Fragenkomplex verwies, als Postulat angenommen
[50].
Ab 2002 wird das
kantonale Prämienniveau bei den Bundesbeiträgen zur Verbilligung der Krankenkassenprämien nicht mehr berücksichtigt. Der Ständerat hiess sowohl eine entsprechende parlamentarische Initiative Schiesser (fdp, GL) als auch eine ganze Reihe von analogen Standesinitiativen aus der Ost- und Zentralschweiz gut. Auf Antrag seiner Kommission beschloss er aber, den 1997 in Kraft getretenen abgestuften Beitragsschlüssel nicht umgehend wieder abzuschaffen, sondern ihn bis sechs Jahre nach Inkrafttreten des KVG beizubehalten. Die grosszügige Übergangsfrist gibt den Kantonen mit teurem Gesundheitswesen Zeit, durch kostendämpfende Massnahmen die Ungleichheiten in der Prämienbelastung zu mildern
[51]. Im Nationalrat wurden die Standesinitiativen sowie eine analoge parlamentarische Initiative Raggenbass (cvp, TG) ebenfalls angenommen
[52].
Überwiesen wurden vom Ständerat ebenfalls zwei Standesinitiativen der Kantone Genf und Tessin, welche für die
Kantone mehr Mitspracherecht bei der Prämiengestaltung sowie bei der Umsetzung des KVG bis hin zur Kompetenzdelegation im Bereich der Aufsicht verlangen. Bei der Beratung im Plenum kündigte der Kommissionssprecher an, dass die SGK gedenke, eine entsprechende parlamentarische Initiative auszuarbeiten. Der Nationalrat nahm seinerseits ein analoges Postulat Berberat (sp, NE) an
[53].
Unfallversicherung
Diskussionslos wurde einer Änderung des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung in dem Sinn zugestimmt, dass die Nichtberufsunfälle den Berufsunfällen bei Vorliegen einer
Grobfahrlässigkeit annähernd gleichgestellt werden. Seit 1993 ist eine Kürzung der Leistungen bei Berufsunfällen aufgrund von übergeordnetem Recht nicht mehr zulässig. Mit der nun beschlossenen Änderung können die Renten und Hilflosenentschädigungen bei einem grobfahrlässig herbeigeführten Unfall nicht mehr gekürzt werden. Um dennoch den Gedanken der Prävention aufrecht zu erhalten, kann bei den Taggeldern eine Kürzung um maximal die Hälfte vorgenommen werden. Diese Änderung geht auf eine parlamentarische Initiative Suter (fdp, BE) zurück
[54].
Mutterschaftsversicherung
Im September des Vorjahres hatte der Bundesrat erklärt, er wolle noch vor Abschluss der Arbeiten von IDA-FiSo-2 die 4. IV-Revision, die 6. EO-Revision sowie die Einführung einer Mutterschaftsversicherung vorantreiben und dabei mögliche finanzielle Interdependenzen berücksichtigen sowie die drei Vorlagen zeitlich aufeinander abstimmen. Während die Verknüpfung zwischen IV und EO beibehalten wurde (siehe oben), beschloss der Bundesrat, die Vorlage zur Mutterschaftsversicherung nicht mit den beiden anderen Vorlagen zu koppeln. Aufgrund der in der Vernehmlassung zu einem ersten Entwurf gemachten Einwände wurden dabei
neue Ausrichtungen für die Finanzierung und die vorgesehenen Leistungen vorgenommen. Entgegen den früheren Vorschlägen soll die Mutterschaftsversicherung nun doch
allen
Frauen zugute kommen, unabhängig davon, ob sie erwerbstätig sind oder nicht. Eine
Grundleistung von maximal 3980 Fr. wird allen Müttern ausgerichtet, allerdings abhängig vom Familieneinkommen; bei einem Einkommen von 71 640 Fr. (sechsfache AHV-Mindestrente) sinkt sie auf null. Diese Grundleistung, welche auf 58 Mio Fr. pro Jahr geschätzt wurde, soll
aus allgemeinen Bundesmitteln finanziert werden. Zusätzlich dazu erhalten erwerbstätige Frauen einen Erwerbsersatz. Um Kosten zu sparen und die Wirtschaft nicht allzu sehr zu belasten, wurde der Mutterschaftsurlaub
von 16 auf 14 Wochen verkürzt und die Ersatzquote von 100% auf 80% des versicherten Verdienstes herabgesetzt; diese deckt maximal den für die Unfallversicherung geltenden Höchstbetrag des versicherten Verdienstes ab (momentan 97 200 Franken). Finanziert werden soll der
Erwerbsersatz
paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern mit je 0,1 Lohnprozenten. Die Bestimmungen über den Mutterschaftsurlaub in den Gesamtverträgen sollen in Kraft bleiben, allerdings nur, wenn sie sich für die Frauen günstiger auswirken als die gesetzliche Regelung
[55].
Die Reaktionen fielen erwartungsgemäss sehr unterschiedlich aus. Während sich die
SP erleichtert darüber zeigte, dass endlich eine Vorlage auf dem Tisch liegt, wenn auch die Beschränkung auf 14 Wochen bedauert wurde, stiess der Entwurf bei den bürgerlichen Parteien - mit Ausnahme der
CVP, die den Grundsatz bejahte, die Finanzierung via Lohnprozente aber ablehnte - auf vehemente Kritik. Die
SVP erklärte, im Augenblick sei eine neue Sozialversicherung schlichtweg nicht finanzierbar. Und die
FDP drohte gar mit dem Referendum, falls der Bundesrat an der teilweisen Finanzierung über Lohnprozente festhalte. Die Frauen der bürgerlichen Bundesratsparteien nahmen mit Genugtuung zur Kenntnis, dass ihre Forderungen nach Mutterschaftsleistungen für alle Frauen aufgenommen worden waren, und sie begrüssten, dass besonders die tieferen Einkommen bevorzugt behandelt werden sollen und der Bundesrat vom Gieskannenprinzip abgekommen sei. Allerdings verlangten auch sie einen anderen Finanzierungsmodus
[56].
Arbeitslosenversicherung (ALV)
Ende März deponierten kantonale Gewerkschaften und Arbeitlosenkomitees aus der Westschweiz rund 54 000 Unterschriften für das
Referendum gegen den dringlichen Bundesbeschluss zur Arbeitslosenversicherung vom Dezember 1996. Dieser wollte einerseits den fünfprozentigen A-fonds-perdu-Beitrag des Bundes an die ALV (rund 230 Mio Fr.) ersatzlos streichen und andererseits mit einer
Kürzung der Taggelder um 1% bzw. 3% die Arbeitslosenkasse um 70 Mio Fr. entlasten. Sowohl SGB wie SP hatten beschlossen, das Referendum zumindest in der Startphase nicht mitzutragen. Als Begründung wurde angeführt, dass Partei und Gewerkschaft mit dem Kampf um eine Neuauflage des Arbeitsgesetzes und mit den Vorarbeiten an Volksinitiativen zum KVG und zur Arbeitszeitreduktion (siehe oben sowie Teil I, 7a, Arbeitszeit) voll ausgelastet seien. Zudem räumten sie dem Referendum kaum eine Chance ein, hatten sie doch 1993 bei einem ersten ALV-Leistungsabbau eine deutliche Referendumsniederlage einstecken müssen. Angesichts des grossen Erfolgs der Unterschriftensammlung, beschlossen dann aber die Gewerkschaften, doch noch mit zum Teil beträchtlichen finanziellen Mitteln auf den Referendumszug aufzuspringen. Die neue SP-Präsidentin, Ursula Koch, setzte ebenfalls voll auf einen Erfolg in der ersten von ihr mitgeleiteten nationalen Abstimmungskampagne
[57].
In den Wochen vor dem Urnengang konnte das linke und gewerkschaftliche Lager von verschiedenen
Ungeschicklichkeiten des BIGA sowie anderer Amtsstellen profitieren. Im Frühsommer liess sich einer der Vizedirektoren des BIGA öffentlich dahingehend vernehmen, dass die rund 200 000 Arbeitslosen in drei etwa gleich grosse Kategorien einzuteilen seien: echte Arbeitslose, Drückeberger und Sozialfälle (Alkoholiker, Drogenabhängige sowie Asylbewerber). Trotz der von Bundesrat Delamuraz umgehend angesetzten Disziplinaruntersuchung gegen den allzu redseligen Chefbeamten konnte der publizistische Schaden nicht mehr ausgeglichen werden. Im August wurde dann durch eine Indiskretion bekannt, dass Finanzminister Villiger weitere massive Kürzungen bei den Leistungen der ALV prüfen lasse, um bis ins Jahr 2001 die Darlehen des Bundes an die Arbeitslosenkasse um 500 Mio Fr. pro Jahr zu reduzieren. Weitere Alarmsignale für die Arbeitslosen und all jene, die um ihren Arbeitsplatz fürchteten, waren die bereits behandelten oder eingereichten parlamentarischen Vorstösse (siehe unten), die eine weitere Kürzung der Arbeitslosengelder bis hin zum Existenzminimum verlangten
[58].
Bundesbeschluss über die Finanzierung der Arbeitslosenversicherung
Abstimmung vom 28. September 1997
Beteiligung: 40,6%
Nein: 931 457 (50,8%)
Ja: 901 361 (49,2%)
Parolen:
- Nein: SP, GP, LdU, SD, Lega, PdA; SGB, CNG, Angestelltenverbände.
- Ja: FDP, CVP (3*), SVP, LP, EVP, FP, EDU; SGV, Arbeitgeberverband, Vorort.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Mit rund 30 000 Stimmen Unterschied fiel das Resultat ziemlich knapp aus. Zur Ablehnung trugen
vor allem die Westschweizer Kantone bei. Am deutlichsten scheiterte die Vorlage im Kanton Jura, wo der Nein-Stimmen-Anteil 80,4% betrug. Unterstützung erhielten die Romands aus dem Wallis (62,5%) und dem Tessin (53,2) sowie aus den Nordwestschweizer Kantonen Basel-Stadt (52,3%), Basel-Land (50,1%) und Solothurn (51,3%). Während in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit die Nein-Stimmen überwogen, befürworteten vor allem die Stimmberechtigten in den Regionen mit einer geringen Arbeitslosenquote die Kürzung der Taggelder, allen voran die beiden Appenzell sowie St. Gallen und Glarus
[59].
Die
Linke wertete ihren Abstimmungserfolg als
Zeichen der Solidarität und als eine deutliche Absage an einen weiteren Sozialabbau, während die bürgerlichen Befürworter sich besorgt darüber zeigten, dass Besitzstanddenken die dringend nötige Sanierung der Bundesfinanzen erschwert habe. Für Bundesrat Delamuraz war der knappe Ausgang ein Hinweis dafür, wie gespalten das Stimmvolk bei dieser Frage offenbar ist. Einerseits sei der Wille unverkennbar, die Solidarität mit den Arbeitlosen aufrecht zu erhalten, andererseits bestehe aber auch die Einsicht in die Notwendigkeit, die öffentlichen Finanzen wieder in Ordnung zu bringen
[60].
Wie nach jeder Abstimmung analysierte das Bundesamt für Statistik (BFS) die Ergebnisse aufgrund der Resultate in den Gemeinden. Hauptbefund war, dass
die Romandie ausnahmsweise einmal die Deutschschweiz überstimmt hatte, und dass die Unterschiede unter den Gemeinden sehr stark ausgeprägt waren. Nein sagten Zentrumsstädte und Regionen mit vielen Arbeitslosen, Ja stimmten reiche, agrarische und touristische Gemeinden. Der tiefste und der höchste Ja-Stimmenanteil lagen mit 25% bzw. 69% um ganze 44 Prozentpunkte auseinander. Die grösste Polarisierung war dabei entlang der Sprachgrenze zu verzeichnen: In den französischsprachigen Gemeinden stimmten im Mittel nur 32% zu, im Tessin 47% und in der Deutschschweiz 54%. Vorlagen mit ähnlich starker Polarisierung zwischen Romandie und Deutschschweiz betrafen in den letzten 15 Jahren - neben dem EWR-Beitritt und dem Schuljahresbeginn - vor allem agrar- und verkehrspolitische Themen. In einer sozialpolitischen Frage trat das Phänomen vorher erst einmal auf, nämlich 1994 beim knapp angenommenen KVG. Auch damals war eine gespaltene Deutschschweiz von einer geeinten Romandie überstimmt worden
[61].
Gemäss der
Vox-Analyse des Urnengangs trugen vor allem die
Frauen und die
Jungen zum ablehnenden Resultat bei. Das Stimmverhalten liess sich mit der
individuellen Arbeitssituation recht gut erklären. Die Pensionierten (59% Ja-Stimmen), Selbständigerwerbenden (58%) sowie die Kader der Privatwirtschaft (54%) stimmten dem Sparbeschluss zu. Die meisten anderen Berufskategorien bildeten eine ablehnende Front, so die in der Privatwirtschaft Angestellten (52% Nein-Stimmen), die Kader und Angestellten des öffentlichen Sektors (67% bzw. 58% Nein) und die Lehrlinge (58%). Am deutlichsten verworfen wurde die geplante Kürzung der Arbeitslosentaggelder naheliegenderweise von den Erwerbslosen selbst (59% Nein-Stimmen). Die Frauen äusserten sich an den Urne skeptischer als die Männer. Nur 39% der befragten Frauen gaben an, für die Sparvorlage gestimmt zu haben; bei den Männern waren es 52%. Zudem wurde ein Generationenkonflikt sichtbar: Während bei den über 60jährigen der Ja-Anteil klar überwog, lehnten die jüngeren Personen die Vorlage mehrheitlich ab, am deutlichsten die noch nicht 30jährigen. Sehr klar trat bei der Nachbefragung ein klassischer Links-Rechts-Gegensatz hervor. Die Linke lehnte den Beschluss wuchtig ab (71% Ne3in), während die Rechte ihm genauso klar zustimmte. Das Gefälle zwischen den politischen Lagern trat in der Romandie deutlicher hervor als in der Deutschschweiz
[62].
Beide Kammern verabschiedeten in der Wintersession zwei gleichlautende Motionen ihrer Finanzkommissionen, mit denen der Bundesrat beauftragt wurde, unverzüglich eine Vorlage zur Sanierung der Arbeitslosenversicherung vorzulegen. Der Bundesrat beantragte vergebens Umwandlung in ein Postulat. Er führte aus, zwei mögliche Sanierungskonzepte seien als Vorschläge in die Konsensgespräche zur Schnürung eines Stabilisierungspakets im Rahmen des "Haushaltsziels 2001" eingegeben worden, weshalb er sich im jetzigen Zeitpunkt nicht die Hände binden lassen möchte. Die Motion wurde im Ständerat mit 28 zu 6 Stimmen und im Nationalrat mit 93 zu 58 Stimmen verabschiedet.
Relativ deutlich überwies der Ständerat eine Motion Brändli (svp, GR), welche
Sofortmassnahmen zur Sanierung der ALV verlangte. In der Begründung schlug der Motionär eine ganze Reihe einschneidender Massnahmen vor, so etwa eine generelle Kürzung der Bezugsdauer von Leistungen, eine Reduktion der Anfangsleistungen bei kurzer Beitragsdauer bis auf 50%, eine Degression der Leistungen für Personen ohne Unterstützungspflichten bis auf das Existenzminimum, eine Verschärfung des Zumutbarkeitsbegriffs sowie eine Beschränkung der Leistungen bei Doppelverdienern. Die Massnahmen sollten zwar sozialverträglich sein, die Leistungen aber vermehrt nach dem Bedarfsprinzip bemessen werden. In der heftig geführten Debatte stiessen diese Vorschläge auf vehemente
Opposition der Ratslinken. Ständerat Onken (sp, TG) meinte, dies sei eine unsäglich einseitige und verhängnisvolle Stossrichtung. Kein Wort werde über Arbeitgeber verloren, die teilweise vorschnell Leute entliessen und damit die hohe Arbeitslosigkeit mitverursachten; zudem werde nichts gesagt über Missbräuche auf Arbeitgeberseite beispielsweise bei der Kurzarbeit und der Schlechtwetterentschädigung. Die Motion fand aber auch auf freisinniger Seite nicht ungeteilte Zustimmung. Bundesrat
Delamuraz erinnerte daran, dass die als sozialpartnerschaftlicher Kompromiss hart erarbeitete ALV-Revision erst seit kurzer Zeit (18 bzw. 6 Monate) in Kraft sei. Es gehe nicht an, bereits wieder am Gesetz zu flicken, bevor dieses voll umgesetzt und in seinen Wirkungen evaluiert worden sei. Sein Appell, die Motion lediglich in der Postulatsform zu überweisen, verhallte angesichts der Finanzierungsprobleme der ALV allerdings ungehört. Insbesondere das Argument von Ständerätin Spoerry (fdp, ZH), ein nicht finanziertes Sozialwerk sei kein soziales Werk, vermochte 26 Ratsmitglieder hinter sich zu scharen; lediglich 8 sprachen sich gegen die Motion aus
[64].
Der Nationalrat behandelte in der Wintersession eine parlamentarische Initiative Hegetschweiler (fdp, ZH), welche verlangte, dass die
Taggelder nach Ablauf eines Drittels der Bezugsdauer
sukkzessive auf das in den Empfehlungen der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) für die Grundbedürfnisse vorgesehene Existenzminimum
reduziert werden. Aus sozialpolitischen sowie rechtlichen Gründen beantragte die Kommissionsmehrheit Ablehnung der Initiative. Eine Kommissionsminderheit aus FDP und SVP wollte ihr aufgrund der prekären Finanzlage der ALV hingegen Folge geben. Mit 74 zu 64 Stimmen wurde die Initiative schliesslich relativ knapp verworfen
[65].
Mit einer besonderen Verordnung setzte der Bundesrat auf den 1. Juli die Bestimmung des revidierten Arbeitslosenversicherungsgesetzes in Kraft, wonach arbeitslose Personen in der
beruflichen Vorsorge gegen die Risiken Tod und Invalidität zu versichern sind. Der Beitragssatz, der je zur Hälfte von den Arbeitslosen und der Arbeitslosenkasse getragen wird, beläuft sich auf 5,28% des koordinierten Taggeldes
[66].
Auf den 1. Januar 1997 trat die
zweite Etappe des revidierten Konzepts der ALV in Kraft. Die Kantone waren erstmals dazu verpflichtet, im Bereich der
arbeitsmarktlichen Massnahmen eine minimale Anzahl an Jahresplätzen (25 000) bereit zu stellen. Insgesamt gut 200 000 stellenlose Personen konnten im Berichtsjahr von einer derartigen Massnahme profitieren. Rund 35% der Angebote betrafen den Bereich der Aus- und Weiterbildung (Kurse, Übungsfirmen, Ausbildungspraktika), rund 57% Beschäftigungsprogramme (Programme zur vorübergehenden Beschäftigung, Berufspraktika) und etwa 8% spezielle Massnahmen (Einarbeitungszuschüsse, Ausbildungszuschüsse, Förderung der Selbständigkeit, Pendlerkostenbeiträge und Beiträge an Wochenaufenthalter)
[67].
In den Kantonen stand das Berichtsjahr im Zeichen des
Aufbaus der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV). Im Laufe des Jahres öffneten gesamtschweizerisch rund 150 RAV mit insgesamt 2500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihre Tore. Die Kosten für die RAV beliefen sich auf rund 300 Mio Fr. Das Ziel der RAV ist es, die Arbeitslosen möglichst rasch wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern und die Transparenz auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Um diese Zielsetzungen zu erreichen, stehen die RAV in engem Kontakt mit den Arbeitgebern und den privaten Arbeitsvermittlern in ihrer Region
[68].
Der Bundesrat machte von seiner Kompetenz Gebrauch, bei anhaltender erheblicher Arbeitslosigkeit die Bezugsdauer der
Kurzarbeitsentschädigung zu verlängern. Die Höchstdauer wurde mit Wirkung ab 1. August von 12 auf 18 Monate erhöht. Mit der Verlängerung sollen Unternehmen in schwieriger Situation, aber mit strukturell solider Basis, von raschen Entlassungen abgehalten werden
[69].
Zu den zahlreichen Pannen, die sich im Berichtsjahr im
BIGA ereigneten (siehe oben), gehörte nicht zuletzt auch die Tatsache, dass das Amt seine
Prognosen über die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen zweimal - und keineswegs unbeträchtlich - nach oben korrigieren musste. Zudem wurde im Herbst bekannt, dass es zumindest über Tage im Internet
schützenswerte Daten von Arbeitslosen frei zugänglich gemacht hatte. Im Textfeld "Bemerkungen" des Arbeitsvermittlungssystems waren Vermerke wie "HIV-positiv" oder "faul", aber auch Hinweise auf Klinikaufenthalte der Stellensuchenden rückhaltlos dokumentiert. Die Datei wurde mitsamt Inhalt zwar sofort gelöscht, doch erschütterte der Vorfall noch einmal das Vertrauen der Bevölkerung in jene Behörden, welche die Arbeitslosigkeit "verwalten" sollten. Insbesondere wurde auch der Ruf laut, BIGA-Chef Nordmann und weitere Chefbeamte seien abzulösen
[70].
Im Ständerat wurde eine Empfehlung Spoerry (fdp, ZH) überwiesen, welche den Bundesrat auffordert, die Verordnung über die
Förderung des Vorruhestandes dahingehend zu ändern, dass die ALV bei drohenden Entlassungen vorzeitige Pensionierungen auch dann finanziell unterstützt, wenn keine neuen Angestellten an die Stelle der so freigestellten Arbeitnehmenden treten. Voraussetzung für diese Regelung sollte aber sein, dass auch der Arbeitgeber eine spürbare finanzielle Beteiligung leistet
[71].
Das Eidgenössische Versicherungsgericht pfiff die kantonalen Arbeitslosenkassen zurück, welche in letzter Zeit tendenziell jede
falsche Angabe der arbeitslosen Versicherten ihnen gegenüber als "grobes Verschulden" werteten und damit mit der höchstmöglichen Streichung von Taggeldern ahndeten
[72].
Weiterführende Literatur
Die Anpassung der sozialen Sicherheit an neue wirtschaftliche und soziale Entwicklungen: neue Herausforderungen, neue Chancen und neue Aufgaben?, (Vorträge anlässlich der Europäischen Konferenz der Internationalen Vereinigung für soziale Sicherheit (1996) Genf 1997.
Euzéby, A., "Soziale Sicherheit: eine unentbehrliche Solidarität", in Internationale Revue für Soziale Sicherheit, 1997, Nr. 3, S. 3 ff.
Gentile, P, "Intégration des acteurs non-étatiques dans les politiques sociales: quel jeu, quelles limites pour les villes suisses", in Schweizerische Zeitschrift für Politische Wissenschaft, 3/1997, Nr. 3, S. 71 ff.
Gilliand, P. / Rossini, S., La protection sociale en Suisse: recettes et dépenses 1948-1997: comparaisons avec les pays de l'Union européenne, Lausanne 1997.
Gilliand, P. / Rossini, S., "Die soziale Sicherheit in der Schweiz im Jahr 1993", in Die Volksirtschaft, 71/1997, Nr. 3, S. 70 ff.
Hubacher, H., Wohlfahrt oder Talfahrt? Eine verunsicherte Schweiz, Gümligen 1997.
Müller, R., "Die vorzeitige Pensionierung - Möglichkeiten und Grenzen im Lichte verschiedener Sozialversicherungen", in Zeitschrift für Sozialversicherung und berufliche Vorsorge, 1997, Nr. 4, S. 337 ff.
Obinger, H., "Institutionen und Sozialpolitik. Das Beispiel Schweiz", in Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, 1997, S. 149 ff.
Seiler, W., "Sozialhilfe und Sozialversicherungen", in Schweizerische Zeitschrift für Sozialversicherung und berufliche Vorsorge, 1997, Nr. 1, S. 207 ff.
"Solidarität in Konkurs? Sozialmarkt im Verdrängungskampf", in INFORUM, 1997, Nr. 1 (Zürich Pro Infirmis).
Sozialdepartement der Stadt Zürich, Umbau der sozialen Sicherheit - Für die Sozialpolitik der Zukunft, Zürich (Edition Sozialpolitik Nr. 2) 1997.
Sozialstaat wohin? Finanzierungssystem und Leistungssystem der Sozialversicherungen auf dem Prüfstand, Bern (EDMZ) 1997.
Strahm, R., Arbeit und Sozialstaat sind zu retten, Zürich 1997.
Tschudi, H. P., "Das schweizerische Sozialrecht", in Schweizerische Zeitschrift für Sozialversicherung und berufliche Vorsorge, 1997, Nr. 2, S. 214 ff.
Spycher, S., Auswirkungen von Regelungen des AHV-Rentenalters auf die Sozialversicherungen, den Staatshaushalt und die Wirtschaft, Bern (EDMZ) 1997.
Wechsler, M. / Savioz, M., Wie sicher ist die AHV?, Blauen (BL) 1997.
CHSS, 1997, S. 327 ff. (mehrere Artikel über die 25 Jahre seit der BVG-Abstimmung 1972).
Schärer, Ch., Immobilienanlagen schweizerischer Pensionskassen, Bern (Haupt) 1997.
[1]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1483 ff.1
[2]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2627 f. Siehe
SPJ 1994, S. 217.2
[3]
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 261 ff.;
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1481 ff.3
[4]
NZZ, 23.12.97. Für ein Modell der "Pro Mente sana", welches ebenfalls Betriebe belohnen möchte, die arbeitsmarktlich benachteiligte Personen beschäftigt, siehe unten (Invalidenversicherung).4
[7]
NZZ, 5.7.97; Presse vom 23.12.97;
CHSS, 1998, S. 35 ff. Zu IDA-FiSo-1 siehe
SPJ 1996, S. 254. Für die generellen Vorstellungen der FDP und CVP zur Zukunft der Sozialversicherungen siehe unten, Teil IIIa (FDP und CVP).7
[8] Presse vom 7.3.98. Vgl.
SPJ 1996, S. 255.8
[10]
BBl, 1997, III, S. 741 ff. Vgl. auch J. Teygeler, "Der Bundesrat schlägt die Anhebung der Mehrwertsteuersätze für die AHV/IV vor", in
CHSS, 1997, S. 137 ff.; O. Brunner-Pathey, "Volkswirtschaftliche Wirkungen der Mehrwertsteuer-Anhebung", in
CHSS, 1997, S. 271 f. Zur ursprünglichen MWSt-Vorlage siehe
SPJ 1993, S. 128 ff.10
[11]
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 1252 ff.11
[12]
BBl, 1997, II, S. 653 ff. Siehe dazu
SPJ 1994, S. 220 und
1995, S. 246.12
[13]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1623 ff. und 2913 f.;
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 1260 ff. und 1375;
BBl, 1997, IV, S. 1606 f.13
[15]
BBl, 1998, S. 1175 ff.15
[16]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1485.16
[17]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1644 f. Immer mehr Kantone richten ausländischen Arbeitskräften mit Kindern im Heimatland die Kinderzulagen nur noch gemäss der Kaufkraft des jeweiligen Landes aus (
SGT, 7.7.97).17
[18]
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 433 ff.18
[19]
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 266 ff. Zum AHV-Jubiläum siehe auch
CHSS, 1997, Nr. 6 (Schwerpunktthema).19
[20] Presse vom 7.3.98. Vgl.
SPJ 1996, S. 257.20
[21]
BBl, 1997, IV, S. 149 ff. Zu dem in den letzten Jahren oftmals erhobenen Vorwurf des Missbrauchs der Invalidenversicherung nahm der BR im Rahmen einer Interpellation Dormann (cvp, LU) ausführlich Stellung (
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1496 ff.). Zur Höhe des EO-Vermögens siehe die Erklärungen des BR in Beantwortung einer Interpellation im StR (
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 263 ff.).21
[22]
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 759.22
[23]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1942 ff., 1946 ff. und 2326 f.;
Amtl. Bull. StR, S. 970 ff. und 1024.23
[24]
BBl, 1997, IV, S. 811;
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 1269 ff. Für die vom Parlament mehrmals verweigerte Aufhebung der Viertelsrente siehe
SPJ 1992, S. 226
und
1995, S. 248.24
[25]
NZZ, 14.6.97;
BaZ, 19.6.97.25
[27]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 448 ff. und 477 ff. Siehe
SPJ 1996, S. 256 f. Aufgrund dieses Entscheides wurde eine pa.Iv. von alt NR Zisyadis (pda, VD) auf automatische Information über die Berechtigung zum Bezug von Ergänzungsleistungen als erfüllt abgeschrieben (
Amtl.Bull. NR, 1997, S. 483; siehe auch
SPJ 1996, S. 256 f.).27
[28]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 483 ff.28
[29]
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 614 ff. und 709;
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1314 ff. und 1585;
BBl, 1997, III, S. 923 ff.29
[30] Presse vom 26.6.97;
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 774 f. Vgl.
SPJ 1995, S. 255. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des NR kritisierte das zögerliche Vorgehen des BR ebenfalls (
CHSS, 1997, S. 301).30
[31]
CHSS, 1997, S. 240. Siehe
SPJ 1996, S. 258.31
[32]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1753 ff.32
[33]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2207 f.33
[34]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1458 f. und 1462. Zum Sicherheitsfonds siehe
SPJ 1996, S. 258.34
[35]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1464 f.35
[37]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 500. Siehe
SPJ 1996, S. 258 f.37
[39]
CHSS, 1997, S. 64 ff.; Presse vom 21.2.97. Unter Verweis auf diesen Gipfel beantragte der BR dem NR erfolgreich, eine Motion Hochreutener (cvp, BE) auf Einsetzung einer "Task Force" im Bereich KVG in ein Postulat umzuwandeln (
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1459 f.). Zur Umsetzung des KVG siehe ein überwiesenes Postulat der SGK-NR sowie mehrere Interpellationen und deren Beantwortung durch den BR (
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 705 ff.) sowie die Stellungnahme des BR zu Fragen der GPK (
BBl, 1998, S. 1782 ff.). Der Prämienanstieg für 1998 wurde vom BSV auf 4,85% in der teuersten Regionalstufe angesetzt, also bedeutend geringer als für 1997, was zu beweisen scheint, dass die Kostendämpfungsmassnahmen des neuen KVG zu greifen beginnen (
CHSS, 1997, S. 275 ff.).39
[40]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1430 ff.40
[41]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1743 ff.41
[42]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1485 f., 1489 und 2229.42
[43]
BBl, 1997, II, S. 880 ff.; Presse vom 23.4.97;
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1751 ff.43
[44] Presse vom 30.6.97. Siehe auch oben, Teil I, 7b (Gesundheitspolitik) sowie unten, Teil IIIa (SP). Die konsequentere, vom Parteivorstand unterstützte Variante, die auch die Zustimmung von BSV-Direktor Piller fand, sah eine völlige Aufhebung der Kopfprämien und eine Finanzierung über acht zusätzliche MWSt-Prozente vor.44
[45]
BBl, 1997, IV, S. 1224 ff.; Presse vom 25.10.97.45
[46]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 712; Presse vom 26.6.97. Eine Univox-Umfrage zeigte, dass die Erhöhung der Franchise auf 230 Fr. eine Mehrheit in der Bevölkerung findet, dass aber nur 10% einer Erhöhung auf 600 Fr. zustimmen würden (M. Bürgi, "Solidarität und Massnahmen zur Senkung der Prämien in der Krankenversicherung",
Univox Sozialversicherung, Oktober 1997).46
[47]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 515 f. Für die je nach Kanton unterschiedlich ausgerichteten Prämienverbilligungen vgl.
SPJ 1996, S. 259. Siehe auch: P. Coullery / R. Kocher, "Der Rechtsbegriff der 'bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnisse' nach Artikel 65 KVG", in
CHSS, 1997, S. 24 ff. Für einen ersten Überblick über die 1996 ausgeschütteten Prämienverbilligungen siehe
CHSS, 1997, S. 302 f. Eine pa.Iv. Keller (sd, BL) auf Zentralisierung der Prämienverbilligungen wurde auf Antrag der Kommission diskussionslos abgelehnt (
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1767 f.).47
[48]
BBl, 1997, III, S. 230 ff. und 241 ff. (BR);
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 695 ff.48
[49]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1757 ff.49
[50]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2829 und 2830. Siehe dazu auch: "Die Ergebnisse des Risikoausgleichs bis zum Jahr 1996", in
CHSS, 1998, S. 12 f.50
[51]
BBl, 1997, III, S. 1339 ff. und
BBl, 1997, IV, S. 841 (BR);
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 392 ff., 775 f. und 1280 f. Siehe
SPJ 1996, S. 261.51
[52]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1736 ff. Siehe
SPJ 1996, S. 261.52
[53]
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 776 ff.;
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 539. Für den Vorschlag der SGK-SR und die (zustimmende) Stellungnahme des BR siehe
BBl, 1998, S. 1335 ff. Vgl. auch
SPJ 1996, S. 260.53
[54]
BBl, 1997, III, S. 619 ff. und 627 ff. (BR);
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1967 f. Siehe
SPJ 1996, S. 263.54
[55]
BBl, 1997, IV, S. 981 ff.;
CHSS, 1997, S. 182 ff. Siehe
SPJ 1996, S. 264.55
[56] Presse vom 25.6.-28.6.97. In der Vernehmlassung hatten sich zehn Kantone, FDP, SVP und LPS sowie die Spitzenverbände der Wirtschaft für eine eigenständige Finanzierung einer allfälligen Mutterschaftsversicherung ausgesprochen. Demgegenüber standen ein Kanton, CVP, SP, PdA und die Gewerkschaften einem Einbezug von Mitteln aus der EO positiv gegenüber (
CHSS, 1997, S. 188). Zum Drängen links-grüner Kreise auf die umgehende Einführung der Mutterschaftsversicherung siehe auch die nationalrätliche Fragestunde vom 16.6.97 in
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 1188 ff.56
[57]
BBl, 1997, III, S. 1178;
TW, 12.2.97;
NQ, 14.3. und 15.4.97; Presse vom 25.3., 13.8. und vom 15.8.-27.9.97. Siehe
SPJ 1993, S. 225 f. und
1996, S. 265.57
[58] Presse vom 1.7.97;
Blick, 1.7.-5.7.97;
TA, 10.7., 7.8., 11.8. und 3.9.97;
NLZ, 19.8.97. Für weitere Ungereimtheiten im BIGA, die auch die GPK auf den Plan riefen, siehe
TA, 15.8.97.58
[59]
BBl, 1997, IV, S. 1256 ff.59
[60] Presse vom 29.9.97.60
[61] Presse vom 18.10.97.61
[62] D. Wisler / L. Marquis / M. Bergman,
Analyse der eidgenössischen Abstimmungen vom 28 September 1997, (Vox Nr. 62), Genf 1997.62
[64]
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 630 ff. In der Presse wurde die Überweisung der Motion als Wasser auf die Mühlen der Befürworter des Referendums gewertet (Presse vom 18.6.97).64
[65]
Amtl. Bull. NR, 1997, S. 2645 ff.65
[66]
CHSS, 1997, S. 61. Siehe dazu auch die Stellungnahme des BR zu einer Interpellation im StR (
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 66 ff.). Der StR verwarf, vornehmlich aus finanziellen Überlegungen, eine pa.Iv. Brunner (sp, GE), welche eine Aufteilung der Prämien für die nichtberufliche Unfallversicherung zwischen Arbeitlosen und Kassen verlangte (
Amt. Bull. StR, 1997, S. 436 ff.).66
[67] Siehe
SPJ 1996, S. 265. Siehe auch oben, Teil I, 7a (Arbeitsmarkt).67
[68]
Die Volkswirtschaft, 71/1998, Nr. 1, S. 15 f.;
WoZ, 10.1.97;
NQ, 25.3.97.68
[69] Presse vom 26.6.97.69
[70] Presse vom 30.9., 2.10. und 21.10.97;
TA, 21.10.97. Für die Beurteilung der Arbeit des BIGA siehe die Einschätzung der GPK in
NLZ, 9.10.97. Zur Aufteilung des BIGA in zwei Bundesämter siehe oben, Teil I, 1c (Verwaltung).70
[71]
Amtl. Bull. StR, 1997, S. 641 ff.71