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Bildung, Kultur und Medien
Kultur, Sprache, Kirchen
Mit der revidierten Bundesverfassung soll der Bund die Kompetenz erhalten, Kunst und Musik insbesondere im Bereich der Ausbildung zu fördern. – Die Kontroverse um die „Raubkunst” Nazideutschlands betrifft zwar die Schweiz, allerdings in weit geringerem Ausmass als die Diskussion über das „Raubgold”. – In der neuen Bundesverfassung werden sowohl die Sprachenfreiheit wie das Territorialitätsprinzip der etablierten Idiome festgehalten. – Im Einvernehmen von Bundesrat und Parlament verbleibt der „Bistumsartikel” vorderhand in der Bundesverfassung.
Kulturpolitik
Diskussionslos nahm der Ständerat im Rahmen der nachgeführten Bundesverfassung Art. 21 an, wonach die Kunstfreiheit gewährleistet ist. Bundesrat und Kommission wiesen darauf hin, dass die freie Ausübung der Kunst zwar vom Bundesgericht nicht als ungeschriebenes Verfassungsrecht anerkannt worden ist, dass sie aber den von der Schweiz ratifizierten Konventionen der UNO und des Europarates entspricht. Der Nationalrat stimmte ebenfalls zu. Ein von der SP unterstützter Antrag Thür (gp, AG), neben der Freiheit der Kunst auch jene der Kultur verfassungsrechtlich zu verankern, wurde mit 95 zu 57 Stimmen abgelehnt, weil es sich – nach den Worten von Bundesrat Koller – bei der Freiheit der Kultur, einem extrem weiten und nicht abschliessend definierten Begriff, nicht um einen selbständigen, direkt einklagbaren und verfassungsmässig zu schützenden Gegenstand handeln kann. Die in letzter Zeit geänderten Kantonsverfassungen und die internationalen Instrumente zeigten denn auch, dass diese zwar die Freiheit der Kunst, nicht aber jene der Kultur garantieren [1].
In seinem Verfassungsentwurf hatte der Bundesrat vorgesehen, Kultur und Sprache in einen gemeinsamen Artikel zu packen. Im Parlament herrschte aber Konsens darüber, dass beide Begriffe einen eigenständigen Artikel verdienen. Der eigentliche Kulturartikel (Art. 69) gliedert sich in drei Absätze, die inhaltlich alle unbestritten waren. Abs. 1 hält den Grundsatz fest, wonach für den Bereich der Kultur die Kantone zuständig sind, Abs. 2 gibt dem Bund die subsidiäre Kompetenz, kulturelle Bestrebungen von gesamtschweizerischem Interesse zu unterstützen, und Abs. 3 verpflichtet ihn, bei der Erfüllung seiner Aufgaben Rücksicht auf die kulturelle Vielfalt des Landes zu nehmen. Im Ständerat wollte die ehemalige Pro Helvetia-Stiftungsratspräsidentin Simmen (cvp, SO) die Stellung des Bundes in dem Sinn stärken, dass gesagt werden sollte, für den Bereich der Kultur seien zwar primär die Kantone zuständig (Abs. 1), der Bund könne aber, unter Beachtung der kantonalen Kompetenzen, eigene Massnahmen ergreifen (Abs. 2). Sie argumentierte, ihr Vorschlag sei nichts anderes als das Niederschreiben einer lange geübten und bewährten Praxis. Gerade in den Beziehungen zum Ausland gehe es darum, die Schweiz auch als kulturelle Einheit darzustellen, eine Aufgabe, die letztlich nur vom Bund erfüllt werden könne. Die Gegner Simmens brachten dem Antrag zwar viel Sympathie entgegen, verwiesen aber auf die kantonalen Sensibilitäten in dieser Frage und auf die zweimal – wenn auch in erster Linie an Verfahrensfragen – knapp gescheiterten Abstimmungen über einen Kulturartikel in der Verfassung (1986 und 1994). Insofern sei nur schon der vom Bundesrat vorgelegte Mini-Artikel als Fortschritt zu werten, der den wenigen nationalen Kulturinstitutionen (Landesmuseum, Landesbibliothek und Pro Helvetia) eine eigenständige rechtliche Grundlage gewähre. Als der Antrag zu Abs. 1 mit 24 zu 7 Stimmen abgelehnt wurde, zog Simmen folgerichtig ihren Antrag zu Abs. 2 zurück [2].
Im Nationalrat waren die Absätze 1 und 3 unbestritten. In Abs. 2 beantragte eine links-grüne Minderheit, dem Bund sei die Kompetenz zu erteilen, Kunst und Musik, insbesondere im Bereich der Ausbildung, zu fördern. Sie untermauerte dies mit der Feststellung, dass dem Bund fraglos eine analoge Zuständigkeit in den Bereichen Sport und Film übertragen worden sei. Der Rat zeigte sich dieser Argumentation zugänglich und akzeptierte den Zusatz mit 82 zu 75 Stimmen [3]. Bei der zweiten Lesung im Ständerat wurde dieser Antrag von Danioth (cvp, UR) eingebracht. Er setzte sich gegen die Voten des Kommissionssprechers und von Bundesrat Koller durch, welche meinten, damit werde über die eigentliche Nachführung hinausgegangen, und es sei zumindest fragwürdig, nach der zweifachen Verwerfung eines Kulturartikels hier eine Bundeskompetenz zu schaffen. Mit 21 zu 10 Stimmen folgte die kleine Kammer hier dem Nationalrat [4].
Der Nationalrat überwies ein Postulat Suter (fdp, BE), welches die Landesregierung ersucht, die Schaffung einer eidgenössischen Akademie der musischen Künste zu prüfen [5].
Praktisch zeitgleich mit der internationalen Konferenz über den vom nationalsozialistischen Deutschland begangenen Kunstraub in den besetzten Ländern zwischen 1939 und 1945, welche anfangs Dezember in den USA stattfand, veröffentlichte das Bundesamt für Kultur (BAK) eine von ihm in Auftrag gegebene Studie zur Rolle der Schweiz in diesem Bereich. Der damit beauftragte Historiker kam zum Schluss, dass Schweizer Kunsthändler – vornehmlich Galerist Fischer aus Luzern – eine eminente Rolle als Drehscheibe gespielt hatten. Aber auch bedeutende Sammler – so etwa der Maschinen- und Waffenhersteller Bührle – hatten mehr oder weniger gutgläubig geraubte Kunstwerke angekauft. Einzig der Mäzen Oskar Reinhart in Winterthur, der seine schweizweit einmalige Sammlung alter und moderner Kunst nach seinem Tod der Eidgenossenschaft vermachte, hatte sich stets geweigert, Kunstwerke zweifelhafter Herkunft zu erwerben. Der Autor der Expertise durchleuchtete auch die Praxis der Behörden. Er stellte dabei fest, dass lediglich 77 Fälle von geraubten Kunstwerken vor Bundesgericht gelangten. In den Jahren 1948/49 kam es in 71 Fällen zur Rückgabe an die bestohlenen Eigentümer. In keinem einzigen Fall wurde aber ein Händler wegen Hehlerei verurteilt. Der Autor selber hielt seine Untersuchung für nicht abschliessend. Aufgrund nach wie vor gesperrter bzw. nicht mehr auffindbarer Quellen bleibe die Grauzone beachtlich. Das BAK will deshalb 1999 eine Anlaufstelle eröffnen, die Anfragen im Zusammenhang mit Raubkunst entgegennimmt und den Betroffenen hilft, ihre Ansprüche geltend zu machen [6].
Bereits einige Monate zuvor hatte das BAK einen Bericht über die Bestände der Sammlungen des Bundes veröffentlicht. Es hatte sich ohne fremde Aufforderung die Aufgabe gestellt, diese Untersuchung durchzuführen, und stufte dabei als Hypothese grundsätzlich alle Objekte, die zwischen 1933 und 1945 in den Besitz des Bundes gelangt waren, als bedenklich ein. Nach sorgfältiger Prüfung aller zugänglicher Daten kam die Arbeitsgruppe zum Schluss, dass vermutlich kein einziges Werk unrechtmässig erworben wurde. Nach Ansicht des BAK muss aber nicht nur die Eidgenossenschaft unter die Lupe genommen werden, sondern auch die Kantone und Gemeinden, die Museen, Sammlungen und Stiftungen. Der vorgelegte Bericht verstand sich denn auch als Initialzündung für andere Institutionen, es dem Bund gleichzutun [7].
Zu einem peinlichen Gezerre kam es Anfangs März um die Skulptur „Shoah” des Solothurner Bildhauers Schang Hutter. Es war vorgesehen, dass das Werk den Abschluss des Skulpturenweges bilden sollte, der aus Anlass des 150-Jahre-Jubiläums des Bundesstaates eingerichtet wurde und vom Mahnmal für die Schlacht im Grauholz (BE) von 1798 bis auf den Bundesplatz führte. Entgegen den Vorgaben plazierte Hutter sein Werk direkt vor dem Eingang des Bundeshauses und nicht drei Meter vom Hauptportal entfernt, wie dies die Parlamentsdienste aus Sicherheitsgründen verlangt hatten. Das Büro der Räte erachtete dies zwar als eine gewisse Provokation, war aber bereit, den Standort für die Dauer der Session zu dulden. Das sahen die Parlamentarier der FP anders. In einer Nacht- und Nebelaktion liessen sie die Skulptur ins Atelier des Künstlers zurückschaffen. Ihre Aktion begründeten sie mit dem „Ruhe-Ordnung-Sicherheit”-Slogan ihrer Partei. Die Tat stiess im Bundeshaus auf einhellige Ablehnung. Die Präsidenten beider Kammern verurteilten in einer gemeinsamen Erklärung das eigenmächtige Vorgehen ihrer Ratskollegen, welches der Aktion einer Bürgerwehr gleichkomme [8].
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Die Schweiz war diesjähriges Gastland an der Internationalen Buchmesse in Frankfurt. Der Ausstellungsmacher, Christoph Vitali, ehemaliger Zürcher Kulturbeauftragter, ehemaliger Direktor der Frankfurter Schirn-Kunsthalle und heutiger Direktor des Hauses der Kunst in München, setzte unter dem in Schweizer Kulturkreisen nicht unumstrittenen Oberbegriff „Hoher Himmel, enges Tal” auf eine Darstellung der Fülle und Vielfalt, die ein so kleines Land wie die Schweiz in der Literatur vorzuweisen hat. Konsequenterweise lud er nicht nur prominente und weniger bekannte Autorinnen und Autoren aus den vier Landesteilen ein, sondern auch zehn in der Schweiz lebende ausländische Schriftsteller. Dass deutschschweizer Mundartautoren daneben kaum präsent waren, trug Vitali einige Kritik ein [9].
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Der Bundesrat will den Kunsthandelsplatz Schweiz enger ins internationale Recht einbinden. Er beauftragte Ende August das EDI, eine Botschaft zum Unesco-Abkommen von 1970 zum Schutz von Kulturgütern auszuarbeiten. Die Umsetzung ins schweizerische Recht soll in der Botschaft konkretisiert werden. Einen Entscheid über die Ratifikation der Unidroit-Konvention von 1995 betrachtete die Landesregierung hingegen als verfrüht. Die Schweiz belegt weltweit nach den USA, England und Frankreich den vierten Platz im internationalen Kunsthandel. Wie eine interdepartementale Arbeitsgruppe feststellte, entwickelte sie sich in der Nachkriegszeit aber nicht nur zu einer wichtigen Drehscheibe für den legalen Markt, sondern auch für den Handel mit gestohlenen oder illegal ausgeführten Kulturgütern, weshalb die Arbeitsgruppe die Ratifikation beider Konventionen vorschlug, welchen nach ihrer Ansicht weder verfassungs- noch privatrechtliche Schranken entgegenstehen. Gegen Unidroit hatte in den letzten Jahren aber vor allem der Widerstand der Kunsthändler und – vereinzelt – der Museen mobil gemacht [10].
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Im Rahmen der Totalrevision der Bundesverfassung waren sich beide Kammern einig, in Art. 71 dem Bundesrat beim ersten Absatz, wonach der Bund die Schweizer Filmproduktion und Filmkultur fördern kann, zu folgen, nicht aber in Abs. 2, wo die Landesregierung ihre Kompetenzen im Bereich des Imports, des Verleihs sowie der Eröffnung und Umwandlung von Kinos festschreiben wollte. Stattdessen wurde übereinstimmend gesagt, dass der Bund Vorschriften zur Förderung der Vielfalt und der Qualität des Filmangebots erlassen kann [11].
Die erfolgsabhängige Filmförderung konnte ihre erste Jahresabrechnung vorlegen. Danach wurden knapp 3 Mio Fr. an 93 Filme vergeben, die 1997 über eine halbe Million Zuschauer (3,3% Marktanteil) verzeichnen konnten. Erfolgreichster Dokumentarfilm war mit über 100 000 Eintritten „Das Wissen vom Heilen” von Franz Reichle, der mit 657 849 Fr. belohnt wurde. Bei den Spielfilmen belegten „Flammen im Paradies” von Markus Imhoof (gut 45 000 Eintritte) sowie „Broken Silence” von Wolfgang Panzer (fast 40 000 Zuschauer) die ersten Plätze [12].
Im Rahmen des Filmfestivals von Locarno wurde eine neue Subventionspolitik des Bundes für die Schweizer Filmfestivals bekanntgegeben. Die insgesamt 1,54 Mio Fr. gehen nicht mehr an neun, sondern nur noch an sieben Veranstaltungen. Dafür erhalten die Festivals eine Dreijahresgarantie. Locarno streicht mit rund 800 000 Fr. auch in Zukunft den Löwenanteil der Bundesgelder ein. Das BAK unterstützt weiter das Dokumentarfilmfestival Nyon (rund 250 000 Fr.), die Solothurner Filmtage (rund 200 000 Fr.), das Dritte-Welt-Filmfestival in Freiburg (rund 100 000 Fr.) sowie das Fernsehfilmfestival Cinéma tout écran in Genf (rund 50 000 Fr.). Ohne Dreijahresvertrag wird der Bund auch in Zukunft das alle zwei Jahre stattfindende Animationsfestival Fantoche in Baden (rund 50 000 Fr.) und das Multimedia-Festival Viper in Luzern (rund 20 000 Fr.) subventionieren. Nicht mehr auf Bundesgelder zählen können hingegen das Festival de Genève (bisher 54 000 Fr.) sowie das Kinderfilmfestival in Bellinzona (bisher 36 000 Fr.) [13]. Anlässlich der Solothurner Filmtage wurde in Anwesenheit von Bundesrätin Dreifuss erstmals der Schweizer Filmpreis verliehen [14].
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Das Bundesarchiv in Bern, dessen Gründung während der Zeit der Helvetischen Republik auf die Errichtung eines Zentralarchivs nach französischem Vorbild zurückgeht, konnte sein 200jähriges Bestehen feiern. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass das „Gedächtnis der Nation” in diesem Zeitraum von einer abweisenden Aktenaufbewahrungsanstalt zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen geworden ist, das neben seinen 36 000 Laufmetern Akten auch Photos, Filme, Tondokumente und Computerdisketten verwaltet [15].
In den Räumen des Bundesarchivs wurde Ende Oktober ein audiovisuelles politisches Informationszentrum eröffnet. Ziel ist, das Geschichtsbild auch emotional abzurunden. An den eigens dafür eingerichteten Arbeitsplätzen können fortan die Beiträge der Schweizerischen Filmwochenschau von 1940 bis 1975 und der Tagesschau des Schweizer Fernsehens von 1957 bis 1989 visioniert werden. Die entsprechenden, zum Teil vom Verfall bedrohten Bestände wurden in den letzten Jahren archivarisch aufgearbeitet, auf neue Träger kopiert und in Datenbanken erschlossen. Das Projekt wurde als Bestandteil des Jubiläumsprogramms des Bundesstaates lanciert und gemeinsam von Eidgenossenschaft und SRG finanziert [16].
Nach kurzer Diskussion über die Frage, ob diese Aufgabe nicht auch von einem privaten Unternehmen im In- oder Ausland übernommen werden könnte, stimmte der Ständerat einem Obbjektkredit von 23,5 Mio Fr. für den Bau und den Betrieb einer Massenentsäuerungsanlage für bedrohte Bücher und Archivalien auf dem Gelände der stillgelegten Munitionsfabrik Wimmis (BE) zu. Im Nationalrat passierte die Vorlage oppositionslos [17].
Die Cinémathèque suisse scheint die finanziellen Turbulenzen hinter sich lassen zu können. Nachdem sie in den letzten Jahren die Subventionen von Bund, Kanton Waadt und Stadt Lausanne vor allem darauf verwenden musste, die Hypothekarzinsen für das neue Lagergebäude in Penthaz (VD) zu bezahlen, worunter die eigentlichen Konservierungsarbeiten litten, erklärte sich der Bund bereit, die Liegenschaft zum Preis von 6 Mio Fr. zu kaufen und der Stiftung weiter zur Verfügung zu stellen. Damit ist die Sanierung dieses Filmarchivs, das als eines der wichtigsten in Europa gilt, auf gutem Weg [18].
Für das neue Archivierungsgesetz des Bundes siehe oben, Teil I, 1c (Verwaltung).
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Mitte Juni wurde das neue Museum im Schloss Prangins bei Nyon nach langen Jahren der Renovationsarbeiten feierlich eröffnet. Das Gebäude, das 1975 dem Bund von den Kantonen Waadt und Genf mit der Auflage geschenkt worden war, eine welsche Aussenstelle des Landesmuseums einzurichten, hatte sich in gewisser Hinsicht als Danaergeschenk erwiesen, kosteten doch Restaurierung und Umwandlung des zwar einmalig schön gelegenen, aber baufälligen und letztlich doch recht kleinräumigen Gebäudes rund 70 Mio Fr. Das Museumskonzept sieht vor, den Besucherinnen und Besuchern das 18. und 19. sowie das frühe 20. Jahrhundert der Schweizer Geschichte näherzubringen. Auf vier Etagen werden anhand von über 1000 Objekten kulturelle, politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte dieser Zeit thematisiert [19].
Auf der Basis eines neuen Bundesgesetzes und eines Finanzierungsbeschlusses beantragte der Bundesrat dem Parlament einen Zahlungsrahmen von 7,5 Mio Fr. für die Ausrichtung einer jährlichen Finanzhilfe von höchstens 1,5 Mio Fr. während fünf Jahren an das seit Jahren in finanziellen Nöten steckende Verkehrshaus der Schweiz in Luzern. Die Zahlung ist allerdings an die Bedingung geknüpft, dass sich auch Kanton und Stadt Luzern angemessen an der Sanierung beteiligen. Die Finanzhilfen der öffentlichen Hand sollen für die Erhaltung der Sammlung deren Pflege, wissenschaftlicher Bearbeitung, Erschliessung und Ausbau – zweckgebunden sein, also für das eigentliche Kerngeschäft sowie die dafür notwendigen Investitionen. Der Ständerat beschloss, auf ein eigenständiges Bundesgesetz zu verzichten, da sonst der Eindruck erweckt werden könnte, dass damit ein dauernder Subventionstatbestand geschaffen wird, und die Finanzhilfe in einem auf fünf Jahre befristeten, allgemeinverbindlichen Bundesbeschluss zu regeln. Der Nationalrat übernahm oppositionslos das Konzept der kleinen Kammer [20].
Unter finanzieller Beteiligung des Eidg. Departements für Landesverteidigung, welches die Anlage für 5,4 Mio Fr. renovierte, entstand auf der Gotthard-Passhöhe ein Festungsmuseum. Anhand von ausgewählten Ausstellungsstücken erzählt das Museum vom primitiven Leben der Soldaten und von ihren militärischen Übungen vor und nach dem Ersten Weltkrieg [21].
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In einer Interpellation äusserte Ständerätin Simmen (cvp, SO) ihr Unbehagen über die Entwicklung der Schweizer Bibliothekenlandschaft, nachdem bekannt geworden war, dass die ETH-Bibliothek wegen eingeschränkter finanzieller Ressourcen 1500 Periodika hatte abbestellen müssen. Sie wollte vom Bundesrat vor allem wissen, welche Möglichkeiten für Koordination und Synergien bestehen. Der Bundesrat erklärte, er teile die Besorgnis Simmens und werde im Rahmen seiner Möglichkeiten alles unternehmen, um die Situation zu verbessern oder zumindest nicht weiter verschlechtern zu lassen [22].
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Werke, die vor Inkrafttreten des neuen Urheberrechts (URG) geschaffen wurden, erlangen keinen urheberrechtlichen Schutz zurück, wenn sie nach altem Recht nicht mehr wirtschaftlich geschützt waren. Diesen Grundsatzentscheid fällte das Bundesgericht mit Stichentscheid des Präsidenten. Anlass war ein Streit um die für die Spielzeit 1996/1997 geplante Aufführung eines Werks des 1943 verstorbenen Autors Carl Sternheim am Zürcher Schauspielhaus. Die Erben Sternheims und mit ihnen die Minderheit der Richter argumentierten, dass das neue URG die Rechte der Urheber ausbauen wolle, und das Parlament eine Harmonisierung mit dem EU-Recht angestrebt habe, welches auch für zwischenzeitlich erloschene Rechte eine einheitliche Schutzfrist von 70 Jahren anerkannt habe. Nach der mehrheitlichen Richtermeinung hat indes die diesbezügliche EU-Richtlinie aus dem Jahr 1993 einen reibungslosen Binnenmarkt zum Ziel, was die Schweiz nicht betrifft. Das Parlament hätte das Aufleben eines einmal untergegangenen Rechts und die damit verbundene Rückwirkung klar anordnen müssen. Ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers falle auch nicht in Betracht, da die Räte das übergangsrechtliche Problem gar nicht diskutiert hätten [23].
Im Streit zwischen der Schweizer Urheberrechtsgesellschaft Pro Litteris und Firmen, die sich weigern, den für sie festgesetzten Tarif für Fotokopien zu entrichten, entschied erstmals ein Gericht (Zürcher Obergericht). Gegen ein Treuhandbüro, welches von der Pro Litteris exemplarisch eingeklagt worden war, befand das Gericht, dass auch jene Betriebe bezahlen müssen, die im Normalfall keine geschützten Werke kopieren, da der Grenzfall zwischen null und einer Kopie, die bereits den Grundtarif auslöst, praktisch nicht eruierbar sei [24].
Auch die Schweiz will den Schutz der Urheberinnen und Urheber im Zeitalter des Internet verstärken. Zu Jahresende unterschrieb sie zwei einschlägige internationale Abkommen. Eine Anpassung des Urheberrechtsgesetzes steht bevor [25].
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Wie sich bereits im Vorjahr abzeichnete, wird Basel im Jahr 2001 nicht wie erhofft „Kulturhauptstadt Europas”. Der europäische Ministerrat vergab den Titel gemeinsam an das portugiesische Porto und das niederländische Rotterdam. Basel wird aber zusammen mit Riga (Lettland) den „europäischen Kulturmonat 2001” durchführen können, der seit 1992 in Städten stattfindet, die nicht der EU angehören. Diese Veranstaltung wird sich nahtlos in die ohnehin für 2001 von Basel-Stadt geplanten Anlässe im Rahmen der Expo 01 und des 500-Jahre-Jubiläums „Basel in der Eidgenossenschaft” einfügen [26].
Im August wurde der Konzertsaal des neuen Kultur- und Kongresszentrums (KKL) in Luzern eingeweiht. Damit konnte die erste Bauphase abgeschlossen werden. Bundesrat Cotti lobte das vom Pariser Architekten Jean Nouvel konzipierte KKL als eine der zukunftsträchtigsten kulturellen Initiativen der letzten Jahrzehnte in der Schweiz [27].
Im Laufe des ersten Halbjahres stimmten weitere Agglomerationsgemeinden den Kulturbeiträgen an die Stadt Bern zu, so dass der neue Kulturvertrag, welcher der Stadt jährlich 4,3 Mio Fr. Subventionen an die grossen städtischen Kulturinstitutionen (Stadttheater, Symphonieorchester, Kunstmuseum, Historisches Museum) einbringen wird, auf den 1.1.1999 in Kraft treten kann [28].
Eine aus rechtsbürgerlichen Kreisen lancierte kommunale Volksinitiative, welche das alternative Berner Kulturzentrum „Reithalle” in ein Einkaufszentrum mit kultureller Nebennutzung umwandeln will, schien vorerst zu scheitern. Erst als bezahlte Sammler eingesetzt wurden, kamen die nötigen 5000 Unterschriften zustande [29].
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Sprachen
Bei der Beratung über die neue Bundesverfassung war in beiden Kammern der Vorschlag des Bundesrates, die Sprachenfreiheit im Grundrechtskatalog (Art. 18) zu verankern, unbestritten. Zuhanden der Materialien präzisierte der Ständerat aber, dass auch dieses Grundrecht, das in erster Linie das Recht auf Gebrauch der Muttersprache im privaten Rahmen meint, gewissen Schranken unterstellt ist. Im Verhältnis zum Staat besteht die gewichtigste Einschränkung in den vorgeschriebenen Amtssprachen des Bundes, des Kantons, des Bezirks oder der betreffenden Gemeinde [30].
Mehr zu reden gab der eigentliche Sprachenartikel (Art. 70). Der Ständerat wollte den von der Landesregierung vorgeschlagenen speziellen und weiter hinten in der Verfassungssystematik angesiedelten Artikel, der die Amtssprachen des Bundes definiert, als Abs. 1 hier aufnehmen. Der Nationalrat ging auf dieses Anliegen vorerst nicht ein, stimmte in 2. Lesung dann aber zu. Inhaltlich wurden die Bestimmungen der geltenden Verfassung übernommen, wonach die Amtssprachen des Bundes Deutsch, Französisch und Italienisch sind, im Verkehr mit Personen rätoromanischer Sprache auch Rätoromanisch.
In beiden Räten hatten bereits die Kommissionen vorgeschlagen, als Gegenstück zur Sprachenfreiheit für den Bereich der Amtssprachen das Territorialitätsprinzip in Abs. 2 festzuschreiben, welches der Bundesrat lediglich im Satz hatte subsummieren wollen, dass die Kantone bei der Festsetzung der Amtssprachen den Sprachfrieden zu wahren haben. Bei zwei fast analogen Formulierungen setzte sich (allerdings erst in der Einigungskonferenz) schliesslich jene des Nationalrates durch, welche die Kantone verpflichtet, zur Wahrung des Einvernehmens zwischen den Sprachgemeinschaften auf die herkömmliche sprachliche Zusammensetzung der Gebiete zu achten und Rücksicht auf die angestammten sprachlichen Minderheiten zu nehmen.
Unbestritten waren die beiden Absätze, wonach Bund und Kantone die Verständigung und den Austausch zwischen den Sprachgemeinschaften fördern (Abs. 3) und der Bund Massnahmen der Kantone Graubünden und Tessin zur Erhaltung und Förderung der rätoromanischen und der italienischen Sprache unterstützt (Abs. 5). Einzig im Nationalrat wurde zu Abs. 3 ein persönlicher Antrag Berberat (sp, NE) gestellt, der die Kantone verpflichten wollte, im Bereich der Volksschule sicherzustellen, dass die neben der Amtssprache des Kantons oder des betreffenden Gebiets unterrichtete Zweitsprache eine Landessprache ist. Als unzulässiger Eingriff in die Schulhoheit der Kantone wurde dieser Antrag mit 90 zu 66 Stimmen abgelehnt.
Ebenfalls im Nationalrat wurde ein Minderheitsantrag Jutzet (sp, FR) für einen zusätzlichen Abs. 4 eingereicht, der vor allem von Abgeordneten aus den zweisprachigen Kantonen Freiburg und Wallis mitgetragen wurde. Er verlangte, dass der Bund die mehrsprachigen Kantone bei der Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben unterstützt. Bundesrat Koller warnte vergeblich, mit dieser neuen Bundeskompetenz werde über die Nachführung hinaus gegangen. Die Anerkennung der besonderen Brückenfunktion der mehrsprachigen Kantone überwog; mit 81 zu 77 Stimmen wurde dem neuen Absatz zugestimmt. Im Ständerat wurde in zweiter Lesung dieser Antrag vom Freiburger Aeby (sp) eingebracht und mit 18 zu 15 Stimmen angenommen [31].
Der Kanton Zürich startete einen Pilotversuch mit Frühenglisch und Informatik ab der 1. Klasse der Primarschule. Die Erziehungsdirektion begründete dies mit der Globalisierung von Wirtschaft und Kommunikation und den daraus resultierenden erhöhten Ansprüchen in diesen Bereichen. In der Romandie wurde der Schritt hingegen mit Entrüstung aufgenommen. Die nationalrätliche Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur hielt einstimmig fest, aus staatspolitischen Gründen sollte die erste Fremdsprache eine Landessprache sein; unbestritten war, dass dem Englischen ein angemessener Platz eingeräumt werden muss. Der Bundesrat, der auf einen Rekurs gegen das Zürcher Pilotprojekt nicht eintrat, nahm die Angelegenheit gelassener und ermahnte die Zürcher Behörden lediglich, darüber zu wachen, dass der Französischunterricht ab der 5. Klasse beibehalten und im gesamten Lehrplan die ihm zukommende Bedeutung erfahre [32].
Eine Expertengruppe der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren schlug gewissermassen als Kompromiss vor, dass inskünftig alle Schweizer Schülerinnen und Schüler mindestens zwei Fremdsprachen erlernen sollen, wobei einer Kombination einer Nationalsprache mit Englisch die grössten Chancen eingeräumt wurde. Mit der ersten Fremdsprache sollte schon in den untersten Klassen der Volksschule begonnen werden. Ob dies Französisch oder Englisch sein soll, wurde dabei offen gelassen. Ausgeschlossen wurde allerdings eine einseitige Betonung des Englischen, da dies weder im In- noch im europäischen Ausland mobilitätsfördernd wäre und den Sprachfrieden in der Schweiz gefährden könnte. Angeregt wurde auch, allen Kindern und Jugendlichen im Lauf ihrer Schulzeit eine dritte Landessprache als Fakultativfach anzubieten [33].
Der Voranschlag 1999 des Bundesrates sah vor, auch die Beiträge des Bundes an die Förderung von Kultur und Sprache im Kanton Graubünden der dreiprozentigen Kreditsperre zu unterstellen. Obgleich Bundesrat Villiger aus Gründen der Konsequenz darum bat, bei aller Sympathie für die Anliegen der rätoromanischen Bevölkerung hier keine Ausnahme zu machen, beschloss der Nationalrat dennoch – wenn auch nur knapp mit 76 zu 70 Stimmen – die Subvention nicht zu kürzen. Im Ständerat setzte sich der Bündner Maissen (cvp) vorerst vergebens für die Belange seines Kantons ein. Mit 17 zu 13 Stimmen wurde sein Antrag auf Ausrichtung der vollen Summe abgelehnt. Als dann der Nationalrat aber mit der deutlichen Mehrheit von 88 zu 38 Stimmen an seinem ersten Entscheid festhielt, schwenkte auch die kleine Kammer ein [34].
Auf den 1. August trat die neue deutsche Rechtschreibung in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt wurde sie für den Schulunterricht und die Verwaltung obligatorisch, doch gelten bis August 2005 auch die alten Formen nicht als falsch. In der Frühjahrssession hatte der Nationalrat mit 44 zu 23 Stimmen beschlossen, einer parlamentarische Initiative Keller (sd, BL), mit der die Rechtschreibereform für die Schweiz abgelehnt werden sollte, keine Folge zu geben [35].
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Kirchen
Während die Anrufung Gottes in der Präambel der revidierten Bundesverfassung im Ständerat oppositionslos genehmigt wurde, führte dies im Nationalrat zu einem ersten Schlagabtausch zwischen den politischen Lagern. Im Namen einer Kommissionsminderheit stellte Gross (sp, ZH) den Antrag, die Gottesanrufung sei zu streichen. Er machte geltend, diese sei zu einer Floskel geworden und vermöge einer modernen Verfassung nicht mehr zu genügen. Gross schlug vor, im ersten Satz lediglich die von der Verfassungskommission zusätzlich vorgeschlagene (und vom Rat auch eingefügte) „Verantwortung gegenüber der Schöpfung” zu erwähnen. Seine Argumentation stiess auf massiven Widerspruch. Fritschi (ZH) warnte namens der FDP-Fraktion davor, ausgerechnet das traditionellste aller traditionellen Elemente aus der Verfassung zu kippen. Er meinte, das wäre ein kontraproduktives Vorgehen, welches in der Volksabstimmung zur sicheren Ablehnung der ganzen Verfassungsreform führen würde. Föhn (SZ) verwies für die SVP darauf, dass die Schweiz ein Teil des christlichen Abendlandes sei und eine Anrufung Gottes deshalb nie eine Floskel sein könne. Als Vertreter der CVP warnte Durrer (OW) davor, mit der christlichen Tradition zu brechen und eine neue Wertordnung zu schaffen. Unterstützung fanden die Gegner des Antrags bei Bundesrat Koller. Mit der Anrufung Gottes werde eine alte Tradition fortgesetzt, die in der Vernehmlassung auf ein überaus positives Echo gestossen sei. Die Verankerung von „Gott dem Allmächtigen” sollte laut Koller klarmachen, dass eine höhere Macht über Mensch und Staat steht. Nachdem mehrere Eventualanträge, die zumindest eine Lockerung der Formulierung verlangten, keine Mehrheit gefunden hatten, wurde der Antrag Gross mit 105 zu 53 Stimmen klar abgelehnt [36].
Gegen den Vorschlag des Bundesrates hatten die Verfassungskommissionen beider Räte im Vorjahr beschlossen, den gesamten Art. 72, der das Verhältnis von Kirche und Staat regelt, aus der nachgeführten Bundesverfassung zu kippen. Stein des Anstosses war vor allem Abs. 3 des Artikels, der sogenannte „Bistumsartikel”, der die Errichtung neuer oder die Gebietsveränderung bestehender Bistümer der Genehmigung des Bundes unterstellt. Die Kommissionen nahmen damit das Anliegen einer parlamentarischen Initiative von alt Ständerat Huber (cvp, AG) auf, welcher die kleine Kammer 1995 Folge gegeben hatte. Die Gegner einer Streichung – darunter der Evangelische Kirchenbund und die Römisch-katholische Zentralkonferenz der Schweiz machten geltend, gerade die jüngste Vergangenheit mit den Ereignissen im Bistum Chur habe die Bedeutung dieses Artikels gezeigt. Entfalle die Kontrolle durch den Bund, sei der Vatikan frei in der Errichtung der Bistümer, womit möglicherweise auch die Konkordate der Diözesen Basel und St. Gallen gefährdet seien, welche das ortskirchliche Bischofswahlrecht garantieren [37].
Der Ständerat als Erstrat hielt sich – gegen einen Antrag Inderkum (cvp, UR) an die Empfehlungen seiner Kommission und strich nach kurzer Diskussion den Artikel mit 20 zu 17 Stimmen. Haupttenor war, die Manifestationen religiösen Lebens seien Teil der Gewissensfreiheit, eine Bedrohung des konfessionellen Friedens sei in weite Ferne gerückt und der „Bistumsartikel” lediglich ein Überbleibsel aus dem „Kulturkampf“ im 19. Jahrhundert. Bundesrat Koller anerkannte zwar, dass der Artikel unter grund- und völkerrechtlichen Aspekten problematisch sei, plädierte aber vergebens dafür, die Angelegenheit erst in einer nachfolgenden Partialrevision zu lösen, da es politisch nicht klug wäre, eine bestehende und emotional nicht zu unterschätzende Verfassungsbestimmung im Rahmen der Nachführung einfach zu streichen. Im Nationalrat fand Koller dann mehr Gehör. Mit dem relativ deutlichen Mehr von 88 zu 68 Stimmen wurde der „Bistumsartikel” beibehalten, obgleich auch hier mehrfach betont wurde, diese Diskriminierung einer einzelnen Konfession sei wahrlich kein Ruhmesblatt für die neue Verfassung. Die von Koller ins Feld geführten staatspolitischen Bedenken führten schliesslich auch im Ständerat zum Umdenken. Die Entscheidung fiel allerdings nur mit Stichentscheid des Präsidenten [38]. Bei diesen Diskussionen war allerdings klar geworden, dass niemand mehr ernsthaft an diesen einschränkenden Bestimmungen festhalten will, weshalb die Frage baldmöglichst mit einer Teilrevision gelöst werden soll. In Ausführung der von ihr 1995 angenommenen parlamentarische Initiative beauftragte die staatspolitische Kommission des Ständerates den Bundesrat mit einer Vernehmlassung zu dieser Problematik [39].
Einen weiteren „alten Zopf” aus dem Kulturkampf wollte der Bundesrat im Sinn der Nachführung auch in Artikel 143 beibehalten, der die Wählbarkeitsvoraussetzungen für den Nationalrat, den Bundesrat und das Bundesgericht definiert. Nach Auffassung des Bundesrates sollten dafür nur Stimmberechtigte „weltlichen Standes” in Frage kommen, also weiterhin keine amtierenden Priester und Pfarrer sowie keine Angehörigen klösterlicher Gemeinschaften. In beiden Kammern beantragten die Kommissionen einstimmig, dass alle Stimmberechtigten in diese Gremien gewählt werden können; ihrer Ansicht nach handelte es sich hier um eine unbestrittene Änderung, da damit die Diskriminierung der Geistlichen aller grösserer Religionen aufgehoben wird. Im Nationalrat wies Bundesrat Koller darauf hin, dass diese Streichung über die eigentliche Nachführung hinausgeht, widersetzte sich ihr aber nicht, zumal damit ein Rechtszustand hergestellt wird, der auch in Übereinstimmung mit Art. 25 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte ist, der ganz klar einen diskriminierungsfreien Zugang zu öffentlichen Ämtern gewährleistet. Beide Kammern stimmten der Streichung stillschweigend zu [40].
Als Nachfolger des umstrittenen Bischofs Wolfgang Haas wurde Amédée Grab, Bischof von Freiburg-Lausanne-Genf und seit kurzem Vorsitzender der Schweizer Bischofskonferenz, zum neuen Vorsteher der Diözese Chur ernannt. Da einige Schritte im Wahlprozedere nicht eben transparent waren, wurden erneut Stimmen laut, wonach der Vatikan auch diesmal die verbrieften Rechte des Churer Domkapitels missachtet habe. Gegen Grab persönlich, einen zwar eher konservativen, aber dialogbereiten Kirchenvertreter, regte sich kein besonderer Widerstand [41].
Die Stadt Bern – zusammen mit dem Kanton seit Jahren führend in der öffentlich-rechtlichen Anerkennung ausserchristlicher Religionsgemeinschaften – will als erste Deutschschweizer Gemeinde in ihren Friedhöfen besondere Abteilungen für religiöse und ethnische Minderheiten schaffen, welche es deren Angehörigen ermöglichen wird, sich nach den Gesetzen des eigenen Glaubens beerdigen zu lassen. Der Stadtrat genehmigte das entsprechende Reglement erstaunlich deutlich mit 66 zu 4 Stimmen bei 5 Enthaltungen. Die Öffnung betrifft vor allem die Muslime, welche seit Jahren verlangten, als Gruppe und in der ihnen durch den Glauben vorgeschriebenen Ausrichtung auf Mekka bestattet zu werden. Bisher war das einzige Islam-Abteil auf Schweizer Friedhöfen das ”carré musulman” in Genf. In Zürich ist man seit Jahren an einer entsprechenden Änderung, doch stehen diesem Schritt kantonale Gesetze und politischer Druck im Weg [42].
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Weiterführende Literatur
Buomberger, Thomas, Raubkunst – Kunstraub. Die Schweiz und der Handel mit gestohlenen Kulturgütern zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, Zürich 1998.
Rieder, Pierre, Wettbewerb und Kultur: Eine Betrachtung aus wettbewerbsrechtlicher Sicht unter besonderer Berücksichtigung der Kulturförderung, des Buch- und Kinofilmmarkts in der Schweiz und der europäischen Union, Bern 1998.
Pfister, Dieter, Kultur und Markt: Kulturmarkt Schweiz im Spannungsfeld zwischen Kulturförderungszielen und Absatzmarktbedürfnissen, Binningen 1998.
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Festschrift 200 Jahre Schweizerisches Bundesarchiv: Keep (it) cool, Bern (EDMZ) 1998.
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Ernst, Andreas, „Vielsprachigkeit, Öffentlichkeit und politische Integration: schweizerische Erfahrungen und europäische Perspektiven“, in Schweizerische Zeitschrift für politische Wissenschaft, 4/1998, Nr. 4, S. 225-240.
Mader, Luzius, „Das Sprachenrecht in der neuen Bundesverfassung: ein gelungenes Beispiel der Nachführung der Verfassung”, in Gesetzgebung heute, 1998, Nr. 1, S. 121-128.
Mittler, Max (Hrsg.), Wieviel Englisch braucht die Schweiz? Unsere Schulen und die Not der Landessprachen, Frauenfeld 1998.
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Dreifuss, Ruth, „150 Jahre Jüdische Gemeinde Bern: Toleranz, Integration, Staatsbürgerschaft”, in Documenta, 1998, Nr. 4, S. 21-23.
Pahud der Mortanges, René, „Fragen zur Integration der nichtchristlichen Religionsgemeinschaften in das schweizerische Religionsverfassungsrecht“, in Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht, 1998, S. 89-108.
Stamm, Hugo, Im Bann der Apokalypse. Endzeitvorstellungen in Kirchen, Sekten und Kulten, Zürich 1998.
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[1] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 42; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 856 f.1
[2] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 73 f. Siehe dazu auch die Ausführungen des BR in der Botschaft (BBl, 1997, I, S. 285 f.).2
[3] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 951 ff.3
[4] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 707 f.4
[5] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2850.5
[6] Lit. Buomberger; Presse vom 11.11. (Präsentation einer „Raubkunst”-Liste durch den World Jewish Congress), 27.11.-6.12. (internat. Konferenz) und 12.12.98 (Studie Buomberger). Zum Auftrag für den Bericht siehe auch die Ausführungen des BR in Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2316 f.6
[7] NZZ, 15.4.98; LT, 19.11.98. In einem Fall wurde man bereits fündig; ein Bild von Ferdinand Hodler in der Universität Zürich ist nachweislich ein Stück Raubkunst (NZZ, 5.12. und 8.12.98).7
[8] Presse vom 5.3.98. Nachdem Hutter einen Standplatz vor der Nationalbank ausgeschlagen hatte, wurde die Skulptur vorübergehend auf dem Zürcher Paradeplatz aufgestellt (Presse vom 6.3.98), worauf sie – beginnend mit Basel – eine Rundreise durch die Schweiz antrat (BaZ, 7.5.98).8
[9] Presse vom 10.6. und 6.12.-12.10.98. Interviews Vitali: SGT, 24.9.98; TA, 6.10.98; BaZ, 7.10.98. Vgl. SPJ 1996, S. 306 f. Zur geringen Präsenz der Mundartautoren siehe auch die Stellungnahme des BR in Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2333 f.9
[10] NZZ, 15.8., 27.8., 15.9. und 13.10.98; LT, 27.8.98; Presse vom 31.8.98. Siehe dazu auch die Ausführungen des BR in Amtl. Bull. NR, 1998, S. S. 2871 ff.10
[11] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 74 f.; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 944.11
[12] NZZ, 22.4.98.12
[13] NZZ, 14.8.98.13
[14] Presse vom 21.1. und 22.1.98.14
[15] Lit. Festschrift; BaZ, 13.5.98; Presse vom 15.5.98.15
[16] Presse vom 28.10.98.16
[17] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 397 ff.; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1393 ff. Siehe SPJ 1997, S. 323.17
[18] Presse vom 3.6.98; NLZ, 11.11.98; Bund, 14.11. und 5.12.98; NZZ, 16.11.98; BZ, 8.12.98. Vgl. SPJ 1995, S. 292.18
[19] TA, 11.6.98; TG, 15.6.98; NZZ, 16.6.98; Presse vom 18.6. und 19.6.98. Neben Prangins verfügt das Landesmuseum Zürich über Häuser in Schwyz, Wildegg (AG), Seewen (SO) und Ligornetto (TI).19
[20] BBl, 1998, S. 4405 ff.; Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1076 ff. und 1404; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2621 ff. und 2959. Siehe auch SPJ 1997, S. 323 f.20
[21] NZZ, 27.7.98.21
[22] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 791 f.22
[23] Presse vom 14.1.98.23
[24] TA, 19.3.98; BaZ, 2.4.98. Siehe SPJ 1997, S. 325.24
[25] Presse vom 7.1.99.25
[26] BaZ, 17.3., 21.3., 1.4. und 29.5.98. Siehe SPJ 1997, S. 325.26
[27] Presse vom 19.8.98. Siehe SPJ 1994, S. 265 f.27
[28] BZ, 21.3. und 18.6.98; Bund, 26.6. und 16.10. 98. Siehe SPJ 1997, S. 325.28
[29] Bund, 21.3., 17.4. und 25.4.98; BZ, 23.4.98.29
[30] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 41 f.; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 856. Siehe Lit. Mader. Anlässlich der Diskussionen um den neuen Sprachenartikel in der geltenden Bundesverfassung war aus Rücksicht auf die Germanisierungsängste weiter Teile der Romandie noch bewusst auf die Erwähnung der Sprachenfreiheit verzichtet worden, um damit nicht die Gesamtvorlage zu gefährden (SPJ 1994, S. 266 f. und 1995, S. 295 f.).30
[31] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 74, 847 f., 1159 und 1339 ff.; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 951 ff., 2025, 2546 und 2598 ff.31
[32] QJ, 26.1. und 27.1.98; NLZ, 7.2.98; Bund, 31.10.98 (BR); NZZ, 6.3. und 24.10.98 (Kommission); SGT, 18.4.98; TA, 7.9. und 19.11.98. Siehe dazu auch Lit. Mittler. Der Staatsrat des Kantons Waadt erklärte in einem Brief an den Zürcher Regierungsrat, eine Deklassierung der Nationalsprachen führe unvermeidlich zu einer Beeinträchtigung der Beziehungen innerhalb der Schweiz (NZZ, 26.1.98). Im Herbst kündigten auch AG und SO an, die Einführung von Frühenglisch zu prüfen (LT, 2.10.98).32
[33] Presse vom 20.8.98.33
[34] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 2513 ff. und 2605 f.; Amtl. Bull. StR, 1998, S. 1288 f. und 1334 f.34
[35] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 1386 ff.; NZZ, 17.7.98; Presse vom 31.7.98; Bund, 6.8. und 7.8.98.35
[36] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 22 f.; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 619 ff.36
[37] BBl, 1997, I, S. 287 f. (BR); BZ und TA, 20.1.98; NLZ, 2.3.98. Siehe SPJ 1995, S. 298 und 1996, S. 314.37
[38] Amtl. Bull. StR, 1998, S. 235 f. und 853 ff.; Amtl. Bull. NR, 1998, S. 957 ff.38
[39] Presse vom 17.11.98.39
[40] Amtl. Bull. NR, 1998, S. 93; Amtl. Bull. StR, 1998, S. 274 ff.40
[41] BüZ, 27.1. und 15.3.98; NLZ, 30.1.98; Presse vom 17.2., 9.6.-13.6., 21.8. und 24.8.98. Siehe SPJ 1990, S. 270 f. Als Beruhigung der Lage in der Diözese kann der Umstand gewertet werden, dass sich die Zürcher Katholiken bereit erklärten, ab 1999 die Bistumsbeiträge wieder in Chur abzuliefern (TA, 26.6.98).41
[42] Presse vom 11.8. und 4.8.98. Zur Vorreiterrolle Berns siehe SPJ 1997, S. 49.42
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