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Allgemeine Chronik
Öffentliche Finanzen
Der Bundesrat präsentierte ein umfassendes Steuerpaket. Bis zum Jahresende konnte jedoch nur die Reduktion der Stempelsteuer verabschiedet werden. Die Reformen der Familienbesteuerung und der Wohneigentumsbesteuerung wurden aufgrund der Konjunkturabschwächung vertagt. – Der Bundesrat empfahl die SGB-Initiative zur Einführung einer Kapitalgewinnsteuer zur Ablehnung. – Das Parlament nahm Kenntnis vom Finanzleitbild und vom Finanzplan 2002-2004 des Bundesrats. – Die Vernehmlassung zum Neuen Finanzausgleich fiel uneinheitlich aus und zwang den Bundesrat zu einem Aufschub seiner Botschaft. – Die Staatsrechnung 2000 schloss mit einem Einnahmenüberschuss von 4,6 Mia Fr. – Der von den Räten beschlossene Voranschlag 2001 sieht einen Einnahmenüberschuss von 18 Mio Fr. vor.
Direkte Steuern
Zu den kantonalen Steuervorlagen siehe unten, Teil II, 2b.
Die parlamentarischen Vorstösse im Steuerwesen sind in den vergangenen Jahren markant angestiegen. Angesichts dieser Situation und einer allgemein erwarteten Genesung des Bundeshaushalts hat Bundesrat Villiger im Frühjahr ein umfassendes Steuerpaket präsentiert. Der Bundesrat will Familien steuerlich besser stellen, die Stempelsteuer teilweise abschaffen, Steuersünder amnestieren und die Wohneigentumsbesteuerung neu regeln. Das Konzept wurde bis zum Oktober in einem Botschaftsentwurf verfeinert und sollte dem Parlament noch im Dezember vorgelegt werden. Nachdem aber neue Ängste über eine Konjunkturabschwächung aufgetreten waren, verschob der Bundesrat Ende November die angekündigte Botschaft. Allein das Anliegen einer teilweisen Abschaffung der Stempelsteuer konnte in der Wintersession umgesetzt werden 1 Presse vom 14.3. und 29.11.00. Zur Wohneigentumsbesteuerung siehe unten, Teil I, 6c (Wohnungsbau und -eigentum). Zur Familienbesteuerung siehe unten.1.
Auch die Schweizer Wirtschaft, vertreten durch Vorort, Gewerbeverband und Bankiervereinigung, präsentierte im Frühjahr ein Steuerkonzept. Das Hauptziel des Konzepts „Steuern senken, statt Schulden abbauen“ besteht darin, die Fiskalquote der Schweiz bis zum Jahre 2010 von heute 35 auf 30% zu senken und die Schweiz damit wieder zu einem der steuergünstigsten Länder zu machen. SP und Gewerkschaftsbund bezeichneten das Paket als unsozial und unverantwortlich. Das Finanzdepartement zeigte sich ebenfalls irritiert 2 Presse vom 14.4.00. Zu Vorstössen bezügich Schuldenabbau siehe unten (Ausgabenordnung).2.
Eine ursprünglich vom damaligen Nationalrat Deiss (cvp, FR) eingereichte Motion zur Verlagerung von 20 bis 30% der direkten Bundessteuer auf die Mehrwertsteuer fand im Nationalrat keine Zustimmung. Durch die Revision sollte der Gesamtertrag unverändert bleiben, die Progression verringert, Verheiratete und Konkubinatspartner gleich behandelt, die Soziallasten, insbesondere bei Familien mit Kindern, stärker berücksichtigt sowie der Finanzausgleich im gegenwärtigen Umfang nicht tangiert werden 3 AB NR, 2000, S. 312 f.3.
Ebenfalls erfolglos blieb eine Motion von Ständerat Brändli (svp, GR) zur Reduktion der direkten Bundessteuer. Mindestens 50% der wachstumsbedingten Mehreinnahmen hätten an die Steuerpflichtigen zurückerstatten werden sollen. Davon erhoffte sich der Motionär eine Steigerung der Standortattraktivität der Schweiz. Der Bundesrat erklärte, bis 1997 habe die Schweiz mit einer Fiskalquote von 33,8% gegenüber der OECD (37,2%) und der EU (41,5%) ihren Standortvorteil bewahren können. Ausserdem würde die vorgeschlagene Massnahme den Rahmen des Finanzleitbildes sprengen. Mit 26 zu 6 Stimmen verwarf der Ständerat das Begehren auch in der Form eines Postulates 4 AB SR, 2000, S. 465 ff.4. Im Nationalrat unterlag die SVP-Fraktion mit ihrer Motion zur Senkung der Steuerlast. Sie hatte einen Dringlichen Bundesbeschluss zur Reduktion der direkten Bundessteuer um 10% gefordert. Der Finanzplan sollte ausserdem um eine Verzichtsplanung ergänzt werden, die die Kompensation allfälliger Steuerausfälle regelt 5 AB NR, 2000, S. 1141 ff.5. Schliesslich stellte Nationalrat Brunner (svp, SG) vergeblich die Forderung nach einem Steuerstopp. Er wollte erreichen, dass jede künftige Erhöhung einer Steuer durch die Reduktion einer anderen Steuer vollständig kompensiert werden muss. Bekämpft wurde die Motion von Fässler (sp, SG), die das Begehren als Wahlkampfvorlage kritisierte und ihrem Verfasser zu bedenken gab, dass auch die Landwirtschaft von einer solchen Politik negativ betroffen sein würde 6 AB NR, 2000, S. 1525 f.6.
Im Hinblick auf die Erneuerung der Bundesfinanzordnung 2006 soll der Bundesrat im Jahr 2001 dem Parlament eine Reform des Steuersystems vorlegen. Dies forderte eine Motion der CVP-Fraktion im Nationalrat. Anzustreben sei die Stabilisierung der Fiskalquote, eine ökologische Steuerreform verbunden mit einer Reduktion der Lohnnebenkosten und eine Verlagerung von direkten auf indirekte Steuererträge, wobei die Familien und der Mittelstand zu entlasten und die Unternehmensbesteuerung massvoll auszugestalten sei. Nach der im September an der Urne zu Fall gebrachten ökologischen Steuerreform beantragte Raggenbass (cvp, TG) die Überweisung des entsprechenden Motionsabschnittes als Postulat. Der Bundesrat beanstandete, die Forderung nach einer Stabilisierung der Fiskalquote sei bereits durch das Finanzleitbild genügend abgedeckt. Ferner lehnte die SP-Fraktion eine Verlagerung der Steuern aus sozialpolitischen Gründen ab. Das Plenum überwies die ersten beiden Punkte dennoch als Motion und formte den dritten Teil in ein Postulat um 7 AB NR, 2000, S. 1070 ff.7.
Die im Vorjahr lancierte Steuerstopp-Initiative der FDP wurde Anfangs Dezember wieder fallen gelassen. In einer Pressemitteilung erklärte die Parteileitung, es seien nur 60 000 Unterschriften zustande gekommen. Aufgrund der verbesserten Konjunkturlage und der erwarteten Trendwende bei den Bundesfinanzen wollte die Partei auf einen Endspurt verzichten 8 TA, 5.12.00. Vgl. SPJ 1999, S. 154.8.
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Nationalrat Imhof (cvp, BL) verlangte vom Bundesrat die Aufhebung der steuerlichen Doppelbelastung bei Familienunternehmen. Der Steuerabzug sowohl auf dem Gewinn des Unternehmens als auch auf der Dividende der familieneigenen Aktien sei ungerechtfertigt. Der Bundesrat empfahl, den Vorstoss in ein Postulat umzuwandeln. Im internationalen Vergleich sei die Steuerbelastung der Körperschaften in der Schweiz als moderat zu werten. Zudem seien Reserven primär im Unternehmen und nicht im Privatvermögen der Aktionäre zu äufnen. Der Nationalrat folgte diesem Antrag und überwies die Motion als Postulat 9 AB NR, 2000, S. 449.9. Eine ähnlich lautende Motion Zuppinger (svp, ZH), die sich aber über die Familienunternehmen hinaus auch für eine Abschaffung der Doppelbelastung bei Aktiengesellschaften und normalen Aktionären einsetzte, wurde vom Nationalrat ebenfalls als Postulat überwiesen 10 AB NR, 2000, S. 1534.10.
Entgegen dem Antrag des Bundesrates überwies der Nationalrat in seiner Wintersession eine Motion Raggenbass (cvp, TG) zur Milderung der Progression bei der direkten Bundessteuer. Dadurch sollte primär der Mittelstand entlastet werden. Die aktuelle Besteuerungspraxis hemme die Leistungsbereitschaft und bestrafe Selbständigerwerbende und Unternehmerinnen 11 AB NR, 2000, S. 1535 ff.11.
Zur Milderung der ansteigenden Gesundheitskosten im Alter, insbesondere für Zusatzversicherungen, verlangte Spielmann (pda, GE) höhere Abzüge bei der direkten Steuer. Der Nationalrat überwies diesen Antrag als Postulat 12 AB NR, 2000, S. 841.12. Ganz abgelehnt wurde hingegen eine Motion Jans (sp, ZG) zur steuerlichen Gleichstellung von Pensionskassenleistungen gegenüber Kapitalbezügen aus der dritten Säule 13 AB NR, 2000, S. 1524 f.13.
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Im Mai unterbreitete der Bundesrat dem Parlament seinen Entwurf für eine Revision des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern zwischen Kantonen und Gemeinden sowie des Bundesgesetzes über die Verrechnungssteuer. Die Revision soll die Veranlagung bei der direkten Steuer vereinfachen und im Falle eines Wohnortswechsels die Koordination zwischen den Kantonen erleichtern. Die Erhebung der Bundessteuer wie auch der Staats- und Gemeindesteuer soll in Zukunft jenem Kanton übertragen werden, in welchem die zu besteuernde juristische oder natürliche Person am Ende der Steuerperiode ihren Wohnsitz hat. Die WA-Kommission des Nationalrates hiess die Vorlage oppositionslos gut. Sie sprach sich dafür aus, dass die Kantone ihre Abzüge für das Bausparen und der Kanton Zürich seine Sonderregelung bei den Kinderbetreuungskosten aufrechterhalten dürfen, widersetzte sich aber einem Antrag Chiffelle (sp, VD), der alle Kantone zur Einführung von Abzügen bei den Kinderbetreuungskosten verpflichten wollte. Diskussionslos wurde die Vorlage vom Nationalrat im Sinne der WAK gutgeheissen. In seiner Wintersession schloss sich der Ständerat dem Beschluss des Nationalrates ohne Gegenstimme an 14 BBl, 2000, S. 3898 ff.; AB NR, 2000, S. 1112 ff. und 1614; AB SR, 2000, S. 883 f. und 943; BBl, 2000, S. 6182 ff.14.
Als Postulat überwiesen wurde ein Aufruf der SVP-Fraktion zum Verzicht auf weitere Einschränkungen des Steuerwettbewerbs zwischen den Kantonen. Der Wettbewerb garantiere tiefe Steuern. Die Steuerharmonisierung dagegen könnte Steuererhöhungen zur Folge haben. Walker (cvp, SG) unterstützte formelle Vereinheitlichungen zwischen den Kantonen. Fässler (sp, SG) gab zu bedenken, dass die bestehenden Steuerunterschiede von der Bevölkerung nicht verstanden würden. Nachdem die SVP-Fraktion Bundesrat Villiger ihre Zusammenarbeit bei der formellen Steuerharmonisierung zusichert hatte, hiess der Rat die Motion in der Form eines Postulats mit 98 zu 70 Stimmen gut 15 AB NR, 2000, S. 1531 ff.15.
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Die geplante Straflosigkeit für Steuersünder bei Selbstanzeige wurde von den bürgerlichen Parteien in der Vernehmlassung durchwegs positiv bewertet. Wer nicht versteuerte Vermögen oder Einkommen nachträglich angibt, soll lediglich die Steuer zuzüglich der Zinsen bezahlen und von einer Strafe verschont bleiben. Entgegen der ständerätlichen Vorlage, die natürlichen Personen einmal im Leben und juristischen Personen alle 30 Jahre eine straflose Selbstanzeige zugesteht, verlangte die SVP als einzige bürgerliche Partei eine allgemeine Steueramnestie. Die SP hingegen wollte die Amnestie nur natürlichen Personen, nicht aber juristischen Personen, zukommen lassen. Unter den Kantonen zeigte sich Nidwalden skeptisch und sprach der Vorlage die Motivationskraft zu einer verstärkten Steuerdisziplin ab 16 NZZ, 11.2.00; NLZ, 14.3.00. Vgl. SPJ 1999, S. 155 f.16.
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Der Ständerat hiess eine vor Jahresfrist vom Nationalrat überwiesene Motion zur Senkung der Staatssteuern für Risikokapitalgesellschaften gut. Das Parlament will damit die auf Bundesebene beschlossenen Steuererleichterungen auch auf kantonaler Ebene einführen 17 AB SR, 2000, S. 460 f. Vgl. SPJ 1999, S. 126 f.17.
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In der Herbstsession des Vorjahres hatte der Nationalrat einen parlamentarischen Vorstoss gutgeheissen, der das Vollsplitting bei der Familienbesteuerung verlangt. Im Berichtsjahr standen zahlreiche weitere Vorstösse zur Behandlung an. Der Bundesrat bat um Zurückhaltung, weil er sich bei der Planung der zukünftigen Familienbesteuerung stark behindert fühlte. Im März trat Bundesrat Villiger vor die Presse und kündigte im Rahmen eines bundesrätlichen Steuerpakets Steuerermässigungen für Familien mit Kindern an. Ebenso setzte sich die Landesregierung zum Ziel, Ehepaare bei der Besteuerung gegenüber Konkubinatspaaren gleichzustellen. Insgesamt rechnete der Bundesrat mit Mindereinnahmen von rund 1,3 Mia Fr. bei Bund und Kantonen. Vier Varianten standen zur Wahl: Das „Vollsplitting ohne Wahlrecht“, welches vom Bundesrat und den Finanzdirektoren favorisiert wurde, besteuert das gemeinsame Einkommen verheirateter Paare je hälftig. Aufgrund der Progression fällt so der Steuersatz bedeutend geringer aus. Bei der Variante „Vollsplitting mit Wahlrecht“ kommen auch Konkubinatspaare zum Zug. Das Modell „Individualbesteuerung“ hat die Steuerveranlagung jeder mündigen Person zur Folge. Beim Ansatz „Familiensplitting“ werden alle Personen einzeln veranlagt, Ehepaare und Konkubinatspaare mit minderjährigen Kindern können allerdings vom Splitting profitieren. Ein fünftes Modell „Abbau der Progression“ entstammt einer ständerätliche Initiative. Es verfolgt eine Verflachung der Progressionskurve bei der direkten Bundessteuer, Korrekturen bei den Soziallasten und die steuerliche Gleichstellung von Ehe- und Konkubinatspaaren. Unabhängig von der Umsetzung dieser Modelle will der Bundesrat Einkommen unterhalb des Existenzminimums in Zukunft nicht mehr besteuern, Eltern einen höheren Kinderabzug gewähren und überdies einen Abzug für Betreuungskosten einführen. Auch die Prämien für die obligatorische Kranken- und Unfallversicherung sollen voll abzugsfähig werden 18 NZZ, 7.2.00; Presse vom 14.3. und 18.5.00. Vgl. SPJ 1999, S. 154 f. Zu den jeweils erwarteten Steuerausfällen vgl. die Antwort des BR auf eine Ip. Fässler, sp, SG (AB NR, 2000, IV, Beilagen, S. 197 f.).18.
Im Oktober fällte der Bundesrat seinen Grundsatzentscheid allerdings zugunsten einer Mischvariante: dem „Teilsplittings ohne Wahlrecht“. Ehepaare sollen wahlweise entweder weiterhin gemeinsam besteuert oder separat auf der Basis eines durch 1,9 dividierten Gesamteinkommens veranschlagt werden. Mit den Einsparungen gegenüber dem Vollsplitting sollen höhere Kinderabzüge eingeführt werden. In der Vernehmlassung lehnten SP und Gewerkschaften diese Reform jedoch ab. Profitieren würden ihrer Meinung nach lediglich Paare mit hohem Einkommen. Die Kantone wehrten sich gegen den durch die Individualbesteuerung anfallenden Mehraufwand. FDP und SVP hielten am Vollsplitting fest und die CVP favorisierte das Familiensplitting. Sukkurs erhielt das Familiensplitting ausserdem von den Wirtschaftsverbänden. Überraschend wich aber Bundesrat Villiger im November von seinem Vorhaben ab, die Reform noch während der Wintersession im Parlament beraten zu lassen. Aufgrund der unsicheren Konjunkturlage müssten die Bundesfinanzen neu beurteilt werden 19 Presse vom 3.10. und 29.11.00. Zu den Positionen der Parteien vgl. NZZ, 22.8.00.19.
Als Antwort auf die an der Urne im Vorjahr gescheiterte Mutterschaftsversicherung forderte die CVP-Fraktion mit einer parlamentarischen Initiative eine Erhöhung des Kinderabzugs bei der direkten Steuer auf mindestens 7200 Fr. Für Kinder in Ausbildung sowie für die berufsbedingte Kinderbetreuung sollen zusätzliche Abzüge eingeführt werden. Zur Wahrung der Ertragsneutralität schlug die CVP vor, eine Verschiebung auf Einnahmen aus der Mehrwertsteuer zu prüfen. Der Nationalrat folgte dem Antrag seiner WAK, die bei drei Enthaltungen einstimmig für das Begehren votiert hatte. Sodann überwies der Rat eine Motion von Ständerätin Simmen (cvp, SO), die dieselben Anliegen verfolgte 20 AB NR, 2000, S. 22 (pa.Iv. CVP-Fraktion) und 23 (Mo. Simmen).20.
Mit einer Motion forderte Mugny (gp, GE) die vollständige steuerliche Entlastung von berufsbedingten Kinderhütekosten für Einelternfamilien. Der Bundesrat wies darauf hin, dass solche Abzüge in der Vernehmlassungsvorlage zum Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern nicht mehr vorgesehen seien. Am ersten Verhandlungstag wurde die Motion im Nationalrat von Bortoluzzi (svp, ZH) bekämpft, in der Wintersession aber von der Volkskammer als Postulat überwiesen. Mit einer parlamentarischen Initiative hatte Spoerry (fdp, ZH) bereits im Frühjahr erreicht, dass bestehende Kinderbetreuungskosten-Abzüge in den Kantonen bis zum Inkrafttreten der Reform der Ehepaar- und Familienbesteuerung aufrecht erhalten werden können 21 AB NR, 2000, S. 1193 und 1534 (Mugny); AB SR, 2000, S. 110 f. (Spoerry).21.
Von FDP-Nationalrat Bührer (SH) bekämpft wurde eine Motion Hafner (sp, SH), die zum Ziel hatte, die bei der direkten Bundessteuer erlaubten Sozialabzüge neu nicht vom Einkommen sondern vom Steuerbetrag in Abzug zu bringen. Die Befürworter aus der SP-Fraktion begrüssten die Besserstellung der durch das „Armutsrisiko Kind“ stark betroffenen unteren Einkommensschichten. Bührer dagegen befürchtete eine Mehrbelastung des Mittelstandes und eine Abkehr von der Maxime der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Obwohl sich der Bundesrat zur Entgegennahme als Postulat bereit erklärte, wies der Rat den Vorstoss zurück 22 AB NR, 2000, S. 25 ff.22.
Schliesslich forderte Fehr (sp, ZH) in einer von der ehemaligen Basler SP-Nationalrätin Keller eingereichten Motion eine mildere Besteuerung von Kinderalimenten, solange ein zu bestimmendes Einkommen nicht überschritten wird. Bis 1995 konnten Alimente vom leistenden Elternteil nicht von der Steuer abgezogen werden und mussten daher vom erhaltenden Elternteil auch nicht als Einkommen versteuert werden. Die Volkskammer überwies den Vorstoss als Postulat. Auch der Berner Nationalrätin Vermot (sp) war die Besteuerung von Kinderalimenten ein Dorn im Auge. Ihrem Vorschlag, Unterhaltsbeiträge in der Höhe des halben Kinderabzugs beim leistenden Elternteil zum Abzug zuzulassen und beim empfangenden entsprechend geringer zu besteuern, hielt der Bundesrat entgegen, dass nicht mehr vorhandenes Einkommen nicht besteuert werden sollte. Der Rat überwies den Vorstoss als Postulat 23 AB NR, 2000, S. 24 f. (Keller) und 1062 f. (Vermot).23.
Als Postulat erfolgreich war auch eine Motion der CVP-Fraktion zur Besserstellung der Familien bei der direkten Bundessteuer. Die jüngste wirtschaftliche Entwicklung hat in den Augen der Fraktion mit einer zunehmenden Diskrepanz zwischen Einkommen und Lebensbedarf zu einer generellen Abwertung der Familie als Lebensform geführt. Der verminderten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Eltern gegenüber kinderlosen Paaren sei im Steuersystem verstärkt Rechnung zu tragen. Entsprechend dem Bericht Locher zur Revision der Familienbesteuerung forderte die Fraktion deshalb die separate Einkommensbesteuerung bei verheirateten Personen mit minderjährigen oder in Ausbildung stehenden Kindern 24 AB NR, 2000, S. 1064. Mit Stichentscheid des SR-Präsidenten wurde in der Herbstsession ausserdem eine Motion der Legislaturplanungs-Kommission des NR als erfüllt abgeschrieben, die eine stärkere Berücksichtigung der wirklichen Kosten der Familien bei der Besteuerung sowie die Einführung einer Familienverträglichkeitsprüfung bei Entscheiden und Erlassen verfolgt hatte (AB NR, 2000, S. 813; AB SR, 2000, S. 656). Siehe auch unten, Teil I, 7d (Familienpolitik).24. Der Nationalrat hatte bereits im Frühjahr eine Motion Baumann (gp, BE) als Postulat überwiesen, die den Kantonen die Einführung einer zivilstandsunabhängigen Besteuerung ermöglichen will 25 AB NR, 2000, S. 309.25.
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Der Nationalrat lehnte in seiner Sommersession eine Motion für Erleichterungen bei der Holdingbesteuerung ab. Die Kommission zur Legislaturplanung hatte damit die Attraktivität der Schweiz für internationale Holdinggesellschaften stärken wollen. Dem Bundesrat erschien der Zeitpunkt ungünstig: Veränderungen bei der Umsatzabgabe und das neue Fusionsgesetz stünden vor der Beratung im Parlament. Ausserdem hat das Finanzdepartement im Januar eine Expertenkommission Rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung (ERU) eingesetzt und erwartet bis Ende Juni 2001 Bericht 26 AB NR, 2000, S. 776. Zum Fusionsgesetz siehe oben, Teil I, 4a (Gesellschaftsrecht).26.
Die Zürcher Sozialdemokratin Fehr beantragte mit einer Motion die Schaffung einer eidgenössischen Erbschafts- und Schenkungssteuer; dies auch deshalb, weil die Erbschaftssteuer in den letzten Jahren von mehreren Kantonen abgeschafft worden war. Der daraus erzielte Steuerertrag sollte zur Finanzierung einer Kinderrente verwendet werden und das System der Kinderzulagen ersetzen. Bei den bürgerlichen Parteien fand die Motion keine Befürworter. Bührer (fdp, SH) kritisierte unter anderem die Zweckbindung dieser Steuer. Loepfe (cvp, AI) wehrte sich im Namen der Kantone gegen den drohenden Entzug von Steuereinnahmen. Beck (lp, VD) erinnerte daran, dass vererbte Vermögen bereits mehrfach besteuert worden sind. Der Bundesrat hielt fest, dass die Kompetenz zur Erhebung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer allein bei den Kantonen liege und beantragte, die Motion abzulehnen. Sollte allerdings die in der neuen Bundesverfassung verbriefte Harmonisierung der kantonalen Steuern misslingen, will er sich für die Wiederaufnahme des Begehrens einsetzen. Mit 109 zu 59 Stimmen wurde die Motion im Rat verworfen 27 AB NR, 2000, S. 1078 ff. Zur Erbschaftssteuer in den Kantonen vgl. NLZ, 8.2.00 und SGT, 11.2.00.27.
Im Oktober erteilte der Bundesrat der Volksinitiative zur Einführung einer Kapitalgewinnsteuer des SGB eine Absage. Der SGB hatte seine Initiative Ende 1999 eingereicht. Der Bundesrat kam nun zum Schluss, die Einführung einer Kapitalgewinnsteuer sei zu aufwendig und zu wenig ergiebig 28 BBl, 2000, S. 5995 ff.; Presse vom 26.10.00. Vgl. SPJ 1998, S. 144.28.
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Weil in der Presse immer wieder Meldungen über das steuerbare Einkommen von Prominenten und Reichen veröffentlicht werden, hat Ständerat Reimann (svp, AG) in einer parlamentarischen Initiative den Verschluss der amtlichen Steuerregister verlangt. Die Daten sollten nur nach Einwilligung der betroffenen Person oder zur Amts- und Rechtshilfe herausgegeben werden. Die Kommissionsmehrheit empfahl die Initiative zur Ablehnung. Die Transparenz diene nicht zuletzt auch der Korruptionsbekämpfung, so Marty (fdp, TI). Der Ständerat verwarf die Initiative mit 14 zu 9 Stimmen 29 AB SR, 2000, S. 425 f.29.
Der Nationalrat lehnte eine Motion Grobet (pda, GE) ab, die eine Aufteilung des Steuerertrages auf den Wohnkanton und den Kanton des Arbeitsortes verlangt hatte. Damit hätten Stadtkantone ihre Infrastrukturkosten teilweise auf die umliegenden Kantone überwälzen können. Der Bundesrat wies darauf hin, dass im Neuen Finanzausgleich eine Abgeltung von Zentrumslasten vorgesehen ist 30 AB NR, 2000, S. 1526 f.30.
Schmiergelder an Private dürfen im Rahmen der Gewinnsteuer weiterhin als geschäftsmässiger Aufwand in Abzug gebracht werden. Dies entschied der Nationalrat mit der Ablehnung einer Motion Jans (sp, ZG), die einen solchen Abzug verbieten wollte. Der Bundesrat hielt fest, dass diese Abzüge in den meisten Industriestaaten zugelassen seien und sah keinen Handlungsbedarf für ein Vorprellen der Schweiz 31 AB NR, 2000, S. 1527 f. Im vergangenen Jahr waren Bestechungsgelder an Amtspersonen auch im Ausland als illegal und entsprechende Steuerabzüge als unzulässig erklärt worden (SPJ 1999, S. 32 f.).31.
Der Jurassische Sozialdemokrat Rennwald lud den Bundesrat mit einem Postulat ein, Massnahmen zur Verbesserung der Ausbildung für Steuerinspektoren zu ergreifen. Mit der bestehenden Zahl an Steuerexperten könne ein mehrwertsteuerpflichtiger Betrieb theoretisch nur alle 35 Jahre kontrolliert werden. Durch das Fehlen qualifizierter Personen würden dem Bund ausserdem beträchtliche Mindereinnahmen entstehen. Das Postulat wurde vom Nationalrat angenommen. Der Bundesrat hatte bereits in seiner Antwort auf eine Einfache Anfrage Rennwalds bestätigt, dass Steuerinspektoren in der Öffentlichkeit ein schlechtes Image anhafte. Die Personalsuche sei aufgrund der guten Beschäftigungslage sehr schwierig 32 AB NR, 2000, S. 1603 (Postulat); AB NR, 2000, II, Beilagen, S. 151 (Einfache Anfrage); Bund, 2.5.00.32.
Zur Förderung der steuerlichen Attraktivität des Unternehmensstandortes Schweiz forderte Schweiger (fdp, ZG) vom Bundesrat die Ausarbeitung eines Steuerpakets, welches eine Reduktion des Gewinnsteuersatzes für juristische Personen beinhalten, die Progression bei der direkten Bundessteuer abschwächen, die wirtschaftliche Doppelbelastung von Aktionären als juristische Person und Anteilsinhaber mildern und eine Verbesserung bei der Verlustrechnung herbeiführen soll. Bundesrat Villiger pflichtete bei, dass die Schweiz als Wirtschaftsstandort eine im OECD-Raum vergleichsweise tiefe Steuerquote anstreben sollte, nicht aber die tiefen sozialen Standards der USA. Die Befürworter der Motion setzten sich aber mit 27 zu 6 Stimmen durch 33 AB SR, 2000, S. 886 ff.33.
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Indirekte Steuern
Zur Revision des Bundesbeschlusses über das Demographie-Prozent für den AHV/IV-Ausgleichsfonds siehe unten, Teil I, 7c (AHV).
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Die WAK-NR verlangte vom Bundesrat in einer Motion die Abschaffung des Umsatzstempels in jenen Bereichen des Finanzhaushaltsgeschäftes, die von einer Abwanderung ins Ausland bedroht sind. Der Bundesrat wollte dem Begehren entsprechen, wehrte sich aber gegen eine Fristsetzung. Fässler (sp, SG) dagegen versuchte zu verhindern, dass dem Bund nach dem Dringlichen Bundesbeschluss vom Vorjahr bereits wieder Mittel zugunsten des Finanzmarktes entzogen werden. Koch (sp, ZH) drohte gar mit einem Referendum. Bührer (fdp, SH) drängte auf ein rasches Handeln, weil sonst der Wertpapierhandel kampflos den ausländischen Börsen überlassen werde. Finanzanalyst Kaufmann (svp, ZH) disqualifizierte die bestehende Stempelsteuer als gravierenden Standortnachteil. Bundesrat Villiger gab schliesslich zu bedenken, dass der Staat auf Transaktionssteuern angewiesen sei. Eine vollständige Abschaffung ohne Kompensation sei verfrüht. Gegen den Willen des Bundesrates überwies der Rat die Motion mit 107 zu 58 Stimmen. Auch im Ständerat war die Motion trotz Gegenstimmen erfolgreich 34 AB NR, 2000, S. 296 ff.; AB SR, 2000, S. 354 ff.; NZZ, 14.3.00; TA, 6.7.00. Zum Dringlichen Bundesbeschluss im Bereich der Umsatzabgabe vgl. SPJ 1999, S. 157.34.
Bührer (fdp, SH) forderte zudem mit einer Motion die Beseitigung der Umsatzabgabe bei konzerninternen Umstrukturierungen. Viele Unternehmen hätten im Zuge der Globalisierung mit einem härteren Wettbewerb zu kämpfen und sähen sich zu ständigen Strukturanpassungen gezwungen. Der Bundesrat verwies dagegen auf die Vorbereitung des Fusionsgesetzes, welche auch die Möglichkeit einer allgemeinen Stempelbefreiung in Betracht ziehe. Mit dem Einverständnis des Motionärs wurde das Begehren als Postulat überwiesen 35 AB NR, 2000, S. 1081. Zum Fusionsgesetz siehe oben, Teil I, 4a (Gesellschaftsrecht).35.
Der Entwurf eines Bundesgesetzes über die Stempelabgaben folgte Anfang Oktober. Der Bundesrat beschränkte sich ausschliesslich auf Transaktionen durch die öffentliche Hand, durch Anlagefonds, Lebensversicherer und Vorsorgeträger. Zudem sollen inländische Banken keiner fiskalischen Belastungen mehr ausgesetzt werden, wenn sie an einer ausländischen Börse mit inländischen Aktien handeln. Die Einnahmeausfälle schätzte der Bundesrat auf jährlich 490 Mio Fr. 36 BBl, 2000, S. 5835 ff.; TA, 3.10. und 5.12.00; Presse vom 22.11. und 30.11.00; Lib., 13.12.00.36. Im Erstrat beantragte CVP-Ständerat David (SG) namens der Kommission, nur ausländische institutionelle Anleger von der Umsatzabgabe zu befreien. Inländische sollten dagegen neu als Effektenhändler bezeichnet werden und der obligatorischen Umsatzabgabe unterliegen, auch wenn sie ihre Geschäfte an ausländischen Börsen abwickeln. Die Dringlichkeit wurde nicht in Frage gestellt. Im Gegensatz zur bundesrätlichen Lösung würden die Mindereinnahmen folglich nur noch 218 Mio Fr. betragen. Leuenberger (sp, SO) bezog die Opposition und stellte einen Nichteintretensantrag. Er vermisste entsprechende Kompensationen. Sein Parteikollege Plattner (BS) dagegen unterstützte den Kommissionsantrag, weil er den Verlust von Arbeitsplätzen befürchtete. Ein Antrag des Aargauers Reimann (svp) verlangte den Einbezug inländischer Vorsorger und Sozialversicherer. Schweiger (fdp, ZG) schliesslich plädierte für die bundesrätliche Vorlage. Das Plenum entsprach dem Kommissionsbeschluss.
Im Nationalrat fand die ständerätliche Variante allerdings nur bei einer Minderheit der vorberatenden Kommission Gehör. Rennwald (sp, JU) bemängelte die fehlende Kompensation und beantragte die Rückweisung. Die grüne Fraktion stellte Antrag auf Nichteintreten. Das drohende Loch in der Bundeskasse hätten wieder einmal die einfachen Steuerzahler zu begleichen. Fässler (sp, SG) argumentierte, die drohende Abwanderung mache allein die Streichung der Stempelsteuer für inländische Anleger notwendig. Finanzanalyst Kaufmann (svp, ZH) sprach sich für eine Globallösung aus, bei der alle institutionellen Anleger berücksichtigt werden. Die Mehrheit der Kommission – vertreten durch Blocher (svp, ZH) und Favre (fdp, VD) – favorisierte dagegen den ursprünglichen Vorschlag des Bundesrates und der Rat entsprach diesem Antrag mit 94 zu 90 Stimmen. Der Ständerat hielt jedoch an seinem Beschluss fest und konnte den Nationalrat in der zweiten Lesung umstimmen. Beide Räte stimmten in der Wintersession auch der dringlichen Inkraftsetzung zu 37 AB SR, 2000, S. 767 ff., 846 f., 891 und 943; AB NR, 2000, S. 1328, 1354 ff., 1416 ff., 1506 f. und 1615; BBl, 2000, S. 6203.37.
Die Einführung einer neuen Steuer schlug dagegen der Freiburger Jutzet (sp) vor. Er verlangte vom Bundesrat die Ausarbeitung eines Gesetzes, welches Geldanlagen von nicht in der Schweiz domizilierten Personen und Gesellschaften mit einer einmaligen Bundessteuer belegt. Jutzet befürchtete, die Einführung des EURO könnte zu einer Kapitalflucht in den Schweizer Franken und damit zu einer Aufwertung führen. Dadurch könnte die Exportindustrie starke Einbussen erleiden und ihre Produktion ins Ausland verlegen. Der Bundesrat begegnete der Vorlage mit Skepsis. Seiner Meinung nach hätte eine solche Steuer eine verzerrende und damit effizienzverringernde Wirkung auf die Volkswirtschaft und könnte relativ leicht umgangen werden. Der Rat folgte dem Antrag des Bundesrats und lehnte die Motion ab 38 AB NR, 2000, S. 1061 f.38.
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1998 wurde die Finanzierung von Infrastrukturvorhaben des öffentlichen Verkehrs durch einen zweckgebundenen Mehrwertsteuerzuschlag (FinöV-Volksinitiative) vom Volk gutgeheissen. Mit Annahme der neuen Bundesverfassung erhielt der Bundesrat ausserdem die Kompetenz, die MWSt zugunsten des Alptransit anzuheben. Im vergangenen Dezember hatte er entschieden, die neuen Mehrwertsteuersätze auf Anfang Jahr einzuführen. Dagegen opponierte Lustenberger (cvp, LU). Bei kleinen Unternehmen führe diese schrittweise Anpassung der MWSt zu grossen Mehrkosten. Mit einer Motion verlangte er, dass die Abrechnung des MWSt deshalb nicht vierteljährlich sondern wahlweise nur jährlich erfolgen soll. Um Steuerausfällen vorzubeugen, schlug der Motionär die Einführung von Akontozahlungen auf Basis der Vorjahressteuern vor. Der Rat überwies die Motion mit 100 zu 62 Stimmen 39 BaZ, 14.6.00; AB NR, 2000, S. 1523 f. Ähnliche Anliegen vertraten auch eine EA Triponez (fdp, BE) und eine Ip. Spoerry (fdp, ZH). Sie befürchteten bei einer schrittweisen Einführung der neuen Mehrwertsteuerprozente ungerechtfertigt hohe Anpassungskosten für die Wirtschaft, insbesondere im tiefpreisigen Detailhandel (AB SR, 2000, S. 468 ff.; AB NR, 2000, II, Beilagen, S. 491 ff.).39.
Beide Räte gaben einer Standesinitiative des Kantons Zürich, die den öffentlichen Verkehr unter einen reduzierten Steuersatz stellen und ihm den vollen Vorsteuerabzug gewähren wollte, keine Folge. Die vorberatende Kommission des Ständerates wollte im Bereich des Service public keine Sonderregeln einführen und verwies auf die Beratung zum neuen MWStG, in welcher dasselbe Anliegen bereits abgelehnt worden war. Bahngewerkschafter Leuenberger (sp, SO) unterstützte dagegen die Initiative. Die Förderung des öffentlichen Verkehrs entspreche einem hohen verkehrspolitischen Ziel und die Besteuerung von Subventionen sei überhaupt ein Unsinn. Mit dem Hinweis auf die EU, deren Staaten alle einen Sondersatz für den ÖV kennen, unterstützte auch Spoerry (fdp, ZH) das Begehren. Der Rat lehnte die Standesinitiative aber mit 19 zu 14 Stimmen ab. Im Nationalrat stellte sich die Kommissionsmehrheit dem Anliegen ebenfalls entgegen. Kaufmann (svp, ZH) und Favre (fdp, VD) störten sich an der Wettbewerbsverzerrung gegenüber dem privaten Verkehr. Eine Förderung auf dem Subventionsweg sei eher zu begrüssen. Mit 84 zu 72 Stimmen wurde der Standesinitiative keine Folge gegeben 40 AB SR, 2000, S. 461 ff.; AB NR, 2000, S. 1085 ff.40.
Der Nationalrat leistete hingegen einer Parlamentarischen Initiative Triponez (fdp, BE) zur MWSt-Befreiung von Dienstleistungen der AHV- und Familienausgleichskassen diskussionslos Folge. Die Initiative richtete sich gegen die Eidgenössische Steuerverwaltung, die dazu übergegangen war, in den übertragenen Aufgaben ein Mandatsverhältnis zu sehen und MWSt für nicht hoheitliche Aufgaben rückwirkend bis zur Verjährungsgrenze einzuführen 41 BBl, 2001, S. 1472 ff. und 1479 ff. (BR); AB NR, 2000, S. 1085.41.
Als Postulat überwiesen wurde eine Motion Kunz (svp, LU) mit dem Ziel, diejenigen Landwirtschaftsbetriebe, welche nicht MWSt-pflichtig sind, bei produktionsgebundenen Investitionen von der MWSt zu befreien 42 AB NR, 2000, S. 1522 f.42.
Der Genfer Spielmann (pda) störte sich daran, dass über das Internet durchgeführte Dienstleistungen von der Mehrwertsteuer kaum erfasst werden können. Er verlangte vom Bundesrat, den elektronischen Geschäftsverkehr steuerlich stärker zu belasten. Der Bundesrat entgegnete, er wolle dem virtuellen Handel gegenwärtig keine neuen Steuern auferlegen, behalte sich dieses Recht allerdings längerfristig zur Sicherstellung der Staatseinnahmen vor. Ausserdem würden durch ein vorschnelles Eingreifen jahrelange internationale Harmonisierungsbemühungen in Steuerfragen zunichte gemacht. Die Koordinationsgruppe Informationsgesellschaft werde aber die Verwaltung in dieser Frage beraten. Der Rat überwies die Motion als Postulat 43 AB NR, 2000, S. 1143 f.43.
Der Schweizerische Kaufmännische Verband SKV und der Schweizerische Gewerbeverband wehrten sich im Berichtsjahr gegen die Eidgenössische Steuerverwaltung, die die Durchführung von Berufsprüfungen neuerdings als Dienstleistung besteuert. Laut Tschäppät (sp, BE), Präsident des SKV, will der SKV eine entsprechende Steuerrechnung über 1,5 Mio Fr. bis vor das Bundesgericht bekämpfen. Eine Besteuerung des Bildungsbereichs sei im Gesetz nicht vorgesehen 44 Presse vom 14.10.00.44.
Die Initiative gegen eine unfaire Mehrwertsteuer im Sport und Sozialbereich, die im Jahre 1996 lanciert worden war, wurde vom Initiativkomitee während des Berichtsjahres zurückgezogen, nachdem ihre Forderungen mit dem neuen MWStG im Vorjahr zum Teil erfüllt worden waren 45 BBl, 2000, S. 1591. Siehe SPJ 1997, S. 151 und 1999, S. 158.45.
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Zu den an der Urne gescheiterten Abstimmungsvorlagen vom September bezüglich einer ökologischen Steuerreform siehe unten, Teil I, 6a (Politique énergétique).
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Im Einvernehmen mit dem Bundesrat überwies der Ständerat eine Motion Spoerry (fdp, ZH) zur Einführung des Meldeverfahrens für Dividendenzahlungen im innerschweizerischen Konzernverhältnis als Postulat. Der Bundesrat hatte sich bereit erklärt, Konsultationen mit den betroffenen Stellen aufzunehmen und eine entsprechende Anpassung der Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer auf den Jahresbeginn 2001 ins Auge zu fassen 46 AB SR, 2000, S. 357.46.
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Finanzkontrolle
Der Neuenburger Berberat (sp) verlangte mit einer parlamentarischen Initiative die Schaffung einer verfassungsmässig verankerten unabhängigen Oberaufsicht über den Bundeshaushalt. Nach Auffassung des Initianten braucht ein moderner Staat eine von Verwaltung und Parlament völlig losgelöste Finanzkontrolle. Im Namen der Kommissionsmehrheit wehrten sich Antille (fdp, VS) und Weyeneth (svp, BE) gegen eine neue Gewalt im Staate. Gegen eine linke Kommissionsminderheit gab das Plenum der Initiative mit 79 zu 57 Stimmen keine Folge 47 AB NR, 2000, S. 1131 ff.47.
Als Postulat überwiesen wurde eine Motion Rossini (sp, VS), die mehr Transparenz in der Statistik der öffentlichen Finanzen gefordert hatte. Der Bundesrat wies auf die laufende Revision der Finanzstatistik hin, die unter anderem Parallelerhebungen verhindern soll und eine Harmonisierung mit der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung anstrebt 48 AB NR, 2000, S. 1599.48.
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Ausgabenordnung
In der Frühjahressession nahm der Nationalrat als Zweitrat Kenntnis vom zweiten Teils des Subventionsberichtes. Die Finanzkommission bemängelte, dass die Subventionen nicht merklich abgesenkt werden konnten. Gleichwohl beantragte sie zustimmende Kenntnisnahme. Bürgerliche Parlamentarier erwarteten zusätzliche Massnahmen zur Kosteneindämmung. Dagegen opponierte Fässler (sp, SG). In der Finanzkommission würden zu viele unausgewogene Sparbefehle ausgesprochen. Bundesrat Villiger erklärte, gespart werden könne vor allem bei zukünftigen Subventionen. Die bestehenden seien kaum mehr wegzubringen 49 AB NR, 2000, S. 303 ff. Zum ersten Teil des Subventionsberichts vgl. SPJ 1999, S. 152 f.49.
Nationalrat Zbinden (sp, AG) ersuchte den Bundesrat in einem Postulat um eine systematische Sichtbarmachung staatlicher Leistungen. Diese Massnahme sollte die oft als asymmetrisch empfundenen Tauschbeziehungen zwischen Bund und Steuerzahlenden nachvollziehbarer gestalten, die staatliche Legitimation stärken und der Steuer- und Abgabenmüdigkeit vieler Bürger entgegenwirken. Im Einvernehmen mit dem Bundesrat wurde das Postulat in der Sommersession angenommen 50 AB NR, 2000, S. 844.50. Ein anderes Ziel verfolgte Parteikollegin Leutenegger (BL) mit einer parlamentarischen Initiative. Sie verlangte die Einführung der Meldepflicht bei staatlichen Leistungen oder Begünstigungen an öffentliche oder private Unternehmungen. Vielfach würden staatliche Behörden durch versteckte Drohungen zu finanziellen Beihilfen oder Steuererlassen gezwungen. Dies führe zu einer Verzerrung des interkantonalen Steuerwettbewerbs. Mit 73 zu 50 Stimmen wurde der Initiative keine Folge gegeben 51 AB NR, 2000, S. 1133 f.51.
Mit ihrer Forderung nach einer Reduktion der Staatsquote auf das Niveau von 1990 hatte die SVP-Fraktion dagegen mehr Erfolg. Vergeblich wurde die Motion von der SP, der EVP und den Grünen bekämpft. Fässler (sp, SG) führte den Ausgabenanstieg auf die Arbeitslosigkeit zurück und nicht – wie in der Motion beschrieben – auf den Ausbau der Staatstätigkeiten. Mit 92 zu 71 Stimmen überwies der Nationalrat das Begehren als Postulat 52 AB NR, 2000, S. 842 und 1072 ff.52. Ausserdem verlangten die Finanzkommissionen beider Räte vom Bundesrat, das Budget 2002 und den Finanzplan 2003-2005 in der Weise zu konzipieren, dass sich die Staatsquote merklich reduziere, wobei der Einfluss der demographischen Entwicklung auf die AHV/IV auszuklammern sei. Der Bundesrat hielt fest, dass das Finanzleitbild 2002-2004 eine kontinuierliche Absenkung der Staatsquote auf 11,2% anstrebt und beantragte, beide Motionen abzulehnen. Der Gefahr eines überproportionalen Anstiegs der Bundesausgaben will der Bundesrat mit einer Koppelung derselben an die Entwicklung der Einnahmen entgegentreten. Konjunkturelle Mehreinnahmen sollen primär zur Tilgung der Bundesschuld eingesetzt werden. Die Fraktionen der Bürgerlichen standen dem Kommissionsanliegen zustimmend gegenüber, die rot-grünen Ratsmitglieder und die EVP nahmen mehrheitlich eine ablehnende Haltung ein oder verlangten die Umwandlung in ein Postulat. Schliesslich überwies der Nationalrat seine Motion mit 78 zu 67 Stimmen. Der Vorstoss wurde im Ständerat lediglich als Postulat überwiesen 53 AB NR, 2000, S. 1282 ff.; AB SR, 2000, S. 848 f.53.
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Sanierungsmassnahmen
Der Nationalrat nahm als Erstrat Kenntnis vom Finanzleitbild des Bundesrates, welches dieser im vergangenen Herbst verabschiedet hatte. Die Mehrheit der vorberatenden Kommission beantragte eine zustimmende Kenntnisnahme. Gleichwohl wies sie auf die grossen Meinungsunterschiede hin. Linke Ratsmitglieder stellten die Fortführung der Sparpolitik in Frage. Mugny (gp, GE) befürchtete, die beabsichtigten Massnahmen würden Reiche noch reicher und Arme ärmer werden lassen. Er beantragte deshalb eine sozialverträgliche Überarbeitung des Leitbildes. Spielmann (pda, GE) argumentierte, dass die Schweizer Steuerquote im internationalen Vergleich ein tiefes Niveau aufweise und Steuergeschenke an die Wirtschaft daher nicht angebracht seien. Die Bürgerlichen ihrerseits drängten auf eine Senkung der Fiskalquote. Namens einer Kommissionsminderheit beantragte Blocher (svp, ZH) deshalb, vom Bericht in ablehnendem Sinne Kenntnis zu nehmen. Von Seiten der FDP und CVP wurde das Papier aber begrüsst. Loepfe (cvp, AI) lobte die Bereitschaft zu einem ausgeglichenen Haushalt und die Unterstützung des Wirtschaftsstandortes Schweiz, Bangerter (fdp, BE) den angestrebten aktiven Schuldenabbau und Bührer (fdp, SH) den marktwirtschaftlichen Grundtenor der bundesrätlichen Botschaft: Die Linke müsse einsehen, dass durch tiefe Steuern und durch eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik letztlich auch der Arbeitsmarkt profitieren werde. Mit 114 zu 50 Stimmen nahm der Nationalrat zustimmend Kenntnis vom Leitbild. Dieses fand auch bei der Finanzkommission des Ständerates positive Aufnahme. Allerdings hätte sich die Kommission laut Inderkum (cvp, UR) eine bessere Einbindung ins aussenpolitische Umfeld gewünscht. SVP-Ständerat Wenger (SH) beantragte dagegen eine neutrale Kenntnisnahme. Mit 22 zu 7 Stimmen wurde dem Kommissionsantrag entsprochen 54 AB NR, 2000, S. 284 ff.; AB SR, 2000, S. 351 ff.; Presse vom 17.3. und 15.6.00. Siehe auch Lit. Kirchgässner. Vgl. SPJ 1999, S. 160 f.54.
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Der Bundesrat äusserte sich im Oktober im Finanzplan 2002-2004 optimistisch über die sich abzeichnende Gesundung der Bundesfinanzen. Die Haushaltsziele konnten durchwegs eingehalten werden. Für die Jahre 2002-2004 wurden Einnahmenüberschüsse bis zu 1,3 Mia Fr. ausgewiesen. Dennoch sei Vorsicht geboten: Die Trendwende bei den Bundesfinanzen sei primär der ausgezeichneten Wirtschaftsentwicklung zu verdanken. Überschüsse sollten aber nach Keynes zugunsten kommender Defizite zurückgehalten werden. Der Bundesrat kritisierte daher die von der SGK-NR gestellte Forderung nach einer Abschaffung des Bundesanteils am AHV-Mehrwertsteuerprozent. Auch die Verschuldung über den Fonds für Eisenbahngrossprojekte verlange eine vorsichtige Ausgabenpolitik. Der Bundesrat ging von der Annahme aus, dass die Staatsausgaben weiterhin stärker wachsen als die Wirtschaft und befürchtete daher einen leichten Anstieg der Staatsquote. Das Einnahmenwachstum wurde bei 6% jährlich angesetzt, dasjenige der Ausgaben bei 4,3%. In diesen Schätzungen wurde allerdings die Revision der Familienbesteuerung bereits berücksichtig, die der Bundesrat später aufgrund neuer Konjunkturängste zurückgestellt hat. Der Anstieg der Bundesschuld im vergangenen Jahrzehnt dürfte aber gestoppt, eventuell sogar leicht reduziert werden. Das Instrument der Schuldenbremse soll diese Entwicklung langfristig sichern. Die Finanzkommissionen beider Räte beantragten, vom Finanzplan Kenntnis zu nehmen. Die Fraktion der SVP wollte hingegen angesichts des hohen Ausgabenwachstums nur in ablehnendem Sinne Kenntnis nehmen. Beide Räte folgten schliesslich dem Antrag ihrer Kommissionen 55 Bericht zum Finanzplan 2002-2004, Bern 2000; AB NR, 2000, S. 1222 ff., 1245 ff. und 1282; AB SR, 2000, S. 847 f.; NZZ, 28.11.00.55. Gleichzeitig überwiesen beide Kammern eine Motion der Legislaturplanungs-Kommission des Ständerates. Der Bundesrat wurde damit beauftragt, ein Konzept zum Schuldenabbau auszuarbeiten 56 AB SR, 2000, S. 383; AB NR, 2000, S. 777.56.
Die Legislaturplanungs-Kommission des Nationalrates forderte ausserdem mit zwei weiteren Motionen eine Reduktion der Steuerquote auf 10% anzustreben, wobei sich die Staatsquote tendenziell der Steuerquote anzunähern habe und die Bundesschuld mittelfristig reduziert werden müsse, sowie eine antizyklische Ausrichtung der Ausgabenpolitik des Bundes mit dem Ziel, die Schulden zu reduzieren und die Steuern zu senken. Der erste Vorstoss fand im Nationalrat Zustimmung, wurde aber vom Ständerat in ein Postulat beider Räte umgewandelt. Die zweite Motion wurde auf Antrag des Bundesrates abgelehnt 57 Mo. Konzept Steuer- und Staatsquote: AB NR, 2000, S. 777; AB SR, 2000, S. 658 f. Mo. Ausgabenpolitik: AB NR, 2000, S. 1148 f. Eine Motion des Wallisers Antille (fdp) zur Reduktion der Bundesschuld wurde in der Herbstsession abgeschrieben (AB NR, 2000, S. 1193). Eine Motion Mathys (svp, AG) zur Senkung der Bundesschuld um 30% wurde vom NR diskussionslos abgelehnt (AB NR, 2000, S. 1599).57.
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Der Bundesrat hat im Juli die Botschaft zur sogenannten Schuldenbremse auf Verfassungsebene verabschiedet. Die Schuldenbremse soll das Haushaltsziel 2001 als Steuerinstrument ersetzen. Während das Haushaltsziel 2001 die Eindämmung des strukturellen Defizits zum Ziel hatte, soll die Schuldenbremse verhindern, dass der Bundeshaushalt erneut aus dem Gleichgewicht gerät. Die zulässigen Ausgaben sollen je nach budgetierten Einnahmen und erwarteter Konjunkturentwicklung bemessen werden. Der Bundesrat orientierte sich in seiner Botschaft einmal mehr an einer antizyklischen Ausgabenpolitik. Der Ständerat wird sich als Erstrat in der Frühjahressession 2001 damit befassen 58 BBl, 2000, S. 4653 ff.; Presse vom 6.7.00.58.
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Staatsrechnung 2000
Bereits im Juli teilte das Finanzdepartement mit, dass das budgetierte Defizit des Bundes von 1,8 Mia Fr. für das laufende Jahr aufgrund der Fiskaleinnahmen deutlich unterschritten werden könnte. Im August stellte Finanzminister Villiger sogar schwarze Zahlen in Aussicht. Dass die Staatsrechnung schliesslich mit einem Überschuss von 4,6 Mia abschloss, wurde in der Öffentlichkeit als grosse Überraschung wahrgenommen. Seit dreissig Jahren hatte die Rechnung nicht mehr ein solch gutes Ergebnis erzielt. Die Einnahmen sind im Vergleich zum Vorjahr um 8,7 Mia oder 20,1% angestiegen. Begünstigt wurde das Rekordergebnis laut Bundesrat durch eine unerwartet dynamische Wirtschaftsentwicklung und den damit verbundenen Mehreinnahmen bei der Verrechnungssteuer (+4,5 Mia), der MWSt (+1,5 Mia) und den Stempelabgaben (+1,0 Mia). Aber auch die nichtfiskalischen Einnahmen (+1,4 Mia) fielen deutlich höher aus als erwartet. Ausgabenseitig wurde der im Voranschlag budgetierte Betrag dank strenger Ausgabendisziplin nahezu erreicht. Die Ausgaben sind im Vergleich zum Vorjahr um 1,5 Mia oder 3,2% angestiegen. Sie sind damit deutlich weniger angestiegen als in den 90er Jahren (+4,1% jährlich). Die soziale Wohlfahrt (+275 Mio) setzte ihre steigende Tendenz fort. Die Verkehrsausgaben (+308 Mio) nahmen aufgrund der Finanzierung der Eisenbahngrossprojekte ebenfalls stark zu. Die grösste Wachstumsrate verzeichneten aber die Ausgaben für Finanzen und Steuern (+1,1 Mia). Dieser Zuwachs erklärt sich im Wesentlichen aus der Umverteilung der Mehreinnahmen aus der Erhöhung der MWSt für die AHV. Die Ausgaben für die Landwirtschaft (-470 Mio) hingegen ermässigten sich nach einer Ausgabenspitze im vergangenen Jahr.
Aufgrund ausserordentlicher Abschreibungen resultierte bei der Erfolgsrechnung lediglich noch ein Überschuss von 1,5 Mia Fr. Ein massiver Fehlbetrag bei den Pensionskassen des Bundes und der SBB als auch die umfangreichen Rückzahlungen von Darlehen der Arbeitslosenversicherung und Rückstellungen zugunsten der Einsenbahngrossprojekte schmälerten die Bilanz. Überdies hat die Bundesschuld trotz des ausgewiesenen Überschusses in der Finanzrechnung um weitere sechs Mia zugenommen und umfasste Ende Jahr 108 Mia Fr. Massgeblich dazu beigetragen hat der Fehlbetrag der Pensionskasse des Bundes, der erstmals nicht mehr unter den Ordnungskonti sondern unter der Bundesschuld ausgewiesen worden ist. Die Schuldenquote betrug demnach 26,5% des BIP. Der Bilanzfehlbetrag sank um 1,6 Mia auf 70,4 Mia Fr. 59 Eidg. Finanzverwaltung, Botschaft zur Staatsrechnung 2000, Bern 2001; Presse vom 26.7. und 25.8.00; NZZ, 26.4.01. Zum Nachtrag I zum Voranschlag 2000 vgl. AB NR, 2000, S. 516 ff.; AB SR, 2000, S. 338 ff.; BBl, 2000, S. 3647. Zum Nachtrag II zum Voranschlag 2000 vgl. AB NR, 2000, S. 1223 ff., 1245 ff. und 1307 ff.; AB SR, 2000, S. 820 ff.; BBl, 2000, S. 6208.59.
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Voranschlag 2001
Im August präsentierte der Bundesrat seinen Voranschlag 2001. Aufgrund der guten Konjunkturlage hatte er einen ausgeglichenen Haushalt angepeilt und dieses Ziel bei einem kleinen Defizit von 100 Mio Fr. beinahe erreicht. Das von den eidgenössischen Räten im Dezember verabschiedete Budget 2001 sah bei veranschlagten Ausgaben von 48 906 Mio Fr. und Einnahmen von 48 924 Mio einen Einnahmenüberschuss von 18 Mio Fr. vor. Damit wurde die verfassungsrechtliche Vorgabe des Haushaltsziels 2001 (zulässiges Defizit von 2%) deutlich unterschritten. Die veranschlagten Ausgaben übertrafen das Budget des Vorjahres um 1,5 Mia Fr. oder 3,1%. Dieser Zuwachs wurde mit einem erwarteten Anstieg bei den Passivzinsen (+397 Mio) als Folge der höheren Zinssätze sowie mit höheren Anteilen Dritter (+684 Mio) an den Bundeseinnahmen, insbesondere bei der direkten Bundessteuer, begründet. Die Soziale Wohlfahrt fiel mit einem Ausgabenzuwachs von 140 Mio ins Gewicht, wobei ein erwarteter Zuwachs bei der AHV/IV durch Rückgänge im Asylbereich und bei der Arbeitslosenversicherung aufgewogen wurde. Bei den Einnahmen wurde im Vergleich zum Vorjahr ein Zuwachs von 3,3 Mia Fr. oder 7,3% veranschlagt. Ein Anstieg der Einnahmen wurde bei der LSVA und beim Anteil des Bundes am zusätzlichen Mehrwertsteuerprozent zu Gunsten des öffentlichen Verkehrs sowie bei der erhöhten Tabaksteuer erwartet. Die dringliche Inkraftsetzung des Bundesgesetzes über die Stempelabgabe dürfte andererseits die Einnahmen um rund 220 Mio schmälern 60 Eidg. Finanzverwaltung, Botschaft zum Voranschlag 2001, Bern 2000; Eidg. Finanzverwaltung, Bundesbeschlüsse über den Voranschlag 2001, Bern 2001; BBl, 2001, S. 66 ff.; Presse vom 31.8.00; Lit. Chardonnens.60.
Bei den Beratungen im Parlament waren vor allem die Budgetposten Entwicklungszusammenarbeit, Nationalstrassenunterhalt und Förderung des Energiesparens umstritten. Die vorberatenden Kommissionen waren sich uneinig darüber, welche Folgen das Volks-Nein zu den Energievorlagen vom September haben werde. Die Mehrheit der Kommissionsmitglieder sprach sich dafür aus, die im Voranschlag enthaltenen Einnahmen von 70 Mio Fr. aus der Förderabgabe ganz zu streichen oder auf ein Minimum von 5 Mio zu reduzieren. Relativ starke Minderheiten beantragten dagegen ein Aufstocken der Kredite im Energiesektor um 35 Mio Fr. Ausserdem wurde über eine Kürzung des Nationalstrassenunterhalts um 30 Mio verhandelt. Die Kommission des Ständerates erachtete diese Mittel für den Unterhalt von Tunnels und Brücken als unentbehrlich. Eine starke Kommissionsminderheit im Nationalrat und die Kommissionsmehrheit im Ständerat wollten zudem die vom Bundesrat veranschlagte Kürzung von 16,5 Mio im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit nicht akzeptieren und die Ausgaben auf dem letztjährigen Niveau belassen. Dagegen erhofften sich beide Kommissionen grosse Einsparungen im Asylbereich: Aufgrund des Rückgangs bei den Asylgesuchen beantragten sie deshalb eine Kürzung des Postens um 90 Mio. Bürgerlich dominierte Mehrheiten beider Kommissionen reichten ausserdem Motionen zur Reduktion der Staatsquote für die Jahre 2002 bis 2005 ein 61 NZZ, 18.11.00. Beide Motionen wurden in der Folge als Postulate überwiesen (AB NR, 2000, S. 1282 ff.; AB SR, 2000, S. 848 f.).61.
Entgegen dem ursprünglichen Vorhaben, 500 Mio Fr. zusätzlich einzusparen, unterbreitete die Finanzkommission des Nationalrates ihrem Rat schliesslich einen Mehrheitsantrag, der einen Überschuss von 71 Mio Fr. auswies. SVP-Vertreter warnten, die strukturellen Defizite seien noch immer virulent, und forderten deshalb weitere Ausgabenkürzungen. Gekürzt werden sollte unter anderem bei der Swisscoy. Dieser Antrag wurde aber vom Rat nicht unterstützt. Zudem widersetzte sich das Plenum einer Kürzung bei humanitären Aktionen und bei der Nahrungsmittelhilfe. Beim Budget des Volkswirtschaftsdepartements bekämpfte Cuche (gp, NE) vergeblich die vorgesehene Kürzung von 30 Mio bei den Direktzahlungen an die Landwirtschaft. Die Volkskammer verzichtete ferner auf die Einsparungen beim Nationalstrassenunterhalt. Aufgestockt wurde schliesslich beim Schweizerischen Nationalfonds. Dem erhöhten Nationalfondskredit stand jedoch der Ständerat im Weg. Er lehnte einen entsprechenden Antrag der FDP-Ständerätin Berger (NE) ab. Die Ständekammer lehnte auch einen von Epiney (cvp, VS) angeführten Minderheitenantrag zur Förderung der Forschung im Bereich der erneuerbaren Energien ab. Bei der letzten Differenz, einer vom Nationalrat beschlossenen Streichung der VBS-Kredite um 100 Mio Fr., fügte sich der Nationalrat schliesslich dem Beschluss des Ständerates 62 BBl, 2001, S. 66 ff.; AB NR, 2000, S. 1222 ff., 1245 ff., 1248 ff., 1407 ff., 1464 ff. und 1519; AB SR, 2000, S. 820 ff., 872 f., 895 f. und 922 f.; NZZ, 28.11.00. Bereits im Juni hatten die Räte den Voranschlag der Eidg. Alkoholverwaltung für das Geschäftsjahr 2000/2001 genehmigt (BBl, 2000, S. 3648; AB NR, 2000, S. 516 ff.; AB SR, 2000, S. 351). Im November wurden auch die Rechnung und der Geschäftsbericht der Eidg. Alkoholverwaltung für das Geschäftsjahr 1999/2000 durch das Parlament genehmigt (BBl, 2000, S. 6212; AB NR, 2000, S. 1223 ff., 1245 ff. und 1310; AB SR, 2000, S. 782 f.).62.
Bund, Kantone und Gemeinden budgetierten für das Jahr 2001 einen Ausgabenüberschuss von insgesamt 1,3 Mia Fr. Dieser Fehlbetrag schlägt beim Bund voraussichtlich mit 924 Mio und bei den Kantonen mit 600 Mio zu Buche. Die geltenden EU-Richtlinien zum Defizit der Öffentlichen Haushalte konnten demnach eingehalten werden. Die Defizitquote wurde mit 0,3% erneut tiefer veranschlagt. Im Budget 2000 betrug sie noch 0,7%. Entsprechend hat sich auch die budgetierte Verschuldungsquote (49% BIP) weiter abgesenkt. Die Gesamtverschuldung dürfte folglich Ende 2001 gegen 207 Mia betragen. Davon wird rund die Hälfte auf den Bund entfallen, knapp ein Drittel auf die Kantone und rund ein Fünftel auf die Gemeinden 63 Lit. Chardonnens.63.
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Finanzausgleich
Im Mai nahm der Bundesrat den Vernehmlassungsbericht zum Neuen Finanzausgleich (NFA) entgegen. Seine Botschaft stellte er auf Ende Jahr in Aussicht. Kantone, Gemeinden und Verbände hatten rund 2000 Änderungsanträge eingereicht. Die Projektleitung teilte mit, die Rückmeldungen seien mehrheitlich positiv ausgefallen, ernst zu nehmende Kritik mache gewisse Nachbesserung jedoch notwendig. Die NFA-Delegation mit Vertretern aus Bund, Kantonen und Städteverband bezeichnete daraufhin erste Korrekturen, die zu einer verbesserten Akzeptanz beitragen sollen. Bei den Sozialleistungen soll der Bund Mindeststandards definieren, die allzu grosse kantonale Unterschiede einschränken. Die Aufgabenfelder der Berufsbildung und der Wohnbauförderung sollen von der „Grossbaustelle NFA“ abgekoppelt und separat reformiert werden. Beim Agglomerationsverkehr wollte die NFA-Delegation hingegen den Vorrang der interkantonalen Zusammenarbeit nicht preisgeben, stellte aber Bundesmittel für ausserordentliche Grossprojekte in Aussicht. Einer der Hauptkritikpunkte von Seiten der Kantone war der sogenannte Ressourcenindex, die Bemessung der finanziellen Leistungsfähigkeit eines Kantons. Dieser Ressourcenindex soll neu aufgrund der direkten Bundessteuer ermittelt werden und der Zentrumslast der Städte mehr Gewicht geben 64 Presse vom 4.5. und 6.5.00. Bereits im Januar war die Projektleitung NFA in ihrem Zwischenbericht zur Vernehmlassung zum Schluss gekommen, der NFA sei politisch noch nicht tragfähig (NZZ, 20.1. und 31.1.00). Vgl. SPJ 1999, S. 164 f.64.
Im November teilte der Bundesrat der Öffentlichkeit mit, dass sich seine Botschaft um weitere neun Monate verzögert. Die Datenbasis sei zu aktualisieren und die Kantone müssten über die Auswirkungen des NFA im Detail informiert werden. Bundesrat Villiger bekräftigte aber, dass er am NFA in seiner jetzigen Form festhalte 65 Presse vom 10.11.00.65.
CVP-Nationalrat Walker (SG) beantragte in einer Motion, zur besseren Akzeptanz des NFA eine Überbrückungshilfe zu schaffen, die aus der vorgesehenen Erhöhung der Gewinnausschüttung der Schweizerischen Nationalbank zu finanzieren sei. Der Bundesrat entgegnete, das bestehende Konzept des NFA sehe bereits eine degressiv ausgestaltete Überbrückungshilfe vor. Die potentiellen Gewinne der Nationalbank sollten allerdings nicht zum jetzigen Zeitpunkt bereits zweckgebunden werden. Der Rat überwies den Vorstoss als Postulat 66 AB NR, 2000, S. 1599.66.
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Finanzhaushalt der Kantone
Die 26 Kantone erzielten im Berichtsjahr bei konsolidierten Gesamtausgaben von 59,3 Mia Fr. einen Finanzierungsüberschuss von 2,2 Mia Fr. Gegenüber den Voranschlägen wurde eine Verbesserung von 3,4 Mia Fr. erreicht. Die Fachgruppe für kantonale Finanzfragen (FkF) führte das Rekordergebnis auf die Rückzahlung von Darlehen der ALV in der Höhe von 1,1 Mia Fr., auf eine Zunahme der Steuererträge und auf eine massvolle Entwicklung des Personalaufwandes zurück. 21 Kantone schlossen mit einem Finanzierungsüberschuss und konnten einen Teil ihrer Schulden abtragen. Fünf Kantone (UR, GR, VD, VS und NE) wiesen aber einen Finanzierungsfehlbetrag aus und mussten sich neu verschulden. Im Kanton Waadt betrug der Finanzierungsfehlbetrag 267 Mio Fr. und überstieg die Nettoinvestitionen um 202 Mio Fr. Dieser Kanton musste sich für einen Teil der laufenden Ausgaben zusätzlich verschulden 67 Medienmitteilung der Fachgruppe für kantonale Finanzfragen vom 22.5.01.67.
Fast jeder dritte Kanton budgetierte für das Jahr 2001 einen Einnahmenüberschuss. Basel, Genf, Luzern, Solothurn, Thurgau, Zug und Zürich rechneten mit schwarzen Zahlen. Insgesamt wiesen die Voranschläge bei einem Aufwand von 60,6 Mia Fr. und einem erwarteten Ertrag von 60 Mia einen Aufwandüberschuss von 557,5 Mio Fr. aus. Im Vorjahr waren noch 1,5 Mia Fr. Aufwandüberschuss veranschlagt worden. 18 Kantone legten ein besseres Budget vor als vor Jahresfrist. Schlechter dürfte die Rechnung hingegen in den Kantonen Uri, Schwyz, Glarus, Freiburg, in beiden Appenzell, St. Gallen und Aargau ausfallen. Dort prägten in erster Linie fiskal- und personalpolitische Entscheide die Diskussion. Besonders prekär ist die Situation Uris, wo der Selbstfinanzierungsgrad unter 10% fallen könnte 68 NZZ, 6.11. und 11.11.00.68.
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Weiterführende Literatur
Bundesamt für Statistik, Die Mehrwertsteuer in der Schweiz 1998, Resultate und Kommentare, Neuenburg 2000.
Bundesamt für Statistik, Steuerbelastung in der Schweiz, Neuenburg 2000.
Jeanneret, Philippe, „Förderung von Risikokapital  – Das Bundesgesetz über die Risikokapitalgesellschaften tritt in Kraft", in Volkswirtschaft, Nr. 7, 2000, S. 16-20.
Vallender, Klaus A., Ökologische Steuerreform: rechtliche Grundlagen, Schriftenreihe Finanzwirtschaft und Finanzrecht, Bd. 92, Bern 2000.
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Bundesamt für Statistik, Öffentliche Finanzen der Schweiz 1998, Neuenburg 2000.
Chardonnens, Pierre, „Die Voranschläge von Bund, Kantonen und Gemeinden für das Jahr 2001", in Die Volkswirtschaft, 2001, Nr. 2, S. 25-28.
Eidgenössisches Finanzdepartement, Der Neue Finanzausgleich (NFA) zwischen Bund und Kantonen. Bericht über die Vernehmlassung, Bern 2000.
Gygi, Ulrich, „Die Finanzpolitik des Bundes“, in Zeitschrift des Schweizerischen Bundesarchivs, Studien und Quellen, Nr. 26, S. 17-44.
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Rey, Alfred (Hg.), Der neue Finanzausgleich, Schriftenreihe der Fachgruppe für Kantonale Finanzfragen, Bd. 5, Solothurn 1999.
Stalder, Kurt, Föderalismus und Finanzausgleich: ein Vergleich von Lösungsansätzen und Reformbestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Kanada, den Vereinigten Staaten von Amerika, der Schweiz sowie der Europäischen Union, Schriftenreihe der Fachgruppe für Kantonale Finanzfragen, Bd. 9, Solothurn 1999.
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