Sprache. "Dictionnaire féminin-masculin"

Ein ganz besonders heikler Bereich der indirekten Diskriminierung der Frauen ist die Sprache. Von der Feststellung ausgehend, dass höhere Berufstitel sehr oft nur in der männlichen Form vorkommen, niedrigere Qualifikation dagegen eher weiblich umschrieben werden, liess das Gleichstellungsbüro des Kantons Genf einen "Dictionnaire féminin-masculin" erstellen, welcher ungebräuchlich gewordene Bezeichnungen wieder aufnimmt (écrivaine, cheffe), andere neu einführt (pastoresse, femme-grenouille, homme de ménage). Im Nationalrat wies die Berner Grüne Bär bei der Beratung des neuen Bürgerrechtsgesetzes darauf hin, dass die heute noch weitverbreitete Sitte, gerade auch in Gesetzestexten nur die männliche Form zu verwenden mit dem Hinweis darauf, dass die Frauen mitgemeint seien, der Diskriminierung der Frauen Vorschub leiste und auch inhaltlich zu recht vielen Konfusionen führen könne — wie beispielsweise der Ehe zwischen Männern.

rachliche Gleichbehandlung von Frau und Mann in der Gesetzes- und Verwaltungssprache

Eine von der Bundeskanzlei geleitete interdepartementale Arbeitsgruppe legte in einem Bericht Empfehlungen für die sprachliche Gleichbehandlung von Frau und Mann in der Gesetzes- und Verwaltungssprache vor. Die Arbeitsgruppe kam zum Schluss, dass für eine befriedigende Verwirklichung der sprachlichen Gleichberechtigung eine "kreative Lösung" die tauglichste sei, nämlich eine Kombination von Paarformen in der ausführlichen Form (zum Beispiel Lehrerinnen und Lehrer) oder in der Kurzform (Lehrer/innen, Lehrerinnen), von neutralen Formen (die Lehrenden, die Lehrkräfte) und der Möglichkeit zur Umformulierung.

geschlechtsneutralen Formulierung von Gesetzen

Die Forderung nach einer möglichst an beide Geschlechter gerichtete bzw. geschlechtsneutralen Formulierung von Gesetzen kam beim revidierten Urheberrechtsgesetz erstmals zum Tragen. Der Nationalrat erteilte der Redaktionskommission den Auftrag, die Vorlage in diesem Sinn zu überarbeiten. In ihrem Bericht, welcher die Zustimmung beider Kammern fand, übernahm die Redaktionskommission die Empfehlungen einer interdepartementalen Arbeitsgruppe, welche sich für eine "kreative" Lösung ausgesprochen hatte, bei der neutrale oder Paarformen eingesetzt werden.

Nach einem Parlamentsbeschluss vom Herbst 1992, welchem sich der Bundesrat im Sommer 1993 anschloss, sollen Erlasse und andere Texte des Bundes in ihrer deutschen Fassung auf kreative Weise geschlechtsneutral und gleichzeitig lesbar abgefasst werden. Im Sinn einer Hilfestellung publizierte die Bundeskanzlei Mitte Januar einen Leitfaden, der den Grundsatz der sprachlichen Gleichberechtigung in Erinnerung rief und konkrete Tips und Beispiele zu dessen Umsetzung anbot. Der Sprachdienst der Bundeskanzlei bietet zudem eine Beratung an, und in den Ausbildungskursen des Personalamts wird geschlechtergerechtes Formulieren ebenfalls ein Thema sein. Für das Französische und das Italienische ist kein entsprechender Leitfaden vorgesehen. Der Verzicht wurde damit begründet, dass linguistische Eigenarten dieser Idiome und eine gesellschaftlich und kulturell bedingte geringere Sensibilisierung für das Problem in den lateinischen Sprachgemeinschaften es verunmöglichten, die Empfehlungen telles quelles auf alle Amtssprachen zu übertragen.

geschlechtsspezifische Formulierung in den Schweizer Pässen

Ein Postulat Bär (gp, BE) für eine geschlechtsspezifische Formulierung in den Schweizer Pässen, welches im Vorjahr noch von Dreher (ap, ZH) bekämpft worden war, wurde nun, da der Bundesrat diese Änderung für 1993 ankündigte, diskussionslos überwiesen.

Zuger Stadtparlament allein in der weiblichen Form

Anfang November beschloss das Zuger Stadtparlament, im Geschäftsreglement des Grossen Gemeinderates alle Bezeichnungen für die öffentliche Ämter der Stadt allein in der weiblichen Form aufzuführen, wobei in einer Fussnote vermerkt wurde, dass damit die Männer mitgemeint seien.

Gleichstellung und Schutz vor Diskriminierung in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)

Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Die Homosexuellenorganisation «Pink Cross» und die «Lesbenorganisation Schweiz» verlangten eine ausdrückliche Erwähnung des Verbots der Diskriminierung von Schwulen und Lesben in Art. 7 Abs. 2 der revidierten Bundesverfassung, welcher festhält, dass niemand diskriminiert werden darf. In die vom Bundesrat vorgeschlagene beispielhafte Aufzählung der wichtigsten Diskriminierungsgründe (Herkunft, Geschlecht, Rasse, Sprache, soziale Stellung, religiöse, weltanschauliche oder politische Überzeugung sowie körperliche oder geistige Behinderung) soll nach Ansicht der Schwulen und Lesben auch die «sexuelle Orientierung» aufgenommen werden. 24 Organisationen, darunter die SP, der SGB und die Grünen hatten dieses Ansinnen in der Vernehmlassung unterstützt. Die parlamentarische Verfassungskommission des Ständerats lehnte diese Forderung ab, da der Schutz durch das allgemeine Diskrimierungsverbot gegeben sei. Diejenige des Nationalrats trat hingegen auf das Anliegen ein und nahm den – allerdings umfassenderen – Begriff «Lebensform» in die Liste auf.

Die Gleichstellungsbeauftragten der Westschweiz verlangten mit Unterstützung des eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann die sprachliche Gleichbehandlung der Geschlechter in der französischen und der italienischen Version der nachgeführten Bundesverfassung. Gemäss Vorschlag von Bundesrat und Kommissionen wurden diese beiden Texte weiterhin männlich formuliert. Lediglich eine Fussnote zum Gleichsartikel (Art. 8) sollte darauf hinweisen, dass unter der männlichen Form jeweils beide Geschlechter gemeint sind.

Der Vorschlag des Bundesrates zum Gleichstellungsartikel (Art. 8) sah vor, neben dem Grundsatz, wonach alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind (Abs. 1), eine Liste der verbotenen Diskriminierungen anzuführen (Abs. 2). So sollte niemand benachteiligt werden dürfen, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, der Sprache, der sozialen Stellung, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen oder geistigen Behinderung. Im Ständerat, der die Vorlage als Erstrat behandelte, wollten mehrere Abgeordnete weitere Diskriminierungstatbestände explizit aufnehmen, so etwa Beerli (fdp, BE) den Begriff der Lebensform, um den alternativen Partnerschaften besser gerecht zu werden, Leumann (fdp, LU) das Kriterium des Alters, womit in erster Linie ein besonderer Schutz der Jugend anvisiert wurde, und Brändli (svp, GR) neben der körperlichen und geistigen auch die psychische Behinderung. In zwei Eventualabstimmungen wurden die Anträge Beerli und Brändli angenommen, jener von Leumann ganz knapp abgelehnt. Schliesslich setzte sich aber Spoerry (fdp, ZH) mit dem Argument durch, angesichts der Tatsache, dass wohl keine Aufzählung je abschliessend sein könne, sei es sinnvoller, die Liste gänzlich fallen zu lassen und in Abs. 2 nur zu sagen, dass niemand diskriminiert werden darf.

Im Ständerat machte Cavadini (lp, NE) in der Eintretensdebatte zur Revision geltend, die Feminisierung des Textes sei im Französischen nur auf Kosten der sprachlichen Qualität zu erreichen und im Italienischen völlig undenkbar. Dem hielt Aeby (sp, FR) entgegen, es gebe in der französischen Sprache durchaus Möglichkeiten, dem legitimen Anliegen der Frauen Rechnung zu tragen. Brunner (sp, GE) stellte den Antrag auf eine geschlechtsneutrale Formulierung in der Detailberatung von Art. 8. Sie meinte, der Geist der neuen Verfassung, der sich auch in den verwendeten Begriffen ausdrücke, dürfe nicht vom Diktat ehemals reiner Männergremien (Académie Française) diktiert werden. Mit ihrem Einverständnis wurde die Frage auf später verschoben und die Redaktionskommission gebeten, entsprechende Textvorschläge zu unterbreiten. Im Nationalrat stellten Parlamentarierinnen aus der SP die gleiche Forderung für die französische und die italienische Ausgabe der Verfassung. Auch hier wurden die beiden romanischen Texte der Redaktionskommission zugewiesen. Zu einer parlamentarischen Debatte über die schliesslich gefundene Lösung kam es nicht. In der definitiven Fassung der neuen Verfassung sind die französischen und italienischen Formulierungen aber soweit als möglich geschlechtsneutral .

Im Nationalrat wurde der Antrag Spoerry von einer rechtsbürgerlichen Minderheit unter Fischer (svp, AG) eingebracht und zwar in der Form der Zusammenfassung beider Absätze in einen Abs. 1. Da zu diesem Alinea SP-Anträge für eine geschlechtsneutrale Formulierung auch im Französischen und Italienischen eingereicht waren, diese Frage aber generell erst vor Abschluss der Gesamtberatung geregelt werden sollte, wurde die Diskussion darüber verschoben – und angesichts der weiteren Beschlüsse der Räte gar nicht mehr aufgenommen. Gegen einen Antrag Leuba (lp, VD), der dem Ständerat beim ganzen Artikel folgen wollte, nahm der Nationalrat mit 101 zu 55 Stimmen den Antrag seiner Kommission zu Abs. 2 an und fügte so die Begriffe der Lebensform und der psychischen Behinderung ein. Zwei Minderheitsanträge vor allem aus den Reihen der SP, welche einerseits die geschlechtliche Orientierung und den Zivilstand, anderseits das Alter ausdrücklich erwähnen wollten, wurden nach ausgiebiger Diskussion mit 85 zu 70 resp. 86 zu 69 Stimmen verworfen.

Anlässlich der Totalrevision der Bundesverfassung wurde der eigentliche Artikel zur Opferhilfe (Art. 124) gegenüber der geltenden Verfassung auf Vorschlag des Bundesrates in dem Sinn verfeinert, dass hier Straftaten gemeint sind, welche die körperliche, psychische oder sexuelle Integrität einer Person beeinträchtigen. Diese Präzisierung wurde bereits im Bundesgesetz über die Opferhilfe vorgenommen und entspricht der Praxis des Bundesgerichtes. Der Artikel passierte in beiden Räten diskussionslos.

In seiner zweiten Lesung trug der Ständerat dem deutlichen Ergebnis in der grossen Kammer Rechnung und übernahm diskussionslos die Version des Nationalrates. Ebenfalls ohne Opposition passierte der von seiner Kommission aufgenommene Begriff des Alters. Der Berichterstatter gab zu bedenken, je mehr Diskriminierungskriterien aufgeführt würden, desto mehr könnte der Anschein erweckt werden, dass diejenigen benachteiligt werden dürften, die nicht erwähnt sind, weshalb zumindest das Alter auch speziell genannt sein müsse. Der Nationalrat hiess daraufhin stillschweigend diesen Zusatz ebenfalls gut.

Zu einer schwergewichtigen Differenz zwischen den beiden Kammern führte der Abs. 3 von Art. 8, der die Beziehungen zwischen den Geschlechtern regelt. Der Bundesrat hatte neben der Feststellung, dass Mann und Frau gleichberechtigt sind, die Formulierung vorgeschlagen, wonach das Gesetz für die Gleichstellung namentlich in Familie, Ausbildung und Arbeit sorgt. Dem stimmte der Ständerat diskussionslos zu. Die Kommission des Nationalrates ging hier weiter und stipulierte, der Gesetzgeber habe für die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung zu sorgen. Diese Fassung hiess das Plenum mit 110 zu 55 Stimmen gut. Ein von links-grüner Seite in die Diskussion gebrachter weiterer Absatz, wonach Bund und Kantone die materielle Gleichstellung zwischen Männern und Frauen in allen Lebensbereichen verwirklichen, indem sie bestehende Diskriminierungen beseitigen und positive Massnahmen fördern, wurde hingegen mit 93 zu 61 Stimmen abgelehnt. Beide Kammern beharrten in der Folge auf ihren Standpunkten. Der Ständerat vertrat die Ansicht, die tatsächliche Gleichstellung könne nicht per Gesetz dekretiert werden, sondern sei ein vom Verfassungsgeber unabhängiger gesellschaftlicher Prozess; der Nationalrat war der Meinung, in diesem Bereich sei lange genug getrödelt worden, weshalb es jetzt an der Zeit sei, zügig voranzumachen. Erst die Einigungskonferenz brachte die Entscheidung zugunsten des Nationalrates.