Parlamentarische Initiative: Säule 3a auch für Nichtberufstätige

Gegen den Willen einer rot-grünen Minderheit, welche argwöhnte, hier gehe es um ein verkapptes Steuergeschenk an die Vermögenden, beschloss die sozialpolitische Kommission des Nationalrates, einer parlamentarischen Initiative Nabholz (fdp, ZH) Folge zu geben, welche beantragt, die steuerlich privilegierte Säule 3a sei auch für Nichtberufstätige zu öffnen. Nabholz hatte dabei vor allem die Frauen im Visier, welche zugunsten von Erziehungs- und Betreuungsarbeiten auf eine Erwerbstätigkeit verzichten, aber auch Arbeitslose und Invalide. Eine analoge Empfehlung der Rechtskommission des Ständerates wurde diskussionslos verabschiedet (96.3368).

Mit 109 zu 60 Stimmen gab der Nationalrat einer parlamentarischen Initiative Nabholz (fdp, ZH) Folge, welche eine Öffnung der Dritten Säule für bestimmte Kategorien Nichterwerbstätiger verlangt. Konkret davon betroffen werden insbesondere Hausfrauen sein, die ohne Entlöhnung Erziehungs- und Betreuungsaufgaben wahrnehmen, sowie Arbeitslose und Invalide. Sie sollen inskünftig ebenfalls den Steuerabzug für ihre in der individuellen Selbstvorsorge angelegten Mittel geltend machen können. Eine linke Kommissionsminderheit monierte vergebens, hier handle es sich in erster Linie um ein verkapptes Steuergeschenk an wohlhabende Kreise, da nur sie über die dafür notwendigen zusätzlichen Mittel verfügten, währenddem Arbeitslose und nichterwerbstätige Invalide nur in den seltensten Fällen ein Einkommen erzielten, welches dieses Sparpotential erlaube.

Via parlamentarische Initiative verlangte Nationalrätin Nabholz (fdp, ZH) eine Öffnung der Säule 3a für Nichterwerbstätige, insbesondere Frauen, die ohne Entlöhnung Erziehungs- und Betreuungsaufgaben wahrnehmen, sowie Arbeitslose und Invalide. Von der steuerlich privilegierten gebundenen Selbstvorsorge könnten somit rund 635'000 Personen mehr profitieren. Die SP bekämpfte den Vorstoss jedoch als neues Steuerschlupfloch für Reiche und sah darin im Gegensatz zur Initiantin kein eigentliches Gleichstellungsanliegen, da sich viele der anvisierten Personen die Säule 3a gar nicht leisten könnten. Mit 109 zu 60 Stimmen gab der Nationalrat der Initiative aber Folge und beauftragte seine Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) mit der Ausarbeitung einer Revisionsvorlage des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG).

Bei den Gesprächen am Runden Tisch wurde beschlossen, die im Vorjahr vom Nationalrat genehmigte parlamentarischen Initiative Nabholz (fdp, ZH) für eine Öffnung der Säule 3a für Nichtberufstätige wegen ihrer finanziellen Konsequenzen unter ein Moratorium zu stellen. Die Frist für ihre Behandlung wurde um zwei Jahre verlängert. Der neuerliche Versuch der Linken, das Anliegen durch Abschreiben des Vorstosses zu erledigen, unterlag mit 95 zu 53 Stimmen.

Stabilisierungsprogramm 1998 (98.059)

Das Sparprogramm 98 (im Verlauf des Jahres in Stabilisierungsprogramm 98 umbenannt) soll neben dem Voranschlag 98 und dem Finanzplan 1999-2001 sicherstellen, dass das Defizit im Jahr 2001 höchstens noch CHF 1 Mrd. betragen wird, wie im «Haushaltsziel 2001» vorgesehen. Dazu sind ab 1999 zusätzliche Einsparungen von jährlich CHF 2 Mrd. nötig. Der Bundesrat entschied, dass sich diese im wesentlichen auf die drei ausgabenstärksten Aufgaben Sozialversicherungen, Verkehr und Militär beschränken sollen und erteilte den Departementen im September verschiedene Prüfungsaufträge. Im Dezember stellte EFD-Vorsteher Kaspar Villiger als Grundlagenpapier das «Stabilisierungsprogramm 98» vor. Dieses soll am «runden Tisch» behandelt werden, um einen breiten finanzpolitischen Konsens zu erreichen. Unter Villigers Leitung werden ab Anfang 1998 EDI-Vorsteherin Ruth Dreifuss, Vertreter der Kantonsregierungen, die vier Bundesratsparteien und Spitzenleute der Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände sowie der Gewerkschaften teilnehmen.

Bei AHV/IV stellte der Bundesrat eine Rentenanpassung nach erst drei Jahren zur Diskussion, wobei die Renten früher angepasst werden können, wenn die Teuerung 4% überschreitet. Die 2001 fällige Rentenanpassung soll auf 2002 verschoben werden (300 Mio.). Bei der IV soll ein «ärztlicher Dienst mit Untersuchungskompetenz» Missbrauch verhindern (Einsparungen nicht quantifizierbar). Bei der ALV schlug der Bundesrat eine Kombination von Mehreinnahmen und Leistungskorrekturen vor, um ab dem Jahr 2000 - bei einer angenommenen Arbeitslosigkeit von 4% - kein ALV-Defizit mehr zu schreiben. Auf der Einnahmenseite soll das dritte Lohnprozent bis 2003 weitergeführt und neu auch auf Einkommen zwischen CHF 97'200 und CHF 243'000 erhoben werden. Bis zu diesem Zeitpunkt soll diese Plafonderhöhung zudem auch für das zweite Lohnprozent gelten (2.1 Mrd.). Auf der Leistungsseite stehen zwei Sparvarianten zur Diskussion: Die harte Variante sieht die Streichung der A-fonds-perdu-Beiträge des Bundes von 5% (330 Mio.) vor sowie Einsparungen von ALV-Leistungen insbesondere durch eine Kürzung der allgemeinen Bezugsdauer von 520 auf 400 Tage (500 Mio.). Die weichere Variante behält die A-fonds-perdu-Beiträge des Bundes und die Bezugsdauer bei, die Leistungen werden aber mit diversen anderen Massnahmen gekürzt (250 Mio.). Bei den Transferzahlungen Bund/Kantone schlug der Bundesrat eine Reduktion des Bundesbeitrags an den Regionalverkehr von 75% auf 60% sowie Kürzungen der Beiträge an den Strassenbau vor. Ausserdem sollen die Kantone 65% statt 50% der Krankenkassen-Verbilligungen selber tragen. Damit müssten die Kantone insgesamt einen Sparbeitrag von CHF 500 Mio. leisten. Im Bereich Verkehr betrifft die Sparvorgabe die SBB. Diese soll 1999 rund CHF 100 Mio. und 2001 rund CHF 200 Mio. einsparen müssen. Die Armee schliesslich soll 1999 CHF 140 Mio., im Jahr 2000 CHF 280 Mio. und im Jahr 2001 CHF 410 Mio. - total rund 9% des EMD-Budgets in drei Jahren - kürzen müssen. Falls die Stabilisierungsziele nicht erreicht werden, behält sich der Bundesrat vor, schon im Sommer 1998 für alle übrigen Ausgaben (ohne Passivzinsen, Kantonsanteile an Bundeseinnahmen, Beiträge an Sozialversicherungen und Pflichtbeiträge an internationale Organisationen) eine Kreditsperre von 3% zu verfügen (300 bis 500 Mio.). Als letzte Möglichkeit sieht er eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1%. Nach den Verhandlungen am «runden Tisch» soll das Sparprogramm 98 vom Parlament bis Ende 1998 verabschiedet werden.

Der Budgetkompromiss, der als Durchbruch im Kampf gegen das Schuldenloch gefeiert wurde, geriet von links und von rechts bald unter Beschuss. Die erste Bewährungsprobe für den Zusammenhalt des runden Tisches erfolgte noch am gleichen Tag, als SP und Gewerkschaften am Nein zum Haushaltsziel 2001 festhielten. Ihrer Meinung nach bildeten Haushaltsziel und Beschluss des runden Tisches zwei von einander getrennte Vorlagen. Die SVP liess verlauten, die Defizite sollten mit Einsparungen ohne Zusatzeinnahmen saniert werden. Unter den Kantonen bestanden ebenfalls unterschiedliche Ansichten, wo die CHF 500 Mio. an gekürzten Bundesbeiträgen eingespart werden sollten. Einig war man sich über die Kürzungen beim öffentlichen Verkehr, im Bildungsbereich und beim Straf- und Massnahmenvollzug (350 Mio.). Für die verbleibenden CHF 150 Mio. wurden drei Varianten geprüft: eine höhere Beteiligung der Kantone an den Krankenkassen-Prämienverbilligungen, die Erhöhung der Kantonsbeiträge an die AHV/IV und eine Beteiligung der Kantone an den Kosten der Regionalen Arbeitsvermittlungsstellen (RAV). Während sich die Westschweizer Kantone gegen Kürzungen der Krankenkassenbeiträge wehrten, sprachen sich finanzstarke Deutschschweizer Kantone gegen Kürzungen im AHV/IV-Bereich aus. Die Konferenz der Kantonsregierungen stimmte schliesslich der Variante AHV/IV zu, nachdem in einer ersten Abstimmung die Variante Krankenkasse knapp das erforderliche qualifizierte Mehr von 18 Stimmen um deren zwei verfehlt hatte.

Am ”Runden Tisch” wurde ausgehandelt, dass die Kantone 500 Mio. Fr. zur Sanierung der Bundesfinanzen beitragen. Für gut 180 Mio. Fr. davon lagen nach Abschluss der Gespräche drei Varianten vor: Erhöhung der Kostenbeteiligung an der Prämienverbilligung in der Krankenversicherung, Beteiligung an den Kosten der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) oder Erhöhung der Kantonsbeiträge an die AHV. Der Bundesrat entschied sich für letzere Variante. Damit wird der Bund von 1999 an bei der AHV um diesen Betrag entlastet.

Au mois d’avril, la table ronde organisée par le conseiller fédéral Kaspar Villiger dans le but d’assainir les finances de la Confédération a imposé au DDPS des économies de CHF 1.1 milliard à réaliser en trois ans. Cette diminution du budget militaire représente environ un quart des économies qui seront effectuées au total et équivaut à une coupe de 4% par année sur la base du budget 1997. En contrepartie, l’armée a obtenu de disposer d’un plafond de dépenses de CHF 12.9 milliards, pour ces trois années de vaches maigres, qui ne soit pas totalement soumis au parlement. Dans les limites de cette somme maximale, le DDPS peut ainsi librement transférer des crédits ou des soldes de crédit d’un secteur à l’autre et d’une année à l’autre, les dépenses militaires restant toutefois soumis à l’approbation du législatif. Afin toutefois de ne pas pénaliser démesurément les entreprises helvétiques, le DDPS et l’administration des finances ont tenté d’éviter de procéder à des coupes trop importantes dans les commandes de matériels ou de systèmes conçus par des sociétés suisses. Autres mesures compensatoires: les mises à la retraite anticipée et les frais sociaux engendrés seront pris en charge par la caisse générale et pas par le budget de l’armée. Ces réductions ne doivent pas avoir d’incidence sur la réalisation de la nouvelle défense nationale. La diminution du budget pour la défense a suscité des réactions très vives de la part du groupe de travail pour une armée de milice efficace et assurant la paix (AWM). Composé de politiciens conservateurs et de représentants de l’industrie concernée, ce groupe a notamment regretté que Adolf Ogi n’ait pas insisté pour participer à la table ronde, même s’il ne faisait pas partie de la délégation des finances du Conseil fédéral. Le chef du DDPS a ainsi essuyé plusieurs critiques quant à son manque d’engagement apparent pour l’armée, comparé à l’activité déployée dans sa fonction de ministre des sports. La Société Suisse des Officiers (SSO) a également pris position contre le paquet financier proposé par la table ronde. Quant à la Société d’études militaires, qui regroupe une cinquantaine d’officiers de milice de l’état-major général, elle a estimé que c’était une erreur de déterminer la politique de sécurité sur la seule base de l’état des finances fédérales.

Parteien und Verbände reagierten mit Misstrauen auf das definitive Stabilisierungsprogramm. Noch vor den Beratungen im Parlament wurde ein Teil des Konsenses offen in Frage gestellt; Hauptkritikpunkt waren die vorgesehenen Mehreinnahmen. SP und Gewerkschaften pochten auf Zusatzeinnahmen von CHF 150 Mio. und waren enttäuscht, dass die grössten Steuerschlupflöcher nicht konsequent geschlossen worden seien. Umgekehrter Ansicht waren die bürgerlichen Parteien, die dem Bundesrat vorhielten, er sei über die gefassten Beschlüsse hinausgegangen und belaste den Mittelstand übermässig. Am vehementesten kritisierten sie die Vorschläge zur höheren Besteuerung der Kapitalleistungen aus den Vorsorgesäulen 2 und 3a, da dies nicht eine Missbrauchsbekämpfung sei, sondern eine vom Gesetzgeber gewollte steuerliche Abzugsmöglichkeit.

Der Konsens über die Sanierung der Bundesfinanzen drohte während den Kommissionsberatungen mehrmals zu scheitern. Yves Christen (fdp, VD) wurde explizit als Moderator an die Spitze der vorberatenden 25-köpfigen Spezialkommission des Nationalrates berufen. Während der Sparbetrag der Kantone, die Sparvorgabe der SBB, die Einsparungen bei Armee und Zivilschutz sowie die Leistungsanpassungen bei der ALV die Zustimmung der Kommission fanden, wurde bis zuletzt über die Bereiche AHV/IV und Steuergerechtigkeit gerungen. Als Kompromissvorschlag verzichteten die Bürgerlichen auf die Verschiebung der Anpassung der AHV/IV-Renten 2001 auf das Jahr 2002 (die Indexierung der Renten soll im Rahmen der 11. AHV-Revision geregelt werden) sowie auf die Ausdehnung des Anpassungsrhythmus von 2 auf 3 Jahre, während die Linke eine höhere Besteuerung der Kapitalleistungen aus den Vorsorgesäulen 2 und 3a fallen liess. Zusätzlich wurde die Alterslimite für eine Kapitalversicherung mit Einmalprämie von 60 auf 65 Jahren erhöht, auf eine Begrenzung des versicherbaren Einkommens bei der 2. Säule – abgesehen vom Einkauf – verzichtet und der Schuldzinsabzug nicht auf CHF 20'000, sondern auf CHF 50'000 begrenzt. Um den runden Tisch nicht zum Tischlein verkommen zu lassen, mussten die Ausfälle bei der AHV/IV (203 Mio.) und die Mindereinnahmen bei den Steuerschlupflöchern (20 statt 91 Mio.) kompensiert werden. Die Kommission einigte sich schliesslich darauf, den Bundesrat mit einer Motion zu verpflichten, die Ausgaben im Asylbereich bis zum Jahr 2001 auf maximal CHF 1 Mrd. zu reduzieren (Einsparungen von 406 Mio.). Sie verabschiedete die Vorlage mit 20 zu einer Stimme; die Kommissionsmitglieder der vier Regierungsparteien sowie der LPS sicherten schriftlich zu, im Plenum keine Minderheitsanträge zu stellen.

Bei den Gesprächen am ”Runden Tisch” einigten sich die Teilnehmer bei den einkommenswirksamen Massnahmen unter anderem auf die Weiterführung bis 2003 des dritten Lohnprozentes, die befristete Deplafonierung eines weiteren ALV-Lohnprozentes und die Anhebung des in der Unfallversicherung maximal versicherten Lohnes von 97 200 Fr. auf 106 800 Fr. sowie auf Kürzungen im Leistungsbereich (Wechsel vom Lohn zum Taggeldkonzept bei Beschäftigungsprogrammen, Beschränkung der Bezugsdauer für Wiedereinsteigerinnen von 520 auf 260 Tage). Damit, so rechnete das Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit (BWA, ex-BIGA) vor, sollten bis zu diesem Zeitpunkt die Schulden der Versicherung abgetragen sein. In der Wintersession stimmte der Nationalrat diesem Kompromiss der Sozialpartner zu. Gegen den Widerstand von Goll (sp, ZH), die befand, dies sprenge die Gespräche am ”Runden Tisch” nahm die grosse Kammer auch zwei Motionen ihrer Kommission an, welche den Bundesrat verpflichten, bis zum Winter 2000 einen Revisionsplan für die ALV vorzulegen mit dem Ziel einer Rückkehr auf zwei Lohnprozente, sowie Massnahmen zur Reduktion der Verwaltungskosten in der ALV zu ergreifen. In der Frühjahrssession nahm der Ständerat bereits eine Motion (97.3680) von SR Cottier (cvp, FR) als Postulat an, welche u.a. die (zeitlich befristete) Weitererhebung des 3. Lohnprozentes sowie die Aufhebung der Höchstgrenze beim beitragspflichtigen Lohn verlangte. Ebenfalls als Postulat überwiesen wurde eine Motion (97.3656) von NR Lötscher (cvp, LU) im NR, die Obergrenze vom Zweieinhalbfachen des für die Unfallversicherung massgebenden Höchstbetrags auf mindestens das Zehnfache zu erhöhen.

Im Rahmen der Sanierungsmassnahmen der Bundesfinanzen beschloss der Nationalrat gegen den Widerstand der Linken, vom Bund beaufsichtigte, regionale ärztliche IV-Dienste zu schaffen, welche die bestehenden kantonalen Strukturen ablösen sollen. Von dieser stärkeren Einbindung in die Weisungskompertenz des BSV erhoffte sich der Bundesrat eine Abschwächung des Ausgabenwachstums in der IV. Die Gegner befürchteten, eine fast ausschliessliche Untersuchungskompetenz durch eigens dafür angestellte Ärzte könnte dazu führen, dass die medizinisch-theoretische Bewertung ausschlaggebend wird gegenüber dem bisherigen Invaliditätsbegriff, bei dem es auf die wirtschaftlichen Folgen eines Gesundheitsschadens im Einzelfall ankommt. Da dieser Vorschlag auch in der 4. IV-Revision enthalten ist, gegen welche in der Zwischenzeit erfolgreich das Referendum eingereicht wurde, gehe es ohnehin nicht an, vor der Abstimmung einen einzelnen Gesetzesartikel herauszupicken. Trotz all dieser Bedenken wurde der Vorschlag mit 90 zu 66 Stimmen angenommen.

Das Stabilisierungsprogramm 98 wurde in der Wintersession vom Nationalrat als Erstrat behandelt. Es lagen ein Nichteintretens- (Spielmann, pda, GE) sowie drei Rückweisungsanträge vor, die alle abgelehnt wurden. Der LdU bemängelte in erster Linie die Institution des runden Tisches, welcher jeglicher demokratischen Legitimation entbehre, die Grüne Fraktion wollte den Bundesrat beauftragen, bei der Landwirtschaft jährlich CHF 100 Mio. zu sparen und ungerechtfertigte Steuerlücken im Umfang von mindestens CHF 150 Mio. zu schliessen. In der Eintretensdebatte, in welcher sich über dreissig Einzelredner zu Wort meldeten, empfahlen zwar alle grossen Parteien Eintreten, taten dies hingegen ohne grosse Begeisterung. In zügigem Tempo ging die Detailberatung der Änderungen der 13 Gesetzesvorlagen über die Bühne, da das Ratsbüro mit knapper Bekräftigung des Nationalrates bestimmt hatte, Einzelanträge im schriftlichen Verfahren zu behandeln und nur Antragsteller von Minderheitsanträgen ans Rednerpult zu lassen. Mit Ausnahme von Kommissionsmitglied Fasel (csp, FR) von der grünen Fraktion war man schon im Vorfeld übereingekommen, auf solche zu verzichten, um das Sanierungspaket nicht zu gefährden. Die zwei Dutzend Einzelanträge ausschliesslich von linker und grüner Seite wurden allesamt im Verhältnis von 2 zu 1 abgelehnt. Die Vorlage wurde in der Gesamtabstimmung ohne Änderung gegenüber dem Kommissionsentwurf mit 124 zu 26 Stimmen verabschiedet.

Schon wenige Tage nach der Verabschiedung des Sanierungspakets scherten zahlreiche bürgerliche Parlamentarier aus dem erzielten Kompromiss aus. Im April hatte der runde Tisch beschlossen, die Volksinitiative des Hauseigentümerverbandes «Wohneigentum für alle» abzulehnen und auf einen Gegenvorschlag bis zum Ausgleich der Bundesfinanzen zu verzichten. Die CVP-Fraktion kritisierte das Verhalten der anderen Regierungsparteien: Die SP habe im Nationalrat trotz gegenteiligen Abmachungen zahlreiche Anträge gestellt, die SVP kämpfe prominent im Pro-Komitee der Wohneigentums-Initiative mit, und die FDP fahre eine Doppelstrategie, indem entgegen der offiziellen Parteilinie zahlreiche FDP-Parlamentarier die Initiative unterstützten. Dem Pro-Komitee traten denn auch über 70 bürgerliche National- und Ständeräte bei.

Zeitgerecht legte der Bundesrat die Botschaft zum Stabilisierungsprogramm 98 vor. Dieses setzte den am runden Tisch gefundenen Konsens in der Sache und in der Form präzis um. Im Massnahmenpaket nicht enthalten waren lediglich die Kreditsperre (Behandlung zusammen mit dem Voranschlag 1999) sowie die Reingewinnablieferung der Nationalbank. Da die Datenbasis der Botschaft von tieferen Teuerungswerten ausging, fielen die Einsparungen bei den individuellen Rentenerhöhungen bei der AHV/IV geringer aus als angenommen (CHF 203 statt 300 Mio.). Ansonsten blieben die Beträge der Einsparungen in etwa gleich. Auf der Einnahmeseite kam der Bundesrat im Vergleich zu den vom Finanzministerium im Sommer skizzierten Vorschlägen dem Mittelstand etwas entgegen. Zur Schliessung ungerechtfertigter Steuerlücken schlug er folgendes vor: Die Veräusserung von Vermögenswerten, die nicht im Rahmen der blossen Verwaltung des eigenen Vermögens erfolgt, gilt als selbständige Erwerbstätigkeit und soll entsprechend besteuert werden (14 Mio.); der Abzug von privaten Schuldzinsen wird auf den Betrag der steuerbaren Brutto-Vermögenswerte plus CHF 20'000 beschränkt (21 Mio.); der versicherbare Lohn in der zweiten Säule wird auf maximal CHF 286'560 festgelegt (15-25 Mio.); die Kapitalleistungen aus den Säulen 2 und 3a sollen weiterhin mit einer separaten Jahressteuer erfasst, hingegen nicht mehr bloss zu einem Fünftel, sondern zur Hälfte der ordentlichen Tarife, mindestens aber zum Satz von 2%, berechnet werden (49 Mio.). Ferner soll der Personalbestand bei der eidgenössischen Steuerverwaltung zur Verstärkung der Steuerkontrolle bis Ende 2001 um 100 Stellen aufgestockt werden. Bei den Sofortmassnahmen standen für den Bundesrat weniger der erwartete Ertrag aus den Mehreinnahmen im Vordergrund (im Jahr 2002: CHF 91 Mio.), sondern die Förderung der Steuergerechtigkeit. Die höhere Gewinnablieferung der Nationalbank, die u.a. die Einbussen der Kantone kompensieren soll, wurde ausserhalb des Stabilisierungsprogramms, aber doch verbindlich geregelt.

Gleich wie der Nationalrat nahm in der Frühjahrssession auch der Ständerat die im Vorjahr vom „Runden Tisch“ im Rahmen des Stabilisierungsprogramms beschlossenen Änderungen bei der ALV an. Dabei handelt sich um die Weiterführung des dritten Lohnprozentes bis 2003 zur Tilgung der aktuellen Schulden der Versicherung sowie um ein zusätzliches zweites Solidaritätsprozent für Einkommen zwischen 97 200 und 243 000 Fr. Gleichzeitig stimmte die kleine Kammer auch einer Motion des Nationalrates zu, welche vom Bundesrat verlangt, bis im Winter 2000 eine Revisionsvorlage der ALV mit dem Ziel vorzulegen, dass nur noch zwei Lohnprozente erhoben werden und weder die Kantone noch der Bund Zahlungen an die Versicherung zu leisten haben. Gleichzeitig wurde die Landesregierung mit einer weiteren Motion des grossen Kammer verpflichtet, umgehend für eine Senkung der Verwaltungskosten der ALV zu sorgen.

In der Frühjahrssession behandelte der Ständerat das Stabilisierungsprogramm, welches unter anderem Sparvorschläge im Sozialversicherungsbereich vorsah. Dabei beschloss er einstimmig, auf die schon im Nationalrat umstrittene Schaffung regionalisierter, vom Bund beaufsichtigter ärztlicher
Dienste zur Beurteilung von IV-Fällen vorläufig zu verzichten. Diese hätten dazu dienen sollen, die Kriterien für die Gewährung einer IV-Rente gesamtschweizerisch zu vereinheitlichen. Die grosse Kammer schloss sich dieser Sichtweise mit 73 zu 70 Stimmen an.

In der Frühjahressession wurde das Bundesgesetz über das Stabilisierungsprogramm 1998 vom Parlament mit 139 zu 15 Stimmen bei 21 Enthaltungen (Nationalrat) und 41 zu 0 Stimmen (Ständerat) verabschiedet. Das Programm dient zum Erreichen des vom Volk im Vorjahr angenommenen Haushaltsziels. Der Ständerat behandelte die Vorlage als Zweitrat und übernahm weitgehend die Beschlüsse des Nationalrats aus dem Vorjahr. In der Eintretensdebatte gab der Thurgauer Sozialdemokrat Onken zu bedenken, dass das am «Runden Tisch» von Bundesrat, Kantonen, Parteien und Sozialpartnern ausgehandelte Paket einen wohl austarierten Kompromiss darstelle und dass eine Bekämpfung einzelner Bausteine die Stabilität des Ganzen gefährden könne. Ein nationalrätliches Anschlussprogramm in Form von vier Motionen der WAK-NR, die Einsparungen im Sozialversicherungsbereich (Mo. 98.3526 / 98.3525 / 98.3524) und im Asylwesen (Mo. 98.3523) forderten, fand ebenfalls Zustimmung.

Verhandlungen am runden Tisch zum Stabilisierungsprogramm 98

Mitte Januar trafen sich erstmals Vertreter der Kantone, der Regierungsparteien, der Arbeitgeber und der Gewerkschaften mit Finanzminister Villiger, um über das vom Bundesrat im Dezember 1997 präsentierte Stabilisierungsprogramm 98 zu beraten. Mit dem Stabilisierungsprogramm 98 soll der Bundeshaushalt bis ins Jahr 2001 um CHF 2 Mrd. entlastet werden. Schon vor Beginn der Gespräche am runden Tisch war klar, dass das Erreichen eines Konsenses ein äusserst schwieriges Unterfangen sein würde. Bereits das Ziel, den Haushalt bis ins Jahr 2001 auszugleichen, war umstritten. Während die Bürgerlichen die bundesrätlichen Vorgaben unterstützten, und die SVP eine noch raschere Sanierung verlangte, sprach die SP von Sparhysterie, die den konjunkturellen Aufschwung gefährde, und forderte eine Sanierung auf das Jahr 2004. Hauptstreitpunkt waren die vorgesehenen Sparmassnahmen im Sozialbereich. Der Bundesrat wollte mit einer verzögerten Teuerungsanpassung bei den AHV-Renten CHF 220 Mio. sowie mit Leistungskürzungen bei der ALV CHF 200 Mio. bis 500 Mio. einsparen. Dies lehnte die SP ab, weil damit die von der Krise am härtesten Betroffenen nochmals getroffen würden. CVP und FDP waren einverstanden mit den Kürzungen; die SVP verlangte bei der ALV einen radikaleren Leistungsabbau um mindestens CHF 500 Mio., bei der AHV hingegen gesellten sie sich zur SP und wollten auf Kürzungen der Renten verzichten. Heftig gerungen wurde ferner um die Abstriche im Verkehrsbereich. Die jährlichen Einsparungen von CHF 200 Mio. bei der SBB und die Kürzungen der Bundesbeiträge an die Kantone beim Regionalverkehr waren für die SP unakzeptierbar. Sie forderte statt dessen Einsparungen bei Neuinvestitionen im Strassenverkehr. Begrüsst wurden die Einsparungen auf Seiten der Bürgerlichen, bei der CVP allerdings mit der Einschränkung, dass die Kantone selber entscheiden könnten, wo sie die CHF 500 Mio. einsparen wollten. Einfacher war die Konsenssuche bei der Landesverteidigung. Die SVP sah ein Sparpotential von CHF 180 Mio., die FDP 150 Mio., die CVP 500 Mio. und die SP eines von 2 Mrd. Zu einem Tauziehen kam es hingegen bezüglich zusätzlichen Einnahmequellen. Während SP, FDP und CVP mit dem Bundesrat einig gingen, das dritte Lohnprozent für die ALV weiterzuführen und den Plafond für das zweite Lohnprozent zu erhöhen (CHF 2.1 Mrd.), war die Bereitschaft auf bürgerlicher Seite zur Erschliessung weiterer Einnahmequellen klein. Die SVP wendete sich ausser beim zusätzlichen Mehrwertsteuerprozent für die AHV/IV generell gegen zusätzliche Steuern, für CVP und FDP kamen neue Abgaben nur in Frage, wenn der Börsenstempel abgeschafft würde und somit beträchtliche Steuerausfälle kompensiert werden müssten. Die SP schliesslich forderte, dass die Haushaltssanierung durch Einsparungen und durch Mehreinnahmen (Kapitalgewinnsteuer, neue Anlagepolitik der SNB je CHF 1 Mrd.) erreicht wird.

An der Schlussitzung der Konsensgespräche am runden Tisch wurde eine gemeinsame Formel gefunden, wie das Bundesdefizit unter Berücksichtigung der Konjunkturlage schrittweise bis ins Jahr 2001 auf CHF 1 Mrd. reduziert werden soll. Nach insgesamt vier Runden und einem abschliessenden Verhandlungsmarathon von neun Stunden einigten sich Parteien, Sozialpartner sowie der Finanzausschuss des Bundesrates (Finanzminister Villiger, Sozialministerin Dreifuss, Justizminister Koller) auf ein Kompromisspaket, das durch die Schliessung von Steuerschlupflöchern neben Einsparungen von rund CHF 2 Mrd. auch Mehreinnahmen von rund CHF 150 Mio. bringen solle. Unverändert gegenüber den bundesrätlichen Vorschlägen blieben die Einsparungen bei der SBB (200 Mio.) und bei den Bundessubventionen an die Kantone (500 Mio.). Auch im Bereich AHV/IV wurden die Vorgaben übernommen, wodurch die Renten erst nach drei Jahren angepasst werden (ausser wenn die Teuerung grösser als 4% ist) und die 2001 fällige Rentenanpassung um ein Jahr verschoben wird (300 Mio.). Ferner soll in der IV ein ärztlicher Dienst mit Untersuchungskompetenz Missbrauch verhindern. In anderen Bereichen erreichte die Linke zahlreiche Zugeständnisse: so verzichtet der Bund auf massive Eingriffe in die Arbeitslosenversicherung (180 Mio. statt 200 bis 500 Mio.), verschonte sensible Bereiche wie die Asylpolitik, Bildung und Forschung von der Kreditsperre (inklusive Landwirtschaft 170 Mio. statt 300 bis 500 Mio.) und erhöht die Einsparungen beim Militär und Zivilschutz von CHF 400 Mio. auf 560 Mio. Gleichzeitig wurde vereinbart, Steuerschlupflöcher im Börsen- und Versicherungsgeschäft ebenfalls im Rahmen des Stabilisierungsprogramm 98 zu stopfen. Alle Teilnehmenden verpflichteten sich, sich für die Realisierung des Stabilisierungsprogramm 98 einzusetzen und Vorstösse für neue Steuerausfälle abzulehnen. Um zu verhindern, dass einzelne Teile aus dem Sparprogramm herausgelöst werden, soll es zu einem Gesamtpaket geschnürt werden.

Rentenanpassung der AHV-Renten (Mo. 98.3524)

Dossier: 11. AHV-Revision (1991–2004; 2005–2010)

Entgegen den am ”Runden Tisch" gefassten Beschlüssen reichte die mit der Vorberatung des Stabilisierungsprogramms betraute Kommission im Nationalrat eine Motion ein, welche den Bundesrat verpflichtet, anlässlich der 11. AHV-Revision die Frage des Rhythmus der Teuerungsanpassung der AHV/IV-Renten neu zu regeln. Gegen den Widerstand der Linken wurde die Motion mit 111 zu 56 angenommen.

Diskussionslos nahm der Ständerat im Rahmen des Stabilisierungsprogramms eine Motion des Nationalrats an, welche den Bundesrat verpflichtet, die Anpassung der AHV-Renten an die Lohn- und Preisentwicklung im Rahmen der 11. AHV-Revision unter Berücksichtigung der finanziellen Lage neu zu regeln.