Unter den verschiedenen wettbewerbshemmenden Faktoren der schweizerischen Wirtschaft geriet auch die staatliche Auftragsvergebung unter Beschuss

Unter den verschiedenen wettbewerbshemmenden Faktoren der schweizerischen Wirtschaft geriet auch die staatliche Auftragsvergebung unter Beschuss. Der Ständerat überwies ein Postulat Gadient (svp, GR), welches eine Revision der eidgenössischen Submissionsverordnung verlangt. Diese soll insbesondere zum Ziel haben, wettbewerbsverzerrende und verteuernde Vorschriften zu eliminieren.

verstärkte Bemühungen französischsprachiger Parlamentarier für die Berücksichtigung regionalpolitischer Kriterien bei der Vergabe von Bundesaufträgen

In die gegenteilige Richtung zielten verstärkte Bemühungen französischsprachiger Parlamentarier für die Berücksichtigung regionalpolitischer Kriterien bei der Vergabe von Bundesaufträgen. Aus einem Postulat Delalay (cvp, VS) lehnte der Ständerat diejenige Passage ab, welche forderte, bei der Vergabe von Bundesaufträgen nicht nur das Preis-Leistungs-Verhältnis, sondern auch regionalpolitische Aspekte einzubeziehen. Darauf doppelte Zwahlen (cvp, BE) mit einer von insgesamt 87, darunter praktisch allen französischsprachigen Nationalräten unterzeichneten Motion nach, worin er eine Untersuchung über die Gründe für allfällige Nichtberücksichtigungen von welschen Anbietern verlangt und eine gleichmässige Verteilung der öffentlichen Aufträge auf alle Regionen fordert.

Liberalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens

Ebenfalls zum Revitalisierungsprogramm des Bundesrates gehört eine Liberalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens. Für den Bereich des Bundes gab der Bundesrat eine Revision der entsprechenden Verordnung in die Vernehmlassung. Demnach hat die Vergabe im Wettbewerb zu erfolgen, an dem sich auch Ausländer beteiligen können, ohne dass sie, wie dies der EWR von Firmen aus Nichtmitgliedländern verlangt, um 3% günstiger sein müssen. Aufträge im Bauhauptgewerbe sind öffentlich auszuschreiben, wenn sie die Summe von einer Mio. Fr. übersteigen. Um ein Sozialdumping zu vermeiden, müssen in der Schweiz tätige ausländische Unternehmen aber die Löhne nach schweizerischen Kollektivverträgen kalkulieren.

In Anbetracht der neuen Situation, welche durch die erfolgreich abgeschlossenen GATT-Verhandlungen entstanden war, beschloss der Bundesrat im März, die Revision der Submissionsverordnung, zu welcher er im Vorjahr eine Vernehmlassung eröffnet hatte, einzustellen und gleich ein neues Gesetz vorzulegen.

Kantonsregierungen Vorarbeiten für die Vereinheitlichung und Liberalisierung der Submissionsordnungen Die an Deutschland angrenzenden Kantone und Baden-Würtemberg

Auch die Vertreter der Kantonsregierungen stellten ihre Vorarbeiten für die Vereinheitlichung und Liberalisierung der Submissionsordnungen vor. Dabei waren sie sich einig, dass sowohl kantonal als auch kommunal jegliche Benachteiligung oder gar der Ausschluss von auswärtigen Anbietern abgeschafft werden soll. Unter der Voraussetzung, dass Gegenrecht gehalten wird, soll dies auch für im Ausland domizilierte Unternehmen gelten. Die Baudirektoren liessen fürs erste ein Mustergesetz ausarbeiten und in die Vernehmlassung geben; auf längere Frist kündigten sie ein Konkordat an. Die an Deutschland angrenzenden Kantone und Baden-Würtemberg gaben bekannt, dass sie eine gegenseitige Vereinbarung über eine vollständige Liberalisierung der Vergabe öffentlicher Aufträge und auch der für Aktivitäten im anderen Land erforderlichen Arbeitsbewilligungen anstreben. Erste konkrete Schritte unternahm die Regierung von Basel-Stadt mit der Vorlage eines revidierten Submissionsgesetzes.

Beseitigung kantonaler Wettbewerbsschranken Vernehmlassung

Der Bundesrat legte im November - gleichzeitig mit dem Kartellgesetzentwurf - seinen Vorschlag für ein Binnenmarktgesetz vor. Dieses neue Gesetz hält die Grundsätze für einen freien Marktzugang von in der Schweiz niedergelassenen Personen und Unternehmen fest. Insbesondere verankert es das aus der EU bekannte "Cassis-de-Dijon-Prinzip", das von der Gleichwertigkeit der kantonalen Vorschriften für die Ausübung von Erwerbstätigkeiten ausgeht und damit die Diskriminierung ausserkantonaler Anbieter verbietet. Im öffentlichen Interesse liegende kantonale Vorschriften über Einschränkungen des freien Zugangs zum Markt könnten zwar unter bestimmten Umständen beibehalten werden, sie dürfen aber keinesfalls eine Besserstellung ortsansässiger Anbieter zur Folge haben. Dieses Prinzip gilt vor allem auch für die öffentlichen Beschaffungen und Aufträge, wo Vorschriften über Domizil oder Eintragung in ein kantonales Handels- oder Berufsregister nicht mehr zulässig sein sollen. Der Bundesrat berücksichtigte in seinem Entwurf die in der Vernehmlassung angemeldeten föderalistischen Einwände der Kantone weitgehend. So anerkannte er ausdrücklich den Vorrang von interkantonalen Regelungen in den Bereichen des öffentlichen Beschaffungswesens und der Anerkennung von Fähigkeitsausweisen, sofern diese den Mindestanforderungen des Gesetzes genügen. Im weiteren hielt er fest, dass die Vorschrift, dass alle in der Schweiz niedergelassenen Personen gleichermassen und unabhängig von ihrem Wohnort Zugang zu Erwerbstätigkeiten haben müssen, für den öffentlichen Dienst nicht gelte.

Auch der Bundesrat war nach dem Nein zum EWR aktiv geworden. Er hatte im Juni 1993 eine Studienkommission eingesetzt und deren Vorschläge für die Beseitigung kantonaler Wettbewerbsschranken im Winter in die Vernehmlassung gegeben. Das Ziel der Schaffung eines vollständig liberalisierten Binnenmarktes wurde von den Kantonen, den Parteien und Verbänden prinzipiell unterstützt. Mehrere grosse Deutschschweizer Kantone und die LP zweifelten allerdings an der Verfassungsmässigkeit der vorgeschlagenen Eingriffe in die Regelungskompetenzen der Kantone und befürworteten Konkordatslösungen. Die Reaktionen der Wirtschaftsverbände fielen ebenfalls gemischt aus, wobei aber keine Organisation das Vorhaben grundsätzlich ablehnte. Bei der Liberalisierung der Submissionsregelungen forderten die Gewerkschaften zusätzliche Vorschriften über die Einhaltung der am Ort der Leistungserbringung üblichen Arbeits- und Entlöhnungsbedingungen. Die Unternehmer des Baugewerbes verlangten gar den Verzicht auf eine Liberalisierung des Submissionswesens; zusammen mit dem Gewerbeverband meldeten sie auch Vorbehalte gegen die automatische gegenseitige Anerkennung von kantonalen Fähigkeitszeugnissen an.

Das im Vorjahr präsentierte neue Binnenmarktgesetz wurde noch im Berichtsjahr angenommen. Obwohl der Grundsatz des Abbaus von Handels- und Mobilitätsschranken zwischen den Kantonen an sich unbestritten war, beantragte im Nationalrat eine aus rechtsbürgerlichen Parlamentariern gebildete Kommissionsminderheit Nichteintreten. Sie hielten das Gesetz für staatspolitisch bedenklich, weil es die Kompetenzen der Kantone tangiere, und zudem für überflüssig, weil die Kantone in der Zwischenzeit die wichtigsten Liberalisierungsschritte vollzogen und in Konkordaten verallgemeinert hätten. Sie wurden von den Fraktionen der SVP und der FP sowie einer FDP-Minderheit unterstützt, unterlagen aber mit 110:28 Stimmen. In der Detailberatung stimmte eine knappe, aus einer Koalition von Linken und Gewerbevertretern gebildete Mehrheit dem Antrag des Liberalen Eymann (BS) zu, dass es bei öffentlichen Aufträgen zulässig sein soll, bei der Erbringung von Leistungen die Einhaltung der ortsüblichen Arbeitsbedingungen zu verlangen. Diese Barriere gegen ein mögliches Sozialdumping, welche der in der EU diskutierten Entsenderichtlinie entspricht, wurde von der kleinen Kammer mit dem Argument gestrichen, dass dies eine Benachteiligung von Anbietern aus wirtschaftlichen Randgebieten darstellen würde, welche ihre Standortnachteile mit niedrigeren Löhnen kompensieren müssen. Der Nationalrat schloss sich in der Differenzbereinigung gegen den Widerstand der SP und der GP mit 81:49 Stimmen diesem Entscheid an. Auf Antrag von Ständerat Zimmerli (svp, BE) nahm das Parlament zudem die Bestimmung auf, dass die Kantone eine von der Verwaltung unabhängige Instanz schaffen müssen, welche Rekurse gegen die Vergabe von Aufträgen behandelt. In der Schlussabstimmung über das neue Gesetz gab es im Nationalrat zwei und im Ständerat eine Gegenstimme.

Wettbewerbs- und Mobilitätshindernisse

Der einheitliche schweizerische Wirtschaftsraum wurde im Prinzip im letzten Jahrhundert mit der Verlagerung der wirtschaftsrechtlichen Kompetenzen auf den Bundesstaat geschaffen. Wegen der im Rahmen der föderalistischen Grundstruktur bei den Kantonen verbliebenen Regelungskompetenzen konnten sich jedoch gewisse Wettbewerbs- und Mobilitätshindernisse bis in die heutige Zeit halten. So führte beispielsweise die kantonale Anerkennung von Fähigkeitsausweisen für bestimmte Berufe zu einer Segmentierung des Arbeitsmarktes, und der freie Wettbewerb für Anbieter von Gütern und Dienstleistungen wurde durch Wohnsitzanforderungen und andere Vorschriften in den kantonalen Submissionsordnungen behindert. Die im Zusammenhang mit dem EWR-Vertrag geführte Diskussion über den europäischen Binnenmarkt hatte diese Wettbewerbshindernisse auf dem schweizerischen Markt verstärkt ins Bewusstsein gerückt und die Kantone zum Handeln veranlasst. Die kantonalen Erziehungsdirektoren hatten Anfang 1993 eine Vereinbarung über die gegenseitige Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen verabschiedet. Eine von den Kantonen eingesetzte Arbeitsgruppe hatte wenig später Vorschläge für eine vollständige Liberalisierung der Submissionsordnungen vorgelegt.

Westschweiz bei Bundesaufträgen nicht entsprechend der Bevölkerungszahl berücksichtigt Bevorzugung schweizerischer

Mit einer Motion kritisierten Parlamentarier aus der Westschweiz einmal mehr die Tatsache, dass ihre Region bei Bundesaufträgen nicht entsprechend der Bevölkerungszahl berücksichtigt wird. Eine von 87 Nationalräten unterzeichnete Motion Zwahlen (cvp, BE) verlangte in einem ersten Teil, die Gründe für diese nichtrepräsentative Auftragserteilung untersuchen zu lassen und dabei auch die Verteilung der Aufträge nach Produktionsstandorten für Unterlieferanten zu berücksichtigen. In einem zweiten Teil forderte die Motion Massnahmen für eine bevölkerungsproportionale Verteilung der Bundesaufträge. Der Nationalrat stimmte dem ersten Teil zu, lehnte jedoch den zweiten mit 66:63 Stimmen ab. Der Ständerat war mit dem ersten Teil ebenfalls einverstanden, kam aber zum Schluss, dass ein Postulat das korrekte Instrument sei, um den Bundesrat mit der Ausarbeitung eines Berichts zu beauftragen. Zwei im Nationalrat anlässlich der gleichen Debatte behandelten Postulate des Freisinnigen Pini (TI), die eine Bevorzugung schweizerischer Steinproduzenten resp. von schlecht ausgelasteten schweizerischen Betrieben auch bei ungünstigeren Offerten verlangten, wurden relativ deutlich abgelehnt.