Reform der Beruflichen Vorsorge (BVG 21; BRG 20.089)

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Zusammenfassung
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BVG-Reform (BVG 21; BRG 20.089)

Im Anschluss an die Ablehnung der Altersvorsorge 2020 an der Urne beauftragte der Bundesrat die Sozialpartner mit der Ausarbeitung einer neuen Pensionskassenreform. Im Juli 2019 präsentierten der Arbeitgeberverband, Travail.Suisse und der Gewerkschaftsbund ihren Vorschlag, der unter anderem eine Reduktion des Umwandlungssatzes von 6.8 Prozent auf 6 Prozent, im Umlageverfahren finanzierte Rentenzuschläge für die am stärksten betroffenen Jahrgänge sowie eine Halbierung des Koordinationsabzugs enthielt. Der Bundesrat nahm an diesem Entwurf keine Änderungen mehr vor, er traf jedoch nur in linken Kreisen auf Zustimmung, während bürgerliche Kreise breite Kritik übten und verschiedene Alternativvorschläge präsentierten. Das Parlament nahm in der Folge zahlreiche Änderungen am Entwurf vor, obwohl der Bundesrat davor warnte, dass die Reform dadurch bei einer allfälligen Referendumsabstimmung einen schweren Stand haben werde. So sollte der Koordinationsabzug neu nicht mehr als Fixbetrag, sondern prozentual als 20 Prozent des versicherten Lohns festgelegt werden. Die Eintrittsschwelle wurde gesenkt, zudem sollen zukünftig nur noch zwei statt wie bisher vier verschiedene, altersabhängige Beitragssätze für die berufliche Vorsorge existieren. Insgesamt sollte so mehr individuelles Pensionskassenvermögen angespart werden, um die Senkung des Umwandlungssatzes auf 6 Prozent auszugleichen. Für ungefähr die Hälfte der Versicherten der ersten 15 Jahrgänge nach Inkrafttreten der Änderung wurde ein lebenslanger Rentenzuschlag geschaffen, der teilweise über den Sicherheitsfonds, teilweise durch die Vorsorgeeinrichtungen finanziert wird. Die links-grünen Parteien und die Gewerkschaften ergriffen das fakultative Referendum, da sie befürchteten, dass zukünftig trotz höherer Beiträge tiefere Renten anfallen, und da sie weiterhin die Frauenrenten als zu gering und die Verwaltungskosten der Pensionskassen als zu hoch erachteten. Somit wird nach der AHV-Revision 2022 im Jahr 2024 auch über die Pensionskassenreform abgestimmt werden.


Chronologie
Diskussionen über eine neue Reform
Reformvorschlag der Asip
Reformvorschlag der Sozialpartner
Kritik am Vorschlag der Sozialpartner
Vernehmlassung zum Vorschlag der Sozialpartner
Weiterer Alternativvorschlag
Botschaft zum BVG 21
Behandlung durch den Nationalrat
Rückweisung an die Kommission durch den Ständerat
Behandlung durch den Ständerat
Differenzbereinigungsverfahren, Einigungskonferenz und Schlussabstimmungen
Zustandekommen des fakultativen Referendums
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Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Während der Bundesrat dabei war, die neuste Reform der AHV auszuarbeiten, gab er im März 2018 bekannt, dass sich der Arbeitgeberverband und der Gewerkschaftsbund zu ergebnisoffenen Diskussionen über Massnahmen zur Reform der beruflichen Vorsorge bereit erklärt hätten. Ein entsprechendes Initialtreffen fand unter Anwesenheit von Gesundheitsminister Berset im April 2018 statt; anschliessend hatten die Sozialpartner ein Jahr Zeit, um – ähnlich wie sie es zuvor beim Unfallgesetz getan hatten – einen Vorschlag für die Revision des BVG zu präsentieren. Einig waren sie sich bereits zu diesem Zeitpunkt darüber, dass der Umwandlungssatz von 6.8 Prozent zu hoch sei; 5-6 Prozent galten gemäss Medien zu diesem Zeitpunkt als realistisch. Pro CHF 100'000 an Alterskapital sollen somit jährlich nicht mehr CHF 6800 ausbezahlt werden, sondern höchstens CHF 6000. Übereinstimmung bestand auch bereits darin, dass das Rentenniveau trotz Senkung des Umwandlungssatzes beibehalten werden soll, insbesondere da vor allem Versicherte aus dem Tieflohnsektor bei Pensionskassen versichert sind, deren Leistungen nicht über das Obligatorium hinausgehen und die entsprechend ihren Umwandlungssatz nicht stärker senken können. Die Gewerkschaften verlangten überdies, dass die Möglichkeiten der Pensionskassen anbietenden Lebensversicherungen, Gewinn auszuschütten, reduziert werden, da diese gemäss Tagesanzeiger zusammen jährlich zwischen CHF 600 Mio. und CHF 700 Mio. Gewinn machten und durch eine Reduktion des Umwandlungssatzes stark entlastet würden. In dieser Ausarbeitungsphase der Reform erschienen auch immer wieder Berichte in der Presse zu der durch die berufliche Vorsorge geschaffenen Umverteilung von jungen zu älteren Versicherten. Eine Auswertung der OAK BV führte der Öffentlichkeit vor Augen, dass der umverteilte Betrag in den letzten fünf Jahren auf CHF 6-7 Mrd. pro Jahr angestiegen war.

Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Im Mai 2019, kurz vor der Abstimmung über die STAF, präsentierte der Pensionskassenverband Asip einen eigenen Reformvorschlag zur Reform der beruflichen Vorsorge: Dieser sah eine Senkung des Umwandlungssatzes bis 2021 von 6.8 auf 5.8 Prozent sowie Kompensationsmassnahmen zum Erhalt der Renten vor: Demnach würden Versicherte bereits mit 20 statt mit 25 Jahren für die Altersvorsorge zu sparen beginnen. Zudem würden die Altersgutschriften, also die Sparbeiträge der Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden nach Alter gestaffelt erhöht (25-34-Jährige: von 7% auf 9%, 35-44-Jährige: von 10% auf 12%, 45-54-Jährige: von 15% auf 16%, 55+: bleibt bei 18%). Das Frauenrentenalter würde auf 65 Jahre erhöht und der Koordinationsabzug – also der Teil des Lohns, der schon durch die AHV versichert ist – würde zukünftig prozentual erfolgen. Zudem wären Kompensationsmassnahmen für die Übergangsgeneration von 1956 bis 1965 nötig. Insgesamt würden diese Massnahmen jährlich CHF 2.1 Mrd. kosten.
Weiteren Druck für eine Reform baute eine Studie von Swisscanto auf, die aufzeigte, dass Personen, die heute einer Pensionskasse beitreten, in 40 Jahren eine um 28 Prozent tiefere Rente erhalten als Personen, die der Pensionskasse vor 10 Jahren beigetreten sind. In Übereinstimmung mit dieser Studie forderte die BDP anfangs Juli 2019, dass Junge früher mit Sparen beginnen und ab einem Alter von 18 Jahren 10 Prozent ihres Lohns für die Altersvorsorge einsetzen sollten. Dieser Vorschlag wurde für seine ausschliesslich langfristige Wirkung kritisiert: Er würde frühestens in 40 Jahren Wirkung zeigen, wenn die jetzigen Jungen ins Pensionsalter kämen.

Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Im Juli 2019 übergaben die Sozialpartner dem Bundesrat schliesslich ihren Vorschlag zur Reform der beruflichen Vorsorge. Diesen unterstützten der Arbeitgeberverband, Travail.Suisse und der Gewerkschaftsbund, nicht aber der Gewerbeverband, der gleichentags einen eigenen Vorschlag präsentierte. Die Sozialpartner sahen vor, den Umwandlungssatz von 6.8 auf 6 Prozent zu senken und dadurch den umverteilten Betrag um die Hälfte zu reduzieren. Damit es nicht zu Renteneinbussen kommt, was das Risiko einer Ablehnung durch das Volk an der Urne stark vergrössern würde, sollen Altersgutschriften im Umlageverfahren entsprechend der AHV geschaffen werden, die über Beiträge von 0.5 Prozent des Jahreseinkommens finanziert werden. Für die kommenden Generationen soll dann der Bundesrat festlegen können, ob diese ebenfalls von einem Rentenzuschlag profitieren können sollen oder nicht. Die Anhebung der Altersgutschriften soll in zwei Schritten auf 9 Prozent und 14 Prozent erfolgen. Zudem sollte der Koordinationsabzug halbiert werden, wovon vor allem Teilzeitangestellte und damit überdurchschnittlich häufig Frauen profitieren würden. Diese Massnahmen würden Mehrkosten von CHF 2.7 Mrd. pro Jahr mit sich bringen.
Der Gewerbeverband kritisierte insbesondere die Finanzierung des Rentenzuschlags durch Altersgutschriften, da es damit wie bei der AHV zu einer Umverteilung innerhalb der beruflichen Vorsorge komme. Bisher hätten die Versicherten in den Pensionskassen jeweils ihre eigenen Renten finanziert, eine solche Regelung wäre folglich systemwidrig, erklärte zum Beispiel Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Gewerbeverbands. Dies sei «ein erster Schritt in Richtung Einheitskasse oder Volksrente», betonte er. Stattdessen sollen die Altersgutschriften entsprechend dem Vorschlag der Asip schneller und stärker angehoben werden. Insgesamt würde dieser Vorschlag CHF 1.5 Mrd. kosten.

Während die meisten Parteien den Vorschlag des Arbeitgeberverbandes und der Gewerkschaften unterstützten – die FDP kritisierte zwar die Umverteilung ebenfalls, Josef Dittli (fdp, UR) erklärte jedoch, dass seine Partei die Vorlage deshalb kaum ablehnen würde –, sprach sich die SVP für den Vorschlag des Gewerbeverbands aus. Einig waren sich die Parteien darin, dass die Reformbemühungen diesmal nicht scheitern dürften. Nur wenige Tage später war jedoch auch letztere Einigkeit verschwunden: Immer häufiger meldeten sich Stimmen, die erklärten, dass ein Nichtstun womöglich besser sei als die von den Sozialpartnern vorgeschlagene Reform. So liege der Umwandlungssatz auch nach der Reform noch deutlich zu hoch – angemessen seien heute etwa 5 Prozent. Da die Pensionskassen mit überobligatorischen Leistungen ihren Umwandlungssatz bereits gesenkt hätten, würde eine Reduktion des Mindestumwandlungssatzes die bestehende Umverteilung nicht mehr stark reduzieren. Stattdessen schaffe die Reform aber eine neue Umverteilung, indem die Jungen durch ihre Altersgutschriften die Rentenzuschläge der Übergangsgeneration finanzierten, selbst aber nicht mit einem garantierten Rentenzuschlag rechnen könnten, da dieser zu einem späteren Zeitpunkt durch den Bundesrat festgelegt werden würde. Somit würde sich gemäss einigen Beobachtern die kurzfristige Umverteilung von Jung zu Alt durch die Reform sogar noch verstärken. Trotz dieser Kritik gab Gesundheitsminister Berset bekannt, dass er den Vorschlag der Sozialpartner möglichst unverändert in die Vernehmlassung schicken werde.

Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Nachdem der Kompromiss der Sozialpartner zur Reform der beruflichen Vorsorge im Juli 2019 anfänglich mehrheitlich auf zurückhaltendes Wohlwollen gestossen war, wurde die Kritik an den Reformplänen schon bald darauf immer lauter. So berichtete etwa der Tages-Anzeiger im September darüber, dass «namhafte Pensionskassenverantwortliche» den neu zu schaffenden Rentenzuschlag kritisierten. Da niemand den Kompromiss der Sozialpartner torpedieren wolle, sei diese Kritik nur hinter vorgehaltener Hand zu vernehmen, berichtete der Tages-Anzeiger weiter.
Dies änderte sich aber mit der Zeit deutlich: Immer häufiger berichteten die Medien über immer neue Kritikerinnen und Kritiker: Angefangen mit dem Verband Scienceindustries und dem Verband der Chemie- und Pharmaindustrie kamen bald diverse Branchenverbände des Arbeitgeberverbands sowie der Versicherungsverband hinzu. Ende März 2020 berichtete die NZZ, dass sich in der Zwischenzeit zahlreiche gewichtige Branchen des Arbeitsgeberverbandes gegen das Modell der Sozialpartner ausgesprochen hätten, darunter Verbände aus Chemie und Pharma, Banken, Detailhandel, Bau, Versicherungen, Gastgewerbe, Informatik und Telekommunikation sowie der Hotellerie. Gewichtige befürwortende Mitglieder des Arbeitgeberverbands machte die Zeitung nur noch im Verband der Maschinenindustrie Swissmem aus. Der Arbeitgeberverband verwies jedoch auch auf die Unterstützung verschiedener Mitgliederverbände aus dem Gewerbe, wenn auch deren Dachverband zu den grössten Kritikern gehörte und einen eigenen Vorschlag präsentiert hatte.

Im Zentrum der Kritik stand der Rentenzuschlag, den Mitglieder der Übergangsgeneration erhalten sollten, weil ihr Umwandlungssatz reduziert würde, sie aber nicht mehr genügend Zeit hätten, um zusätzliches Altersguthaben anzusparen. Einerseits wurde kritisiert, dass hier mit dem Umlageverfahren ein systemfremdes Element ins BVG-System eingefügt werde. Andererseits sei es nicht nötig, allen Versicherten diesen Rentenzuschlag auszubezahlen: Sowohl Versicherte in Pensionskassen, die ihre technischen Parameter bereits angepasst hätten und deren Versicherte entsprechend nicht mit Renteneinbussen rechnen müssten, als auch Personen mit hohen Einkommen, die diesen Zuschlag nicht nötig hätten, sollten davon ausgenommen werden. Ebenfalls diskutiert, wenn auch deutlich weniger hitzig, wurde über die Höhe des Koordinationsabzugs, dessen Reduktion verschiedene Gruppierungen als zu gross erachteten. Umstritten war in den Medien aber auch die Frage der tatsächlichen Höhe der Ersatzquote, also des Anteils des vorherigen Einkommens, den man nach der Pensionierung erhält. Die Bundesverfassung sieht vor, dass 1. und 2. Säule zusammen «die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise» ermöglichen sollen (Art. 113a BV). Dies wird gemeinhin als 60 Prozent des letzten Einkommens verstanden. Nun erklärte das Beratungsunternehmen C-Alm in einer Studie, dass man bei der Schaffung des BVG in den 1980er Jahren angenommen habe, dass die Verzinsung der Altersguthaben etwa dem prozentualen Lohnwachstum entsprechen würde; seither habe die Verzinsung das Lohnwachstum aber durchschnittlich um 1.2 Prozent übertroffen. Und selbst zukünftig würde eine im Vergleich zum Lohnwachstum um 0.7 Prozent höhere Verzinsung erwartet. Damit liege die Ersatzquote für die berufliche Vorsorge bei 41 Prozent und damit ebenfalls deutlich höher als vorgesehen. Zusammen mit der AHV-Rente komme man damit deutlich über 60 Prozent. Zudem sei die Kaufkraft der Renten heute höher und sie würden für einen um 30 Prozent längeren Zeitraum ausbezahlt als früher.
Diese positive Einschätzung der Rentensituation teilte der Pensionierungs-Barometer 2019, eine Studie des VZ Vermögenszentrums, nicht. Die Studie zeigte, dass sich die durchschnittliche Rente der 1. und 2. Säule eines 65-Jährigen mit einem Einkommen über CHF 100'000 bis 2018 im Vergleich zu 2002 deutlich verringert habe: 2002 habe sie 62 Prozent seines Einkommens betragen, 2018 nur noch 55 Prozent – und liege damit unter dem gemäss Ersatzquote nötigen Anteil von 60 Prozent. Diese Werte dürften sich weiter verschlechtern, betonten die Studienautoren. Zwar sei der Absolutbetrag der Renten dank dem AHV-Teuerungsausgleich leicht gestiegen, berücksichtige man aber den Teuerungsausgleich bei den Löhnen, erhalte man ein «klares Minus». Zukünftig würden die Renten vermutlich so stark sinken, dass man auch absolut weniger Rente erhalte als früher. Damit habe auch die AHV für die Rentnerinnen und Rentner an Bedeutung gewonnen: 2002 sei sie für ein Drittel der Gesamtrente verantwortlich gewesen, 2019 für die Hälfte.

Bei den Befürwortenden konzentrierten sich die Medien vor allem auf den Arbeitgeberverband, der sich vehement für das Sozialpartnermodell einsetzte; allen voran der Präsident des SAV, Valentin Vogt, verteidigte den Vorschlag in verschiedenen Zeitungsinterviews. Der SAV wehrte sich unter anderem gegen die oben genannte Studie von C-Alm, die den «Sozialpartnerkompromiss schlecht[rede]». C-Alm hatte die Kosten des Sozialpartnermodells jährlich auf CHF 3.25 Mrd. berechnet, während die Kosten der Modelle von Asip (CHF 2.1 Mrd.) und dem Gewerbeverband (CHF 1.3 Mrd.) deutlich tiefer zu liegen kamen. Diese Zahlen seien falsch, zumal die Studienautoren sich an den Zahlen der Altersvorsorge 2020 orientiert hätten, bei der es mehr Betroffene der Übergangsgeneration gegeben hätte als beim Sozialpartnerkompromiss, betonte der Arbeitgeberverband. Obwohl C-Alm diese Anschuldigung zurückwies, musste es seine Kostenschätzung für das Sozialpartnermodell gemäss dem Tages-Anzeiger kurze Zeit später auf CHF 3.05 Mrd. und damit auf dieselbe Zahl, die der Bundesrat zuvor angegeben hatte, reduzieren. Der Arbeitgeberverband hingegen ging für sein Modell weiterhin von Kosten in der Höhe von CHF 2.7 Mrd. aus, genauso hoch wie er auch die Kosten beim Asip-Modell schätzte. Denn auch die Rückstellungen der Pensionskasse, mit denen die Asip den Rentenzuschlag finanzieren wollte, müssten als Kosten ausgewiesen werden, begründete er die Differenz zu den CHF 2.1 Mrd., welche C-Alm für das Asip-Modell ausgewiesen hatte. Auch den Vorwurf der Medien, einzelner Parteien und unter anderem auch von SGK-NR-Präsidentin Ruth Humbel (cvp, AG), wonach kaum noch Mitglieder des Verbands hinter dessen Vorschlag stünden, wies der Arbeitgeberverband vehement zurück; ausser vier Mitgliederverbänden stehe die grosse Mehrheit der 95 Verbände hinter der Lösung. Die Tatsache, dass neben dem SAV vor allem linke Parteien und Gewerkschaften das Sozialpartnermodell öffentlich lobten, wertete die NZZ als Hinweis darauf, dass der Arbeitgeberverband den «Gewerkschaften auf den Leim gekrochen» sei.

Anfang Februar waren sich schliesslich die Medien grösstenteils einig, dass der Vorschlag der Sozialpartner, den der Bundesrat in der Zwischenzeit in die Vernehmlassung geschickt hatte, im Parlament kaum noch Chancen auf Erfolg haben werde: Die SVP hatte sich schon von Anfang an dagegen ausgesprochen, zumal das gemäss Fraktionspräsident Aeschi (svp, ZG) der Anfang der Verschmelzung von AHV und zweiter Säule wäre. In der Zwischenzeit hatte auch die FDP-Fraktion beschlossen, die Umlagekomponente im BVG abzulehnen, weil sie systemfremd sei. Den «Todesstoss», wie es die Sonntagszeitung formulierte, versetzte dem Sozialpartnermodell schliesslich die CVP Mitte Februar, als sich ihre Bundeshausfraktion gegen das Umlageverfahren in der 2. Säule aussprach. Somit blieben einzig noch die GLP, die das Umlageverfahren zwar nicht unterstützte, sich aber zur Schaffung einer mehrheitsfähigen Reform einer entsprechenden Diskussion nicht verschliessen wollte, sowie die linken Parteien offen für den Sozialpartnervorschlag. Damit hatte dieser noch vor Ende der Vernehmlassung die Mehrheit im Parlament verloren.

In der Zwischenzeit hatten nach dem Gewerbeverband und der Asip verschiedene Gruppierungen neue Modelle präsentiert. So taten sich der Baumeisterverband, die Swiss Retail Federation sowie der Verband «Arbeitgeber Banken», also Verbände aus dem Hoch- und Tieflohnbereich, zur Allianz des «vernünftigen Mittelwegs» zusammen. Die dem Arbeitgeberverband angehörenden Verbände schlugen ein neues Modell vor, das einen Umwandlungssatz von 6 Prozent und einen Rentenzuschlag beinhaltete, der jedoch von den Pensionskassen durch ihre Rückstellungen beglichen werden sollte. Der Koordinationsabzug sollte weniger stark gesenkt werden und die Jungen sollten bei entsprechendem Lohn bereits ab einem Alter von 20 Jahren mit der Einzahlung in die Pensionskasse beginnen.
Anfang Febraur 2020 schlug auch die CVP eine alternative Finanzierung für den Rentenzuschlag vor, nämlich durch Reserven des Bundes oder durch ausserordentliche Gewinne der SNB. Letzterer Vorschlag fand einigen Anklang, zumal er zuvor bereits von verschiedenen Seiten angetönt worden war. Gleichzeitig würde er jedoch mit ähnlichen Forderungen für die AHV kollidieren (etwa mit den Initiativen des SGB für eine 13. AHV-Rente oder des Bunds der Steuerzahler) oder mit einer Motion von Alfred Heer (svp, ZH; Mo. 18.4327). Kritisch zeigte sich unter anderem Hans-Ulrich Bigler gegenüber diesem Vorschlag, da dieser die Unabhängigkeit der SNB in Frage stelle. Alex Kuprecht (svp, SZ) schlug hingegen vor, dass die SNB zumindest ihre durch die Negativzinsen entstandenen Gewinne auf die Altersguthaben zurückzahlen könne und sie dies am besten gleich selber vorschlagen solle.
Auch die bürgerlichen Jungparteien der BDP, CVP, EVP, FDP, GLP und SVP beteiligten sich mit einem eigenen Modell an der Ideensammlung. Demnach solle der Umwandlungssatz gesenkt und gleichzeitig an die Lebenserwartung und Renditeerwartungen geknüpft werden. Der Rentenzuschlag solle durch eine einmalige Erhöhung des Altersguthabens der Übergangsgeneration durch den Bund kompensiert werden. Das fixe Rentenalter solle abgeschafft und stattdessen entsprechend einer Motion der BDP an die Lebenserwartung gekoppelt werden. Der Koordinationsabzug solle gestrichen, das Pensionskasseneintrittsalter auf 18 Jahre gesenkt und die Altersgutschriften für alle Altersstufen vereinheitlicht werden.

Diese Modelle kritisierte wiederum der Arbeitgeberverband: Sie alle erfüllten die Anforderungen des Bundesrates, wonach es nicht zu Renteneinbussen kommen dürfe, nicht, sagte Martin Kaiser, Leiter Sozialpolitik beim Arbeitgeberverband. Einzig das Sozialpartnermodell stelle dies sicher. Die Kritik, wonach vom Rentenzuschlag auch Personen profitierten, die diesen aufgrund ihrer hohen Einkommen gar nicht nötig hätten, konterte er damit, dass nur Personen, die mindestens die Hälfte des Guthabens in Rentenform beziehen, diesen Zuschlag erhalten sollten – was implizit vor allem die weniger einkommensstarken Personen betreffe.

Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Zwischen Dezember 2019 und Mai 2020 führte der Bundesrat eine aufgrund der ausserordentlichen Lage verlängerte Vernehmlassung zur Reform der beruflichen Vorsorge durch. Daran beteiligten sich alle Kantone, acht im eidgenössischen Parlament vertretene Parteien sowie zahleiche Verbände und Gewerkschaften. Wie bereits zuvor in den Medien zu vernehmen gewesen war, stellten der Pensionskassenverband ASIP sowie der Schweizerische Baumeisterverband, Swiss Retail Federation und Arbeitgeber Banken eigene Reformmodelle vor, die insbesondere eine stärkere Reduktion des Umwandlungssatzes beinhalteten und von verschiedenen Vernehmlassungsteilnehmenden unterstützt wurden (etwa dem SGV, Swissbanking, GastroSuisse, ICT Switzerland und verschiedenen Pensionskassen).

Die Mehrheit der Kantone (AR, BE, BS, FR, GE, GL, JU, LU, NE, SH, VD, VS) unterstützte die Stossrichtung der Vorlage, einige lehnten sie jedoch wegen dem vorgeschlagenen Rentenzuschlag insgesamt ab (BL, NW, OW, SG, SZ, ZG, ZH). Der Rentenzuschlag stellte sich denn auch nicht unerwartet als grösster Streitpunkt der Vorlage heraus: Von den Kantonen sprachen sich 14 ausdrücklich dagegen (AI, BE, GL, BL, GR, NE, NW, OW, SZ, TI, UR, VS, ZG, ZH) und acht ausdrücklich dafür aus (AG, BS, JU, LU, SO, SH, TG, VD). Auch die bürgerlichen Parteien BDP, CVP, EVP, FDP und SVP befürworteten die Reform, insbesondere die Senkung des Umwandlungssatzes, lehnten aber den Rentenzuschlag ab. Verschiedene bürgerliche Jungparteien störten sich insbesondere daran, dass die entsprechende Umverteilung auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung und der zukünftigen Generationen geschehe. Umgekehrt nannten die SP und die Grünen die Erhaltung der bisherigen Rentenhöhe – und somit den Rentenzuschlag – als Bedingung für ihre Zustimmung zur Senkung des Umwandlungssatzes. Seitens Verbände erfuhr der bundesrätliche Vorschlag Unterstützung von seinen Urhebern, dem Arbeitgeberverband, dem Gewerkschaftsbund und Travail.Suisse, während diverse andere Verbände wegen dem Rentenzuschlag die Alternativmodelle bevorzugten.
Deutlich weniger umstritten als der Rentenzuschlag und die Senkung des Umwandlungssatzes war die Senkung des Koordinationsabzugs, die alle Teilnehmenden guthiessen. Umstritten war jedoch die Höhe der Senkung. So schlugen beispielsweise BDP, CVP und EVP eine Senkung auf 40 Prozent des AHV-Lohns, aber einen maximalen Abzug von CHF 21'330 vor, die SVP und der Kanton St. Gallen befürworteten eine Senkung bis zur Eintrittsschwelle (CHF 21'330) und die SP und die Grünen bevorzugten eine vollständige Abschaffung des Koordinationsabzugs. Auch bezüglich der Staffelung der Altersgutschriften gab es zahlreiche unterschiedliche Vorschläge, wobei sich viele Vernehmlassungsteilnehmende einen Sparbeginn ab dem 20. Altersjahr wünschten.

Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Nach dem Ende der Vernehmlassung zur Reform der beruflichen Vorsorge wurde ein neuer, auf dem Vorschlag des Pensionskassenverbands ASIP beruhender Alternativvorschlag präsentiert, dem sich in der Folge verschiedene Vernehmlassungsteilnehmende, darunter ASIP, der SGV und der SVV, anschlossen. Wie beim Kompromiss der Sozialpartner, aber im Unterschied zum ASIP-Vorschlag, sollte der Mindestumwandlungssatz auch im Alternativvorschlag von 6.8 Prozent auf 6 Prozent gesenkt werden (ASIP: 5.8%). Um der Reduktion des Altersvermögens durch die Senkung des Umwandlungssatzes zu begegnen, sollen die Versicherten zukünftig ab einem Alter von 20 Jahren für die berufliche Vorsorge sparen, wobei der Altersgutschriftssatz zwischen 20 und 34 Jahren bei 9 Prozent, bis 44 Jahren bei 12 Prozent und anschliessend bis zur Pensionierung bei 16 Prozent liegen soll. Damit würde deutlich mehr Geld angespart als mit dem Vorschlag der Sozialpartner (575% verglichen mit 460%), die Altersgutschriften wären aber weniger stark abgestuft als beim ASIP-Vorschlag. Anstelle einer Halbierung des Koordinationsabzugs (Sozialpartner: CHF 12'443 Abzug) sollte dieser wie beim ASIP-Vorschlag auf 60 Prozent des AHV-Lohnes gesenkt werden, aber maximal CHF 21'330 betragen.
Der von den Sozialpartnern vorgeschlagene Rentenzuschlag sollte durch eine Garantie des Rentenniveaus der ersten zehn Jahrgänge nach der Revision ersetzt werden, jedoch nur für diejenigen Personen, deren überobligatorische Leistungen nicht über eine Mindesthöhe hinausgehen. Ob diese Rentengarantie zentral über den Sicherheitsfonds oder dezentral durch die Versicherten und Arbeitgebenden der jeweiligen Vorsorgeeinrichtung finanziert werden soll, wurde offengelassen. Der Bundesrat schätzte die Kosten dieses Vorschlags auf jährlich CHF 1.7 Mrd. (Vorschlag der Sozialpartner: CHF 2.9 Mrd., Vorschlag ASIP: CHF 2.1 Mrd.), worin jedoch die Kosten für die Rentengarantie noch nicht enthalten sind. Gemäss Bundesrat kann das Rentenniveau mit diesem Modell bis zu einem Lohnniveau von rund CHF 40'000 erhalten oder gar verbessert werden, bei höheren Löhnen kommt es zu Renteneinbussen, die mehr als 13 Prozent betragen könnnen.

Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Ende November 2020 legte der Bundesrat seine Botschaft zur Reform der beruflichen Vorsorge vor, welche er in Anlehnung an die AHV-Reform «BVG 21» getauft hatte. Dabei entschied er sich, trotz der breiten, in der Vernehmlassung geäusserten Kritik am Kompromissvorschlag der Sozialpartner an eben diesem festzuhalten. Die Hauptziele der Reform bestünden darin, den Mindestumwandlungssatz zu senken und gleichzeitig das Rentenniveau auf dem heutigen Stand zu sichern, hielt der Bundesrat fest. Diese Ziele könnten mit dem Modell der Sozialpartner in grösserem Ausmass erreicht werden als mit den anderen vorgeschlagenen Modellen, welche er in der Botschaft ebenfalls ausführlich vorstellte. So könne das Rentenniveau mit dem Vorschlag der Sozialpartner für Personen bis zu einem BVG-versicherten Jahreslohn von CHF 60'000 gleichbehalten, für Personen mit tiefen Löhnen und Teilzeitangestellte gar verbessert werden. Personen mit höheren Löhnen müssten mit Renteneinbussen von bis zu 8 Prozent rechnen, was jedoch noch immer deutlich weniger sei als bei den Alternativvorschlägen.
Zudem sei der Reformvorschlag durch eingehende Verhandlungen zwischen Spitzenverbänden der Arbeitnehmenden und dem Schweizerischen Arbeitgeberverband (SAV) entstanden, während die alternativen Modelle von Arbeitnehmerverbänden und Versichertenorganisationen nicht unterstützt würden. Keine Chance sprach der Bundesrat einer Reformvorlage zu, welche einzig Kompensationsmassnahmen an die direkt von der Senkung des Mindestumwandlungssatzes Betroffenen beinhaltet. Stattdessen brauche es auch eine Anpassung der beruflichen Vorsorge an die Entwicklung im Erwerbsverhalten. Schliesslich reagierte er auch auf die Kritik, wonach der Rentenzuschlag systemfremd sei: Tatsächlich gebe es im BVG-System durchaus Umlagefinanzierung, nämlich in der Querfinanzierung der auszubezahlenden Renten durch die tiefere Verzinsung der Guthaben der aktiven Versicherten (oder durch zusätzliche Beiträge der aktiven Versicherten und der Arbeitgebenden) bei Vorsorgeeinrichtungen mit wenigen überobligatorischen Leistungen.
Der Bundesrat nahm somit keine Änderungen gegenüber der Vernehmlassungsvorlage vor, da er befürchtete, dass punktuelle Änderungen des Kompromissvorschlags dessen Unterstützung gefährden würden. Damit wies die Reform der beruflichen Vorsorge folgende Eckpunkte auf: Der Mindestumwandlungssatz soll von 6.8 Prozent auf 6 Prozent gesenkt werden. Dies mache Ausgleichsmassnahmen notwendig, wenn bei den neuen Renten keine Renteneinbussen entstehen sollen: Durch die Halbierung des Koordinationsabzugs und durch die Vereinfachung der Sätze für die Altersgutschriften soll das Alterssparen verstärkt werden, zudem soll ein Rentenzuschlag von CHF 100 bis CHF 200 pro Monat für künftige Rentnerinnen und Rentner, der durch eine Erhöhung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge um 0.5 Prozentpunkte finanziert werden soll, die Altersrente von Neurentnern aufbessern. Dies würde jährlich durchschnittlich Kosten von CHF 2.7 Mrd. verursachen.
Die Medien sahen diesen Entscheid der Regierung kritisch. Als «absturzgefährdet» bezeichnete etwa die NZZ das Reformprojekt und auch der Tages-Anzeiger sprach ihm ob der zahlreichen ablehnenden Voten in der Vernehmlassung keine grossen Erfolgschancen zu.

Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Als Erstrat behandelte der Nationalrat in der Wintersession 2021 die Pensionskassenreform BVG 21. Thomas de Courten (svp, BL) und Benjamin Roduit (mitte, VS) stellten dem Rat die Vorlage und insbesondere die Änderungsanträge der SGK-NR an der bundesrätlichen Version vor. Der Bundesrat hatte in der Botschaft den von den Sozialpartnern – dem SAV, dem SGB und Travail.Suisse, nicht aber vom Gewerbeverband – ausgearbeiteten Entwurf übernommen. Die Kommissionsmehrheit erachtete aber insbesondere den darin enthaltenen Rentenzuschlag als «nicht zielführend» und als Eingriff in die Selbstständigkeit der Vorsorgeeinrichtungen, wie de Courten erläuterte. Statt einem Zuschlag «nach dem Giesskannenprinzip» sollen nur die Renten einer Übergangsgeneration und von Personen «im und nahe beim BVG-Obligatorium gezielt verbessert werden». Daneben lagen verschiedene Minderheitsanträge mit Alternativmodellen zum Rentenzuschlag vor. Doch nicht nur im umstrittensten Aspekt, dem Rentenzuschlag, auch in zahlreichen weiteren Punkten wollte die Kommissionsmehrheit vom Vorschlag der Sozialpartner bzw. dem Entwurf der Regierung abweichen.
Die Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen hoben in der Folge insbesondere die Relevanz der Revision hervor, zeigten sich aber bezüglich der Gründe für diese Relevanz und damit auch bezüglich der von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagenen Massnahmen gespalten. Die Mitte, die FDP und die SVP unterstützten in ihren Voten die Kommissionsmehrheit. Für sie war eine Senkung des Umwandlungssatzes dringend, wie etwa Ruth Humbel (mitte, AG) für die Mitte betonte. Man anerkenne die Wichtigkeit von Ausgleichsmassnahmen, diese müssten jedoch auf eine Übergangsgeneration beschränkt sein, erklärte Albert Rösti (svp, BE). Regine Sauter (fdp, ZH) verlangte überdies, dass die Massnahmen «innerhalb des Systems der zweiten Säule» vorgenommen werden, und sprach sich damit gegen das von den Sozialpartnern vorgeschlagene Umlageverfahren in der zweiten Säule aus. Eine Mitteposition nahm die GLP ein: Melanie Mettler (glp, BE) betonte die Wichtigkeit einer Revision, welche anschliessend eine Volksabstimmung übersteht, weil eine erneute Abstimmungsniederlage nicht nur die «teuerste Variante ist, sondern auch diejenige, die am meisten Vertrauensverlust verursacht». Deshalb werde die GLP ein Kompromissmodell zu den Ausgleichsmassnahmen präsentieren. Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH) zeigte sich für die Grünen vom Mehrheitsmodell enttäuscht und bezeichnete dieses gar als «Pfusch», zumal es das Hauptziel der Vorlage – ein Ende der sinkenden Realrenten – im Gegensatz zum Sozialpartnermodell nicht erfülle. Auch Pierre-Yves Maillard (sp, VD) verwies für die SP darauf, dass die Renten 2025 bei gleichem Kapital 20 Prozent niedriger sein werden als noch 2010. Man habe in den Diskussionen zwischen den Sozialpartnern zugunsten eines Kompromisses auf viele nötigen Massnahmen verzichtet – mit ihrem Vorschlag gehe die Kommissionsmehrheit aber viel zu weit: «Mesdames et Messieurs des partis bourgeois, vous allez trop loin!» Man werde eine solche Vorlage nicht akzeptieren, betonte auch Katharina Prelicz-Huber und stellte bereits vor der Detailberatung eine Referendumsdrohung in den Raum. Auch Gesundheitsminister Berset verteidigte in der Folge ausführlich den Kompromiss der Sozialpartner. «Wenn irgendjemand hier denkt, dass es möglich sein wird, in einer so komplexen Materie ohne die Sozialpartner eine Mehrheit zu finden, dann wünsche ich viel Glück.» Eintreten war in der Folge unbestritten.

Im ersten Block behandelte der Rat vor allem Fragen zu den versicherten Einkommen und zum Sparprozess. Die Kommissionsmehrheit hatte hier vorgeschlagen, die Eintrittsschwelle, ab der Einkommen bei der Pensionskasse versichert sind, fast zu halbieren (neu: CHF 12’548), der Bundesrat und eine Minderheit de Courten wollten diese bei ihrem bisherigen Wert belassen (CHF 21’510). Mit der Beibehaltung der bisherigen Eintrittsschwelle wolle man die Personen mit tieferen Einkommen nicht durch BVG-Abgaben belasten, begründete Albert Rösti den Minderheitsantrag. Die Kommissionsmehrheit erachtete eine Senkung jedoch gerade für Personen mit Teilzeitanstellungen und niedrigen Pensen als relevant und setzte sich mit dieser Ansicht mit 141 zu 49 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) gegen den Widerstand des Grossteils der SVP-Fraktion durch. Auch die Forderung, dass sich Arbeitnehmende mit verschiedenen Arbeitgebenden obligatorisch versichern müssen, wenn ihr Gesamteinkommen die Eintrittsschwelle übersteigt, nahm die Ratsmehrheit gegen den Willen einer Mehrheit der SVP-Fraktion an und schuf damit die ersten zwei Differenzen zum bundesrätlichen Vorschlag.
Zusammen mit der Eintrittsschwelle wollte die Kommissionsmehrheit in Übereinstimmung mit dem Bundesrat auch den koordinierten Lohn (und damit den Koordinationsabzug) senken. Statt wie bisher zwischen CHF 25'095 und CHF 86'040 sollten zukünftig Einkommen zwischen CHF 12'443 und CHF 85'320 versichert werden – der Koordinationsabzug würde somit annähernd halbiert. Zwei Minderheiten I Roduit und II de Courten wünschten sich einen anteilsmässigen Koordinationsabzug von 40 Prozent (Roduit) respektive 60 Prozent (de Courten), wobei der Koordinationsabzug in der Höhe begrenzt wäre, während eine Minderheit III Mettler vollständig auf den Koordinationsabzug verzichten wollte. Albert Rösti erachtete den Vorschlag de Courtens als Kompromiss zwischen dem bisherigen und dem von der Kommissionsmehrheit vorgeschlagenen System. Erwerbstätigkeit müsse versichert sein, «egal, in welchem Erwerbsmodell sie erfolgt», begründete hingegen Melanie Mettler ihren Antrag. Die Kommissionsmehrheit setzte sich in den Abstimmungen gegen die Minderheitsanträge durch, wobei die Minderheiten nur bei der SVP-Fraktion (Minderheit II) respektive bei der GLP- und bei Teilen der FDP.Liberalen-Fraktion (Minderheit III) Anklang fanden.
Auch die Frage, ab wann sich junge Menschen für das Alter versichern müssen, war umstritten. Bisher lag die entsprechende Altersgrenze bei 24 Jahren. Während über den Versicherungsbeginn für Tod und Invalidität ab 17 Jahren kaum Worte verloren wurden, lagen zahlreiche Anträge zum Beginn des Alterssparens vor: Die Kommissionsmehrheit wollte diese Grenze auf 19 Jahre senken, während Minderheiten I Roduit und II Gysi (sp, SG) diese bei 20 respektive 24 Jahren ansetzen wollten. Durch eine Vorverlegung des obligatorischen Sparprozesses und eine Erhöhung der Altersgutschriften für Junge, wie sie ebenfalls geplant waren, würden Junge gleich doppelt belastet, kritisierte Barbara Gysi erfolglos. Die Kommissionsmehrheit setzte sich mit 122 zu 71 Stimmen und 126 zu 67 Stimmen gegen die SP, Grüne und Teile der Mitte durch. Und wie von Barbara Gysi befürchtet, erhöhte der Rat in der Folge tatsächlich auch die Altersgutschriften für Junge. Bisher waren diese in vier Stufen gestaffelt, wobei ab 55 Jahren die höchsten Altersgutschriften bezahlt werden mussten. Bundesrat und Kommissionsmehrheit sahen nun nur noch zwei Altersstufen vor (BR: 25-44 und ab 45, Kommissionsmehrheit: 20-44 und ab 45), um die Gefahr einer Entlassung für die älteren Arbeitnehmenden zu verringern. Hierzu lagen vier Minderheitsanträge vor, wobei Minderheiten Gysi und Roduit tiefere Altersgutschriften für Junge, Minderheiten de Courten und Aeschi (svp, ZG) bereits einen früheren Anstieg der Erhöhung der Altersgutschriften forderten. Erneut setzte sich der Vorschlag der Kommissionsmehrheit jedoch durch.

Im zweiten Block debattierte der Rat über die zentralen Fragen der Revision, den Mindestumwandlungssatz und die Ausgleichsmassnahmen. Neben Diskussionen und Anträgen über die Häufigkeit und Breite begleitender Berichte zur Senkung des Mindestumwandlungssatzes stellte Stefania Prezioso (egsols, GE) auch einen Einzelantrag, den Umwandlungssatz statt auf 6 Prozent (von 6.8 Prozent) nur auf 6.4 Prozent zu senken. Galt dieser Aspekt bisher weitgehend als unbestritten, begründete sie ihren Antrag nun mit der verbesserten Situation der Pensionskassen, aber auch mit einer Verlangsamung des Anstiegs der Lebenserwartung. Unterstützt wurde sie von der SP- und der Grünen Fraktion, wie etwa Barbara Gysi betonte: Man habe den Sozialpartnerkompromiss mitgetragen, aber wenn die Ratsmehrheit von diesem abweiche, sei man nicht mehr zu einer so starken Senkung des Umwandlungssatzes bereit. Über die SP und die Grünen hinaus fand der Antrag jedoch keine Zustimmung und wurde vom Nationalrat abgelehnt.
Bezüglich der Ausgleichsmassnahmen lagen dem Nationalrat vier Entwürfe vor: Die Kommissionsmehrheit wollte die Ausgleichsmassnahmen einer Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen zugänglich machen, wobei die Zuschüsse nach Alterskategorien abgestuft werden sollten (65-61 Jahre: CHF 2400 jährlich, 60-56 Jahre: CHF 1800, 55-51 Jahre: CHF 1200). Finanziert werden sollten die Ausgleichsmassnahmen durch eine einmalige Einlage der Vorsorgeeinrichtung zum Zeitpunkt des Altersrücktritts und durch Zuschüsse des Sicherheitsfonds, welche dieser während 15 Jahren bei den Vorsorgeeinrichtungen erhebt. Eine Minderheit I de Courten wollte die vom Bundesrat beantragten Ausgleichsmassnahmen gänzlich streichen und stattdessen den in eine Altersrente umzuwandelnden Anteil des Altersguthabens während zehn Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes im ersten Jahr um 13 Prozent und anschliessend jeweils um 1.3 Prozentpunkte weniger pro Jahr erhöhen. Eine Minderheit II Mettler wollte wie angekündigt «den Anliegen beider politischer Lager Rechnung» tragen. Mit ihrem Vorschlag sollte das Rentenniveau für zwei Drittel der Versicherten erhalten werden, aber nur für 20 Jahrgänge: So sollte der monatliche Zuschlag, der für den ersten Jahrgang CHF 200 beträgt, jeweils um CHF 10 pro Jahrgang reduziert werden. Während 20 Jahren wären dafür Beiträge über 0.3 Prozent des versicherten Lohns nötig. Eine Minderheit III Maillard beantragte schliesslich, dem Bundesrat zu folgen und für alle zukünftigen BVG-Rentnerinnen und -Rentner Ausgleichsmassnahmen zu schaffen. Denn durch den Ausschluss der wohlhabenden Arbeitnehmenden von den Ausgleichsmassnahmen trügen diese auch nicht mehr zu deren Finanzierung bei, kritisierte Pierre-Yves Maillard die übrigen Modelle. Die Höhe der Zuschläge sollte nur bereits für die nächsten 15 Jahre festgelegt werden, finanziert würden die Zuschläge durch einen Beitrag von 0.5 Prozent des massgebenden Lohns im Umlageverfahren.
Unterstützung fanden die Minderheitsanträge nur bei den Fraktionen der SVP (Minderheit I de Courten), bei der SP und den Grünen (Minderheit III Maillard) respektive bei der SP, den Grünen und der GLP (Minderheit II Mettler) – sie alle wurden folglich zugunsten des Mehrheitsantrags verworfen. In der zentralen Frage der Vorlage entschied sich der Nationalrat somit, vom Vorschlag des Bundesrates und der Sozialpartner abzuweichen.
Abgelehnt wurde in der Folge auch ein Minderheitsantrag Meyer (sp, ZH), der – in Übereinstimmung mit der Regelung zur AHV 21 – den Rentenzuschlag bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen nicht berücksichtigen wollte, da sonst «die Menschen mit tiefen Löhnen am Ende des Monats nicht mehr Geld zur Verfügung haben würden» als bisher, wie Yvonne Feri (sp, AG) erläuterte. Auch dieser Antrag fand jedoch über die SP, die Grünen und die GLP hinaus keine Zustimmung.

Im dritten Block standen noch diverse Detailfragen an, hier dominierten vor allem links-grüne Minderheitsanträge. Erfolglos verlangte etwa eine Minderheit Prelicz-Huber Erziehungs- und Betreuungsgutschriften wie in der AHV, eine Minderheit Meyer setzte sich für die Beibehaltung der Möglichkeit zur Weiterversicherung des Lohns für Personen ab 58 Jahren bei einer Lohnreduktion um die Hälfte ein und eine Minderheit Gysi wollte eine Definition von missbräuchlichen Tarifen für Todesfall- und Invaliditätsleistungen festlegen lassen. Erfolgreich war lediglich eine Minderheit Prelicz-Huber mit 112 zu 80 Stimmen gegen einen Antrag der Kommissionsmehrheit, mit dem der bisherige Steuerabzug von Beiträgen an die Altersvorsorge von CHF 6’900 auf CHF 10'000 erhöht werden sollte. Zustimmung hatte der Mehrheitsantrag bei Mitgliedern der SVP und der FDP erhalten.
In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalrat die BVG 21-Reform mit 126 zu 66 Stimmen (bei 1 Enthaltung) gut. Die ablehnenden Stimmen stammten von Mitgliedern der SP und der Grünen.

Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Im Mai 2022 präsentierte die SGK-SR ihre Anträge zur BVG 21-Reform. Sie weiche damit «deutlich» von den Vorschlägen der Sozialpartner und des Bundesrates sowie des Nationalrates ab, betonte sie. Demnach sollen Versicherte einer Übergangsgeneration von 20 Jahrgängen einen Rentenzuschlag erhalten, wenn sie ihre Altersleistungen zu mindestens 75 Prozent als Rente beziehen. Bei einem Jahreseinkommen bis zur 3.5-fachen maximalen AHV-Altersrente (etwa CHF 100'000) erhalten sie den vollen Zuschlag, der CHF 2'400 jährlich für die ersten fünf Jahrgänge und CHF 1'800, CHF 1'200 und CHF 600 jeweils für fünf weitere Jahrgänge beträgt. Versicherte mit Jahreslohn zwischen der 3.5- und 5-fachen Maximalrente erhalten einen degressiv abgestuften Zuschlag, Versicherte mit mehr als einer 5-fachen Maximalrente erhalten keinen Zuschlag. Dadurch würden 70 Prozent der Arbeitnehmenden in Genuss des vollen und 12 Prozent in den Genuss des reduzierten Zuschlags kommen. Finanziert werden soll der Zuschlag über den Sicherheitsfonds, der den Vorsorgeeinrichtungen die Kosten des Zuschlags vergütet, gleichzeitig von ihnen aber auch Beiträge erhebt.
Doch nicht nur bei den umstrittenen Rentenzuschlägen für die Übergangsgeneration sah die Kommissionsmehrheit Differenzen zu Bundesrat und Nationalrat vor, sondern auch bei den dauerhaften Regelungen. Bei der Eintrittsschwelle schlug sie mit 60 Prozent einen Kompromiss zwischen Bundesrat (75%) und Nationalrat (44%) vor, während sie beim Koordinationsabzug auf einen bereits mehrfach vorgeschlagenen Systemwechsel setzte: Statt diesen wie bisher (CHF 25'095) oder von Bundesrat und Nationalrat vorgeschlagen (CHF 12'548) auf einen fixen Wert festzulegen, sollte er zukünftig bei 15 Prozent des AHV-Lohnes liegen. Im Gegenzug wollte die Kommissionsmehrheit den minimalen koordinierten Jahreslohn bei CHF 3'585 belassen – Bundesrat und Nationalrat hatten diesen aufheben wollen. Die Altersgutschriften sollten wie beim Bundesratsmodell erst ab 25 Jahren beginnen – der Nationalrat wollte deren Beginn auf 20 Jahre senken –, waren ansonsten aber mit den von Bundesrat und Nationalrat vorgeschlagenen Modellen identisch. Insgesamt würden somit gleich hohe Altersgutschriften ohne Zinsen anfallen wie beim Bundesratsmodell (460%), aber deutlich weniger als beim Nationalratsmodell (505%).

Noch bevor dieser Vorschlag in der Sommersession 2022 im Ständeratsplenum behandelt werden konnte, berichteten die Medien, dass er stark «absturzgefährdet» sei (Aargauer Zeitung) und von SVP, Mitte und Teilen der FDP.Liberalen nicht unterstützt werde, da sie die Rentenzuschläge als zu grosszügig erachteten. Selbst Josef Dittli (fdp, UR), der den Vorschlag grosszügigerer Zuschläge in den Kommissionsberatungen eingebracht hatte, nannte diese nach Bekanntwerden ihrer Kosten – CHF 25.2 Mrd. verglichen mit CHF 9.1 Mrd. bei der nationalrätlichen Version – «vermutlich» zu grosszügig. Der Blick berichtete denn auch, dass verschiedene Gegnerinnen und Gegner des Entwurfs der SGK-SR, etwa der Pensionskassenverband Asip oder Vertretende der Hochlohnbranche, stark gegen diesen Vorschlag und für denjenigen des Nationalrats lobbyierten. Insgesamt sprach man dem Kommissionsvorschlag für die in der Sommersession 2022 anstehende Beratung somit kaum Erfolgschancen zu und rechnete damit, dass sich mangels Alternativen wohl bereits der nationalrätliche Vorschlag durchsetzen würde.

Bis zum Beginn der ständerätlichen Beratung hatte sich die Ausgangslage jedoch bereits wieder geändert. Am Vortag der Behandlung hatte Josef Dittli in einem Einzelantrag ein neues Konzept für die Ausgleichsmassnahmen eingereicht, das grösstenteils auf dem nationalrätlichen Vorschlag beruhte – also beispielsweise ebenfalls 15 Übergangsjahrgänge vorsah. Abweichend davon sollten jedoch alle Personen einen Zuschlag erhalten, deren Vorsorgevermögen unter dem zweieinhalbfachen Grenzbetrag (also unter CHF 215'100) liegt. Damit könnten im Gegensatz zum Nationalrat auch Versicherte mit tiefen Renten einen Zuschlag erhalten, «die einen gewichtigen Anteil ihres Sparkapitals im Überobligatorium angesammelt haben», was gemäss Dittli insbesondere Frauen betreffe. Dennoch vergrössere man damit den Beziehendenkreis aber weniger stark als beim Vorschlag der SGK-SR. Personen mit Vorsorgevermögen über dieser Schwelle erhielten entsprechend der Regelung des Nationalrats dann einen Zuschlag, «wenn der daraus entstehende Betrag die reglementarische Altersrente übersteigt». Damit entstünden Kosten von CHF 11.9 Mrd., profitieren würden 37 bis 47 Prozent der Arbeitnehmenden, beim Vorschlag der SGK-SR wären es 88 Prozent und bei demjenigen des Nationalrats 35 bis 40 Prozent. Finanziert werden soll dieser Zuschlag durch Beiträge, welche der Sicherheitsfonds bei den Vorsorgeeinrichtungen entsprechend ihrer versicherten Löhne – nicht der Austrittsleistungen wie beim Vorschlag des Nationalrats – erhebt.
Er habe diesen Antrag eingereicht, weil er in verschiedenen Gesprächen realisiert habe, dass weder das Bundesratsmodell noch der Vorschlag der Kommissionsmehrheit mehrheitsfähig seien, erläuterte Dittli. Die Version des Nationalrats, welche folglich mangels Alternativen wohl gesiegt hätte, sei aber «vor dem Volk absturzgefährdet». Isabelle Chassot (mitte, FR) erachtete den Antrag Dittlis als «base de discussion intéressante», weshalb sie die Rückweisung des Geschäfts an die Kommission und die Beratung der Auswirkungen des Antrags Dittli im Verhältnis zu den bisherigen Modellen verlangte. Nach einer sehr ausführlichen Eintretensdebatte, bei der alle Sprechenden die Wichtigkeit der Revision betonten, sprach sich der Ständerat mit 28 zu 15 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) für Rückweisung an die Kommission aus. Abgelehnt wurde dieser Antrag insbesondere von Mitgliedern der SVP- und der FDP.Liberalen-Fraktion – unter anderem auch von Josef Dittli, der die von der Verwaltung kurzfristig erarbeiteten Berechnungen zu seinem Vorschlag als für eine Debatte im Plenum ausreichend erachtete.

Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Nach der Rückweisung an die Kommission war die Reform «BVG 21» des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge in der Wintersession 2022 erneut für den Ständerat traktandiert. In drei Sitzungen habe sich die SGK-SR entsprechend dem Rückweisungsantrag nochmals über die verschiedenen Kompensationsmodelle für die Übergangsgeneration – gemäss zahlreichen Sprechenden das «Herzstück der Vorlage» – gebeugt. Allgemein geht es beim Zuschlag darum, dass die Reduktion der Neurenten um 12 Prozent, die durch die Senkung des Umwandlungssatzes entsteht, für die ersten Jahrgänge, die das Rentenalter erreichen, abgefedert werden. Dazu, wie diese Personen unterstützt werden sollen, lagen nun drei verschiedene Konzepte (und vier spezifische Vorschläge) vor, deren Unterschied gemäss Kommissionssprecher Erich Ettlin (mitte, OW) vor allem in der Finanzierung – über Lohnprozente oder über Beiträge der versicherten Personen – und in der Frage bestand, ob die Rentenbeziehenden einen monatlichen Zuschuss zu ihrer Rente oder eine einmalige Einlage in ihr Vorsorgekapitel erhalten. Die Kommissionsmehrheit entschied sich für eine leicht angepasste Version des ehemaligen Einzelantrags Dittli (fdp, UR), die im Vergleich zur Version der Kommissionsmehrheit vor der Sommersession deutlich weniger Begünstigte und deutlich tiefere Kosten aufwies. Gleichzeitig lagen drei Minderheitsanträge vor.

Der Entwurf des Bundesrates, der auf dem Kompromiss der Sozialpartner beruhte, wurde im Ständerat von einer Minderheit III Rechsteiner (sp, SG) vertreten. Demnach sollen alle Versicherten der Übergangsgeneration (15 Jahrgänge) anfänglich einen Rentenzuschlag zwischen CHF 100 und CHF 200 monatlich erhalten, wobei dieser Zuschlag von ihrem Alter – nicht aber von ihrem Einkommen – abhängt. Allenfalls soll der Zuschlag auch für weitere Generationen weitergeführt werden können. Finanziert werden soll er durch einen neuen Abzug vom AHV-pflichtigen Lohn in der Höhe von 0.5 Prozent. Kritisiert wurde das Modell vor allem dafür, dass Beiträge im Umlageverfahren systemfremd seien, dass es zu teuer sei und dass auch Personen mit einem hohen Vorsorgekapital einen Zuschlag erhielten. Minderheitensprecher Rechsteiner bewarb das Modell unter anderem damit, dass AHV und Pensionskassen bereits heute ihr in der Bundesverfassung festgehaltenes Ziel, «die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise» zu ermöglichen, nicht mehr erfüllen könnten und darum eine Kompensation für alle Versicherten der Übergangsgeneration nötig sei. Zudem stellte Rechsteiner einen Eventualantrag: Bei einem Entscheid für ein anderes Modell sollte der Ständerat auf die Senkung des Umwandlungssatzes verzichten.

Das Modell des Nationalrats beruhte auf der Idee, dass eigentlich nur die obligatorisch Versicherten (ungefähr 14 Prozent aller Versicherten) von einer Senkung des Umwandlungssatzes betroffen seien – bei den überobligatorisch Versicherten gebe es ja bereits jetzt eine Mischrechnung zwischen obligatorischem und überobligatorischem Vorsorgevermögen, wie Alex Kuprecht (svp, SZ), dessen Minderheit die nationalrätliche Version mehrheitlich aufnahm, argumentierte. Demnach sollen diejenigen Personen, deren zukünftige Rente tiefer liegt als gemäss aktuellem Gesetz, diese Differenz in Form einer einmaligen Kapitaleinlage beim Erreichen des Rentenalters erhalten. Konkret erhielten dadurch 35 bis 40 Prozent der Versicherten eine Ausgleichszahlung. Finanziert werden sollte diese über die Vorsorgeeinrichtungen durch Verlustreserven und durch zusätzliche Beiträge der BVG-Versicherten sowie ihrer Arbeitgebenden. Minderheitensprecher Damian Müller (fdp, LU) widersprach der Darstellung Kuprechts, wonach nur rein obligatorisch versicherte Personen von der Änderung des Umwandlungssatzes betroffen wären: Bei denjenigen, die über eine überobligatorische Versicherung verfügen, werde zukünftig ein immer grösserer Teil des Überobligatoriums zur Deckung der Kosten des Obligatoriums eingesetzt, bis der Umwandlungssatz auf Ersterem bei 0 Prozent liege. Verschiedene Sprechende kritisierten das Modell ebenfalls dafür, dass es zu geringe Kompensationen an zu wenige Personen beinhalte.

Ein neues Modell, beruhend auf dem ehemaligen Minderheitsantrag Dittli, verfolgten die Kommissionsmehrheit sowie die Minderheit II Müller Damian. Beide wollten den Kreis der Personen, die von einem Zuschlag profitieren, gegenüber dem nationalrätlichen Vorschlag vergrössern und gegenüber demjenigen des Bundesrates verkleinern. Die beiden Vorschläge setzten dazu auf das Vorsorgekapital der Versicherten bei Renteneintritt: Solange dieses unter einem Schwellenwert liegt (Kommissionsmehrheit: zweieinhalbfacher Grenzbetrag = CHF 215'000; Minderheit Müller: vierfacher Grenzbetrag = CHF 344'160), erhält die Person den vollen, nach dem Alter abgestuften Zuschlag, bis zu einem zweiten Schwellenwert (Kommissionsmehrheit: fünffacher Grenzbetrag = CHF 430'000; Minderheit Müller: sechsfacher Grenzbetrag=CHF 516'000) einen degressiv abnehmenden Zuschlag. Damit sollten Schwelleneffekte vermieden werden. Dadurch erhielten 25 Prozent (Bundesrat) respektive 40 Prozent (Minderheit II) der Versicherten einen vollen und 25 Prozent (Bundesrat) respektive 20 Prozent (Minderheit II) der Versicherten einen abgestuften Zuschlag. Die Minderheit II verlangte überdies einen Zuschlag für 20 Jahrgänge (Bundesrat: 15 Jahrgänge) sowie einen Mindestbezugsanteil für die Rente von 75 Prozent, während die übrigen Modelle einen Rentenbezug von mindestens 50 Prozent verlangten. Finanziert werden sollten die Zuschläge durch einen Abzug auf dem erweitert koordinierten Lohn von anfänglich 0.24 Prozent (Bundesrat) respektive 0.3 Prozent (Minderheit II). Minderheitssprecher Rechsteiner kritisierte insbesondere den Mehrheitsvorschlag dafür, dass dadurch noch immer zu wenige Versicherte von einem Zuschlag profitieren könnten und erachtete stattdessen den Minderheitsantrag II als «am wenigsten schlecht».

Zusammenfassend unterschieden sich die vier Modelle insbesondere im Anteil der betroffenen Versicherten sowie in den Kosten: Beim Bundesratsmodell und der Minderheit III Rechsteiner sollten 100 Prozent der Versicherten eine Kompensation bei Kosten von insgesamt CHF 29.7 Mrd. erhalten (kumuliert bis ins Jahr 2045), bei der Minderheit II Müller 60 Prozent der Versicherten für CHF 16.8 bis 17.1 Mrd., bei der Kommissionsmehrheit 50 Prozent der Versicherten für CHF 11.7 Mrd. und bei der Minderheit I Kuprecht 35 bis 40 Prozent der Versicherten für CHF 9.7 Mrd. Die Version, welche die Mehrheit der SGK-SR noch vor der Sommersession 2022 empfohlen hatte, wäre 88 Prozent der Versicherten (70% voller Zuschlag, 18% reduzierter Zuschlag) zugutegekommen und hätte CHF 25.2 Mrd. gekostet. In der Folge setzte sich der Mehrheitsantrag gegen alle drei Minderheiten durch (Minderheit I: 34 zu 9 Stimmen; Minderheit II: 24 zu 19 Stimmen; Minderheit III: 28 zu 15 Stimmen). Mit 30 zu 12 Stimmen lehnte der Ständerat gleich darauf auch den Eventualantrag der Minderheit Rechsteiner auf einen Verzicht auf die Senkung des Umwandlungssatzes ab. Bereits in allen vier Vorschlägen enthalten war ein vom Bundesrat geschaffener, aber vom Nationalrat abgelehnter Anspruch auf einen Rentenzuschlag für Personen, welche eine Invalidenrente einer Vorsorgeeinrichtung beziehen.

Obwohl das Modell der Kurzfristkompensation im Ständerat sehr umstritten war und gemäss den Parlamentarierinnen und Parlamentariern bei einem möglichen Urnengang stark über Annahme oder Ablehnung der Vorlage mitentscheiden könnte, waren gerade auch die Bestimmungen zur Langfristkompensation, mit denen die Senkung des Umwandlungssatzes für diejenigen Personen abgemildert werden soll, die noch länger zu arbeiten haben, sehr zentral. Auch hier nahm der Ständerat zahlreiche Änderungen am nationalrätlichen Entwurf vor.
So schlug die Kommission zum Beispiel bei der Eintrittsschwelle einen Zwischenweg zwischen den Versionen des Bundesrates (CHF 21'510, wie bisher) und des Nationalrates (CHF 12'548) vor, wie es Kommissionssprecher Ettlin (mitte, OW) formulierte. Die Eintrittsschwelle sollte demnach bei CHF 17'208 zu liegen kommen, zumal Personen mit sehr kleinen Einkommen nicht immer froh seien, wenn sie darauf noch BVG-Beiträge zahlen müssten. Stillschweigend folgte der Ständerat hier seiner Kommission und entschied in der Folge auch, dass junge Leute erst ab 25 Jahren – und nicht wie vom Nationalrat vorgeschlagen bereits ab 20 Jahren – Beiträge für die berufliche Vorsorge bezahlen müssen. Umstrittener waren hingegen die Änderungen beim Koordinationsabzug. Hier schlug die Kommissionsmehrheit einen Systemwechsel von einem fixen zu einem prozentualen Wert vor: Statt wie bisher CHF 25'095 oder wie vom Nationalrat vorgeschlagen CHF 12'443 sollte der Koordinationsabzug neu 15 Prozent eines Jahreslohns bis CHF 85'320 betragen. Dadurch könne man die Problematik lösen, dass Versicherte mit mehreren Stellen den Koordinationsabzug mehrmals bezahlen müssten und gleichzeitig die Geringverdienenden besserstellen, warb Kommissionssprecher Ettlin für diesen Vorschlag. Eine Minderheit Müller wollte hingegen dem Nationalrat folgen und den heutigen Abzug halbieren. Dies sei administrativ einfacher und günstiger, während Geringverdienende trotzdem gegenüber heute bessergestellt würden. Zudem bleibe die Rente bei einem Einkommen unter jährlich CHF 50'000 auch mit dem Vorschlag der Mehrheit unter der EL-Grenze, während die Versicherten und ihre Arbeitgebenden gleichzeitig deutlich höhere Lohnabzüge für die BVG-Beiträge bezahlen müssten. In der Folge lieferten sich Ruedi Noser (fdp, ZH) und Maya Graf (gp, BL) ein Streitgespräch zur Frage, ob es beim Mehrheitsantrag ein Problem sei, dass der AHV-Lohn der Mitarbeitenden erst im Februar oder März des nächsten Jahres feststeht und somit während des Jahres unklar ist, ob eine Person tatsächlich entsprechende Beiträge leisten muss und wie hoch diese ausfallen werden. Gesundheitsminister Berset verwies auf die stärkere Betroffenheit der Frauen, bei denen ein Drittel der Arbeitnehmenden Netto-Jahreslöhne unter CHF 36'000 aufwiesen – bei den Männern seien es 10 Prozent. Wie der Minderheitensprecher kritisierte auch er, dass der Vorschlag der Kommissionsmehrheit den koordinierten Lohn und somit die BVG-Beiträge gerade bei Personen mit solch tiefen Einkommen gegenüber heute auf das Sechsfache erhöhen würde. Es sei zwar wichtig, den Koordinationsabzug zu senken, «mais [...] il doit être supportable pour les personnes directement concernées». Mit 34 zu 10 Stimmen (bei 1 Enthaltung) folgte der Ständerat seiner Kommissionsmehrheit.

Darüber hinaus nahm der Ständerat zahlreiche weitere, unbestrittene Änderungen vor. Unter anderem pflichtete er dem Bundesrat sowie dem Nationalrat bei und schuf anstelle der bisherigen vier Stufen der Altersgutschriften neu zwei Stufen in der Höhe von 9 und 14 Prozent. Die einzige Differenz zum Nationalrat blieb hier in der Frage, wann junge Erwachsene mit dem Alterssparen beginnen müssen. In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat den BVG-21-Entwurf mit 25 zu 10 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) an. Die ablehnenden Stimmen und Enthaltungen stammten grösstenteils von Mitgliedern der SP und der Grünen.

Die Medien konzentrierten sich drei Monate nach der Annahme der AHV21 an der Urne vor allem auf die Folgen der Revision für die Frauen. Hier waren sie sich jedoch nicht einig, ob die Frauen als häufiger Teilzeiterwerbstätige gegenüber heute genügend bessergestellt oder gar benachteiligt würden. Ganz allgemein zeigten sich die Medien unsicher, ob die Vorlage in dieser Form an der Urne durchzubringen wäre.

Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

In der Frühjahrssession 2023 bereinigte das Parlament die Pensionskassenreform BVG 21. Zwar hatten sich National- und Ständerat in den zentralen Fragen des Umwandlungssatzes und der Schaffung eines Rentenzuschlag für 15 Jahrgänge bereits zuvor geeinigt, noch immer waren jedoch zahlreiche Fragen offen, etwa zur Ausgestaltung des Rentenzuschlags, zum Koordinationsabzug oder zur Eintrittsschwelle.

Einen Grossteil der offenen Differenzen klärte der Nationalrat gleich In der ersten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens, darunter die meisten offenen Fragen zum Rentenzuschlag. Auf dem Tisch lagen drei verschiedene Konzepte: Der Bundesrat wollte «möglichst alle[n] Versicherten einen Rentenzuschlag» gewähren, während der Nationalrat den Zuschlag auf die «unmittelbar von der Senkung des Umwandlungssatzes [B]etroffen[en]» beschränken wollte, wie Kommissionssprecher de Courten (svp, BL) zusammenfasste. Der Ständerat hatte hingegen eine Ausweitung auf 50 Prozent der Versicherten vorgeschlagen, abhängig von der Höhe ihres Sparkapitals. Finanziert würde dies teilweise über den Sicherheitsfonds, wobei der Bundesrat während fünfzehn Jahren den Beitragssatz festlegen würde. Diese drei Konzepte lagen auch in der nationalrätlichen Debatte vor, wobei der Nationalrat schliesslich der Kommissionsmehrheit folgte und sich für den Vorschlag des Ständerats entschied. Damit konnte das Grundkonzept des Rentenzuschlags bereinigt werden.
Zudem klärte die grosse Kammer zahlreiche weitere Fragen, etwa zur Ausgestaltung eines Berichts zum Mindestumwandlungssatz alle fünf Jahre, zur Pensionierung mit 58 Jahren oder zum Sparbeginn: Hier hatte der Nationalrat mit 20 Jahren ursprünglich einen früheren Start des Alterssparens vorgesehen als Bundesrat und Ständerat mit 25 Jahren, folgte dann aber durch Ablehnung eines Minderheitsantrags Silberschmidt (fdp, ZH) ebenfalls dem Zweitrat.

In der darauffolgenden Beratungsrunde fällte der Ständerat eine weitere grosse Entscheidung: Er bereinigte die Differenz zum Koordinationsabzug. Waren bisher die ersten CHF 25'725 des Jahreslohns nicht in der zweiten Säule versichert, da diese bereits von der AHV abgedeckt wurden, soll der Koordinationsabzug zukünftig 20 Prozent des Jahreslohns bis CHF 85'320 betragen – der koordinierte Lohn beträgt somit 80 Prozent bis CHF 85'320 Jahreslohn. Der Nationalrat hatte ursprünglich gemäss dem bundesrätlichen Vorschlag den bisherigen Abzug halbieren wollen, war dann aber dem Vorschlag des Ständerats nach einem prozentualen Abzug gefolgt und hatte diesen von 15 auf 20 Prozent erhöht. Diesen Kompromissvorschlag nahm der Ständerat nun an und bereinigte damit diese Differenz. Neu sind damit folglich Mehrfachbeschäftigte deutlich früher in der beruflichen Vorsorge versichert als bisher.

Der Nationalrat verzichtete sodann auf einen Ausbau der Möglichkeit zur Weiterversicherung des bisherigen Verdienstes. Gemäss geltendem Recht war eine solche Weiterversicherung für Personen ab 58 Jahren bei einer maximalen Anstellungsreduktion bis 50 Prozent möglich. Der Nationalrat hatte vorgeschlagen, sie auf Personen über 30 Jahren und eine 75-prozentige Reduktion auszudehnen, was dem Ständerat zu weit ging. Nachdem dieser mehrfach an seiner ablehnenden Haltung festgehalten hatte, willigte der Nationalrat schliesslich ein und strich den Ausbau aus dem Entwurf.

Nachdem der Ständerat in der letzten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens nur eine kleine Differenz bereinigt hatte, musste für die zwei grossen verblieben Fragen eine Einigungskonferenz einberufen werden. Offen war einerseits die Frage nach der sogenannten Eintrittsschwelle, also dem Jahreseinkommen, ab dem man in die berufliche Vorsorge einzahlen muss. Im geltenden Recht lag diese bei CHF 22'050, der Nationalrat war diesbezüglich in seinen Vorschlägen zwischen CHF 12'548 und dem Bundesratsmodell geschwankt, während der Ständerat eine Eintrittsschwelle von CHF 17'208 bevorzugte. Die Einigungskonferenz entschied sich schliesslich für den letzten Vorschlag des Nationalrats von CHF 19'845, gemäss SGK-SR-Sprecher Ettlin (mitte, OW) aufgrund des ansonsten erwarteten «Widerstand[s] von Gewerbe und gewerbenahen Kreisen». Somit sollten 100'000 Personen mehr versichert werden als bisher, mit dem ständerätlichen Vorschlag wären es total 200'000 Personen mehr gewesen.
Zudem entschied sich die Einigungskonferenz, auf eine Möglichkeit zum Einkauf in die obligatorische Vorsorge, wie sie der Ständerat neu hatte schaffen wollen, zu verzichten. Die kleine Kammer hatte damit gemäss Erich Ettlin Personen mit niedrigeren Einkommen zu einem höheren Pensionskassenvermögen verhelfen wollen, zumal diese ja nicht über das Vermögen verfügten, um sich in den überobligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge einzukaufen. Mit 106 zu 57 Stimmen (bei 24 Enthaltungen; Nationalrat) und 32 zu 7 Stimmen (bei 3 Enthaltungen; Ständerat) sprachen sich beide Kammern für Annahme des Antrags der Einigungskonferenz aus. Die ablehnenden Stimmen stammten in beiden Räten von Mitgliedern der SP- und der Grünen-Fraktion, die Enthaltungen im Nationalrat aus den Fraktionen der SP, der Grünen, der SVP und der Mitte.

In den Schlussabstimmungen nahm der Nationalrat die BVG 21-Reform mit 113 zu 69 Stimmen (bei 15 Enthaltungen) und der Ständerat mit 29 zu 8 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) an. Die ablehnende Position von SP- und Grünen-Fraktionen wurde im Nationalrat abschliessend auch von drei Mitgliedern der SVP- und einem Mitglied der Mitte-Fraktion unterstützt.

Die Medien diskutierten gegen Ende der Debatte zur Reform insbesondere über deren Chancen in einer zu erwartenden Referendumsabstimmung. In der Zwischenzeit hatten neben den links-grünen Parteien und den Gewerkschaften, die schon im Laufe der Beratung mehrfach mit dem fakultativen Referendum gedroht hatten, auch der Bauernverband und GastroSuisse Kritik an der Revision geäussert. Während die linken Kreise insbesondere die höheren Einzahlungen für tiefere Renten, die weiterhin zu tiefen Frauenrenten und die zu hohen Verwaltungsgebühren kritisierten, ging die Reform den gewerblichen Kreisen zu weit. Sie befürchteten zu hohe Kosten für die Unternehmen.

Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Am 21. Juli 2023 bestätigte die Bundeskanzlei das Zustandekommen des fakultativen Referendums gegen die Pensionskassenreform BVG 21. Das Komitee «BVG-Referendum» hatte Ende Juni gemäss eigenen Aussagen und medial viel beachtet über 141'000 Unterschriften eingereicht, von denen aber wohl ein Teil nicht beglaubigt war. So gab die Bundeskanzlei bekannt, dass 77'932 (beglaubigte) Unterschriften gegen die Reform eingereicht worden seien, von denen 77'732 gültig waren. Somit werden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im Jahr 2024 abschliessend über die Reform entscheiden.

Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG