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Grundlagen der Staatsordnung
Institutionen und Volksrechte
Démission inattendue des conseillers fédéraux Honegger et Hürlimann; l'Assemblée fédérale élit Egli et Friedrich comme successeurs — Transfert au sein de l'administration de cinq offices à d'autres départements — La révision de la loi sur les rapports entre les deux Conseils avance lentement — Echo défavorable après la retransmission télévisée d'une séance du Conseil national — Aucune diminution n'est enregistrée dans le recours aux droits populaires.
Regierung
Bei den Institutionen lieferte die Regierung am meisten Diskussionsstoff und zwar wegen personellen Änderungen. Gerüchte hatten schon seit einiger Zeit Mutationen vorausgesagt, doch wurden diese gewöhnlich erst auf die nächsten Gesamterneuerungswahlen hin erwartet, das heisst für 1983. Deshalb kam es für die Öffentlichkeit eher überraschend, als am 25. August die Bundesräte Fritz Honegger und Hans Hürlimann ihre Demission auf Ende 1982 bekanntgaben, weil es gelte, im Spätjahr 1983 eine unerwünschte Dreier- oder Vierervakanz zu vermeiden. Eine umfassende Aussprache über die Rücktritte hatte im Gesamtbundesrat nicht stattgefunden. Vor allem Bundesrat Willi Ritschard empfand nun die Begründung seiner Kollegen Honegger und Hürlimann so, als wolle man auch für ihn selber zum voraus den Zeitpunkt des Ausscheidens festlegen und vielleicht sogar einen sanften Druck ausüben. Er behielt sich seine Entschlüsse ausdrücklich vor, und nach Konsultationen mit der Führung seiner Partei erklärte er sich bereit, nochmals Vizepräsident des Bundesrates und dann Bundespräsident zu werden, welche Amter ihm dem Turnus gemäss in den Jahren 1983 und 1984 zufallen. Praktisch bedeutet dies, dass er — intakte Gesundheit vorbehalten — frühestens auf Anfang 1985 den Bundesrat zu verlassen gedenkt [1].
Bei den Mutmassungen über die Nachfolger für die beiden Demissionäre zeigte es sich bald, dass der Kanton Zürich nicht auf seinen traditionellen Sitz in der Landesregierung verzichten wollte. Dennoch tauchten auch Namen aus den verschiedensten übrigen Gegenden der Schweiz auf. Die Zauberformel allerdings wurde kaum in Frage gestellt, und ebensowenig glaubte jemand ernsthaft, die Zeit sei bereits reif für den Einzug einer Frau in den Bundesrat [2]. Einzelne Politiker, die genannt wurden, verzichteten ausdrücklich auf eine Wahl, etwa die Ständeräte Letsch (fdp, AG) und Baumberger (fdp, AR). Für den Genfer Staatsrat Guy Fontanet (cvp) bildete sich ein besonderes Unterstützungskomitee, welches mit ganzseitigen Inseraten in grossen Deutschschweizer Zeitungen dafür warb, dass die Rhonestadt nach über 60 Jahren wieder einmal einen Bundesrat stellen dürfe [3]. Für diese Kreise fiel die Kandidatenbezeichung durch die CVP-Fraktion ernüchternd und enttäuschend aus: bei den insgesamt fünf Wahlgängen fiel Fontanet als erster der Anwärter aus dem Rennen, vor den Ständeräten Franz Muheim (UR) und Julius Binder (AG). In der letzten Runde setzte sich dann der Luzérner Ständerat Alphons Egli gegen den Walliser Staatsrat Hans Wyer durch. Sogar sieben Wahlgänge benötigte die FDP-Fraktion für ihre Nomination. Hier schied zuerst der Glarner Ständerat Peter Hefti aus, dann die Nationalräte Paul Wyss (BS) und Ulrich Bremi (ZH), darauf der Tessiner Ständerat Luigi Generali und Nationalrat Bruno Hunziker (AG), bis schliesslich Nationalrat Rudolf Friedrich aus Winterthur über den Berner Jean-Pierre Bonny, Direktor des BIGA, siegte [4].
Egli und Friedrich werden beide dem rechten Flügel ihrer Partei zugerechnet, so dass da und dort Besorgnisse über einen Rechtsrutsch in der Landesexekutive auftauchten und die SP-Fraktion für die Wahlen die Stimme freigab. Andere Kritiker sahen in R. Friedrich einen Konfrontationspolitiker, dem Fähigkeit und Bereitschaft zum Kompromiss abgingen. Weitere Kommentare bedauerten, dass das Übergewicht der Juristen im Bundesrat nochmals zunehme, und dass diesem fortan kein Wirtschaftsfachmann mehr angehöre. Die Vereinigte Bundesversammlung liess sich jedoch durch derartige Vorbehalte wenig beeindrucken und wählte am 8. Dezember Egli und Friedrich je im ersten Wahlgang als Bundesräte. Sie übernahmen das EDI (Egli) und das EJPD (Friedrich), dessen bisheriger Vorsteher Kurt Furgler ins EVD hinüberwechselt [5].
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Verwaltung
Im Bereich der Verwaltung fand eine Reform mit langer Entstehungsgeschichte vorderhand ihren Abschluss, wenn auch das Ergebnis bescheidener blieb als ursprünglich erhofft. Nachdem früher eine weit grössere Zahl von Bundesämtern zur Diskussion gestanden hatte, wurden schliesslich noch ihrer fünf von einem Departement in ein anderes verschoben, nämlich das Bundesamt für Strassenbau vom EDI zum EVED, das Bundesamt für Messwesen vom EFD zum EJPD, die Eidgenössische Getreideverwaltung vom EFD zum EVD und das Bundesamt für Militärversicherung sowie die Eidgenössische Turn- und Sportschule beide vom EMD zum EDI. Diese Änderungen bedurften noch der Genehmigung durch das Parlament. Sie erfolgte in der Herbst- und in der Wintersession 1982, wobei fast nur «Magglingen» zu reden gab. Beide Räte stimmten schliesslich zu, so dass die Vorlage auf den 1. Januar 1984 in Kraft treten kann [6]. Der Nationalrat beschloss am 15. Dezember gegen die Stimmen der Linken, die Personalplafonierung für die Bundesverwaltung und die Bundesbetriebe wie SBB und PTT in einem Gesetz zu fixieren; der Entscheid des Ständerates über diesen Antrag steht noch aus [7].
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Parlament
Das Parlament führte seinen Betrieb in den gewohnten Formen weiter, und die Bestrebungen für eine Reform des Geschäftsverkehrsgesetzes kamen nur wenig vorwärts. Eine seit langem für diesen Problemkreis eingesetzte Kommission regte in ihrem Bericht einige Neuerungen an. So möchte sie, dass Volksvertreter künftig ihre wirtschaftlichen Bindungen offenlegen müssen und dass Beamte, welche vor Parlamentsausschüssen aussagen, gegen Vergeltungsmassnahmen der Verwaltung besser geschützt werden als bisher. Diesen Wunsch betrachtete der Bundesrat als Misstrauenskundgebung und lehnte ihn ab. Beschlüsse über diese Vorschläge fasste 1982 noch keiner der beiden Räte [8].
Eine Situation ohne Präzedenzfälle ergab sich im Frühjahr im Ständerat, als sein Präsident Jost Dillier (cvp, OW) an der Landsgemeinde in Samen als Vertreter seines Halbkantons nicht mehr bestätigt wurde. Die Kleine Kammer wählte darauf den Freiburger Pierre Dreyer (cvp) für den Rest der Amtszeit zum Vorsitzenden, während Walter Weber (sp, SO) Vizepräsident blieb und im Dezember die Leitung des Rates für ein volles Jahr übernahm [9]. Viel zu reden gab eine Direktübertragung des Fernsehens über die Verhandlungen des Nationalrates zum Umweltschutzgesetz. Sie fand in der Öffentlichkeit kein gutes Echo, obwohl nach Angaben der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) die Einschaltquoten hoch gewesen waren. Jedenfalls beschlossen zuletzt beide Kammern, im Interesse eines ungestörten parlamentarischen Betriebes künftig auf derartige Sendungen zu verzichten [10]. Mit dem Stichentscheid seines Präsidenten verlangte der Ständerat in einer Motion, dass auch für seinen eigenen Saal eine Simultanübersetzungsanlage eingerichtet werde, wie sie der Nationalrat bereits seit langem besitzt. Verschiedene Mitglieder, aber auch Pressekommentare bedauerten, dass damit die Vorstellung aufgegeben werde, als ob im Ständerat jedermann die beiden verbreitetsten Landessprachen verstehe, doch scheint dieses Idealbild heute ohnehin nicht mehr der' Wirklichkeit zu entsprechen [11]. Da und dort warfen die kommenden Wahlen von 1983 bereits ihre Schatten voraus. Die Mandatsverschiebungen im Nationalrat als Folge der Volkszählung von 1980 blieben gering. Einzig Basel-Stadt muss einen Sitz an die Waadt abtreten. Mehrere Parlamentarier kündigten schon jetzt an; sie würden nach Ablauf der. Legislaturperiode nicht mehr zur Wiederwahl antreten [12].
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Gerichte
Manche Gerichte vermochten den Berg ihrer Pendenzen nicht wesentlich abzubauen. Namentlich das Bundesgericht in Lausanne beklagte in seinem Jahresbericht für 1981, es gelinge ihm kaum, die vorliegenden Fälle innerhalb einer Frist zu erledigen, welche im Lichte der Bundesverfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention der Sache angemessen wäre, selbst wenn man immer mehr Entscheide in summarischen Verfahren treffe. Die mindestens vorübergehende Anstellung zusätzlicher Ersatzrichter sei deshalb nicht zu vermeiden. Wie jedes Jahr ergaben sich auch personelle Änderungen im Bundesgericht. Eine davon erregte einiges Aufsehen. Als Nachfolger für den demissionierenden Jean-Pierre Rüedi schlug die SP-Fraktion nämlich den Strafrechtsprofessor Martin Schubarth aus Basel vor, der gewissen bürgerlichen Kreisen missfiel, weil er sich seinerzeit als Verteidiger für Kaiseraugst-Demonstranten engagiert hatte. Trotz einer gewissen Flüsterpropaganda gegen ihn wählte die Vereinigte Bundesversammlung am 29. September Schubarth mit 119 von 203 gültigen Stimmen zum neuen Bundesrichter [13].
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Volksrechte
Der Gebrauch der Volksrechte ging 1982 nur wenig zurück. Es wurden 5 neue Initiativen eingereicht (im Vorjahr 6), während eine auf der Strecke blieb und für 2 weitere (im Vorjahr 6) die Unterschriftensammlung begann. Auch das Referendum kam in einem Falle zustande, in einem andern scheiterte es. Da 1982 nur eine einzige Initiative vor das Volk gelangte, stieg die Zahl der hängigen Begehren wieder auf 20 an. Während der Herbstsession demonstrierte der Ständerat gegen die Verschleppung von Volksbegehren. Er verabschiedete nämlich die Futtermittelinitiative ohne Empfehlung für die Volksabstimmung als J.-F. Aubert (lp, NE) seine Kollegen darauf aufmerksam machte, die gesetzliche Frist für die Behandlung der Initiative sei bereits seit Wochen überschritten.
Im Jahr 1981 hatte der Nationalrat knapp beschlossen, die leidige Frage des doppelten Ja bei Abstimmungen über Initiative und Gegenentwurf erst im Rahmen einer Totalrevision der Bundesverfassung zu behandeln. Diese rückte nun mehr und mehr in die Ferne, so dass der Ständerat in einem Postulat und der Halbkanton Basel-Land in einer Standesinitiative eine raschere Lösung forderten, welche nun geprüft wird. Wer die bisherigen Vorschriften genügend findet, wird allerdings darauf hinweisen, dass sie die Annahme einer Initiative nicht verunmöglichen. So triumphierte am 28. November 1982 beim Urnengang über die Preisüberwachung — erstmals wieder seit 62 Jahren — ein Volksbegehren über einen Gegenvorschlag, was Reformen für das Verfahren weniger dringlich erscheinen lassen könnte [14].
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[1] Rücktrittsgerüchte: SZ, 135, 14.6.82; AT, 146, 26.6.82; Ww, 26, 30.6.82; SGT, 183, 9.8.82. Rücktritte: Presse vom 26.8.82. Keine Absprache im Gesamtbundesrat: Bund, 201, 30.8.82; NZZ, 200, 30.8.82. Ritschards Zukunft: Blick, 199, 28.8. und 200, 30.8.82; Bund, 201, 30.8.82 und 202, 31.8.82; TW, 201, 30.8.82; TA, 200, 30.8.82.
[2] Zürcher Ansprüche: TA, 197, 26.8.82; NZZ, 201, 31.8.82. Frau in Bundesrat: Blick, 198, 27.8.82; SZ, 198, 26.8.82.
[3] Liste der Kandidaten: NZZ, 265, 13.11.82; Blick, 262, 10.11.82. Verzichte: SGT, 234, 7.10.82; AT, 257, 3.11.82. Fontanet: JdG, 205, 3.9.82; 268, 17.11.82 ; 270, 19.11.82 ; Suisse, 323, 19.11.82 und 328, 24.11.82. Inserate vom 17.-23.11.82 in NZZ, BaZ, Bund und Vat. Kommentare in TLM, 322, 18.11.82 und 323, 19.11.82; 24 Heures, 270, 19.11.82; BaZ, 272, 20.11.82 und 290, 11.12.82; Vat., 270, 20.11.82.
[4] Fraktionsentscheide: CVP: Presse vom 27.11.82. FDP: Presse vom 30.11.82.
[5] Rechtsrutsch : Vr, 233, 30.11.82 ; Ww, 48,1.12.82 ; TA, 287, 9.12.82 ; BaZ, 288, 9.12.82 ; Vat., 287,11.1 2.82. Juristen und Wirtschaftsfachleute: Ww, 48, 1.12.82; SGT, 287, 9.12.82. Kritik an R. Friedrich: BaZ, 249, 25.10.82; Bund, 266, 13.11.82; TW, 278, 27.11.82. SP-Parole: NZZ, 286, 8.12.82. Wahlvorgang: Presse vom 9.12.82: Departementsverteilung: NZZ, 298, 22.12.82.
[6] BBl, 1982, II, S. 1165 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1982, S. 1371 ff. und 1415 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1982, S. 715 ff. ; AS, 1982, S. 2267 ff.; vgl. SPJ, 1981, S. 22.
[7] Amtl. Bull. NR, 1982, S. 1601 ff., 1687 ff., 1709 ff. ; vgl. SPJ, 1981, S. 20 f.
[8] BBl, 1982, I, 5.1118 ff. und II, S. 337 ff. Vgl. SPJ, 1981, S. 23.
[9] Amtl. Bull. StR, 1982, S. 185 ff.; Presse vom 26. und 27.4.82; Lib., 180, 6.5.82 und 183, 10.5.82.
[10] Amtl. Bull. NR, 1982, S. 1123 f., 1467 f., 1469 f. ; Amtl. Bull. StR, 1982, S. 212 ; Presse vom 9.3.82; Woche, 10, 12.3.82; Einschaltquoten : NZZ, 124, 2.6.82.
[11] Amtl. Bull. StR, 1982, S. 504 ff.; Presse vom 7.10.82; Ww, 46, 17.11.82; BaZ, 269, 17.11.82.
[12] NZZ, 20, 26.1.82.
[13] Gesch. ber., 1981, S. 323; 1982, S. 306. M. Schubarth: Presse vom 28.-30.9.82; Amtl. Bull. NR, 1982, Beilage, S. 1500.
[14] Gesch. ber., 1982, S. 5 ff.; vgl. SPJ, 1981, S. 24. Futtermittelinitiative: Amtl. Bull. StR, 1982, S. 414 ff. Doppeltes Ja: vgl. SPJ, 1981, S. 24; Amtl. Bull. StR, 1982, S. 501 ff.; NZZ, 222, 24.9.82. Vgl. auch unten, Teil I, 4a (Konjunkturpolitik).
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