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Sozialpolitik
Soziale Gruppen
Die Volksinitiative der SD "für eine vernünftige Asylpolitik" wurde auch vom Nationalrat für ungültig erklärt. - Volk und Stände lehnten die Volksinitiative der SVP "gegen die illegale Einwanderung" ab. - Die ersten bosnischen Kriegsflüchtlinge kehrten in ihre Heimat zurück. - Beide Kammern stimmten mit Vorbehalten der Ratifizierung der UNO-Konventionen gegen jegliche Diskriminierung der Frau und für die Rechte des Kindes zu. - Das revidierte Scheidungsrecht wurde im Ständerat angenommen.
Ausländerpolitik
Angesichts des geringen Konsenses, welchen der im Vorjahr vorgelegte Migrationsbericht des ehemaligen Flüchtlingsdelegierten Arbenz in der Vernehmlassung erzielt hatte, beschloss der Bundesrat, eine Expertenkommission einzusetzen, welche bis Mitte 1997 weitere Vorschläge für eine bessere Koordination der Asyl- und Ausländerpolitik erarbeiten soll. In ihren Stellungnahmen hatten die angefragten Kreise (Parteien, Wirtschaftsverbände, Hilfswerke und Kantone) der Analyse der Probleme generell zugestimmt, wie sie der Bericht dargelegt hatte (fehlende Kohärenz zwischen einzelnen Politikbereichen, ungenügende Koordination unter den beteiligten Ämtern und mangelhafter Einbezug der Öffentlichkeit), bei den zu treffenden Massnahmen klafften die Meinungen aber entlang den weltanschaulichen Bruchlinien weit auseinander. Divergierend waren vorab die Auffassungen zum Saisonnierstatut, zum Familiennachzug und zum Drei-Kreise-Modell. Auch über die Mittel zur Gestaltung der neuen Migrationspolitik waren sich die Vernehmlasser nicht einig. Nur wenige sprachen sich ausdrücklich für oder gegen die Schaffung eines umfassenden Migrationsgesetzes aus [1].
Abgeordnete der vier Bundesratsparteien schlossen sich zu einer Arbeitsgruppe "Migration" zusammen, um konstruktive Kompromisse in der Ausländerpolitik auszugestalten. Unter der Leitung von Nationalrat Engler (cvp, AI) gehörten der Gruppe zwei Ständerätinnen - Beerli (fdp, BE) und Simmen (cvp, SO) -, zwei Nationalrätinnen - Fankhauser (sp, BL) und Heberlein (fdp, ZH) - sowie drei Nationalräte - Fischer (svp, AG), Seiler (svp, BE) und Strahm (sp, BE) - an. Im Vordergrund ihrer Abklärungen standen die Themen Arbeitsmarkt und Beziehungen zum europäischen Umfeld, Saisonnierstatut, Asylwesen, Rückführung von Flüchtlingen aus Ex-Jugoslawien, Assimilierung der Ausländer und Ausländerinnen sowie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen einheimischer und ausländischer Bevölkerung. Nachdem es im Frühjahr noch nach einem breiten Einvernehmen unter den Parteien ausgesehen hatte, wurde im Herbst klar, dass sich zwischen der SP und ihren bürgerlichen Diskussionspartnern ein tiefer Graben aufgetan hatte. Grundsätzlich war sich die Arbeitsgruppe einig, dass das Drei-Kreise-Modell fallengelassen und durch eine Nachbarschaftsregelung mit den EU- und Efta-Staaten abgelöst werden sollte. Uneinig waren sich die Parteien aber in der Frage, wie dieses grenzüberschreitende Regelwerk aussehen sollte. Die SP votierte für den EU-Beitritt und damit auch für die Personenfreizügigkeit, währenddem CVP und FDP den Weg der bilateralen Beziehungen gehen wollten und für ein Abkommen mit einer Schutzklausel plädierten; die SVP wollte an den Kontingenten festhalten. Auch in der Frage der Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern aus Ex-Jugoslawien blieben die Differenzen unüberbrückbar [2].
Zu der unter anderem von der Arbeitsgruppe der Bundesratsparteien propagierten Rückkehrhilfe für unqualifizierte ausländische Arbeitnehmer lief im Kanton St. Gallen ein Pilotprojekt an. Erprobt wurde ein Modell, das sich in einer ersten Phase an 30 arbeitslose B- und C-Aufenthalter aus Restjugoslawien richtet. Begleitet von ebenfalls arbeitslosen Kaderleuten aus der Schweiz sollen die Betroffenen vorerst in ihrer Heimat während sechs Monaten gemeinnützige Hilfe leisten und sich dabei gleichzeitig um eine berufliche Existenz in ihrem Herkunftsgebiet bemühen. Haben sie keinen Erfolg, so können sie nach Ablauf des Projekts wieder in die Schweiz zurückkehren [3].
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Der Zuwachs der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung ist per Ende Dezember massiv zurückgegangen. Mit 7007 Personen (+0,5%) lag er deutlich unter der Rate des Vorjahres (+2,3%). Seit 1990 (+5,8%) hat die Zunahme laufend abgenommen. Diese Zahlen sind zum Teil durch die Ausländerpolitik des Bundesrates bedingt, zum Teil aber auch durch die konjunkturelle Entwicklung der vergangenen Jahre.
Die Zahl der permanent in der Schweiz lebenden Ausländerinnen und Ausländer - internationale Funktionäre, Saisonniers, Kurzaufenthalter, Asylbewerber und vorläufig Aufgenommene nicht mitgerechnet - betrug Ende Jahr 1 337 581 Personen. Der Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung nahm damit nur noch geringfügig auf 19% (1995: 18,9%) zu. Von den rund 1,3 Mio Ausländerinnen und Ausländern stammten 61,3% aus EU- und EFTA-Staaten. Die absolute Zahl der Einwanderer aus Westeuropa (rund 820 000 Personen) ist in den letzten Jahren relativ konstant geblieben. Der Zuwachs der ausländischen Bevölkerung ist fast ausschliesslich auf eine Zunahme der Ausländer aus einem Herkunftsstaat ausserhalb dieses Raumes (namentlich ex-Jugoslawien) zurückzuführen.
Ende Dezember wurden 709 108 erwerbstätige Jahresaufenthalter und Niedergelassene, 13 607 Saisonniers und 146 986 Grenzgänger gezählt. Zusammen umfassen diese vier Aufenthaltskategorien 869 701 Ausländerinnen und Ausländer. Das sind 26 034 Personen resp. 2,9% weniger als im Vorjahr. Der stärkste Einbruch erfolgte erneut bei den Saisonniers (-2 473 Personen bzw. -15,4%). Die erwerbstätigen Jahresaufenthalter und Niedergelassenen verzeichneten einen Rückgang um 19 564 Personen (-2,7%) und die Grenzgänger eine Einbusse von 3 997 Arbeitsplätzen (-2,6%). Ende August, im Zeitpunkt des saisonalen Höchststandes der Beschäftigung, befanden sich lediglich noch rund 45 300 Saisonniers in der Schweiz, 15,7% weniger als ein Jahr zuvor. 1990 hatte ihre Zahl noch gut 120 000 betragen [4].
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Mit schwerem Geschütz fuhr die vom Basler Geschichtsprofessor Georg Kreis präsidierte Eidg. Kommission gegen Rassismus (EKR) auf, indem sie den Vorwurf erhob, das Drei-Kreise-Modell, an welchem sich die Ausländerpolitik des Bundesrates seit 1991 orientiert, fördere fremdenfeindliche und kulturell-rassistische Vorurteile gegenüber den Angehörigen des dritten Kreises, insbesondere jenen aus dem ehemaligen Jugoslawien, da diese Menschen pauschal als nicht integrierbar und deshalb unerwünscht gewertet würden. Die Kommission rügte damit erstmals entsprechend ihrem Mandat eine behördliche Massnahme öffentlich. Sie empfahl dem Bundesrat, ein Zwei-Kreise-Modell einzuführen, welches Integrationsmassnahmen und Rückkehrhilfen, aber kein Saisonnierstatut mehr vorsieht [5].
In seiner Antwort auf eine im Rahmen der Legislaturplanung eingereichte Motion von Nationalrätin Bühlmann (gp, LU), Vizepräsidentin der EKR, wies der Bundesrat diesen Vorwurf entschieden zurück. Das 1991 entwickelte Konzept habe seinerzeit im Parlament einen breiten politischen Konsens gefunden. Zur Forderung nach einem neuen Migrationskonzept führte er aus, seiner Ansicht nach hätten die bilateralen Verhandlungen mit der EU über den freien Personenverkehr absolute Priorität gegenüber den Diskussionen um ein Zwei- oder Drei-Kreise-Modell. Die Frage nach einer neuen, umfassenden Ausländerpolitik könne ohnehin erst nach der detaillierten Auswertung der Vernehmlassung zum Migrationsbericht angegangen werden. Frau Bühlmann war mit dem Antrag des Bundesrates einverstanden, ihre Motion in ein Postulat umzuwandeln. Dieses wurde jedoch von Baumberger (cvp, ZH) bekämpft und schliesslich mit 45 zu 49 Stimmen knapp abgelehnt [6].
Für die Verhandlungen mit der EU über den freien Personenverkehr siehe oben, Teil I, 2 (Europe: UE). Zu einem Positionspapier der Grünen Partei zur Ausländerpolitik siehe unten, Teil IIIa (GPS).
Ebenfalls grundsätzliche Kritik an der Politik des Bundesrates übte das Gutachten des Genfer Staatsrechtsprofessors Andreas Auer. Gemäss dem Autor ist die Ausländerpolitik des Bundesrates diskriminierend und verstösst gegen das internationale Abkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung. Zwar habe der Bundesrat seinerzeit bei seiner Ratifizierung der Konvention einen Vorbehalt in bezug auf seine Ausländer- und Arbeitsmarktpolitik angebracht, doch dieser beziehe sich lediglich auf einen einzigen Absatz des Abkommens (Saisonnierstatut ohne Recht auf Familiennachzug) und ändere nichts daran, dass die Schweiz verpflichtet sei, ihre Ausländerpolitik künftig so zu gestalten, dass sie nicht zur Diskriminierung einzelner Ethnien führe. Auer hielt fest, dass die Bevorzugung aller EU- oder Efta-Staatsangehörigen keinerlei rechtliche Probleme verursache. Schliesslich strebe die Schweiz hier längerfristig die gegenseitige Einführung des freien Personenverkehrs an. Auch die Auswahl bestimmter Staaten als traditionelle Rekrutierungsgebiete sei an und für sich zulässig. Doch gehe es nicht an, den Ausschluss bestimmter Staaten damit zu begründen, dass Menschen dieser nationalen oder ethnischen Gruppen nicht fähig seien, sich in der Schweiz zu integrieren. Das Drei-Kreise-Modell sei auch mit dem internationalen Pakt über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte sowie mit der in der Verfassung verankerten Rechtsgleichheit unvereinbar.
Der Staatsrechtler zeigte sodann auf, wie bruchstückhaft die Ausländerpolitik in der Schweiz geregelt ist. Mehrheitlich beruht sie bloss auf vom Bundesrat erlassenen Verordnungen und auf Weisungen der zuständigen Bundesämter. Das treffe insbesondere auch auf das Drei-Kreise-Modell zu, das in keinem Gesetz rechtlich verankert sei. In einer rechtsstaatlichen Demokratie müssten aber die grossen Linien der Ausländerpolitik vom Parlament und dem Volk festgelegt werden. Das verlange das Legalitätsprinzip. Zwar habe die Bundesversammlung seinerzeit formell Kenntnis vom bundesrätlichen Bericht zur Ausländerpolitik genommen, doch könne dies das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage nicht wettmachen [7].
Diese grundsätzliche Kritik veranlasste das BIGA, welches seinerzeit das Drei-Kreise-Modell massgeblich mitgeprägt hatte, zumindest beim Sprachgebrauch über die Bücher zu gehen. Begriffe wie "kulturelle Distanz", "europäischer Kulturkreis" und "traditionelles Rekrutierungsland" sollen verschwinden und durch "enge wirtschaftliche und institutionelle Beziehungen" und die Kriterien ersetzt werden, ob ein Land die Menschenrechte respektiere und ob das Bedürfnis der Schweiz nach Spezialisten auch ohne den Einbezug der Angehörigen dieses Staates befriedigt werde [8].
Sechs Arbeitgeberorganisationen - Gewerbe, Bauern, Baumeister, Tourismusverband, Hoteliers und Wirte - wehrten sich zusammen mit Gewerkschaften und Angestelltenverbänden gegen den Entscheid des Bundesrates, Saisonniers aus Ex-Jugoslawien keine weiteren Bewilligungen mehr zu erteilen, es sei denn, sie hätten bereits acht aufeinanderfolgende Jahre beim gleichen Arbeitgeber gearbeitet. Als eine gemeinsame Eingabe an den Bundesrat nichts fruchtete, gaben sie das bereits erwähnte staatsrechtliche Gutachten in Auftrag, welches ihre Kritik am Entscheid des Bundesrates stützte. Eine klare gesetzliche Grundlage für den Ausschluss der Ex-Jugoslawen fehle. Der Entscheid schaffe zudem eine Reihe von Rechtsungleichheiten, die nicht mit Art. 4 der Bundesverfassung zu vereinen seien. So könne ein Saisonnier aus Ex-Jugoslawien frühestens nach acht Jahren eine Jahresbewilligung erhalten, Saisonniers aus anderen Staaten hingegen schon nach 36 Monaten. Zusätzlich werde bei den Ex-Jugoslawen verlangt, dass sie bereits einen Arbeitsvertrag für eine Ganzjahresstelle in der Tasche hätten und ihr Arbeitgeber nachweisen könne, dass sein Unternehmen wirtschaftlich gesund sei [9].
Der Entscheid des Bundesrates wurde auch von der eidg. Kommission für Ausländerfragen kritisiert. Viele der Saisonniers aus dem ehemaligen Jugoslawien hätten lange in der Schweiz gelebt und dabei einen grossen Schritt zur Assimilation getan. Es sei zudem ein Irrtum zu glauben, Ausländer aus dem EU-Raum hätten keine Integrationsprobleme. Der Schulerfolg von Portugiesen beispielsweise sei nicht grösser als jener von Kindern aus der Türkei oder aus Ex-Jugoslawien [10].
Das Bundesgericht befand hingegen, der vor allem Bürger aus dem ehemaligen Jugoslawien treffende Umwandlungsstopp der Saison- in Jahresbewilligungen sei weder gesetzes- noch verfassungswidrig. Laut dem Urteil aus Lausanne bestimmt der Bundesrat die Ausländerpolitik (Art. 25 Abs. 1 ANAG); er darf daher im Rahmen der gesetzlichen und verfassungsmässigen Schranken die einmal festgelegten Voraussetzungen für eine Umwandlung der Saison- in eine Jahresbewilligung nachträglich auch wieder verändern. Dabei sind aus höchstrichterlicher Sicht auch Unterschiede je nach nationaler Herkunft zulässig. Dass die Neuregelung keine Übergangsbestimmungen enthält, wurde ebenfalls nicht beanstandet, da auch diese nichts daran zu ändern vermöchten, dass der Umwandlungsstopp irgendeinmal greifen muss. Eine Verletzung des Vertrauensgrundsatzes oder eine unerlaubte Rückwirkung der neuen Regelung wurden vom Bundesgericht ebenfalls verneint [11].
Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften appellierten im August erneut an den Bundesrat, zumindest für die seit Jahren in der Schweiz arbeitenden Saisonniers aus Ex-Jugoslawien eine neue Lösung zu suchen. Bis eine definitive Regelung gefunden sei, müsste es den Kantonen freistehen, die Bewilligungen zu erneuern. Gleichzeitig hielten die Wirtschaftsverbände fest, dass sie weder gegen eine Vorzugsstellung von Personen aus dem EU/Efta-Raum noch gegen einen Stopp von Neurekrutierungen im ehemaligen Jugoslawien seien. Der Bundesrat zeigte sich aber entschlossen, seinen Entscheid durchzuziehen. In einem Zeitungsinterview erklärte der Vorsteher des EVD, der Bundesrat sei in dieser Frage schon genügend Kompromisse eingegangen. Wenn er jetzt nicht der Umsetzung des Drei-Kreise-Modells zum Durchbruch verhelfe, verliere er seine Glaubwürdigkeit. Dementsprechend wurden bei der Zuteilung der Kontingente für die Periode 1996/97 die ex-jugoslawischen Saisonniers definitiv von der Einreise ausgeschlossen. Betroffen waren rund 10 000 Arbeitnehmer aus dem früheren Jugoslawien [12].
Eine im Vorjahr vom Nationalrat knapp angenommene Motion Bühlmann (gp, LU), welche beim Aufenthaltsrecht eine Gleichstellung der Ehefrau eines Ausländers mit Niederlassungsbewilligung mit den mit einem Schweizer verheirateten ausländischen Frauen verlangte, wurde vom Ständerat nur noch als Postulat übernommen [13].
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Die Eidg. Kommission für Ausländerfragen (EKA) stellte im August einen Integrationsbericht vor, der ein stärkeres Engagement des Bundes und eine glaubwürdige Integrationspolitik verlangt. Die EKA begrüsste den Vorschlag des Bundesrates, bei der Revision der Ausländer- und Asylgesetzgebung die Integrationspolitik gesetzlich zu verankern. Die Assimilation der 1,3 Mio Zugewanderten und der rund 25 000 anerkannten Flüchtlinge werde die Zukunft unseres Landes wesentlich mitbestimmen. Es sei an der Zeit, dass sich Bund, Kantone und Gemeinden solidarisch dieser staats- und gesellschaftspolitischen Herausforderung stellten.
Nach Ansicht der EKA ist die Schweizer Bevölkerung für die Integration der Zuwanderer nicht genügend vorbereitet. Grossen Wert möchte sie deshalb auf eine verstärkte Information legen. Weitere Schwerpunkte sind für sie eine gezielte Ausländerbildung und ein vielfältiges Angebot zur gemeinsamen Freizeitgestaltung. Auch politische Mitsprache gehöre zur gesellschaftlichen Eingliederung, doch seien in diesem Bereich keine raschen Fortschritte zu erwarten. Um den Stellenwert der Integrationspolitik zu erhöhen, regte die EKA unter anderem die Schaffung eines eigenständigen kleinen Bundesamtes oder die Einsetzung eines Beauftragten für Integrationsfragen an [14].
Zu Einbürgerungen und zum Ausländerstimmrecht siehe oben, Teil I, 1b (Bürgerrecht und Stimmrecht).
Bern liess als erste grössere Stadt ein Leitbild zur Ausländer-Integration ausarbeiten. Wenn es in der Vernehmlassung auf ein positives Echo stösst, soll es sukzessive in die Praxis umgesetzt werden. In der Gemeindeordnung soll die Stadt verpflichtet werden, die tatsächliche Assimilation der ausländischen Wohnbevölkerung zu fördern und die Mitwirkung der Ausländerinnen und Ausländer in städtischen Belangen zu unterstützen [15].
Ein vom italienischen Konsulat zusammen mit dem Basler Justizdepartement iniziiertes Pilotprojekt will dem Umstand Rechnung tragen, dass ausländische Jugendliche aufgrund ihres Identitätskonflikts zwischen dem traditionell geprägten elterlichen Umfeld und der Realität der schweizerischen Gesellschaft besonders suchtgefährdet sind. Das umfassende Bildungs- und Beratungsprojekt, das auch den Aspekt der Gewaltprävention umfasst, richtet sich vorerst an italienische Jugendliche sowie an deren Eltern und Lehrer und wird zu einem Drittel von der öffentlichen Hand und zu zwei Dritteln von privaten Stiftungen getragen [16].
Beim 4. Interkulturellen Forum der Schweizerischen Akademie für Entwicklung (SAD) hatten die ausländischen Jugendlichen der zweiten Generation die Gelegenheit, ihre Probleme zu diskutieren und Forderungen auszusprechen. Dabei zeigte sich, dass es schwierig ist, für eine so heterogene Gruppe allgemeingültige Rezepte zu formulieren. Generell konnte bei den Jugendlichen ein Identitätsproblem ausgemacht werden, das sich auf zweierlei Arten artikuliert: Einerseits besteht der Druck, sich den Verhältnissen des Gastlandes anzupassen, andererseits das Bedürfnis, die Kultur des Heimatlandes beizubehalten [17].
Das Statistische Amt des Kantons Tessin präsentierte eine breit angelegte Studie über die Situation der Grenzgänger aus dem nahen Italien. Sie behandelt nicht nur wirtschaftliche Aspekte, sondern widmet sich auch ausführlicher als andere bisher erschienene Publikationen den soziologischen Begleiterscheinungen der täglichen Migration. Von 1990 bis 1996 schrumpfte die Zahl der "frontalieri" von 40 692 auf 30 829 Personen. Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes bezeichneten denn auch viele Grenzgänger als ihre grösste Sorge. Diese wird dadurch verstärkt, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Italien in zwei sozialstaatlichen Systemen leben. Sie entrichten die regulären Beiträge an die schweizerische Arbeitslosenversicherung, erhalten bei Arbeitslosigkeit aber nur gerade 30 000 Lire (rund 30 Fr.) pro Tag vom italienischen Staat, obgleich die Schweiz sämtliche von den Grenzgängern in die Arbeitslosenversicherung einbezahlten Gelder nach Rom überweist. Entgegen landläufigen Einschätzungen erklärte eine Mehrheit der "frontalieri", sich in der Schweiz wohlgelitten und integriert zu fühlen. Gemäss dem Autor der Studie steigt die gesellschaftliche Eingliederung proportional zum Grad der beruflichen Qualifikation. Einen diesbezüglich hohen Grad hätten Pendler vorab im Tessiner Gesundheitswesen erreicht, wo sich bereits jetzt die Arbeitssituation der Zukunft in einem Europa der Regionen abbilde. Hier seien Grenzgänger und Grenzgängerinnen nicht mehr nur billige Arbeitskräfte, sondern eine echte Konkurrenz für einheimisches Personal [18].
Es widerspricht nicht der Bundesverfassung, Schweizer und Ausländer in der Sozialversicherung ungleich zu behandeln, sofern dafür ein vernünftiger Grund vorliegt. Das entschied das Bundesgericht. Rund die Hälfte der Kantone hatte die Ausrichtung von Prämienverbilligungen in der Krankenversicherung auf Schweizer und auf Personen mit Wohnsitz in der Schweiz eingeschränkt. Saisonniers und Kurzaufenthalter wurden von der Anspruchsberechtigung ausgeschlossen. Die Gewerkschaft Bau und Industrie erhob gegen die entsprechende Thurgauer Regelung Beschwerde in Lausanne. Sie argumentierte, der Ausschluss der Saisonniers von der Prämienverbilligung verstosse gegen das Krankenversicherungsgesetz, welches eine Prämienverbilligung für alle Versicherten in bescheidenen finanziellen Verhältnissen vorsehe. Das Bundesgericht befand, eine Schlechterstellung sei zulässig, weil Saisonniers in der Schweiz keinen Wohnsitz haben und ihr Lebensmittelpunkt nicht in der Schweiz liegt. Die wirtschaftlichen Verhältnisse von Saisonniers und Kurzaufenthaltern seien anders als jene von Personen, die auch ganzjährig mit den hiesigen - in aller Regel höheren - Lebenshaltungskosten konfrontiert seien. Saisonniers und Kurzaufenthalter, die nur vorübergehend in der Schweiz leben, können gemäss Bundesgericht keine Unterstützung aus allgemeinen Steuergeldern erwarten [19].
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Flüchtlinge
Im Berichtsjahr suchten 18 001 Personen in der Schweiz um Asyl nach, 5,8% mehr als im Vorjahr. Wie bereits in den letzten Jahren stammte über ein Drittel (34,6%) der Gesuchsteller aus der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien mit Kosovo und Montenegro). Der Anteil der Asylsuchenden aus Bosnien ging dagegen von 20,8% auf 7% zurück. Wieder von 6% auf 10,9% zugenommen haben die Asylanträge von Tamilen aus Sri Lanka. Weitere grössere Gruppen von Asylbewerbern kamen aus der Türkei (7,3%) sowie aus Somalia und aus Zaire (je 3,9%).
Die Anerkennungsquote ging wegen der verbesserten Situation in Bosnien von 14,9% auf 12% zurück. Überdurchschnittliche Anerkennungsquoten hatten Gesuche aus Vietnam (90,3%), dem Irak (70,5%), der Türkei (43,8%) und Bosnien (29,2%). Von den Personen aus der Bundesrepublik Jugoslawien erhielten 7,5% Asyl, von den srilankischen Staatsangehörigen 1,3%.
Von den 130 879 Personen, die sich Ende Dezember aufgrund eines Asylgesuchs in der Schweiz aufhielten, waren 22 537 anerkannte Flüchtlinge, 20 109 Personen hatten eine kantonale fremdenpolizeiliche Bewilligung aus humanitären oder anderen Gründen, 33 767 waren vorläufig aufgenommen. Bei 22 570 Asylsuchenden mit negativem Entscheid war der Vollzug der Ausreise hängig oder blockiert [20].
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Auch der Nationalrat folgte dem Antrag des Bundesrates sowie dem Beschluss des Ständerates und erklärte die SD- Volksinitiative "für eine vernünftige Asylpolitik" für ungültig. Hauptargument war auch hier, dass der Inhalt der Initiative gegen zwingendes Völkerrecht verstosse. Damit ist dieses Volksbegehren das vierte seit 1891, welches auf Parlamentsbeschluss der Volksabstimmung entzogen wird. Die Gründe, welche bisher zur Ungültigkeitserklärung geführt hatten, waren Impraktibilität des Vorgehens (Chevalier-Initiative von 1954) bzw. mangelnde Einheit der Materie (Teuerungsinitiative der PdA 1977 und Rüstungsinitiative der SP 1995). Bei der SD-Initiative wurde erstmals der Begriff des übergeordneten Rechts für die Ungültigerklärung beigezogen [21].
In der Debatte sprachen sich FDP, CVP, LP und Teile der SP für den Vorrang des Völkerrechts und damit für die Ungültigkeitserklärung aus. Abkommen, welche als "Besitzstand der Zivilisation" gelten, dürften nicht gefährdet werden, fasste Eggly (lp, GE) die Meinung vieler Ratsmitglieder zusammen. Der Zürcher SP-Vertreter Gross und der Aargauer Grüne Thür traten mit Unterstützung eines Teils ihrer Fraktion für eine partielle Ungültigkeit ein. Zum Schutz der Demokratie sei nur der völkerrechtswidrige Teil (Aufhebung des Non-Refoulements-Prinzips) zu streichen.
Für eine Gültigkeit sprachen sich Teile der SVP und des LdU aus, allerdings verbunden mit dem Antrag auf Ablehnung. Die Angst, der Stimmbürger könnte diese extreme Initiative annehmen, sei unbegründet, meinte Meier (ldu, AG). Einzig die FP äusserte sich auch inhaltlich positiv zur Initiative. Im Asylbereich stünden die Interessen des Schweizervolkes über dem Völkerrecht, erklärte Scherrer (fp, BE). Die Ungültigerklärung erfolgte nach langer Diskussion mit 133 zu 33 Stimmen deutlich. Der Antrag Gross unterlag mit 116 zu 62 Stimmen [22].
Juristisch unbestritten war die von der SVP eingereichte Volksinitiative "gegen die illegale Einwanderung". Sie verlangte, dass auf Asylgesuche illegal Eingereister nicht eingetreten werden soll. Anders als die SD-Initiative bekannte sie sich aber zum Grundsatz des Non-Refoulements, wonach ein Flüchtling nur abgewiesen werden darf, wenn garantiert werden kann, dass ihm in seinem Heimatland weder Folter noch Tod drohen. Als Massnahme gegen die Attraktivität der Schweiz als Einwanderungsland wollte die SVP zudem eine staatliche Lohnverwaltung für die Asylbewerber einführen. Dies bringe einerseits keine Verbesserungen, andererseits aber einen übertriebenen Bürokratismus, begründete Heberlein (fdp, ZH) die ablehnende Haltung der Staatspolitischen Kommission und des Bundesrates. Die Initiative, welche ausserhalb der eigenen Partei nur gerade die Unterstützung der FP und der EDU fand, wurde vom Nationalrat mit 137 zu 37 Stimmen Volk und Ständen zur Verwerfung empfohlen  [23].
Auch im Abstimmungskampf fand die SVP nur gerade die Unterstützung der SD, der FP, der Lega und der EDU. Aber selbst parteiintern war die Initiative nicht unbestritten. An der Delegiertenversammlung der SVP plädierte Bundesrat Ogi noch einmal für die ablehnende Haltung des Bundesrates. Beim Gros seiner Parteifreunde stiess er dabei zwar nicht auf Gehör, doch schlossen sich ihm zumindest die Berner, Bündner und Waadtländer Sektionen an [24].
Die Abstimmungskampagne für die Initiative wurde vom selben Werbebüro inszeniert, welches bereits für die berühmt-berüchtigten Inserate mit der Filzlaus (gegen den "rot-grünen Filz"), mit dem Messerstecher (gegen die "Linken und Netten") und dem Stiefel (gegen "linke und andere heimatmüde Patrioten") verantwortlich gezeichnet hatte. Entsprechend hemdsärmlig wurde dann auch Propaganda für die Initiative gemacht. In einem Inserat des Aktionskomitees unter Führung des früheren SVP-Präsidenten Uhlmann (TG) war von "gesetzeswidriger Ansiedlung von Rechtsbrechern, Kriminalität und Drogenhandel" die Rede. Auch die Behörden und die übrigen Parteien wurden mit der Behauptung verunglimpft, sie würden vor der Illegalität die Augen verschliessen, weshalb jetzt das Volk zum Handeln aufgerufen sei. Mehrere Zeitungen ("Basler Zeitung", "Tagesanzeiger" und "Neue Luzerner Zeitung") weigerten sich, dieses ihrer Auffassung nach menschenverachtende Inserat abzudrucken. Zwei Wochen später publizierten der "Blick" und der "Tagesanzeiger" ein Inserat der FP, welches mit seinem undifferenzierten Rundumschlag gegen alle Ausländer nicht nur von den Gegnern der Initiative als zynisch und primitiv verurteilt wurde. Als durchsickerte, dass das Inserat von Nationalrat Dreher (ZH) im Alleingang lanciert worden war, distanzierten sich nicht nur die SVP, sondern auch das Präsidium und die Bundeshausfraktion der FPS von dieser Aktion [25].
Die Gegner der Initiative fanden sich in einem gemeinsamen Komitee zusammen, welchem sich 114 Parlamentarierinnen und Parlamentarier von CVP, FDP und SP anschlossen. Ihre relativ kurze Begründung für die Ablehnung der Initiative lautete, dass diese kontraproduktiv, unnötig, irreführend und gefährlich sei und zudem die Falschen treffe. Die Initiative beruhe auf längst überholten Zahlen von 1992; seit damals sei die Zahl der Asylgesuche stark gesunken und die durchschnittliche Verfahrensdauer massiv verkürzt worden. Die Tatsache, dass 85% der anerkannten Flüchtlinge illegal eingereist seien, zeige, dass die Art des Grenzübetritts kein Kriterium für die Beurteilung der Asylgesuche darstelle [26]. Rund zwei Wochen später konstituierte sich ein zweites, rein bürgerliches Nein-Komitee, welches sich in seiner Argumentation nicht wesentlich vom nationalen Komitee unterschied. Im CVP-Generalsekretariat, welches für die Abstimmungskampagne federführend war, wurde erläutert, dass es mit dem rein bürgerlichen Komitee darum gehe, vor allem bürgerliche Stimmbürger zu mobilisieren [27].
Auch Bundesrat Koller warnte, die SVP-Initiative sei widersprüchlich, überholt und unwirksam, ihre Annahme würde lediglich einen administrativen Leerlauf bewirken und dem Ruf der humanitären Schweiz schaden. Zudem würde sie der Eidgenosschenschaft praktisch verunmöglichen, dem Erstasylkommen der EU in einem Parallelabkommen beizutreten. Das Problem sei heute nicht die Zulassung neuer Asylbewerber, sondern der Gesetzesvollzug, da sich einzelne Heimatstaaten weigerten, abgewiesene Flüchtlinge wieder aufzunehmen [28].
Dass am ersten Dezembersonntag gleich zwei emotional befrachtete Vorlagen - neben der Asylinitiative noch das revidierte Arbeitsgesetz - zur Abstimmung gelangten, schlug sich in der hohen Stimmbeteiligung von fast 47% nieder. Das Resultat fiel relativ knapp aus. 53,7% der Stimmenden lehnten die Initiative ab, 46,3% stimmten ihr zu. Noch enger war die Differenz bei den Kantonen: 12 ablehnenden standen 11 befürwortende gegenüber. Vor allem die Romandie reagierte gar nicht gnädig auf die in Zürich ausgebrütete SVP-Initiative. Das deutlichste Resultat lieferte Genf, wo nur rund 30% Ja-Stimmen gezählt wurden. Basel-Stadt stimmte mit einem Nein-Anteil von knapp 60% einmal mehr ähnlich wie die Westschweiz. Abgelehnt wurde die Initiative auch von Zürich, Bern, Basel-Land, Zug, Obwalden, Appenzell-Ausserrhoden und Graubünden. Das Tessin und die restlichen Deutschschweizer Kantone stimmten zu, am deutlichsten die Kantone Schwyz und Appenzell-Innerrhoden mit knapp 60% Ja-Stimmen [29].
Volksinitiative "gegen die illegale Einwanderung"
Abstimmung vom 1. Dezember 1996

Beteiligung: 46,8%
Ja: 982 867 (46,3%) / 10 2/2 Stände
Nein: 1 138 301 (53,7%) / 10 4/2 Stände

Parolen:
- Ja: SVP (2*), SD, FP, EDU, KVP; RN.
- Nein: FDP (1*), CVP, SPS, GP, LP, LdU, EVP, PdA; SGB; Hotelier-Verein; Landeskirchen; AI, SFH, Bods, Asylkoordination Schweiz.

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Am Abend des Abstimmungssonntags äusserte Bundesrat Koller Genugtuung darüber, dass sich eine Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger vom Titel der Asylinitiative nicht habe verführen lassen und erkannt habe, dass das Anliegen der SVP letztlich menschenunwürdig gewesen sei und zur weiteren Isolation der Schweiz beigetragen hätte. Bei aller Freude über das Nein gelte es aber zur Kenntnis zu nehmen, dass ein bedeutender Teil der Bevölkerung der Initiative zugestimmt und damit unübersehbar eine deutliche Unzufriedenheit über die Ausländer- und Asylpolitik der Schweiz zum Ausdruck gebracht habe. Diese Unzufriedenheit hänge sicher damit zusammen, dass viele den Ausländeranteil in der Schweiz als zu hoch empfänden. Er werte das Abstimmungsergebnis deshalb als Aufforderung an den Bundesrat, den Zuwachs der ausländischen Bevölkerung weiter zu bremsen [30].
Gemäss der Vox-Analyse dieses Urnengangs ist das recht knappe Nein von rund 54% der Stimmenden in erster Linie als Erfolg der bundesrätlichen Abstimmungskampagne zu werten. Grosses Gewicht habe vor allem das Argument gehabt, die Initiative sei nicht wirksam. Die Parteibindung und die Orientierung der Stimmberechtigten entlang der Links-Rechts-Achse hatten offensichtlich einen wichtigen Einfluss auf das Stimmverhalten. 80% der SP-Sympathisanten sagten nein, 75% der SVP-Wähler stimmten zu. In dieser parteipolitisch polarisierten Konstellation war das Stimmverhalten in der bürgerlichen Mitte entscheidend. Die Analyse zeigte, dass die Wähler und Wählerinnen der CVP der offiziellen Parteiparole weitgehend folgten. Die Nein-Parole der FDP und der LP wurde von ihren Wählerinnen und Wählern hingegen nur teilweise befolgt (58% Neinstimmen) [31].
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Um die Ausgestaltung des Revision des Asylgesetzes kam es in der zuständigen Kommission des Nationalrates zu einem harten Ringen. Die Kommission entschied oftmals mit sehr knappem Stimmenverhältnis, und es wurden unzählige Minderheitsanträge deponiert. Vorderhand gutgeheissen wurde unter anderem die neue Kategorie der Schutzbedürftigen. Darunter sollen gemäss der Kommission nicht nur sogenannte Gewaltflüchtlinge fallen, sondern auch Personen aus Ländern, in denen die Menschenrechte systematisch verletzt werden. Am Flüchtlingsbegriff änderte die Kommission nichts; die Liste der ernsthaften Gefährdungen wurde aber um den Tatbestand der sexuellen Übergriffe ergänzt. Abgelehnt wurde der Antrag des Bundesrates, die Verantwortung für die Flüchtlinge von den Hilfswerken auf die Kantone zu übertragen. Einverstanden war die Kommission hingegen damit, die Fürsorgeleistungen künftig pauschal abzugelten [32].
Da sich angesichts der heftigen Kontroversen in der Kommission die Totalrevision weiter verzögerte, beantragte der Bundesrat dem Parlament, die Geltungsdauer der bis Ende 1997 befristeten dringlichen Bundesbeschlüsse über das Asylverfahren und über Sparmassnahmen im Asylbereich noch einmal um maximal zwei Jahre zu verlängern [33].
Im Anschluss an die Debatte über die Asylinitiativen behandelte der Nationalrat eine ganze Reihe von asylpolitischen Vorstössen, welche zum Teil bereits 1995 andiskutiert worden waren. Mehrere Vorstösse wurden zurückgezogen oder auch in der unverbindlicheren Form des Postulats abgelehnt. Als Postulat überwiesen wurde eine Motion der SVP-Fraktion, welche anregt, bei der Revision der Asylgesetzgebung die vom Bundesgericht als gesetzeswidrig taxierte Abweisung von Flüchtlingen ohne Ausweispapiere ins Gesetz aufzunehmen. Ebenfalls in der Postulatsform verabschiedet wurden eine Motion Bäumlin (sp, BE) zum besseren Schutz für unbegleitete minderjährige Asylbewerber, eine Motion Baumberger (cvp, ZH) zur Entlastung des Bundesgerichts von Entscheiden im Ausländer- und Asylrecht sowie einzelne Punkte einer Motion Stamm (fdp, AG) zur vermehrten Hilfe vor Ort. Trotz Widerstand von Steffen (sd, ZH) wurde ein Postulat Bühlmann (gp, LU) überwiesen, welches anregt, den im Vorjahr vorgelegten Migrationsbericht um einen Zusatzbericht zu ergänzen, der sich ausschliesslich und vertieft mit dem Aspekt der Integration beschäftigt [34].
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Bereits kurz nach der Unterzeichnung des Abkommens von Dayton machte sich Bundesrat Koller Gedanken darüber, wie und wann man die rund 21 000 Kriegsvertriebenen aus Bosnien, welche aufgrund einer vorläufigen Aufnahme oder einer Kurzaufenthaltsbewilligung in der Schweiz leben, in ihre Heimat zurückschicken könnte. Anfangs April entschied die Landesregierung, die ersten rund 8000 Flüchtlinge - Alleinstehende und kinderlose Ehepaare - sollten ab August stufenweise und vorerst auf freiwilliger Basis in ihre Heimat zurückkehren. Eine "Rückkehr auf Probe", die bei unerträglichen Verhältnissen eine Wiedereinreise in die Schweiz erlauben würde, und welche von einem überwiesenen Postulat Bäumlin (sp, BE) angeregt wurde, war dabei nicht vorgesehen, doch sollten ihnen Rückkehrhilfen gewährt und die Möglichkeit eröffnet werden, nach einer zweimonatigen Erkundungsreise in ihrer Heimat noch einmal in die Schweiz einzureisen, um die definitive Ausreise vorzubereiten. Für nicht rückkehrwillige Bosnier wurden hingegen Zwangsrepatriierungen nicht ausgeschlossen [35].
Nach Appellen des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR), von Hilfswerken und Einzelpersonen beschloss der Bundesrat dann aber, im Berichtsjahr keine Zwangsausschaffungen vorzunehmen. Er begründete seinen neuen Entscheid mit der unerwartet schlechten Entwicklung in Bosnien, weshalb auch alle anderen Aufnahmestaaten gemäss den Empfehlungen des UNHCR von einer verfrühten Rückführung abgesehen hätten. Insbesondere sei die Menschenrechtslage nach wie vor äusserst unbefriedigend, und die Heimkehrer könnten kaum erwarten, in ihre ehemaligen Unterkünfte zurückkehren zu können, da diese inzwischen von Flüchtlingen im Land besetzt worden seien. Eine zwangsweise Rückführung in sogenannt "sichere" Gebiete, also in solche mit muslimischer Mehrheit, würde hingegen der ethnischen Säuberung noch weiter Vorschub leisten. Der Bundesrat setzte aber weiterhin auf die freiwillige Rückkehr der vorläufig aufgenommenen Bosnier. Neben der bereits zugestandenen individuellen Rückkehrhilfe beschloss er, eine zusätzliche Wiedereingliederungshilfe auszurichten und lokale Strukturförderungsprogramme zu unterstützen, welche freiwillige Rückkehrer einbeziehen. Die Ausreisefrist für Alleinstehende und kinderlose Ehepaare wurde auf Ende April 1997 verlängert. Festgehalten wurde vorderhand an der für Familien geltenden Rückkehrfrist bis Ende August 1997 [36].
Anfangs Juli verlängerte der Bundesrat auch die Ausreisefrist für abgewiesene Asylbewerber aus dem Kosovo, da es immer noch nicht gelungen war, Belgrad zur Rücknahme seiner Bürger zu bewegen. Das Rückführungsabkommen mit Sri Lanka konnte im April verlängert werden, obgleich die Regierung in Colombo lange mit ihrer Unterschrift zögerte, da sie der Schweiz vorwarf, auf ihrem Territorium nicht genügend gegen die radikale Untergrundorganisation der "Tamil Tigers" vorzugehen [37].
Mit Flüchtlingen aus der Türkei - vor allem Kurden aus dem Osten des Landes - lief im März ebenfalls ein Projekt für eine freiwillige Rückkehr unter der Aufsicht der Migrationsorganisation der UNO (IOM) an. Das Projekt stiess unter den in der Schweiz lebenden Türken jedoch auf wenig Echo. Drei Monate nach dem Start waren erst 11 Personen freiwillig in die Türkei zurück gereist. Neu an diesem Projekt ist die periodische Kontaktaufnahme mit den Rückkehrern durch die IOM. Damit soll überprüft werden, ob diese Menschen in ihrer Heimat überhaupt wieder Fuss fassen können. In Zusammenarbeit mit dem IOM baute das BFF ab Oktober flächendeckend Beratungszentren auf, da sich gezeigt habe, dass eine freiwillige Rückkehr häufig am Mangel an Informationen scheitere [38].
Zum zweiten Mal seit 1987 übte das Anti-Folter-Komitee der UNO Kritik an der Asylpolitik der Schweiz, worauf diese die geplante Ausschaffung eines Kurden sistierte. Das Gremium warf den Schweizer Behörden mangelnde Sorgfalt, eine krasse Fehleinschätzung der Lage in der Türkei und damit einen Verstoss gegen Artikel 3 der Folterkonvention vor. Insbesondere der Hinweis der Schweiz, die Türkei habe diese Konvention ebenfalls unterzeichnet, weshalb man davon ausgehen könne, dass keine Folterungen mehr vorkämen, stiess auf Unverständnis. Das Komitee wies darauf hin, dass in der Türkei die Folter nach wie vor systematisch betrieben wird, weshalb man einem mutmasslichen Folteropfer kaum entgegenhalten könne, sein Land habe diese Konvention ratifiziert. Vor allem letztere Kritik sorgte bei den Schweizer Behörden für einige Unruhe, könnte sie doch als Umkehr der bisher geltenden internationalen Gepflogenheiten gedeutet werden, wonach der Gesuchsteller seine Gefährdung durch Folter beweisen muss. Das UNO-Komitee hingegen ging davon aus, dass es am ausweisenden Staat sei zu belegen, dass eine Folterung ausgeschlossen werden kann [39].
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Frauen
In der Frühjahrssession stimmte die kleine Kammer als Erstrat einstimmig der Ratifikation des UNO-Übereinkommens zur Beseitigung aller Diskriminierungen der Frauen mit den vom Bundesrat beantragten Vorbehalten zu. Gegen die Ratifikation des Abkommens wandten sich lediglich die Abgeordneten Schmid (cvp, AI) und Reimann (svp, AG) mit der Begründung, das Abkommen beeinträchtige die in der Schweiz gültige Rechtsordnung, weil einzelne Bestimmungen zu direkt anwendbarem Recht führten und damit dem Einfluss von Volk und Ständen entzogen würden. Die Juristin Beerli (fdp, BE) beruhigte ihre Kollegen und erklärte, die einzigen in der Konvention enthaltenen direkt anwendbaren Rechtsansprüche seien in der Schweiz bereits umgesetzt. Auch Bundesrätin Dreifuss unterstrich, dass mit der Ratifikation des Übereinkommens keine Ausweitung der Sozialrechte verbunden sei. Mit 31:7 Stimmen wurde der Antrag Schmid, die Konvention nicht zu unterzeichnen, dafür aber deren Grundsätze in einen allgemeinen Bundesbeschluss zu kleiden, abgelehnt [40].
Im Nationalrat war es der Thurgauer Gusset, der im Namen der FP argwöhnte, die Frauenkonvention sei wohl das Mittel, um sozialistische Anliegen wie das Recht auf Arbeit und die Mutterschaftsversicherung durch die Hintertür einzuführen. Vorbehalte brachten auch die Liberalen an, während die SVP sich eines Kommentars enthielt. Auch hier konterte Bundesrätin Dreifuss, die UNO-Konvention werde das politische Leben in der Schweiz nicht auf den Kopf stellen, sondern könne höchstens den Prozess zur Umsetzung der Gleichstellung von Frau und Mann in allen Lebensbereichen dynamisieren. Einig waren sich die Rednerinnen von CVP, FDP und SP, dass die Ratifizierung des Abkommens aus dem Jahr 1979 nun überfällig sei. Die Konvention wurde schliesslich mit 99 gegen 22 Stimmen und bei 14 Enthaltungen gutgeheissen [41].
Im Nachgang zur UNO-Frauenkonferenz von Peking schlossen sich 24 Gruppierungen aus dem Bereich der nicht-staatlichen Organisationen zur Umsetzung der in Peking beschlossenen Aktionsplattform zusammen. Sie riefen die "NGO-Koordination post Beijing Schweiz" ins Leben. Ziel der Dachorganisation ist die nationale und internationale Vernetzung, der Austausch von Erfahrungen und Informationen und der gemeinsame Auftritt gegenüber Dritten. Die Umsetzungsarbeit soll hingegen in den Organisationen selbst erfolgen. Aber nicht nur die nicht-staatlichen Organisationen bemühten sich um die Konkretisierung der in Peking gefassten Beschlüsse. Auch der Bundesrat setzte eine interdepartementale Gruppe ein, die den Auftrag hat, eine nationale Aktionsplattform auszuarbeiten [42].
Die rund 250 ausserparlamentarischen Kommissionen des Bundes sollen verkleinert, verjüngt und vermehrt mit Frauen besetzt werden. Mit dieser Zielsetzung erliess die Landesregierung auf den 1. Juli eine entsprechende Verordnung. Beträgt der Anteil der Frauen weniger als die bereits 1992 stipulierten 30%, so verlangt die Bundeskanzlei neu vom zuständigen Departement eine schriftliche Begründung [43]. Die erste Kommission, die nach den neuen Vorgaben zusammengesetzt wurde, ist die Zivildienstkommission. Sie wird zwar von einem Mann präsidiert (alt Nationalrat Anton Keller, cvp, AG), doch beträgt ihr Frauenanteil gut 48% [44].
Nach einem Parlamentsbeschluss vom Herbst 1992, welchem sich der Bundesrat im Sommer 1993 anschloss, sollen Erlasse und andere Texte des Bundes in ihrer deutschen Fassung auf kreative Weise geschlechtsneutral und gleichzeitig lesbar abgefasst werden. Im Sinn einer Hilfestellung publizierte die Bundeskanzlei Mitte Januar einen Leitfaden, der den Grundsatz der sprachlichen Gleichberechtigung in Erinnerung rief und konkrete Tips und Beispiele zu dessen Umsetzung anbot. Der Sprachdienst der Bundeskanzlei bietet zudem eine Beratung an, und in den Ausbildungskursen des Personalamts wird geschlechtergerechtes Formulieren ebenfalls ein Thema sein. Für das Französische und das Italienische ist kein entsprechender Leitfaden vorgesehen. Der Verzicht wurde damit begründet, dass linguistische Eigenarten dieser Idiome und eine gesellschaftlich und kulturell bedingte geringere Sensibilisierung für das Problem in den lateinischen Sprachgemeinschaften es verunmöglichten, die Empfehlungen telles quelles auf alle Amtssprachen zu übertragen [45].
Der 5. Schweizerische Frauenkongress, der vom 19. bis 21. Januar in Bern stattfand, und an dem weit über 2000 Frauen aus allen Landesteilen sowie allen politischen, sozialen, kirchlichen und kulturellen Kreisen teilnahmen, stand unter dem Motto "L'avenir au féminin - Visionen unserer Zukunft - donne 2099". Den Auftakt der Veranstaltung machte Bundesrätin Ruth Dreifuss mit einer Rede, in der sie insbesondere die Rolle des Staates bei der Verwirklichung der Gleichstellung herausstrich. Nötig seien eine Feminisierung des Staates und mehr Frauen in allen Institutionen. Bei der Frauenförderung gehe es nicht darum, Frauen zu bevorzugen, sondern nicht länger systematisch Männer vorzuziehen. Herzstück des Kongresses waren 80 Workshops, die in vier Foren die Themen "Offene Schweiz - globale Verantwortung", "Neue Lebens- und Arbeitsformen", "Soziale Sicherheit im 21. Jahrhundert" und "Gewaltfreie Gesellschaft" diskutieren. Zum Abschluss wurden in einer Plenarversammlung knapp 80 Resolutionen verabschiedet. Als vordringlich wurde die Einführung einer Mutterschaftsversicherung für alle Frauen gefordert. Verlangt oder zumindest angeregt wurden ein flexibles Rentenalter mit ungekürztem Rentenanspruch, die gerechtere Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, die Aufwertung der Familienbetreuung, die Förderung der Friedensforschung, die finanzielle Unterstützung der Frauenhäuser, die Aufhebung der Verjährung bei sexueller Ausbeutung, die Ratifikation der UNO-Konventionen über Frauen- und Kinderrechte sowie der Beitritt zu UNO und EU [46].
Mehr als eine von fünf Frauen hat während ihres Lebens unter physischer oder sexueller Gewaltanwendung durch ihren Lebenspartner gelitten. Dies ergab die Auswertung einer im Rahmen des Nationalen Forschungsprogrammes "Frauen in Recht und Gesellschaft" durchgeführten Studie, die sich auf die Befragung von 1500 Frauen stützte. Gewalt in Paarbeziehungen ist an keine sozialen Grenzen gebunden [47].
Für eine Studie zum Gesundheitszustand der Frauen in der Schweiz siehe oben, Teil I, 7b (Gesundheitspolitik).
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Aus Anlass des 25. Jahrestages seit Einführung des Stimm- und Wahlrechts der Frauen auf Bundesebene untersuchte ein politologisches Forschungsinstitut Unterschiede im Wahl- und Abstimmungsverhalten zwischen Frauen und Männern. Die Auswertung listete 14 Abstimmungen auf, bei denen das Geschlecht den Ausschlag für ein Ja oder ein Nein gab. Die Erfolgsquote ist ausgeglichen: Siebenmal setzten sich die Frauen und siebenmal die Männer durch. Viermal erkämpften die Frauen ein Ja, nämlich beim neuen Ehe- und Erbrecht, dem Kernkraftmoratorium, der Alpeninitiative und dem Antirassismusgesetz. Dreimal gaben Frauenmehrheiten den Ausschlag zu einem Nein: bei der Fristenlösung, der Herabsetzung des Stimm- und Wahlrechtsalters auf 18 Jahre (1979) und der Lockerung der Lex Friedrich (1995). Umgekehrt siegten die neinsagenden Männer beim Ausstieg aus der Atomenergie (1990), bei Atom- und Energieinitiativen (1979 und 1984), beim einem liberaleren Ausländergesetz (1982), der Kleinbauerninitiative, der Waffenplatzinitiative und der Initiative "Weg vom Tierversuch" gegen Ja-Mehrheiten der Frauen. Unterschiede wurden aber auch dort deutlich, wo sie auf das Abstimmungsergebnis keinen Einfluss hatten. Die Rekordabweichung wurde beim Werbeverbot für Tabakwaren erreicht, wo 18% mehr Frauen zustimmten.
Die Autoren der Studie konstatierten seit der Mitte der achtziger Jahre einen Trend der Frauen zu eigenständigerem Stimmverhalten. Frauen hätten den Wertewandel hin zu vermehrter Ökologie und zum Schutze des Menschen schneller und nachhaltiger vollzogen als die Männer. Dies zeige sich insbesondere bei ethischen Forderungen, sowie in der Sicherheits- und Ausländerpolitik. Das Nein der Frauen zur Lockerung der Lex Friedrich erklärten sie weniger mit fremdenfeindlichen denn mit ökologischen Motiven.
Bei den Wahlen liessen sich geringere Unterschiede zwischen den Geschlechtern feststellen. Wie eine Auswertung der eidgenössischen Wahlen von 1995 zeigte, wurden nur gerade die Grünen häufiger von Frauen als von Männern gewählt. Interessant waren die geringen Unterschiede bei den Regierungsparteien. 45% der SP-Wählerschaft waren Frauen; 44% waren es auch bei der SVP, obwohl im Parlament weit mehr SP- als SVP-Frauen sitzen. Nach Meinung der Politologen ist dies ebenfalls Ausdruck eines qualitativen Wandels. Im rot-grünen Lager sei es inzwischen mehrheitsfähig geworden, Frauen gleichberechtigten Raum zuzugestehen. Rechtsstehende Parteien zögen hingegen Wählerinnen an, die beim traditionellen Rollenverständnis bleiben wollten [48].
Der Regierungsrat des Kantons Solothurn erachtete die im Vorjahr eingereichte "Initiative 2001", welche eine gleich starke Vertretung der Frauen und Männer in allen Behörden des Kantons verlangte, als verfassungswidrig, da sie mit dem Diskriminierungsverbot kollidiere, die Männer benachteilige, und den Grundsatz des allgemeinen Stimm- und Wahlrechts verletze. Der Kantonsrat folgte dieser Argumentation und erklärte die Initiative für ungültig, worauf die Initiantinnen Beschwerde beim Bundesgericht einreichten [49].
In ihrer Vernehmlassung zur Totalrevision der Bundesverfassung sprach sich die Eidg. Frauenkommission deutlich für die Einführung von Quotenregelungen als Übergangslösung aus. Es genüge nicht, die Gleichstellung rein formal festzuschreiben, dabei aber keine Massnahmen vorzusehen, welche die immer noch real existierende Benachteiligung der Frauen abbauten [50].
Die Medienpräsenz der Kandidatinnen im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen war auch 1995 im Vergleich zu ihren männlichen Konkurrenten unterproportional. Dennoch konnten sich die Frauen im Wahlkampf besser profilieren als noch vier Jahre zuvor. Dies zeigte eine Studie, welche von der Eidg. Frauenkommission in Auftrag gegeben wurde. Untersucht wurden für die Zeit vom 11. September bis 21. Oktober 1995 nach Sprachregionen ausgewählte Printmedien sowie die Sendegefässe von Schweizer Fernsehen und Radio. Bei 5057 Namensnennungen in fünf Deutschschweizer Zeitungen entfielen 27% auf Kandidatinnen und 73% auf Kandidaten, obgleich die Frauen 36% aller Kandidierenden in der Deutschschweiz ausmachten. Parteibezogen erreichten die SP-Kandidatinnen die meisten Nennungen, gefolgt von jenen der FDP. Besser sah es in der Romandie aus, wo rund 34% der Nennungen auf Frauen entfielen.
Quantitativ geschlechtergerecht verhielt sich Radio DRS 1, in dessen Sendungen die Frauen 36% der Redezeit erhielten, wobei hier sogar mit der Berner Ständeratskandidatin Christine Beerli (fdp) eine Frau deutlich am längsten das Wort hatte. Anders verhielt es sich bei der Radio Suisse romande La Première, wo den Frauen nur gerade 25% Antennenpräsenz vergönnt war. Schlecht kamen die Kandidatinnen auch beim Fernsehen weg (23% in der Deutschschweiz und 27% in der Romandie). Insbesondere FS DRS bat mit Vorliebe bestandene männliche Politprominenz vor die Kamera. Hinter Bodenmann rangierten neben dem Zürcher SVP-Mann Blocher die Vorsitzenden der drei bürgerlichen Bundesratsparteien an der Spitze. Erst als sechste folgte Monika Weber, vor Spoerry als achter und der Zürcher Grünen Verena Diener als neunter [51].
Mit 142 von 162 Stimmen wurde die Luzernerin Judith Stamm klar zur Präsidentin des Nationalrates für 1997 gewählt. Als CVP-Vertreterin, die seit 1983 im Nationalrat sitzt, übernimmt sie als vierte Frau das Amt als höchste Schweizerin [52].
Zu den Resultaten der Frauen bei kantonalen Wahlen siehe oben, Teil I, 1e. Für eine Basisbefragung der SVP zur Frauenpolitik vgl. unten, Teil IIIa (SVP).
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Am 1. Juli des Berichtsjahres trat das neue Gleichstellungsgesetz in Kraft. Sowohl das Eidg. Gleichstellungsbüro wie auch der Gewerkschaftsbund veröffentlichten aus diesem Anlass Publikationen, welche das Gesetz präzisieren resp. Anleitungen zur Bewertung von Arbeitsplätzen anbieten. Zu der von Arbeitgeberseite während der parlamentarischen Beratung des Gesetzes prognostizierten Flut von Lohngleichheitsklagen führte das neue Gesetz allerdings nicht [53].
Anfangs Oktober fällte das Zürcher Verwaltungsgericht das erste Urteil, das sich auf das neue Gesetz abstützt. Das Gericht entschied, dass der Kanton Zürich 16 Handarbeits- und zehn Hauswirtschaftslehrerinnen, die auf Lohndiskriminierung geklagt hatten, rückwirkend ab 1991 mehr Lohn zu bezahlen sowie künftig die beiden Berufsgruppen generell eine Lohnklasse höher (auf Stufe Primarschullehrkräfte) einzustufen habe. Bei diesem Prozess kam erstmals der Grundsatz der Beweislastumkehr zum Zug, wonach Arbeitnehmende nur den Verdacht der Diskriminierung glaubhaft machen müssen, worauf es dann an der Arbeitgeberseite ist, diese Behauptung zu entkräften [54].
Von der Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt kann trotz Verbesserungen nach wie vor keine Rede sein. Dies hielt das Bundesamt für Statistik (BFS) in einer am fünften Jahrestag des Frauenstreiks von 1992 veröffentlichten Bilanz fest. Dieser Tag war von den Gewerkschaften zum "Tag der Lohntransparenz" proklamiert worden (siehe oben, Teil I, 7a, Löhne). Das BFS ortete markante geschlechtsspezifische Unterschiede im Erwerbsleben, in der Haushaltarbeit, aber auch in Bildung und Politik. Das Erwerbseinkommen der Frauen ist weiterhin tiefer als dasjenige der Männer. Mehr als die Hälfte der vollzeitlich erwerbstätigen Frauen verdienen jährlich weniger als 52 000 Fr. brutto. In dieser Kategorie befindet sich aber nur ein Fünftel der Männer. Bei den oberen Einkommenskategorien verhält es sich gerade umgekehrt. Fast ein Viertel der Männer verdient über 78 000 Fr. brutto im Jahr, jedoch nur 6,5% der Frauen. Während ein Drittel der Männer eine leitende Funktion ausübt, ist es bei den Frauen nur ein Sechstel. Die Erwerbslosigkeit belief sich 1995 bei Männern auf 2,8%, bei Frauen hingegen auf 3,9%. Die Hausarbeit wird weiterhin grösstenteils von Frauen verrichtet: 63% der befragten Frauen gaben an, allein dafür verantwortlich zu sein. Frauen investieren durchschnittlich 23 Stunden pro Woche in den Haushalt, Männer dagegen weniger als 10 Stunden. Die Beteiligung der Männer an der Hausarbeit hängt aber auch vom Bildungsgrad der Männer ab: je höher dieser ist, desto mehr sind sie bereit, ihren Beitrag an Kindererziehung und Hausarbeit zu leisten [55].
Frauen verdienen selbst bei gleicher Ausbildung und gleichem Lebens- und Dienstalter immer noch weniger als ihre männlichen Arbeitskollegen auf gleicher Funktionsstufe. Dies ergab eine Bestandesaufnahme der Gehälter von über 5000 Angestellten der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA). Die SKA führte diese Erhebung der Löhne bereits zum vierten Mal durch. In der aktuellen Untersuchung hatten sich die Lohnunterschiede zwar verringert, waren jedoch noch nicht vollständig ausgeräumt. Einen Grund sah die SKA in den individuellen Lohnverhandlungen, bei denen sich Männer aggressiver und fordernder verhalten als Frauen [56].
Eine vom Gleichstellungsbüro der Stadt Genf in Auftrag gegebene Studie bestätigte ebenfalls diese Zahlen. Demnach verdienen die Frauen in der Stadt Genf durchschnittlich 1032 Fr. weniger pro Monat als ihre männlichen Kollegen. Gemäss dem Autor der Untersuchung gehen 40% dieses Unterschiedes auf das Konto der geschlechtsspezifischen Diskriminierung. Objektiver Hauptgrund für die Unterschiede ist aber nach wie vor die unterschiedliche Ausbildung. Das wirkt sich während der gesamten Berufskarriere auf die Lohnentwicklung aus: Bei den Männern führt jedes zusätzliche Berufsjahr zu einer Lohnerhöhung von 2,4%, bei den Frauen hingegen lediglich zu einer Zunahme von 1,9%. Frauen haben auch die geringeren Aufstiegschancen: Während 11% der Männer zum höheren Kader gehören, sind es bei den Frauen nur 2,8%. Aber selbst diese wenigen Frauen erhalten im Durchschnitt einen niedrigeren Lohn als die Männer in vergleichbarer Position [57].
Als schweizerische Premiere erliess die Schuldirektion der Stadt Bern Richtlinien zur Anrechenbarkeit der Familienarbeit. Die mit externen Fachleuten ergänzte Arbeitsgruppe Frauenförderung erstellte einen Raster, der angibt, wie Erfahrungen in der Familien- und Betreuungsarbeit sowie in anderen ausserberuflichen Tätigkeiten in Dienstjahre umgerechnet und damit lohnwirksam werden können. Diese Richtlinien traten auf den 1. Februar des Berichtsjahres in Kraft und sollen zunächst in der Städtischen Schuldirektion erprobt und bei der Festsetzung der Anfangslöhne von Wiedereinsteigerinnen angewendet werden. Wenn sie sich bewähren, sollen sie später auf weitere Direktionen der Stadtverwaltung ausgedehnt werden [58].
Frauen wählen nach wie vor typische "Frauenberufe". Diese Tendenz stellte das Bundesamt für Statistik (BFS) in einer neuen Studie über die Berufswahl fest. Zwischen 1970 und 1990 stieg der Anteil der Frauen an der Gesamtheit der erwerbstätigen Personen zwar von 33,8 auf 38,0%, die Konzentration auf die fünf häufigsten Frauenberufsgruppen lag aber immer noch bei 57%. An erster Stelle standen die Büroberufe vor dem Beruf der Verkäuferin und jenem der Krankenschwester. Einzig in den akademischen Berufen gelang es den Frauen, verstärkt in Männderdomänen vorzudringen. Im Vergleich zu 1970 gab es 1990 mehr Ärztinnen (23% gegenüber 13,9%), Anwältinnen (14,1% / 3,7%) und Bundesbeamtinnen (12,9% / 5,7%) [59].
Anhand der Daten der Volkszählung von 1990 untersuchte das BFS auch die regionalen Unterschiede bezüglich der Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Im Landesdurchschnitt gehören 14,9% der Männer, aber nur 5% der Frauen einer höheren sozioprofessionellen Kategorie an; bei den ungelernten Arbeitnehmern ist hingegen der Anteil der Frauen deutlich höher (24,4%) als bei den Männern (15,7%). In elf Regionen (Jura, Freiburg und einzelne Gebiete in den Voralpen) übersteigt der Anteil der ungelernten Frauen die 36%-Grenze, bei den Männern hingegen in keiner einzigen Region [60].
Ein Postulat Aeppli (sp, ZH), welches den Bundesrat bittet, den Räten einen Bericht über die gesamtgesellschaftlich geleistete bezahlte und unbezahlte Arbeit und ihre Aufteilung zwischen Frauen und Männern vorzulegen und konkrete Massnahmen vorzuschlagen, die zu einer gerechteren Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit beitragen, wurde vom Nationalrat stillschweigend angenommen [61].
Eine von der Schweizerischen Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten und dem VPOD in Auftrag gegebene Studie zeigte, dass die Sparpolitik von Bund, Kantonen und Gemeinden wesentlich zulasten der Frauen geht, die in Teilzeitstellen und ehrenamtliche Arbeit abgedrängt werden, und deren Anteil am gesamten Erwerbseinkommen in den letzten Jahren gesunken ist [62].
Für weitere Aspekte der Stellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt siehe oben, Teil I, 7a (Arbeitsmarkt, Löhne und Arbeitszeit).
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Familienpolitik
Gegen den Willen von Bundesrätin Dreifuss, welche den Vorschlag als zu ambitioniert und als zu starke Belastung für die Verwaltung bezeichnete, nahm der Nationalrat in der Herbstsession nach kurzer Diskussion mit 79 zu 50 Stimmen eine Motion der CVP-Fraktion an, welche verlangt, dass inskünftig alle Gesetze auf ihre Familienverträglichkeit überprüft werden müssen [63].
Die im Vorjahr von Bundesrätin Dreifuss eingesetzte Koordinationskommission für Familienfragen nahm ihre Arbeit auf und setzte prioritäre Themenschwerpunkte ihrer zukünftigen Tätigkeit. Als erstes wird sie sich mit den Auswirkungen von Erwerbslosigkeit und Armut auf Familien beschäftigen. Ein zweites Thema stellt die Anwendung der Verwandtenunterstützungspflicht nach Art. 328 f. ZGB durch die kantonalen und kommunalen Sozialdienste dar. Ein drittes Arbeitsgebiet bildet schliesslich der 1982 vom Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) veröffentlichte Bericht "Familienpolitik in der Schweiz", der auf seine aktuelle Gültigkeit hin überprüft werden soll [64].
Der Bundesrat nahm Ende Oktober einen vom BSV in Auftrag gegebenen Bericht "Familien mit alleinerziehenden Eltern" zur Kenntnis, der auf ein 1989 eingereichtes Postulat Segmüller (cvp, SG) zurückgeht. Der Bericht zeigte, dass in der Schweiz bei den Haushaltungen mit nur einem Elternteil in den letzten Jahren kein rascher Anstieg zu verzeichnen war. Heute setzen sich rund 83 000 Haushalte aus nur einem Elternteil und einem oder mehreren Kindern unter 20 Jahren zusammen. Hauptgrund für die Einelternsituation ist eine Scheidung oder eine Trennung. Die freiwillige aussereheliche Lebensgemeinschaft eines Elternteils mit seinen Kindern oder der Tod des Ehegatten sind weit weniger verbreitet. 85% der Einelternhaushalte werden von Frauen geführt. Die wirtschaftliche Situation von Einelternhaushalten ist oft prekär. Die finanzielle Lage dieser Familien hängt im Einzelfall von der materiellen und beruflichen Stellung sowie vom Grund ab, der zur Einelternfamilie geführt hat. Ein entscheidendes Problem stellt die ausserhäusliche Kinderbetreuung dar. Der Bericht kam einmal mehr zum Schluss, dass hier die dafür vorgesehenen Strukturen ungenügend sind [65].
Im Sommer 1995 hatte das EDI das Vernehmlassungsverfahren zu einem Entwurf der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates für ein Bundesgesetz über die Familienzulagen eröffnet. In Anwendung des Grundsatzes "ein Kind - eine Zulage" hätten gemäss diesem Entwurf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Selbständigerwerbende und Nichterwerbstätige Anspruch auf eine ganze Zulage für jedes Kind. Bezüglich der Höhe der Zulage wurden verschiedene Varianten zur Diskussion gestellt. Wie erwartet, fielen die 101 eingegangenen Stellungnahmen kontrovers aus. 11 Kantone (darunter der Kanton Tessin sowie alle Kantone der Romandie ausser der Waadt), die SP, die Gewerkschaften, Pro Juventute und Pro Familia sowie weitere Organisationen sprachen sich für eine bundesrechtliche Lösung aus. Die CVP stimmte grundsätzlich zu, erachtete aber den Zeitpunkt als ungeeignet und wollte in erster Priorität die Mutterschaftsversicherung realisieren. 15 Kantone, FDP, SVP, LP und FP sowie die Spitzenverbände der Arbeitgeber lehnten die Vorschläge pauschal ab. Als Hauptargument führten die Gegner ins Feld, die Sicherung des im Sozialversicherungswesen Erreichten habe Vorrang vor einem weiteren Ausbau; eine zusätzliche Belastung der Schweizer Wirtschaft sowie der Finanzhaushalte des Bundes und der Kantone mit weiteren Sozialabgaben resp. -leistungen sei nicht verkraftbar [66]. Dass der Nationalrat dem Gedanken der einheitlichen Familienzulagen nach wie vor nicht abgeneigt ist, zeigte sich bei der Behandlung einer Motion Dünki (evp, ZH) auf Harmonisierung und Erhöhung der Familienzulagen, welche angesichts der anstehenden Entscheide jedoch nur in der Postulatsform überwiesen wurde [67].
Der Kanton Tessin führte ein neues Familienzulagengesetz ein, das bedürftigen Familien mit Kindern unter drei Jahren existenzsichernde Familienzulagen garantiert. Der Grundgedanke hinter dem neuen Gesetz, das ab Juli 1997 in eine vierjährige Versuchsphase tritt, ist, dass die Geburt eines Kindes nicht Grund für Armut sein darf. Das neue System zeichnet sich durch zwei Elemente aus: Einerseits erhalten einkommensschwache Familien gezielte und massgeschneiderte Hilfe, andererseits entstehen durch ausgeklügelte finanztechnische Umlagerungen (Einsparungen bei der Sozialhilfe, verminderter Teuerungsausgleich auf den generellen Kinderzulagen) keine Mehrkosten für den Staat, und auch die Arbeitgeber werden nicht zusätzlich zur Kasse gebeten [68].
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Bei der Auflösung einer Ehe soll es künftig keine Schuldigen mehr geben. Diese Stossrichtung des neuen Scheidungsrechts, welches das geltende Gesetz aus dem Jahr 1907 ablösen soll, fand im Ständerat breite Zustimmung. In der Detailberatung nahm der Ständerat nur geringfügige Änderungen am Vorschlag des Bundesrates vor. Gegen den Willen der Landesregierung strich er die Verpflichtung für die Kantone, den scheidenden Ehepartnern Mediationsstellen zur Verfügung zu stellen. Die Bedeutung solcher Vermittlungsstellen im Scheidungsverfahren wurde zwar nicht bezweifelt, doch wollten die Standesvertreter den Kantonen keine neuen Pflichten aufbürden. Abweichend von Bundesrat und Kommission beantragte Forster (fdp, SG), die zweite Anhörung der Scheidungswilligen nach einer Bedenkfrist von zwei Monaten ersatzlos aufzuheben. Mit 26 zu 6 Stimmen nahm der Rat in diesem Punkt aber den Kompromissvorschlag seiner Kommission an, wonach die Ehegatten ihre Scheidungsabsicht zwei Monate nach der ersten Anhörung durch den Richter noch einmal bestätigen müssen, allerdings nur in schriftlicher Form. In der Gesamtabstimung wurde das neue Scheidungsrecht einstimmig angenommen.
Im Zuge dieser Revision wurden auch die Bestimmungen über die Eheschliessung im Zivilgesetzbuch (Art. 90 ff. ZGB) angepasst. Dabei machten sich Brunner (sp, GE) und Schmid (cvp, AI) in einer ungewohnten Allianz dafür stark, das Verbot einer religiösen Eheschliessung vor der Ziviltrauung abzuschaffen. Sie argumentierten, dieses Verbot sei ein Relikt aus der Zeit des Kulturkampfes. Bundesrat Koller bestritt diesen Zusammenhang nicht, wollte aber dennoch daran festhalten, da insbesondere Ausländerinnen und Ausländer oft dem Irrtum erlägen, sie seien nach einer religiösen Trauung mit allen Rechten und Pflichten verheiratet, was besonders beim Tod eines Partners schwerwiegende Folgen haben könne. Der Rat gab aber der Überwindung des Kulturkampfes den Vorrang und beschloss mit 21 zu 10 Stimmen die Aufhebung des Verbots. Gleichzeitig wurde auch das obligatorische Eheverkündigungsverfahren abgeschafft und durch ein einfacheres Vorbereitungsverfahren ersetzt [69].
Im Anschluss an diese Beratung nahm der Ständerat diskussionslos eine Motion seiner Rechtskommission an, welche den Bundesrat beauftragt, im Hinblick auf das Inkrafttreten des neuen Rechtes eine Broschüre über Eheschliessung und Eherecht zu verfassen. Diese soll den Verlobten bei ihrer Anmeldung im Zivilstandsamt unentgeltlich abgegeben werden [70].
Eine im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 35 ("Frauen in Recht und Gesellschaft") durchgeführte empirische Studie kam zum Schluss, dass die Frauen nach einer Scheidung materiell überwiegend schlechter dastehen als ihre Ex-Gatten. Das trifft ganz besonders auf jene Frauen zu, die während der Ehe nicht oder nur geringfügig erwerbstätig waren. Die Studie stellte fest, dass die finanziellen Auswirkungen und die jeweilige Belastung der Frau oder des Mannes stark mit der Einstellung der einzelnen Gerichte zur Gleichstellungsfrage zusammenhängen [71].
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Als letzter Kanton hob das Wallis das noch bestehende Verbot des Konkubinats auf, womit diese Form des Zusammenlebens in der ganzen Schweiz nicht mehr unter Strafe gestellt werden kann [72].
Der Bundesrat soll prüfen, wie die rechtlichen Probleme gleichgeschlechtlicher Paarbeziehungen beseitigt werden können. Bei der Behandlung einer diesbezüglichen, 1995 eingereichten Petition, beschloss der Nationalrat mit 68 gegen 61 Stimmen ein entsprechendes Postulat seiner Rechtskommission. Der Bundesrat war aber kurz zuvor auch schon von sich aus tätig geworden und hatte das Bundesamt für Justiz mit der Erstellung eines Berichts beauftragt, der die verschiedenen gesetzlichen Möglichkeiten aufzeigen soll, nach denen nicht konventionell verheiratete Paare zusammenleben. Die ebenfalls im Vorjahr eingereichte Petition aus EDU-Kreisen für die Förderung "gesunder" Familien und gegen die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare wurde in seiner Hauptstossrichtung klar mit 92 zu 30 Stimmen abgelehnt; einzig der unbestrittene Teil der Petition (Schutz von Familie und Ehe) wurde dem Bundesrat zur Kenntnisnahme überwiesen [73].
Als erste evangelisch-reformierte Kantonalkirche will jene von St. Gallen die homosexuelle Lebensparnerschaft vorbehaltlos anerkennen und kirchlich segnen. In einem Bericht, der von interessierten Kreisen als einzigartig für eine Amtskirche in der Schweiz und im gesamten deutschsprachigen Raum bezeichnet wurde, kamen die Kirchenvertreter zur Überzeugung, dass kein theologischer Grund dagegen spricht, Menschen, die ernsthaft zusammenleben wollen, in einer gottesdienstlichen Feier zu segnen. Homosexuelle Mitmenschen seien zu ermutigen, sich zu ihrer Homosexualität zu bekennen und eine möglichst ganzheitliche und stabile Partnerbeziehung anzustreben. Eine Kommission wurde beauftragt, entsprechende Änderungen der Kirchenordnung vorzubereiten [74].
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Die Rechtskommission des Nationalrates hiess mit 15 zu 5 Stimmen eine Änderung der Artikel 118-121 des Strafgesetzbuches gut, welche einen Schwangerschaftsabbruch in den ersten 14 Wochen und unter ärztlicher Aufsicht erlauben würde. Ein später vorgenommener Abbruch soll dann straffrei bleiben, wenn er praktiziert wird, um einen schweren körperlichen oder seelischen Schaden von der Frau abzuwenden. Den Anstoss zur Gesetzesrevision hatte eine parlamentarische Initiative Haering-Binder (sp, ZH) gegeben, welche der Nationalrat 1995 angenommen hatte.
Auf Antrag des Bundesrates lehnte der Nationalrat eine Motion Zwygart (evp, BE) ab, welche die Landesregierung verpflichten wollte, durch geeignete Massnahmen dafür zu sorgen, dass die Abtreibungspille RU486 in der Schweiz nicht zugelassen wird [76].
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Kinder
Der Ständerat behandelte als Erstrat die Ratifikation der UNO-Konvention über die Rechte des Kindes. Dieses Abkommen konkretisiert die beiden UNO-Menschenrechtspakte für die Lebensbereiche des Kindes, wobei grundsätzlich jeder Mensch bis zum 18. Altersjahr als Kind gilt. Die schweizerische Rechtsordnung genügt in weiten Teilen den Anforderungen des Übereinkommens. Wo das nicht der Fall ist (Recht auf Familiennachzug für die Kinder ausländischer Wanderarbeitnehmer, Trennung von Jugendlichen und Erwachsenen im Strafverfahren und -vollzug, Bürgerrecht) hatte der Bundesrat bereits in seiner Botschaft punktuelle Vorbehalte beantragt [77].
Die Debatte in der kleinen Kammer hatte über weite Strecken wenig bis nichts mit dem Schutz der Kinder zu tun, wohl aber mit generellen juristischen Überlegungen. Schmid (cvp, AI) beantragte dem Rat, auf die Vorlage überhaupt nicht einzutreten. Er drückte sein Unbehagen über das zunehmende Einfliessen von direkt anwendbaren völkerrechtlichen Bestimmungen in die schweizerische Rechtsordnung aus. Zudem machten ihm einzelne Bestimmungen der Konvention Angst. Sie seien dazu angetan, die elterliche Gewalt auszuhöhlen und würden zu einer verstärkten Einmischung der Kinderschutzorganisationen und der Gerichte in innerfamiliäre Belange führen. Diesen Ausführungen hielt Beerli (fdp, BE) entgegen, die Schweiz verfüge schon heute über einen umfassenden Kinderschutz, weshalb der Beitritt zur Konvention keine Änderung des innerstaatlichen Rechts erfordere. Das Abkommen äussere sich nicht zu Erziehungsmitteln und -grundsätzen, und das Gleichgewicht zwischen Führungsanspruch der Eltern und Rechten der Kinder bleibe unangetastet. Der Nichteintretensantrag unterlag schliesslich mit 35 zu 4 Stimmen.
Wenn die Ratifizierung schon nicht abzuwenden war, so wollte Schmid, unterstützt von Reimann (svp, AG), Wicki (cvp, LU), Frick (cvp, SZ) und einigen weiteren Ratskollegen, die Konvention zumindest mit einem generellen Vorbehalt versehen. Danach sollte die Schweiz erklären, dass das Übereinkommen innerstaatlich keine direkte Anwendung findet. Aus den bereits in der Eintretensdebatte angeführten Gründen verneinte die Mehrheit des Rates die Notwendigkeit eines derartigen Vorgehens. Bundesrat Cotti und Kommissionssprecher Danioth (cvp, UR) machten auf die internationalen Implikationen eines generellen Vorbehalts aufmerksam. Insbesondere Cotti erklärte, der Aufschub der Ratifikation habe dem Ansehen der Schweiz im Ausland bereits erheblich geschadet. Auch in diesem Punkt konnte sich der Antrag Schmid - obgleich etwas weniger deutlich - mit 30 zu 9 Stimmen nicht durchsetzen.
Ganz auszuräumen vermochten die Befürworter der Vorlage die Bedenken der konservativen Kreise des Rates dennoch nicht. In der Detailberatung nahm der Ständerat auf Antrag seiner Kommission einen weiteren punktuellen Vorbehalt an, wonach die Gesetzgebung über die elterliche Sorge Vorrang gegenüber der Konvention hat. Vergeblich plädierten die beiden Freisinnigen Forster (SG) und Leumann (LU) dafür, diesen Vorbehalt nicht einzufügen. Er erwecke erst den Eindruck, dass es zwischen dem schweizerischen Verständnis der elterlichen Gewalt und der Konvention einen Widerspruch gebe, was dem internationalen Image der Schweiz nur Schaden zufügen könne. Der Rat zog es aber mit 28 zu 9 Stimmen vor, "ein innenpolitisches Zeichen zu setzten". Die bereits vom Bundesrat vorgeschlagenen Vorbehalte waren unbestritten, weshalb die Vorlage schliesslich mit 37 zu 1 Stimmen angenommen wurde. Ein letzter Versuch, die Konvention vielleicht später doch noch zu kippen, nämlich ein Minderheitsantrag Reimann / Schmid auf Unterstellung unter das fakultative Staatsvertragsreferendum unterlag mit 34 zu 7 Stimmen [78].
Trotz der Zustimmung des Rates zu den Vorbehalten des Bundesrates beantragte eine Kommissionsminderheit - vor den Neuwahlen vom Herbst 1995 war es noch eine Mehrheit gewesen -, den Bundesrat zu verpflichten, Gesetzesänderungen vorzulegen, welche erlauben, den Vorbehalt zum Familiennachzug möglichst bald zurückzuziehen. Dazu müsste insbesondere das Saisonnier-Statut geändert werden. Die beiden Genfer Ständerätinnen Brunner (sp) und Saudan (fdp) wollten mit ihrer Motion deutlich machen, dass "bestehendes Unrecht" nicht unbeschränkt aufrechterhalten werden darf. Die EU-Verhandlungen abzuwarten sei unbefriedigend, da die bilateralen Vereinbarungen über den Personenverkehr für Kinder aus Nicht-EU-Ländern nichts änderten. Bundesrat und Kommissionsmehrheit räumten zwar ein, dass Änderungen nötig seien. Trotzdem sei ein verbindlicher Auftrag im jetzigen Zeitpunkt verfehlt. Das Plenum folgte ihnen und überwies den Vorstoss mit 24 zu 5 Stimmen als Postulat [79].
Die Rechtskommission des Nationalrates befürwortete mit 15 zu 3 Stimmen die Ratifikation des Übereinkommens und empfahl dabei mit 13 zu 6 Stimmen, den vom Ständerat eingefügten Vorbehalt in Sachen elterliche Sorge wieder zu streichen. Trotz dieser klaren Ausgangslage entbrannte in der grossen Kammer erneut eine heftige Diskussion. Eine Ratsminderheit, welcher praktisch die ganze SVP-Fraktion angehörte, sowie die FP, die LP und die SD plädierte erneut für Nichteintreten auf die Vorlage. Deren Vertreter malten das Schreckgespenst einer "Kinderdiktatur" an die Wand und argumentierten, das ganze Abkommen sei von einem rot-grünen Geist durchdrungen, der zwangsläufig zu einer "Verstaatlichung der Erziehung" führe. Ihr Nichteintretensantrag unterlag aber mit 126 gegen 50 Stimmen deutlich. In der Folge gaben noch die diversen Vorbehalte zu reden. Dabei wurde ein SP-Antrag zur vorbehaltlosen Ratifizierung ebenso abgelehnt wie jener einer Kommissionsminderheit aus der SVP-Fraktion, das in der Konvention aufgeführte Recht auf Bildung ebenfalls auszunehmen, weil der Souverän dieses Recht noch vor 23 Jahren ausdrücklich verneint habe. Der vom Ständerat eingefügte Vorbehalt wurde mit der Begründung gestrichen, er stelle eher eine auslegende Erklärung dar und sei aus rechtlichen Gründen nicht notwendig. Den vom Bundesrat formulierten Vorbehalten wurde, ebenfalls auf Antrag der Kommission, zugestimmt. In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat die Konvention mit 116 zu 46 Stimmen an. Der Antrag auf die Unterstellung unter das fakultative Referendum wurde mit 105 zu 54 Stimmen abgelehnt  [80].
Die kleine Kammer hielt jedoch an ihrem Vorbehalt bezüglich der elterlichen Sorge mit dem Argument fest, dass er rechtlich zwar nicht zwingend, der Interpretation aber doch dienlich sei. Schliesslich stimmte ihm der Nationalrat - wenn auch widerwillig - zu, um die Ratifizierung der Konvention nicht noch weiter zu verzögern [81].
Zu einer Motion des Nationalrates für eine völlige Trennung von Jugendlichen und Erwachsenen im Strafvollzug siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht).
Der Nationalrat behandelte in seiner Sommersession den Expertenbericht über das Ausmass der Kindsmisshandlungen in der Schweiz, welcher 1992 publiziert worden war. Die Autoren unterschieden zwischen vier Formen der Misshandlung: die Vernachlässigung, das heisst die mangelnde körperliche und seelische Zuwendung, die seelische Misshandlung, die sexuelle Ausbeutung und die physische Misshandlung. Während der Anteil der vernachlässigten und seelisch misshandelten Kinder nicht beziffert werden kann, so wird die Zahl der jährlich in der Schweiz sexuell ausgebeuteten Kindern auf 40 000 bis 50 000 geschätzt. In seiner im Vorjahr veröffentlichten Stellungnahme zum Bericht wollte der Bundesrat weniger auf neue Gesetze, denn auf Prävention im Bereich der Familien- und Gesellschaftspolitik setzen. Konkret nannte er die Koordination des Kinderschutzes auf eidgenössische Ebene, Unterstützung von Hilfsorganisationen, Präventionskampagnen, die Ratifizierung der UNO-Konvention über die Rechte des Kindes sowie die Mutterschaftsversicherung [82].
Dies ging einem Teil des Nationalrates allerdings nicht weit genug. Insbesondere Judith Stamm (cvp, LU), welche 1987 mit einem Postulat den Anstoss für den Expertenbericht gegeben hatte, zeigte sich enttäuscht, dass der Bundesrat kaum konkrete Massnahmen vorgeschlagen habe. Der Rat behandelte denn auch eine Reihe von Vorstössen, welche den Bundesrat in mehr oder weniger verbindlicher Form zum Handeln aufriefen. Eine Motion Hollenstein (gp, SG) für die Einführung eines Kinderschutzartikels in der Bundesverfassung wurde trotz Unterstützung der CVP mit 68 zu 59 Stimmen knapp abgelehnt, ein ähnlichlautendes Postulat der Rechtskommission hingegen einstimmig überwiesen. Angenommen - und zwar sehr deutlich mit 96 zu 26 Stimmen - wurde auch eine Kommissionsmotion, welche den Bundesrat beauftragt, den Grundsatz des Verbotes der Körperstrafe und erniedringender Behandlung von Kindern innerhalb und ausserhalb der Familie im schweizerischen Recht explizit einzuführen. Überwiesen wurden zudem weitere Postulate sowohl der Rechtskommission wie von Nationalrätin von Felten (sp, BS) über die Gewaltprävention in Familie und sozialem Nahraum resp. zum Ausbau des Sorgentelefons für Kinder [83].
In der Wintersession nahm dann der Ständerat praktisch diskussionslos vom Bericht Kenntnis. Die Motion des Nationalrates zum Verbot der Körperstrafe wurde in der kleinen Kammer nur mehr als Postulat angenommen, hingegen wurde eine Empfehlung verabschiedet, welche den Bund auffordert, in den Lehrprogrammen seiner Zuständigkeit die Vermittlung pädagogischer Grundkenntnisse einzubauen, um den jungen Menschen als künftigen Eltern zu ermöglichen, Situationen im Erziehungsalltag ohne Gewaltanwendung zu meistern [84].
Zu einer Reihe von Vorstössen zur Verhinderung resp. schärferen strafrechtlichen Ahndung von sexuellem Missbrauch von Kindern siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht).
Die Stadt Luzern erhielt den erstmals vergebenen Pestalozzi-Preis für kinderfreundliche Lebensräume. Der mit 20 000 Fr. dotierte Preis wird vom Dachverband Schweizer Lehrereinnen und Lehrer, der Pro Juventute, der Kinderlobby Schweiz, dem schweizerischen UNICEF-Komitee und der Pestalozzi-Stiftung getragen. Als einzige Stadt der Schweiz verfügt Luzern über ein Kinderparlament und einen Kinderbeauftragten [85].
Mit einer als Postulat überwiesenen Motion Ziegler (sp, GE) wurde der Bundesrat aufgefordert, das Abkommen Nr. 138 des Internationalen Arbeitsamtes zum Verbot der Kinderarbeit den Räten so rasch als möglich zur Genehmigung zu unterbreiten [86].
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Jugendliche
Die Eidgenössische Kommission für Jugendfragen (EKJ) forderte in ihrer Vernehmlassung zur Totalrevision der Bundesverfassung einen eigentlichen Jugendartikel. Es wäre unannehmbar, wenn die neue Verfassung die Jugend nur in Zusammenhang mit Sport explizit erwähnen würde. Es gelte in erster Linie, eine Verfassungsgrundlage für das Bundesgesetz über die Förderung der ausserschulischen Jugendarbeit zu schaffen [87].
An der traditionellen Bieler Tagung der EKJ, an welcher alljährlich rund 200 Fachleute aus dem Bereich der Jugendpolitik teilnehmen, wurde der Stellenwert der Jugendsessionen kritisch hinterfragt. Von verschiedener Seite wurde bemängelt, diese würden Gefahr laufen, zur reinen Alibiübung zu verkommen. Ohne Kompetenzen und ohne eigenes Budget, über die sie entscheiden könnte, sei die Jugendsession nicht mehr als ein Jugendtreffpunkt im Bundeshaus, an dem Demokratie nicht gelebt, sondern imitiert werde [88].
In der Frühjahrs- und Sommersession behandelte der Ständerat verschiedene Petitionen der Jugendsession 1995. Bei der Mehrheit der Eingaben beschloss er, diese zwar zur Kenntnis zu nehmen, ihnen aber keine Folge zu geben. Einzig die Petition zur Förderung des Velofahrens wurde mit der Bitte an den Bundesrat überwiesen, die Massnahmen zum Ausbau des Veloverkehrs wo immer möglich zu verbessern und zu verstärken [89]. Etwas mehr auf die Anliegen der Jugendlichen ging der Nationalrat ein, welcher in der Herbstsession zwei der Petitionen (Ausländerstimmrecht und Unterstützung der kantonalen und kommunalen Jugendparlamente) in den Rang von Postulaten erhob und so an den Bundesrat überwies [90].
Für die 5. Jugendsession, die ganz im Zeichen der Drogenpolitik stand, siehe oben, Teil I, 7b (Drogenpolitik). Zur Tatsache, dass die Schweiz in Europa die zweithöchste Suizidrate bei Jugendlichen aufweist, siehe oben, Teil I, 7b (Gesundheitspolitik).
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Invalide
Am letzten Tag seiner Sommersession gab der Nationalrat einstimmig einer parlamentarischen Initiative Suter (fdp, BE) Folge, die eine verfassungsmässige Verankerung der Gleichstellung der Behinderten verlangt. Der Initiant erhofft sich von einem entsprechenden Verfassungszusatz einen Bewusstseinswandel und damit eine grundlegende qualitative Verbesserung der Situation der Behinderten. Der Anspruch auf Gleichstellung und Gleichbehandlung soll einerseits vor Diskriminierung schützen und andererseits als Auftrag an die Behörden aller Stufen verstanden werden, vorhandene Benachteiligungen abzubauen und die Integration zu fördern [91].
Ganz im Sinn der mit diesem Vorstoss angestrebten Ziele lancierten die Basler Organisationen der Behinderten-Selbsthilfe anfangs Januar in den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Land eine Volksinitiative. Sie verlangt die behinderten- und betagtengerechte Ausgestaltung der öffentlichen Verkehrsmittel. Dieser Initiative kommt gesamtschweizerische Bedeutung zu, denn ihre Umsetzung entspricht einem Grundsatz, über den im Behindertenwesen heutzutage weitgehend Konsens besteht, nämlich dem Normalisierungsprinzip, nach welchem wo möglich Infrastrukturen, Abläufe usw. so zu realisieren sind, dass sie sowohl für Menschen mit wie ohne Behinderung tauglich sind. Diese grundlegende Forderung der Behinderten-Organisationen umfasst nicht nur die öffentlichen Verkehrsmittel, sondern auch alle öffentlichen Gebäude und die Schulen [92].
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Weiterführende Literatur
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Beck Kadima, M. / Huot, J.-C. (Hg.), Kirche und Asyl: legitimer Widerstand im Rechtsstaat?, Zürich 1996.
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[1] NZZ, 27.1.96; AT, 12.2.96; Presse vom 11.6.96. Siehe SPJ 1995, S. 258. Die Kommission wird vom ehemaligen BIGA-Direktor Klaus Hug präsidiert (NZZ, 12.9.96). Siehe dazu auch A. Koller, "Auf dem Weg zu einer konsensfähigen Ausländer- und Asylpolitik", in Documenta, 1996, Nr. 3, S. 20 ff.1
[2] Presse vom 9.2., 24.5. und 10.10.96.2
[3] BaZ, 20.7.96.3
[4] Pressemitteilung des BA für Ausländerfragen; Die Volkswirtschaft, 70/1997, Nr. 4, S. 22*.4
[5] Presse vom 24.5.96.5
[6] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 708 ff. und 788 ff. Siehe auch die Ausführungen des BR in Amtl. Bull, StR, 1996, S. 633 f. Zum Migrationsbericht vgl. SPJ 1995, S. 258 und oben (Grundsatzfragen).6
[7] Presse vom 5.8.96.7
[8] SoZ, 15.12.96.8
[9] BüZ, 25.1. und 15.3.96; NZZ, 7.2.96; Presse vom 8.2., 27.2. und 5.8.96; Bund, 6.6.96.9
[10] Presse vom 30.8.96.10
[11] NZZ, 11.5.96.11
[12] Presse vom 7.8., 2.9. und 17.10.96; BüZ, 19.8., 23.8., 24.8. und 28.8.96. Siehe SPJ 1994, S. 233.12
[13] Amtl. Bull. StR, 1996, S. 294 ff. Siehe SPJ 1995, S. 260.13
[14] Lit. EKA; TA, 24.7.96; Presse vom 30.8.96. Vgl. SPJ 1995, S. 260.14
[15] Bund und BZ, 10.10.96.15
[16] NLZ, 18.10.96.16
[17] SGT, 5.11.96; SZ, 7.11.96; Bund, 9.11.96.17
[18] Lit. Bausch. Zur Lage der Grenzgänger in der Region Basel siehe BaZ (Dreiland-Zeitung), 6.12. und 20.12.96.18
[19] BüZ, 10.2.96; NZZ, 9.12.96.19
[20] Presse vom 21.1.97.20
[21] TA, 13.3.96; Presse vom 14.3.96.21
[22] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 303 ff. und 328 ff.; BBl, 1996, I, S. 1355 f. Vgl. auch SPJ 1995, S. 261. Siehe dazu auch oben, Teil I, 1c (Volksrechte).22
[23] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 303 ff., 328 ff. und 634; Amtl. Bull. StR, 1996, S. 280; BBl, 1996, I, S. 1321 f. Siehe SPJ 1995, S. 261.23
[24] SVP: TA, 9.9.96; NLZ, 25.10.96; TW, 2.11.96; SZ, 11.11.96. Die Berner SVP gab schliesslich knapp die Ja-Parole aus, nicht so aber die Bündner und Waadtländer (BaZ, 18.11.96).24
[25] BZ, 11.10.96; NZZ, 26.10.96; SZ, 30.10.96; Presse vom 12.11., 27.11. und 28.11.96; Blick und TA, 26.11.96. Der TA bezeichnete das Erscheinen des Inserates als interne Panne (TA, 27.11.96). Gegen ein Inserat in der BZ, welches Bergbauern aufforderte, sich genauso "geldgierig" zu verhalten wie Asylbewerber, reichten die damit in Zusammenhang gebrachten Hilfswerke Caritas und HEKS Strafanzeige ein (Bund, 7.11.96).25
[26] Presse vom 11.10.96; BaZ, 21.10.96.26
[27] NZZ, 23.10.96. Bereits ganz zu Beginn der Abstimmungskampagne hatte die FDP-Fraktion ihr Parteisekretariat beauftragt, ein rein bürgerliches Komitee auf die Beine zu stellen, um sich mit einer eigenständigen Argumentation von der "weichen" SP-Linie in der Asylgesetzgebung abzugrenzen (TA, 18.9.96).27
[28] Presse vom 19.10. und 12.11.96.28
[29] BBl, 1997, I, 996 f.29
[30] Presse vom 2.12.96.30
[31] S. Hardmeier, Analyse der eidgenössischen Abstimmungen vom 1. Dezember 1996. VOX Nr. 60, Zürich 1997.31
[32] Presse vom 26.2., 1.6., 3.6. und 16.11.96. Siehe SPJ 1995, S. 261 f. Vgl. auch E. Kaestli, "Wenn Frauen ihr Frausein zum Verhängnis wird", in BaZ, 10.6.96 und Ch. Hausamman, "Die Berücksichtigung der besonderen Anliegen der Frauenflüchtlinge in der laufenden Asylgesetzrevision", in ASYL, 1996, Nr. 2, S. 39 ff.32
[33] BBl, 1997, I, S. 877 ff. Siehe SPJ 1995, S. 262.33
[34] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 53 ff. (Stamm) und 334 ff. Zurückgezogen resp. abgelehnt wurden eine an die Motion der SVP-Fraktion angelehnte Motion Keller (sd, BL), eine Motion Bühlmann (gp, LU) zur Aufnahme von Frauenflüchtlingen aus Ex-Jugoslawien, sowie eine Motion Zisyadis (pda, VD), welche erreichen wollte, dass gegen Beamte, die ihre Kompetenzen überschreiten, Schadenersatzklage erhoben werden kann. Zum Migrationsbericht siehe SPJ 1995, S. 258. Zur Lage der minderjährigen Asylbewerber vgl. J. Schertenleib, "Der Vollzug der Wegweisung von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden", in ASYL, 1996, Nr. 1, S. 13 ff.; BaZ, 21.3.96; TA, 22.3.96.34
[35] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1209 f.; NQ, 16.1. und 18.1.96; TA, 8.2. und 13.2.96; SoZ, 17.3.96; Bund, 23.3.96; NLZ, 26.3.96; Presse vom 4.4.96. Siehe SPJ 1995, S. 262.35
[36] Presse vom 4.4., 15.5. und 27.6.96; Bund, 13.5.96; TA, 14.5. und 8.6.96. Für die verschiedenen Formen der Rückkehrhilfe standen 1996 9 Mio Fr. zur Verfügung (NZZ, 22.7.96). Deutschland, die Schweiz, Österreich, Slowenien und Kroatien schlossen ein multilaterales Transitabkommen ab, um den Bosniern eine möglichst problemlose Reise in ihre Heimat zu ermöglichen (SGT, 23.5.96). Bis Ende Jahr reisten 1300 Personen freiwillig aus, 1100 weitere meldeten sich definitiv für das Rückkehrprogramm an (BaZ, 6.1.97).36
[37] Kosovo: TA, 15.5. und 19.7.96; Presse vom 6.7.96. Sri Lanka:TA und TW, 12.4.96; NQ, 19.4.96.37
[38] NQ, 19.4.96; BaZ, 19.7.96; JdG, 2.8.96.38
[39] SoZ, 7.7.96.39
[40] Amtl. Bull. StR, 1996, S. 61 ff. und 854. Vgl. SPJ 1995, S. 263.40
[41] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1394 ff. und 1924 f. Als einzige Frau stimmte Fehr (svp, ZH) dagegen; Sandoz (lp, VD) und Wittenwiler (fdp, SG) enthielten sich der Stimme.41
[42] Presse vom 7.9.96; NZZ, 9.9.96. Siehe SPJ 1995, S. 263.42
[43] F-Frauenfragen, 1996, Nr. 3, S. 57.43
[44] Bund, 28.9.96. Im Dezember wählte der BR erstmals zwei Frauen in die Eidg. Bankenkommission (F-Frauenfragen, 1997, Nr. 1, S. 69).44
[45] Lit. Leitfaden; Presse vom 16.1.96. Zu den romanischen Landessprachen siehe auch ein Postulat Stump (sp, AG), welches vom Ratspräsidenten bekämpft und deshalb vorderhand der Diskussion entzogen wurde (Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1873).45
[46] Documenta, 1996, Nr. 1, S. 9 ff. (Rede Dreifuss); TA, 8.1. und 13.1.96; Bund, 10.1., 13.1. und 17.1.96; Presse vom 15.1. und 18.-22.1.96; Ww, 25.1.96; WoZ, 26.1.96.46
[47] NZZ, 5.10.96. Das Eidg. Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann führte im Dezember zu diesem Thema eine Tagung unter dem Motto "Tolérance zéro" durch (F-Frauenfragen, 1997, Nr. 1, S. 3 ff.).47
[48] Presse vom 6.2. und 7.7.96.48
[49] NZZ, 6.1.96; SZ, 25.1., 27.1. und 9.2.96; Bund, 12.2.96; Presse vom 14.2.96.49
[50] Presse vom 24.2.96. Für die detaillierte Stellungnahme siehe F-Frauenfragen, 1996, Nr. 1, S. 3 ff.50
[51] Lit. Eidg. Kommission.51
[52] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1960.52
[53] Lit. Decoppet, Eidg. Büro und Freivogel; F-Frauenfragen, 1996, Nr. 2, S. 74; SHZ, 21.3.96; SoZ, 7.4.96; BüZ, 4.5.96; Presse vom 1.6., 8.6., 1.7. und 2.7.96; NZZ, 7.6., 8.6. und 23.7.96; SZ, 22.6.96 (Interview mit BR Dreifuss); Bund, 27.6.96; TA, 28.6.96. Gleichzeitig wurde das Eidg. Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann direkt dem Generalsekretariat des EDI unterstellt, wodurch es den Status eines eigenständigen Bundesamtes erhielt (Bund, 30.3.96). Zur teilweise harzigen Umsetzung des neuen Gesetzes in den Kantonen siehe BüZ, 20.8.96.53
[54] Presse vom 1.10. und 8.10.96; NLZ, 10.10.96; TA, 25.10.96. Das Urteil wurde vom Zürcher Regierungsrat an das Bundesgericht weitergezogen. Damit kann sehr rasch ein wegweisendes Urteil des höchsten Gerichtshofes erwartet werden (F-Frauenfragen, 1997, 1, S. 66).54
[55] Lit. Bundesamt. Gemäss der Lohnstrukturerhebung des BFS betrugen die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen 1994 immer noch 24% (WoZ, 7.6.96).55
[56] Bund, 17.1.96. Vgl. auch K. Oberholzer / R. Torre, Bankfrauen in der Statistik, Zürich (Kaufmännischer Verein Zürich) 1996. Zur Notwendigkeit für Frauen, auf dem Arbeitsmarkt aggressiver aufzutreten siehe auch TA, 13.6.96 und BaZ, 28.9.96.56
[57] Lit. Flückiger.57
[58] TA, 3.2.96. Dass die öffentliche Verwaltung bei der Frauenförderung oftmals eine Pionierrolle einnimmt, zeigt sich auch in der Bundesverwaltung. Der Beschluss des BR von 1991, bei gleicher Qualifikation eine Frau vorzuziehen, falls diese im entsprechenden Amt untervertreten sind, wirkt sich aus. Der Frauenanteil stieg zwischen 1991 und 1996 von 17,4% auf 19,8%. Bei den Neuanstellungen betrug der Anteil der Frauen 1995 sogar 30,5% (SGT, 19.11.96).58
[59] Lit. Eidg. Volkszählung; Presse vom 13.2.96.59
[60] Lit. Bundesamt. Resultate der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) ergaben, dass das Risiko, sich auf dem Arbeitsmarkt in einer benachteiligten Situation zu befinden, fast systematisch eng mit dem Geschlecht (weiblich), dem Bildungsstand (ohne nachobligatorische Bildung) und der beruflichen Stellung (keine Vorgesetztenfunktion) verbunden ist (Sake-News, 1996, Nr. 5, hg. vom BFS).60
[61] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1859 f. Siehe dazu auch die Stellungnahme des BR zu einer Interpellation Roth (sp, GE) in Amtl. Bull. NR, 1996, S. 2418 f.61
[62] Lit. Bauer / Baumann. Eine Studie der ökumenischen Frauenbewegung Zürich wies nach, dass die Frauen die ersten Opfer der Deregulierung in der Wirtschaft sind; insbesondere die Arbeit auf Abruf - oft ohne Anspruch auf Arbeitszuteilung - hat in den letzten Jahren markant zugenommen (I. Meier, Entfesselter Markt und schlanke Betriebe, Zürich 1996; Presse vom 30.4.96).62
[63] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1407 ff.63
[64] CHSS, 1996, Nr. 5, S. 226; AT und SGT, 15.2.96. Siehe dazu auch die Ausführungen von BR Dreifuss in Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1410. Der Kanton Graubünden setzte ebenfalls einen Rat für Sozial- und Familienfragen ein, der sich in einem ersten Schritt mit der ausserhäuslichen Kinderbetreuung befasste (BüZ, 7.3. und 13.11.96).64
[65] Lit. Cardia-Vonèche; TA, 23.8.96; Presse vom 24.10.96.65
[66] CHSS, 1996, Nr. 5, S. 260 ff.; SHZ, 29.2.96; NLZ, 11.4.96. Eine Expertenkommission, welche den Entwurf überarbeitet, zeigte weitere Möglichkeiten der Harmonisierung auf. Denkbar wäre, dass vom Bund aus lediglich ein Rahmengesetz vorgelegt wird, welches Standards fixiert, die Kantone bei der Ausgestaltung und Finanzierung aber frei lässt. Andererseits soll aber auch eine allein durch den Bund finanzierte Lösung geprüft werden, da der BR in seinen Vorschlägen zur Neuregelung des Finanzausgleichs die Familienzulage als Bundesaufgabe definiert (SGT, 19.9.96).66
[67] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1405 ff. Die Motion wurde bereits 1994 andiskutiert, scheiterte aber damals am Widerstand der Liberalen Sandoz (VD), welche das Postulat im Berichtsjahr erneut bekämpfte (SPJ 1994, S. 241, FN 33).67
[68] A. Friedmann Wanshe, "Il canton Ticino introduce une nuova legge sugli assegni di famiglia", in Familienfragen, 1996, Nr. 2, S. 39 ff.; NQ, 21.5.und 12.6.96; NZZ, 17.6.96; Bund, 19.7.96.68
[69] Amtl. Bull. StR, 1996, S. 741 ff. und 764 ff.; Presse vom 17.8., 26.9. und 27.9.96; NLZ, 21.9.96; TA, 23.9.96; BaZ, 25.9.96. Siehe SPJ 1995, S. 269.69
[70] Amtl. Bull. StR, 1996, S. 777.70
[71] Th. Hütter, "Scheidung: Frauen klar benachteiligt", in Plädoyer, 1996, Nr. 5, S. 22 ff.71
[72] F-Frauenfragen, 1996, Nr. 2, S. 70. Zum Ausmass des Konkubinats siehe Lüscher, K. / Thierbach, R., "Facetten des unverheirateten Zusammenlebens", in NZZ, 1.4.96.72
[73] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 913 ff.; Bund, 19.4.96. Siehe SPJ 1995, S. 270.73
[74] Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons St. Gallen, Segnungsgottesdienste für homosexuelle Paare, St. Gallen 1996; SGT, 22.6.96; TA, 5.7.96. Auch die reformierte Kirchensynode des Kantons Luzern will allen Paare - sowohl homo- wie heterosexuellen -, welche in einem stabilen Konkubinat leben, eine kirchliche Segnung zuteil werden lassen (Presse vom 15.11.96). Siehe auch SPJ 1995, S. 270, FN 59.74
[76] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 180 f. Die EVP reichte eine Petition mit 46 000 Unterschriften gegen die RU486 bei der Sanitätsdirektorenkonferenz ein, welche sich im Vorjahr für eine Zulassung ausgesprochen hatte (SGT, 11.12.96; SPJ 1995, S. 271). Eine Kommission der CVP sprach sich für die Zulassung von RU486 zu, verlangte allerdings strenge Richtlinien für deren Anwendung (Presse vom 15.3.96).76
[77] Das UNO-Abkommen war bereits im letzten Jahr im StR traktandiert, dessen Beratung wurde dann aber kurzfristig ausgesetzt (SPJ 1995, S. 271). Anlässlich ihres ersten offiziellen Besuchs in der Schweiz appellierte auch die neue UNICEF-Exekutivdirektorin an das eidg. Parlament, die Konvention möglichst rasch zu ratifizieren (TA, 13.3.96). 187 Staaten haben das Abkommen bereits früher ratifiziert. Abseits standen zum Zeitpunkt der parlamentarischen Diskussionen nur noch die Vereinigten Arabischen Emirate, Cook Island, Oman, Somalia und die USA (Presse vom 1.6.96).77
[78] Amtl. Bull. StR, 1996, S. 342 ff. und 359 ff.78
[79] Amtl. Bull. StR, 1996, S. 367 ff. Siehe SPJ 1995, S. 271.79
[80] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1679 ff.; Bund, 15.8.96 (Kommission); Presse vom 2.10.96. Zur Bedeutung der Konvention vgl. G. Wettstein, "Die Schweiz und die UNO-Kinderkonvention", in NZZ, 10.9.96. An einer von der UNICEF organisierten Tagung in Bern wurde die Einsetzung eines eidgenössischen Kinderbeauftragten resp. einer -ombudsperson verlangt (Presse vom 22.10.96).80
[81] Amtl. Bull. StR, 1996, S. 900 f. und 1048 ff.; Amtl. Bull. NR, 1996, S. 2148 ff. und 2369.81
[82] SPJ 1995, S. 272.82
[83] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 915 ff.83
[84] Amtl. Bull. StR, 1996, S. 1172 ff.84
[85] Bund, 20.11.96.85
[86] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1856. Siehe dazu auch eine Interpellation der SP-Fraktion (a.a.O., S. 1889 ff.).86
[87] Presse vom 17.2.96; SGT, 17.4.96. Bei der neuen Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen schlug der BR vor, gemäss den Prinzipien des Föderalismus und der Subsidiarität die Bereiche Jugend und Sport ganz in die Kompetenz der Kantone zu geben (BüZ, 16.2.96; vgl. oben, Teil I, 5, Finanzausgleich).87
[88] Presse vom 23.3. und 25.3.96. Siehe SPJ 1995, S. 273.88
[89] Amtl. Bull. StR, 1996, S. 255 ff., 563 ff. und 569 ff. Vgl. SPJ 1995, S. 272.89
[90] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1180 f. und 1840 ff.90
[91] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1160 ff.; Presse vom 22.6.96. Siehe dazu auch die Stellungnahme des BR über das Ausmass der Beschäftigung Behinderter in der Bundesverwaltung (Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1288).91
[92] CHSS, 1996, Nr. 1, S. 5.92
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