Grundlagen der Staatsordnung
Rechtsordnung
Les directeurs cantonaux de justice et police proposent une loi modèle concernant la protection des données dans les cantons — Pour la première fois, la Suisse est condamnée pour avoir enfreint la Convention européenne des droits de l'homme — Le Conseil des Etats rejette l'initiative relative au «droit à la vie» ainsi que le contre-projet du Conseil fédéral — Le gouvernement demande la ratification de la Charte sociale européenne — Nouvelles tentatives pour introduire dans les cantons le droit de vote à 18 ans — Le peuple grison accepte un projet d'extension du suffrage féminin à l'ensemble des communes — La révision du droit de la nationalité est acceptée en votation populaire, mais sans l'acquisition facilitée de la naturalisation pour les jeunes étrangers élevés en Suisse, les réfugiés et les apatrides — Le Conseil fédéral ferme le bureau de l'agence soviétique Novosti en invocant une ingérence dans des affaires politiques internes; sa manière de procéder suscite des critiques — La tentative du gouvernement de soumettre à une réglementation fédérale l'acquisition et la possession d'armes est abandonnée — Le Conseil fédéral décide de séparer en deux volets la révision des dispositions pénales concernant les infractions contre la vie et l'intégrité corporelle, les meurs et la famille; il propose une codification du droit international privé.
Grundrechte
Bei den Bemühungen um den Ausbau und die Sicherung der Grundrechte stand 1983 weiterhin der Schutz der Persönlichkeit im Vordergrund.
Expertenentwürfe zu eidgenössischen Datenschutzgesetzen, welche die Handhabung staatlicher bzw. privater Speicherungen von persönlichen Informationen regeln sollen, lagen bereits im Januar vor, wurden aber erst Anfang 1984 in die Vernehmlassung gesandt. Dieses langsame Vorgehen rief dem Vorwurf der Verschleppung: erst 1987 würde so der Bürger durch ein Bundesgesetz wirksam gegen persönlichkeitsverletzende Datenverarbeitung geschützt. Die bundesrätlichen Richtlinien zur verwaltungsinternen Behandlung von Personendaten erfuhren eine vorläufige Verlängerung bis Ende 1986
[1]. Ein Mustergesetz für den Datenschutz auf kantonaler Ebene wurde im März von der Konferenz der Justiz- und Polizeidirektoren verabschiedet. Allerdings rechnete man auch hier mit einer mehrjährigen Verwirklichungsdauer in den zahlreichen Kantonen, welche bisher noch keine solchen Regelungen aufweisen. Über die Einführung eines Gegendarstellungsrechts in den Massenmedien orientieren wir an anderer Stelle
[2].
Erstmals wurde die Schweiz wegen Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention verurteilt. Der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte erkannte in einem Ehrverletzungsverfahren auf Missachtung der Unschuldsvermutung, da dem Beklagten trotz Eintreten der Verjährung ein Teil der Gerichtskosten und eine Prozessentschädigung auferlegt worden waren. In einem weiteren Fall, bei dem das Bundesgericht zur abschlägigen Beurteilung einer Verwaltungsbeschwerde mehr als drei Jahre gebraucht hatte, schützte der Strassburger Gerichtshof den Anspruch auf Anhörung innerhalb einer angemessenen Frist und erklärte die Belastung der Beschwerdeführer mit Verfahrenskosten für unzulässig. Die Praxis des Europäischen Gerichtshofs veranlasste im übrigen das Bundesgericht, auf eine Beschwerde aus Basel-Stadt hin an den Persönlichkeitsschutz bei Telefonabhörungen strengere Massstäbe anzulegen: wenn nicht gewichtige öffentliche Interessen entgegenstehen, muss der Betroffene nachträglich informiert werden. Dieser Entscheid gilt allerdings nur auf kantonaler Ebene, da die eidgenössische Gesetzgebung gegenüber dem Bundesgericht unabhängig ist
[3].
Grundrechtsfragen stellten sich auch bei der Behandlung der
Volksinitiative «Recht auf Leben». In der Botschaft zu seinem Gegenentwurf distanzierte sich der Bundesrat vom Versuch, mit einer Grundrechtsbestimmung die rechtliche Bewältigung verschiedener politischer Fragen zu präjudizieren. Als Alternative schlug er eine dem Totalrevisionsentwurf von 1977 entnommene Garantie der persönlichen Freiheit («Recht auf Leben, körperliche und geistige Unversehrtheit, Bewegungsfreiheit und persönliche Sicherheit») vor
[4]. In der öffentlichen Diskussion wurden Unzulänglichkeiten und Widersprüche in Initiative und Gegenvorschlag geltend gemacht. Kritiker wiesen darauf hin, dass es rechtsverunsichernd wirke, wenn spezifische Fragen wie der Schwangerschaftsabbruch durch generelle Prinzipien der menschlichen Integrität entschieden werden. Der Ständerat fand auch den Gegenentwurf mehrdeutig und empfahl diesen mit der Initiative zur Ablehnung
[5].
Unverminderte Opposition richtete sich gegen die
Anerkennung sozialer Grundrechte durch eine Ratifizierung der bereits 1976 unterzeichneten Europäischen Sozialcharta. Der Bundesrat beantragte, von den sieben Hauptpunkten der Charta als zulässiges Minimum deren fünf zu übernehmen (Recht auf Arbeit, auf.Vereinigung, auf Kollektivverhandlungen, auf Fürsorge sowie auf Schutz der Familie), die Rechte auf soziale Sicherheit und auf Schutz und Beistand für Wanderarbeiter dagegen wegzulassen. Eine auslegende Erklärung zum Art. 6, der die Kollektivverhandlungen betrifft, könnte nach seiner Ansicht dem Problem begegnen, dass die Schweiz kein Beamtenstreikrecht anerkennt. Wie in anderem Zusammenhang näher ausgeführt werden soll, versteifte sich die vorberatende Ständeratskommission aber gerade auf diese legalistischen Hürden. Der allgemeine Zweck der Charta rückte in den Hintergrund
[6].
Stimmrecht
Verschiedene Schritte wurden 1983 zur Erweiterung des Stimmrechts unternommen. Die Obwaldner setzten die bei 19 Jahren liegende Altersgrenze für die Stimmberechtigung um ein weiteres Jahr herab, während in Bern das Volk die Gemeinden ermächtigte, das Stimmrecht in ihrem Bereich auf Achtzehnjährige auszudehnen. Im Aargau und in Basel-Stadt wurden zugunsten des «
Stimmrechts 18» Initiativen eingereicht; in Freiburg beantragte der Regierungsrat eine entsprechende Verfassungsänderung, und in Schaffhausen hiess der Grosse Rat eine solche zuhanden der Volksabstimmung gut. Damit haben bisher sieben Kantone und drei Halbkantone ihr Stimmrechtsalter auf 18 Jahre gesenkt : Schwyz, Jura, Neuenburg, Waadt, Glarus, Genf, Basel-Land, Zug, Nidwalden und Obwalden
[7].
Positiv war auch der Volksentscheid der Bündner über die Frage der Beseitigung der noch verbliebenen lokalen Stimmrechtshürden für
Frauen. In Appenzell Ausserrhoden verzeichnete man zwei neue Anstrengungen, die politische Diskriminierung der Frau auf Kantonsebene zu beenden. Ausserhodener Frauen richteten eine Petition für Anderung des Stimmrechtsartikels der Bundesverfassung (Art. 74) an die eidgenössischen Räte, um die Möglichkeit aufheben zu lassen, dass Kantone von der bundesstaatlichen Regelung abweichende Bestimmungen beibehalten. Eine solche Anderung würde auch Appenzell Innerrhoden zwingen, das kantonale Frauenstimmrecht, einzuführen. Parallel dazu reichte die SP Ausserrhoden eine kantonale Verfassungsinitiative ein, welche vorschlug, statt einem nochmaligen Landsgemeindeentscheid eine einmalige Urnenabstimmung über das Frauenstimmrecht mit Beteiligung beider Geschlechter abzuhalten. Angesichts dieses Vorstosses, wurde vermutet, würde das Bundesparlament mit der Behandlung der Petition zuwarten
[8].
Bürgerrecht
Die
Reform des Bürgerrechts (Art. 44, 44 bis, 45 und 54 BV) wurde nun auch vom Nationalrat behandelt. Dieser schloss sich im Februar dem Vorschlag des Ständerates an, dass dem Stimmbürger — nicht zuletzt aus taktischen Gründen — zwei separate Vorlagen zu präsentieren seien : Übertragung des Bürgerrechts in der Familie einerseits, erleichterte Einbürgerung für die «zweite Ausländergeneration» anderseits; seiner Kommission folgend, lehnte er eine entsprechende Bevorzugung der Flüchtlinge und der Staatenlosen ab. Die Differenz zwischen den Kammern wurde in der Junisession dadurch bereinigt, dass man für die Einbürgerungserleichterung der beiden umstrittenen Bewerbergruppen den Vorbehalt formulierte: «... sofern sie sich in die schweizerischen Verhältnisse eingelebt haben». Damit versuchte man der in der Bevölkerung manifesten Flüchtlingsfeindlichkeit zu begegnen
[9].
Bis zur
Volksabstimmung vom 4. Dezember reflektierten Parteistellungnahmen und Medienargumente im grossen ganzen die mehrheitlich positive Einstellung der Räte zu den beiden Vorlagen. Die Presse engagierte sich mit eingehenden Artikeln, verschwieg aber auch nicht, dass im Volk beträchtlicher Unmut angesichts der Häufung von Asylgesuchen bestand, welcher sich wohl auf die Abstimmung auswirken würde
[10]. Der Volksentscheid ergab eine
deutliche Annahme der Bürgerrechtsregelung für die Familie. Dagegen lehnte der Souverän die
erleichterte Einbürgerung von jungen, in der Schweiz aufgewachsenen Ausländern, von Flüchtlingen und von Staatenlosen mit 55% Neinstimmen ab; 18 ablehnende Ständestimmen standen 5 befürwortenden gegenüber. Insgesamt bot die Diskussion der Vorlagen Gelegenheit, einige wesentliche Gesichtspunkte zu erörtern, z.B. die Eigenheiten des schweizerischen Bürgerrechts, das ambivalente Verhältnis der Schweizer zur «zweiten Ausländergeneration» und die Tatsache, dass es private Organisationen sind, welche die Hauptlast der Eingliederung von Ausländern und Flüchtlingen tragen. Andere Themen traten dagegen stark zurück: so die unterschwellige Furcht vieler Arbeitnehmer vor dem Anwachsen der Flüchtlingszahlen in einer Zeit ungesicherter Beschäftigung, die Frage, was für Einstellungen zur Gastheimat die jungen Ausländer eigentlich hegen oder auch die zu erwartende Verknappung der Armeebestände, die man durch die Einbürgerung der zweiten Ausländergeneration hätte mildern können
[11].
Öffentliche Ordnung
Der öffentlichen Ordnung drohte 1983 von den grossangelegten Kundgebungen und Demonstrationen, wie sie vor allem aus Besorgnis über das atomare Wettrüsten oder aus Protest gegen die Mittelamerikapolitik der USA veranstaltet wurden, kaum Gefahr; diese verliefen ohne Zwischenfälle. Dagegen beschädigten kleine gewalttätige Gruppen Hochspannungsmasten und Militäranlagen durch Sprengstoff- oder Brandanschläge. Aus Bekennerbriefen ging hervor, dass Opposition gegen Atomkraftwerke oder gegen den Rothenthurmer Waffenplatz solchen inländischen Terrorismus motivierte. Die bekannten Organisationen, die gegen diese Projekte kämpfen, distanzierten sich von den Gewaltakten der Aussenseiter. Die Bundesanwaltschaft teilte im Februar 1983 mit, dass seit Beginn des Jahres 1982 28 Sprengstoffanschläge zu verzeichnen waren, wovon 17 auf politischen Beweggründen basierten. Aufklärungsbemühungen waren trotz Aussetzung hoher Belohnungen nicht eben erfolgreich
[12].
Im Zusammenhang mit
internationalen
Terroraktivitäten wurden in zwei Fällen harte Urteile gesprochen. So verhängte das Zürcher Bezirksgericht über zwei junge Schweizer, die Sprengstoff verborgen und in den Umkreis der deutschen Rote Armee-Fraktion weitergegeben hatten, exemplärische Zuchthausstrafen
[13]. Vor Bundesstrafgericht lief im Oktober der Prozess gegen die vier Exilpolen, die ein Jahr zuvor die polnische Botschaft in Bern besetzt und mehrere Personen als Geiseln genommen hatten. Obwohl sich der Hauptangeklagte Florian Kruszyk als patriotischer Widerstandskämpfer präsentierte, wurde das Unternehmen dieser schillernden Persönlichkeit hauptsächlich als kriminelle Tat bewertet. Das Verfahren endete mit strengen Urteilen. Dieser Ausgang wurde dahingehend interpretiert, dass das Bundesgericht die Unantastbarkeit der diplomatischen Missionen bestätigen und das Wirken ausländischer Terroristen, unbesehen ihrer Herkunft, streng ahnden wollte
[14].
Mit einer Gefahr für die innere und die äussere Sicherheit des Landes begründete der Bundesrat Ende April die Schliessung des Berner Büros der sowjetischen
Nachrichtenagentur Nowosti (APN). Das EJDP beschuldigte das Büro, vor allem über zwei der PdA angehörende schweizerische Mitarbeiter Teile der Friedensbewegung beeinflusst, Jugendliche ideologisch geschult und kriminalisiert, Desinformation betrieben und zahlreiche Demonstrationen organisiert zu haben; auch Dienstverweigerer habe es beraten. Diese Anschuldigungen wurden nicht nur von den Direktbetroffenen zurückgewiesen, sondern lösten auch in Kreisen der Friedensbewegung und bei anderen alternativen Gruppen Proteste aus, da sie als Diskriminierung oppositioneller Bestrebungen empfunden wurden. Auf bürgerlicher Seite wurde das Vorgehen der Behörden meist begrüsst; es gab aber auch kritische Stimmen. Durch Indiskretion kam der geheime Amtsbericht der Bundesanwaltschaft in die Hände der Presse und bot zu Zweifeln Anlass, ob die vorgebrachten Anklagen begründet seien. Man wies darauf hin, dass der Bericht, auf den sich der Bundesrat stützte, bereits im Dezember 1982 vorgelegen hatte und dass die Tätigkeit der beiden schweizerischen Nowosti-Angestellten nicht als hinreichend für ein Strafverfahren erachtet wurde. Die Genfer SP warf dem Bundesrat und insbesondere dem Chef des EJPD vor, sie hätten mit der Affäre eine Kriminalisierung der alternativen Bewegungen und eine Verketzerung der Linken bezweckt
[15].
Im Anschluss an zwei Interpellationen wurden die Vorkommisse auch Gegenstand einer Debatte in der Juni-Session des Nationalrats. Alla Fraktionen ausser derjenigen der äussersten Linken billigten die Schliessung des Nowosti-Büros. Die Sprecher der CVP und der SP wünschten aber eine offenere Information; der Sozialdemokrat nahm auch die Friedensbewegung in Schutz. Bundesrat Friedrich rechtfertigte das Vorgehen der Regierung. Wie schon in früheren Erklärungen bestritt er, dass die Aktion auf die Friedensbewegung gemünzt gewesen sei
[16]. Zur Aufdeckung des Lecks, aus dem der Geheimbericht an die Öffentlichkeit gelangt war, wurde noch eine Zeitlang erfolglos ermittelt; im Frühjahr 1984 stellte die Bundesanwaltschaft ihre Bemühungen ein
[17].
Der im Vorjahr vom Bundesrat unternommene Versuch, den Waffenerwerb und Waffenbesitz durch einen
Verfassungsartikel und ein Gesetz unter einheitliche Regeln zu stellen, nahm im Herbst ein abruptes Ende. In der
Vernehmlassung zeigten sich zwar zwei Drittel der Kantone einer Bundeslösung günstig gesinnt, aber eine Mehrheit der politischen Parteien und interessierten Organisationen (Schützen, Jäger, militärische Vereine) war bloss bereit, eine präzisere Konkordatsregelung zu akzeptieren. Als mögliche Alternative wurde vereinzelt auch ein verfassungsmässiges Recht auf Waffenerwerb mit Restriktionen gegen Missbrauch vorgeschlagen
[18]. Der Bundesrat liess die Sache daraufhin gänzlich fallen, da einer Vorlage in der Volksabstimmung starke organisierte Opposition erwachsen wäre. Damit blieben freilich die ausländischen Kritiken am Waffen-Selbstbedienungssystem etlicher Schweizer Kantone unbeantwortet
[19].
Presserecherchen ergaben, dass in vielen Polizeikorps der Gebrauch der Schusswaffe und die entsprechende Ausbildung nicht streng geregelt sind. Dagegen wurde mit Genugtuung vermerkt, wie gut die Koordination zwischen örtlichen Polizeikräften und ausserkantonalen Verstärkungen anlässlich der Genfer Palästina-Konferenz funktionierte. Die früher diskutierte Schaffung einer Bundessicherheitspolizei schien sich also nicht mehr aufzudrängen. Eine Repräsentativumfrage ergab übrigens, dass 80% der Schweizer mit ihrer Polizei «zufrieden» oder «sehr zufrieden» sind. 78% der Betragten wünschten aber keine Verstärkung der Polizeikräfte
[20].
Strafrecht
Im Zug der langfristig angelegten Reform des Strafrechts traf der Bundesrat Vorentscheide zur
Revision der Bestimmungen zum Schutze von Leib und Leben, Sittlichkeit und Familie. Im Vernehmlassungsverfahren zu den entsprechenden Vorschlägen der Expertenkommission Schultz, das bis Ende 1981 gedauert hatte, war zum Teil massive Kritik laut geworden. Sie hatte sich vor allem gegen die vorgeschlagene Liberalisierung des
Sexualstrafrechts gerichtet. So lehnte es die Mehrheit der Vernehmlasser ab, dass das Schutzalter auf 14 Jahre gesenkt werde. In der weiteren Diskussion bemängelten z.B. die städtischen Polizeidirektoren, dass die Experten eine Lockerung der strafrechtlichen Handhaben gegen die Pornographie befürwortet hatten. Es wurde vermerkt, dass in der Öffentlichkeit das Pendel zurückschwinge: der liberale Kurs der Kommission gerate mit den sich wieder wandelnden Wertmassstäben der Bevölkerung in Konflikt
[21].
Unter diesen Umständen entschloss sich der Bundesrat, einen vorsichtigeren Reformweg einzuschlagen. Um der Gefahr eines Referendums gegen das ganze Paket zu begegnen, beauftragte er das EJPD, ihm
zwei getrennte Gesetzesentwürfe zu unterbreiten : einen über strafbare Handlungen gegen Leib und Leben und die Familie sowie einen über das Sexualstrafrecht. Das Schutzalter sollte bei 16 Jahren belassen werden und der Inzest strafbar bleiben. Demgegenüber folgte er den Vorschlägen der Experten, künftig auf Antrag auch die Vergewaltigung in der Ehe zu verfolgen sowie hetero- und homosexuelles Verhalten strafrechtlich gleichzubehandeln. In der Frage der Pornographie hatte das EJPD eine Differenzierung sowie die Ansetzung einer Altersgrenze für den Schutz von Jugendlichen zu prüfen. Als neue Materie sollten Darstellungen reiner Gewalttätigkeiten, insbesondere im Videobereich, erfasst werden
[22].
Ferner beauftragte das EJPD Prof. H. Schultz, bis zum Frühjahr 1985 die
Allgemeinen Bestimmungen des StGB auf ihre Revisionsbedürftigkeit zu überprüfen und einen Vorentwurf auszuarbeiten. Von der Einsetzung einer neuen Expertenkommission wurde noch abgesehen
[23].
Was den
Strafvollzug betrifft, so zeigte es sich, dass es den Kantonen wegen der Knappheit der öffentlichen Mittel und den Problemen der interkantonalen Zusammenarbeit schwerfällt, die bundesgesetzlich verordneten Verbesserungen vorzunehmen. Noch immer fehlen in der deutschen Schweiz und in der Romandie je zwei Heime für besonders schwierige jugendliche Rechtsbrecher (Therapieheim, Anstalt für Nacherziehung). Die eidgenössischen Räte fanden sich deshalb bereit, die den Kantonen gesetzte Frist für die Schaffung solcher Einrichtungen nochmals um zwei Jahre zu verlängern
[24].
Privatrecht
Wichtige Schritte wurden auch auf dem Gebiet des Privatrechts getan. Die Behandlung der Eherrechtsrevision im Nationalrat wird an anderer Stelle zu würdigen sein. Hier sei aber auf die
Kodifikation des internationalen Privatrechts in einem umfassenden Bundesgesetz hingewiesen. Auf Anstoss einer Tagung des Schweizerischen Juristenvereins im Jahre 1971 hatten vom Bundesrat beauftragte Fachexperten 1973-1978 an der Festlegung der Normen für grenzüberschreitende Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen gearbeitet
[25]. Nach einem Vernehmlassungsverfahren war deren Entwurf noch revidiert worden. Das neue Gesetz soll grössere Rechtssicherheit durch leichteren Zugang zu den zuständigen Gerichten gewähren und übereinstimmende Lösungen ermöglichen. Der Entwurf lehnt sich an die Systematik des ZGB und des OR an und enthält unter anderem Regeln über die internationale Zuständigkeit schweizerischer Gerichte und die internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Ferner bestimmt es das auf grenzüberschreitende Sachverhalte anwendbare Recht und gibt an, unter welchen Voraussetzungen ausländische Urteile in der Schweiz anerkannt werden können. Eine Ständeratskommission widmete sich im Berichtsjahr noch dem allgemeinen Teil der Gesetzesvorlage. Verschiedene juristische Kommentatoren beurteilten sie positiv und äusserten die Hoffnung, dass nach einigen Detailverbesserungen im Lauf der Ratsverhandlungen ein echter Beitrag zur «Öffnung im (internationalen) kollisionsrechtlichen Bereich» vorliegen werde
[26].
[1] Allgemeine Aspekte des Datenschutzes: BaZ, 12.2.83; 26.3.83. Expertenentwürfe: SZ, 6.1.83; SGT, 26.2.83. Vernehmlassung: SZ, 4.5.83; TW, 17.11.83; Presse vom 26.1.84. Verwaltungsinterne Richtlinien: BBl, 1983, II, S. 1177 f.; Presse vom 30.6.83. Vgl. SPJ, 1980, S. 15; 1981, S. 13.
[2] Arbeiten in den Kantonen: 24 Heures, 24.1.83; 22.2.83; JdG, 23.3.83; AT, 31.8.83; NZZ, 19.9.83; BaZ, 22.12.83. Bisher haben erst GE, VD und NE ein Datenschutzgesetz. Vgl. R. J. Schweizer, « Gesetzgebungsprobleme des Datenschutzes in den Kantonen », in Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel. Festschrift für Kurt Eichenberger zum 60. Geburtstag, Basel 1982. S. 657 If. Zum Gegendarstellungsrecht vgl. unten, Teil I, 8c (Medienordnung). Vgl. auch R. Frank, Persönlichkeitsschutz heute, Zürich 1983.
[3] Verletzungen: Lib., 26.1.83; Presse vom 26.3.83; BaZ, 14.7.83; 24 Heures, 14.7.83; vgl. SPJ, 1982, S. 10. Telefonabhörungen: BaZ, 10.11.83; 11.11.83; vgl. unten, Teil II, 1e sowie SPJ, 1978, S. 15.
[4] SGT, 1.3.83; Emanzipation, Nr. 5, Juni 1983; TA, 9.12.83; CdT, 15.12.83. Vgl. SPJ, 1982, S. 10 und unten, Teil I, 7d (Schwangerschaftsabbruch). Gegenentwurf: BBl, 1983, II, S. 1 ff.; Presse vom 1.3.83. Zum Totalrevisionsentwurf vgl. SPJ, 1978, S. 11 f.
[5] Unzulänglichkeiten: BaZ, 9.4.83; Vat., 2.12.83; Lib., 9.12.83. Ratsverhandlungen : Amtl. Bull. StR, 1983, S. 666 ff.; AT, 23.11.83; NZZ, 9.12.83; 14.12.83; TA, 9.12.83.
[6] Botschaft des BR: BBl, 1983, II, S. 1241 ff.; TA, 4.6.83. Diskussion: TA, 14.6.83; 25.11.83; Vr, 7.9.83; NZZ, 9.12.83. Vgl. SPJ, 1976, S. 14; 1980, S. 41 f. sowie unten, Teil I, 2 (Institutions européennes).
[7] Obwalden: Vat., 22.1.83; 25.2.83; 25.4.83; 24.10.83. Bem: Bund, 24.2.83; 5.12.83. Aargau: AT, 14.5.83. Basel-Stadt: BaZ, 16.9.83. Freiburg: Lib., 26.1.83; 4.3.83; 13.5.83; Suisse, 26.1.83. Schaffhausen: BaZ, 10.9.83; SZ, 6.12.83. Bilanz der bisherigen Revisionen: Vat., 9.6.83; BaZ, 24.10.83. Vgl. SPJ, 1982, S. 10 f.; ferner unten, Teil II, 1b.
[8] Graubünden: NZZ, 28.2.83. Petition: Suisse, 14.9.83; NZZ, 21.9.83; TA, 21.9.83. SP-Initiative: Bund, 30.5.83; SGT, 5.10.83; 29.10.83; NZZ, 15.11.83.
[9] Amtl. Bull. NR, 1983, S. 44 ff., 714 f., 1054; Amtl. Bull. StR, 1983, S. 131, 322, 383; BBl, 1983,1I, S. 703 ff. ; NZZ, 17.3.83; 14.6.83; 22.6.83. Vgl. SPJ, 1982, S. 11.
[10] Parteistellungnahmen: AT, 2.11.83; 24 Heures, 21.11.83; TA, 1.12.83. Presseartikel: BaZ, 2.7.83; AT, 12.11.83 ; NZZ, 26.11.83 ; 24 Heures, 26.11.83 ; JdG, 28.11.83. Flüchtlingsfeindlichkeit: BaZ, 3.2.83; LNN, 3.2.83. Vgl. auch SPJ, 1982, S. 42 und unten, Teil I, 2 (Asile politique).
[11] Volksabstimmung: BBl, 1984, I, S. 616 f.; Presse vom 5.12.83. Wesentliche Gesichtspunkte: NZZ, 18.11.83; 24 Heures, 10.12.83. Wenig diskutierte Themen: TLM, 14.9.83; SGT, 5.12.83; Suisse, 5.12.83; TW, 5.12.83.
[12] Demonstrationen: Presse vom 5.4.83; 6.6.83; 7.11.83; vgl. ferner SPJ, 1982, S. 12 ff. sowie unten, Teil I, 2 (Relations bilatérales) und 3 (Friedenserhaltung). Anschläge auf elektrische Anlagen: Presse vom 31.1.83; BaZ, 1.2.83; NZZ, 2.2.83; 27.9.83; SZ, 13.3.83; AT, 27.9.83; vgl. unten, Teil I, 6a (Energie nucléaire). Anschläge auf militärische und andere Anlagen: SGT, 14.1.83; 24 Heures, 26.1.83; Bund, 15.3.83; BaZ, 17.3.83; Vat., 24.5.83; NZZ, 14.6.83; vgl. unten, Teil I, 3 (Infrastrukturanlagen). Aufklärungsbemühungen: NZZ, 4.2.83; BaZ, 4.3.83; Suisse, 8.4.83. Über die Wahrung der öffentlichen Ordnung gegenüber Störungen vgl. Manifest zur Verteidigungdes Rechtsstaats, hg. v. d. Vereinigung für Rechtsstaat und Individualrechte, Zürich 1983.
[13] NZZ, 23.2.83; 28.2.83; 4.7.83; TA, 31.3.83.
[14] Presse vom 3.-7. und 11.10.83. Vgl. SPJ, 1982, S. 12 und 37 f.
[15] Schliessung, amtliche Begründung und Proteste : Presse vom 30.4. sowie vom 4. u. 5.5.83 ; zu Protesten vgl. auch BZ, 3.5.83; Wochen-Zeitung, 18, 6.5.83; Presse vom 18.6.83. Bürgerliche Zustimmung: JdG, 30.4.83; NZZ, 4.5.83; Vat., 4.5.83; ferner AT, 6.5.83 (SVP) ; NZZ, 14.5.83 (Jugendorganisationen); 28.5.83 (CVP). Kritik: BaZ, 2.5.83; 4.5.83; Bund, 4.5.83; TW, 4.5.83; Wochen-Zeitung, 19, 13.5.83; vgl. auch TLM, 18.6.83. Amtsbericht: Blick, 4.5.83 ; Wochen-Zeitung, 20, 20.5.83 ; zur Indiskretion vgl. BaZ, 18.5.83; Bund, 1.6.83 ; Presse vorn 14.6.83. Zweifel: BaZ, 4.5.83; 19.5.83; BZ, 5.5.83. SP GE: JdG, 16.5.83. Auf eine Meinungsumfrage erklärten 74% die Schliessung für richtig (NZZ, 15.9.83). Vgl. auch Die Affäre Friedrich oder: Lügen haben kurze Beine. Graubuch zur Schliessung des Berner Nowosti-Büros, Hg. Schweiz. Friedensbewegung, Basel 1983, sowie unten, Teil I, 2 (Relations bilatérales).
[16] Interpellationen Oehler (cvp, SG) und PdA/PSA/POCH-Fraktion: Amtl. Bull. NR, 1983, S. 816 ff.; vgl. dazu BaZ, 8.6.83; Presse vom 22.6.83.
[17] BaZ, 24.6.83 ; NZZ, 7.7.83 ; 28.3.84. Zur Frage der Veröffentlichung aus geheimen Dokumenten, die durch Indiskretion bekannt geworden sind, vgl. unten, Teil I, 8c (Information). 1413 Personen erhoben Strafldage gegen BR Friedrich wegen Verleumdung bzw. übler Nachrede. Die eidgenössischen Räte lehnten jedoch eine Aufhebung der Immunität des Beklagten ab (Amtl. Bull. NR, 1983, S. 1794 ff.; Amtl. Bull. StR, 1983, S. 720). Die beiden Nowosti-Journalisten wandten sich an die Europäische Menschenrechtskommission (BaZ, 28.10.83).
[18] NZZ, 7.2.83; Vat., 3.3.83; AT, 17.3.83; TLM, 1.4.83; Presse vom 2.4.83. Vgl. SPJ, 1981, S. 17; 1982, S. 12.
[20] Polizeilicher Gebrauch der Schusswaffe: Wir Brückenbauer, 27, 6.7.83; TA, 4.11.83. Koordination des Polizeieinsatzes : Suisse, 7.7.83 ; SZ, 9.9.83 ; zur Palästina-Konferenz vgl. unten, TeilI, 2 (Missions traditionnelles). Repräsentativumfrage: NZZ, 9.3.83. Vgl. auch SPJ, 1982, S. 14.
[21] Zum Vernehmlassungsverfahren vgl. Bund, 2.6.83; ferner SPJ, 1981, S. 149 f. Polizeidirektoren: NZZ, 6.5.83. Vgl. auch AT, 2.6.83; SZ, 3.6.83; Vat., 3.6.83; ferner G. Arzt, «Sexualdelikte und Strafrechtsreform», in Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins, 119/1983, S. 1 ff. u. 291 ff. ; F. Riklin, «Zur Reform des Sexualstrafrechts in der Schweiz», in Recht, 1/1983, S. 53 ff.
[22] Presse vom 2. u. 3.6.83; PZ, 43, 1.12.83; NZZ, 30.12.83. Zu den Videoprodukten vgl. Motionen Guntern (cvp, VS) (Amtl. Bull. StR, 1983, S. 122 f.) und Zbinden (cvp, FR) (Amtl. Bull NR, 1983, S. 1394 ff.).
[23] NZZ, 30.12.83. Vgl. auch das von der Caritas veröffentlichte Reformprogramm zum schweizerischen Strafwesen. Weltanschauliche Aspekte, Strafrecht und Strafverfahrensrecht, Straf- und Massnahmenvollzug, Luzern 1983.
[24] BBl, 1983, III, S. 405 ff.; Amtl. Bull. NR, 1983, S. 1322 ff., 1371, 1555; Amtl. Bull. StR, 1983, S. 492 f., 532, 585 ; AS, 1983, S. 1346; vgl. auch BaZ, 30.6.83 ; NZZ, 8.10.83. Vgl. ferner SPJ, 1973, S. 16 und 130. Auf Mängel im modernen Strafvollzug wurde ausserdem anlässlich der Entweichung L. Gellis aus der Genfer Strafanstalt hingewiesen ; vgl. CdT, 13.8.83 ; einfache Anfrage Ziegler (sp, GE) in Amtl. Bull. NR, 1983, S. 1879 sowie unten, Teil I, 2 (Relations bilatérales).
[25] Eherechtsrevision: vgl. unten, Teil I, 7d (Familienpolitik). Internationales Privatrecht: BBl, 1983, 1, S. 263 ff.; Presse vom 28.1.83.
[26] Würdigung: NZZ, 15.4.83 ; 19.5.83 ; 18.8.83 ; 19.10.83 ; M. Gutzwiller, «Die Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über das internationale Privatrecht », in Zeitschrift für schweiz. Recht, NF, 102/1983, I, S. 277 ff.; BR Friedrich in Documenta, 1983, Nr. 3, S. B. Vgl. auch P. Volken, «Von Analogien und ihren Grenzen im internationalen Privatrecht der Schweiz», in Festschrift für Frank Vischer, Zürich 1983, S. 335 ff.