Grundlagen der Staatsordnung
Wahlen
Bei den Wahlen in kantonale Parlamente verloren die FDP und die CVP weitere Sitze. – Die SP konnte ihre Mandatszahlen erhöhen, ohne jedoch in gleichem Masse Wähleranteile hinzuzugewinnen. – Die Grüne Partei setzte ihren Erfolgskurs fort, während die Auto-Partei in ihrer Expansion etwas gebremst wurde. – Im Berner Regierungsrat haben die bürgerlichen Parteien wieder die Mehrheit erobert. – Nach den Wahlen in der Stadt Zürich verfügen die rot-grünen Kräfte in der Exekutive und in der Legislative über die Mehrheit. – Bei den Ständeratswahlen verlor die CVP in Glarus ein Mandat an die FDP.
Wahlen in kantonale Parlamente
Die Gesamterneuerungswahlen in sieben Kantonalparlamente (BE, GL, JU, NW, OW, VD, ZG) bestätigten gewisse Tendenzen, welche sich in den vorherigen Kantonalwahlen angekündigt hatten. Die FDP erlitt weitere Verluste und büsste insgesamt elf Sitze ein. Auch die CVP musste Federn lassen und verlor weitere neun Mandate. Im Gegensatz dazu konnten die Sozialdemokraten einen kräftigen Mandatszuwachs verzeichnen, nachdem sich schon im Vorjahr gesamthaft eine aufsteigende Tendenz, insbesondere in der Westschweiz, abgezeichnet hatte.
Die
Auto-Partei (AP) wurde in ihrer rasanten Fahrt auf Erfolgskurs
gebremst: Einzig in Bern konnte sie mit einem Mandat Einzug in ein Kantonalparlament halten. Auf kommunaler Ebene konnte sie immerhin in Winterthur drei Sitze erobern, in Zürich hingegen ging sie leer aus. Die Grüne Par
tei sowie grün-alternative Bewegungen konnten weiterhin
Sitze zulegen, so in der Waadt, in Nidwalden und in den Städten Winterthur und Zürich. Die rechtsnationalistische Nationale Aktion (NA), welche sich in
Schweizer Demokraten (SD) umbenannt hat, erlitt grosse Verluste und ist nach dem Ausscheiden in der Waadt nur noch in fünf Kantonen im Parlament vertreten
[1]. Der
Anteil der Frauen in den kantonalen und kommunalen Parlamenten stieg weiter an; von den 735 im Berichtsjahr in sieben Kantonen (ohne AR) gewählten Parlamentsmitgliedern waren 105 weiblich (14,4%). Genf liegt weiterhin mit 32% an der Spitze, den Schluss bildet Schwyz mit 4%; in den Stadtparlamenten hat inzwischen die Zürcher Frauenvertretung mit einem Anteil von 32% diejenige von Lausanne (29%) überholt
[2].
Die Wahlen in den 200 Sitze zählenden Grossen Rat ergaben einen
Linksrutsch, wobei die beiden bürgerlichen Regierungsparteien SVP und FDP mit 106 Sitzen die absolute Mehrheit halten konnten. Klare Siegerin war die SP, welche dank einem um knapp 2 Prozentpunkte gestiegenen Wähleranteil sowie Listenverbindungen mit der Freien Liste (FL) und mit linken Kleinparteien 8 Sitze gewinnen konnte; damit erreichte die SP in bezug auf die Sitzzahl das beste Wahlresultat seit 1974. Zehn der 21 neugewählten SP-Parlamentsmitglieder sind Frauen. Die gesamtschweizerisch zur GP gehörende Freie Liste konnte ihren Wähleranteil bei einer Verdoppelung ihrer Präsenz in den Wahlkreisen von 5,9 auf 8,6% erhöhen; wegen zwei Mandatseinbussen in der Stadt Bern gelang es ihr aber nicht, ihre Fraktionsstärke weiter auszubauen. Die Auto-Partei konnte entgegen den Erwartungen nur einen Sitz (Bern-Stadt) erobern. Die FDP büsste mit fünf Sitzen am meisten ein, die SVP konnte dagegen zwei Mandate gewinnen und erhielt neu 71, blieb aber vom Spitzenresultat aus dem Jahre 1982 mit 78 Sitzen und 37,3% Wähleranteil weit entfernt. Erstmals konnten im Kanton Bern auch die 18- und 19jährigen wählen. Die Frauenvertretung erhöhte sich von 30 auf 35 und erreichte damit einen Anteil von 17,5%
[3].
Die Erneuerungswahlen des Grossen Rates im Kanton Waadt haben keine Überraschungen gezeitigt. Hauptsächlich ging es um die Frage, wer die sechs Sitze der Nationalen Aktion, welche nicht mehr kandidierte, erben würde. Am meisten konnten die
Grünen mit fünf Sitzgewinnen
profitieren, womit sie auf 12 Mandate kamen. Der SP gelang zwar eine Verbesserung des Wähleranteils, aber kein Mandatsgewinn; hingegen konnte die PdA trotz weiterem Wählerschwund einen Sitz hinzugewinnen. Die "Alternative socialiste verte" präsentierte im Gegensatz zu den Lausanner Stadtwahlen im Jahre 1989 keine eigene Liste und verlor ihren einzigen Sitz. Im bürgerlichen Lager ergaben sich bloss geringe Sitzverschiebungen: Einerseits gewannen die FDP ein und die SVP zwei Mandate, andererseits verloren die Liberale Partei drei und die CVP einen Sitz. Die
schwache Stimmbeteiligung von 29,8% widerspiegelte das allgemeine Desinteresse. Der Frauenanteil erhöhte sich auf 15,5%
[4].
Die Wahlen ins 60köpfige Parlament ergaben bei der niedrigsten Wahlbeteiligung (61,6%) seit der Gründung des Kantons eine
leichte Verschiebung zugunsten von links-grünen Kräften. Der " Combat socialiste" konnte zwei Gewinne verbuchen und erhielt neu drei Sitze; auch die SP konnte ein Mandat hinzugewinnen. Hingegen musste die PdA ihren bisher einzigen Sitz abgeben. Die CVP und die FDP verloren je einen Sitz; alle übrigen Parteien konnten ihren Besitzstand wahren. Die Frauenvertretung könnte von fünf auf sieben erhöht werden (11,7%); je zwei gehören der SP und der CVP an, je eine der FDP, der unabhängigen christlich-sozialen Partei und dem Combat socialiste
[5].
Der
Linksrutsch bei den Parlamentswahlen im Kanton Zug hatte sich bereits bei den vorangegangenen Gemeindewahlen angezeigt. Die Sozialdemokraten konnten zusammen mit der "Frischen Brise Steinhausen" drei Sitze hinzugewinnen, ebenso erhielten die Sozialistisch-Grüne Alternative (SGA, zum Grünen Bündnis gehörend) zwei und die "Politische Arbeitsgruppe Gleis 3 Risch-Rotkreuz" einen neuen Sitz. Die SGA hat mit vier Sitzen nun Fraktionsstärke erreicht. Verlierer waren vor allem die Freisinnigen, welche vier Mandate einbüssten, und die CVP, die als stärkste Partei wie bei den letzten und vorletzten Wahlen zwei Sitze verlor; diesmal büsste sie auch knapp vier Wählerprozentpunkte ein. In drei Gemeinden kam es zu stillen Wahlen, da nicht mehr Kandidaten nominiert wurden als Sitze zu vergeben waren. Die Frauenvertretung stieg von 7 auf 15 (18,5%)
[6].
In Nidwalden ging das
"Demokratische Nidwalden" (DN) als klarer
Sieger aus den Landratswahlen hervor. Auf Kosten von drei freisinnigen und zwei christlichdemokratischen Sitzen erhöhte die vor acht Jahren gegründete grüne Gruppierung ihre Mandatzahl um fünf auf acht. Das DN, welches weder der Grünen Partei noch dem Grünen Bündnis angehört, kämpfte insbesondere gegen die Pläne der NAGRA für ein Endlager radioaktiver Abfälle am Wellenberg. Die CVP als dominierende Partei verfügt im neuen Parlament noch über genau die Hälfte der Sitze. Der Frauenanteil stieg von drei auf sieben Sitze (11,7%)
[7].
Der Obwaldner
Landrat wurde bei den diesjährigen Wahlen um drei Sitze auf 55 aufgestockt. Die CVP behielt mit zwei Sitzgewinnen (neu 35) die
absolute Mehrheit im Rat; sieben ihrer Abgeordneten gehören dem christlich-sozialen Flügel an. Die Freisinnigen konnten die zwei im Jahre 1986 verlorenen Sitze wieder gutmachen und kamen auf 14 Mandate. Auch die freien Wählergruppen bauten ihre Vertretung um einen Sitz auf sechs aus, wobei sich der parteiunabhängige Vertreter aus Engelberg nicht der neugebildeten Freien Fraktion Obwalden (FF0) anschloss. Die Auto-Partei, erstmals und einzig im Bezirk Kerns vertreten, erntete mit 0,2% Wählerstimmen ein unerwartet schlechtes Ergebnis. Im neuen Parlament sitzen nun sechs Frauen (10,9%), zwei mehr als 1986 und eine mehr als am Ende der Legislaturperiode
[8]
.
Zu leichten Sitzverschiebungen zugunsten der SP und Umweltgruppen ist es auch bei den Glarner Landratswahlen gekommen. Im achtzigköpfigen Parlament verfügen die Grünen nun über drei Sitze (+2), was aber noch nicht zur Bildung einer eigenen Fraktion reicht. Die Sozialdemokraten bauten ihre Position trotz massiv gesunkenem Parteistimmenanteil von 13 auf 15 Mandate aus; sie konnten von der
Ausdehnung des Proporzwahlverfahrens auf das Glarner Hinterland und das Sernftal profitieren. Die CVP musste zwei Sitzverluste hinnehmen, die beiden stärksten Parteien des Kantons, die SVP und die FDP (je 23 Mandate), verloren je einen. Mit vier Landrätinnen — je einer FDP-, SVP-, CVP und SP-Abgeordneten — stellen die Frauen wie bisher nur 5% der 80 Parlamentsmitglieder
[9].
Die Gesamterneuerungswahlen für den Kantonsrat, welche im Majorzverfahren jeweils eine Woche nach der Landsgemeinde durchgeführt werden, bestätigten die bestehende Zusammensetzung der Gruppierungen weitgehend. Da die Parteien in diesem Kontext nur eine untergeordnete Rolle spielen, sind im 58köpfigen Parlament nicht alle Vertreter klar einer Partei zuzuordnen. Nach Ansicht von Kennern stehen aber etwa 50 Vertreter dem freisinnigen Lager nahe, vier der SP, zwei der CVP und einer der SVP. Neu sind vier Frauen im Rat vertreten (6,9%)
[10].
Zu den alljährlich an der Landsgemeinde stattfindenden Erneuerungswahlen des Parlaments lassen sich keine Zahlen zur parteipolitischen Zusammensetzung angeben, wie in Ausserrhoden treten auch hier nicht verschiedene Parteien gegeneinander an. Da es in Appenzell-Innerrhoden neben der CVP keine anderen Parteien gibt, darf angenommen werden, dass auch die grosse Mehrheit der Parlamentarier dieser Partei zumindest nahesteht. Auf die Einführung des kantonalen Frauenstimmund -wahlrechts wird an anderer Stelle eingegangen
[11].
Wahlen in kantonale Regierungen
Die SVP und die FDP hatten die Lehren aus der Niederlage von 1986, als die Freisinnigen von den Grünen aus der Regierung verdrängt wurden, gezogen und traten wieder mit einer gemeinsamen Liste an.
Dank dieser Blockbildung eroberten sie die Mehrheit in der Regierung zurück. Die
vor vier Jahren überraschend gewählten Leni Robert und Benjamin Hofstetter von der zur Grünen Partei gehörenden Freien Liste blieben in der Wahl zu der von neun auf sieben Mitglieder verkleinerten Regierung auf der Strecke. Klar wiedergewählt wurden die drei bisherigen SVP-Vertreter, Peter Schmid, Peter Siegenthaler und Ueli Augsburger, ebenso René Bärtschi (sp). Es folgten die Neuen Peter Widmer (fdp), Hermann Fehr (sp) und Mario Annoni (fdp, Berner Jura). Damit entsprechen sich im Kanton Bern die politischen Mehrheitsverhältnisse in Regierung und Parlament wieder. Eine unmittelbar nach der Wahl durchgeführte Umfrage zeigte, dass vornehmlich über 40jährige und überdurchschnittlich viele Männer aus ländlichen Gebieten die bürgerliche Fünferliste unterstützt haben. Die Jüngeren, die Frauen und die Stadtbevölkerung haben gemäss Umfrage hingegen mehrheitlich den rot-grünen Block gewählt. Aus dieser Studie ging im weitern deutlich hervor, dass die Regierungsratswahlen trotz des Majorzsystems nicht primär Persönlichkeitswahlen waren, sondern dass sich die meisten Wählenden für einen der beiden Blöcke entschieden. Der Stimmenaustausch über die Blockgrenzen hinweg blieb gemäss der Umfrage relativ gering, aber nicht unbedeutend: Von den Bürgerlichen erhielt Widmer, vom links-grünen Block Bärtschi am meisten Unterstützung aus dem gegnerischen Lager. Auch der knapp vor der Bisherigen Leni Robert liegende Fehr (sp) profitierte von Zusatzstimmen der FDP-Sympathisanten
[12]..
Die bürgerliche "Entente" hat im Kanton Waadt die Regierungsratswahlen zu ihren Gunsten entschieden. Die
parteipolitische Zusammensetzung der Exekutive blieb genau gleich wie in der letzten Legislaturperiode; für den zurückgetretenen François Leuba (lp) wurde Claude Ruey gewählt. Die Hoffnung der Sozialdemokraten, einen zweiten Wahlgang erzwingen zu können, blieb unerfüllt. Alle fünf bürgerlichen Kandidaten der Entente vaudoise erreichten dank der Blockbildung schon im ersten Wahlgang das absolute Mehr. Hingegen schafften die beiden sozialdemokratischen Regierungsräte Daniel Schmutz und Pierre Duvoisin im ersten Wahlgang das absolute Mehr nicht. Da die restlichen Kandidatinnen und Kandidaten, welche im ersten Wahlgang deutlich weniger Stimmen als die beiden Sozialdemokraten erzielt hatten, auf eine Stichwahl verzichteten, wurden diese in stiller Wahl als bestätigt erklärt
[13].
Die jurassischen Regierungsratswahlen brachten
mit der Kandidatur von Odile Montavon des "Combat socialiste" sehr viel Spannung auf die politische Bühne. Montavon kam im ersten Wahlgang für den fünfköpfigen Regierungsrat an vierter Stelle zu stehen. Damit konnte sie sich mit einem Vorsprung von über 1200 Stimmen vor den bisherigen Ministern François Mertenat (sp) und Pierre Beuret (csp) plazieren. Im Kantonshauptort Delémont figurierte sie gar an der Spitze aller Kandidatinnen und Kandidaten. Als einziger erreichte François Lachat (cvp) das absolute Mehr und war somit im ersten Wahlgang gewählt. Vor dem zweiten Wahlgang entzog dann allerdings die SP Montavon die Unterstützung, um allein auf den eigenen Kandidaten Mertenat zu setzen. Auf der anderen Seite unterstützten sich die beiden christlichen Parteien gegenseitig und riefen zu Wahldisziplin zugunsten der eigenen Kandidaten auf. Die Aussenseiterin Montavon blieb ohne sozialdemokratische Unterstützung hinter den vier Bisherigen zurück. Die Regierungszusammensetzung blieb damit personell und parteipolitisch unverändert; ausser Gaston Brahier (fdp, seit 1986) sind alle Minister seit Bestehen des Kantons im Amt
[14].
Die Wahlen für die Zuger Regierung lösten die seit 1982 geltende parteipolitische Zusammensetzung von je drei FDP- und CVP-Vertretern und einem Sozialdemokraten auf. Ein Vertreter der äussersten Linken, Hanspeter Uster von der
Sozialistisch-Grünen Alternative (SGA), welche mit vier Sitzen im 80köpfigen Parlament vertreten ist, konnte dank der Listenverbindung mit der SP und dem in Zug für die Wahl des Regierungsrats angewendeten
Proporzsystem einen Regierungssitz auf Kosten der FDP erobern. Zug ist damit der einzige Deutschschweizer Kanton mit einer grünen Regierungsbeteiligung
[15].
An der Landsgemeinde in Wil bei Stans wurde der Regierungsrat in derselben parteipolitischen Zusammensetzung gewählt wie bisher: Er
bleibt ein rein bürgerliches Organ bestehend aus fünf CVP- und vier FDP-Mitgliedern. Neu wurden die beiden Christlichdemokraten Viktor Furrer und Ferdinand Keiser sowie der Freisinnige Werner Keller in die Regierung gewählt. Die beiden Kampfkandidaten des "Demokratischen Nidwalden" blieben erfolglos. Im übrigen lehnten die rund 7000 Teilnehmer an der Landsgemeinde die Vorlage des Landrates zur Reduktion der Zahl der Regierungsmitglieder von neun auf sieben ab. Die Vorlage war nur von der FDP unterstützt, aber auch vom Gesamtregierungsrat zur Annahme empfohlen worden
[16].
Auch an der Obwaldner Landsgemeinde konnten sich die Kampfkandidaturen der Unabhängigen und der Frauen nicht durchsetzen. Im Ausscheidungsverfahren gewann Josef Nigg (cvp) in einem ersten Durchgang die Wahl gegen sämtliche Gegenkandidaten von CSP, den Unabhängigen und die einzige Frau, Trudy Abächerli (fdp). Im zweiten Durchgang setzte sich Hans Hofer (csp) gegen die verbliebenen Kandidaten durch, wobei die Endausmarchung gegen den Unabhängigen Bruno Santini relativ knapp ausfiel. Zwei Tage nach der Landsgemeinde wurde allerdings ein Formfehler in bezug auf das Ausscheidungsverfahren im zweiten Durchgang entdeckt. Deshalb musste die Wahl Hans Hofers an einer zweiten Landsgemeinde wiederholt werden, obwohl sich die übrigen Kandidaten und die einzige Kandidatin nicht mehr zur Wahl stellten. Insgesamt hat die
CVP die absolute Mehrheit zurückgewonnen, die Schwesterpartei CSP konnte ihren Regierungssitz halten, die FDP hielt ihre zwei Sitze (der 1989 zurückgetretene Hans Hess war parteilos)
[17].
Bei den Glarner Regierungsratswahlen, welche immer vor den Landratswahlen und vor der Landsgemeinde stattfinden, wurden bei einer Stimmbeteiligung von 51% für die zurückgetretenen Emil Fischli (cvp) und Martin Brunner (sp) die Kandidaten Rudolf Gisler (cvp) und Werner Marti (sp) gewählt. Ein zweiter sozialdemokratischer Kandidat erreichte zwar ebenfalls das absolute Mehr, schied aber als überzählig aus der Wahl. Zwei parteilose Kandidaten erlangten das absolute Mehr nicht. Die bisheriien Regierungsräte wurden alle bestätigt
[18].
Die Landsgemeinde in Trogen, erstmals mit Frauenbeteiligung, wählte in einem spannenden Ausscheidungskampf Ernst Graf (fdp) als Nachfolger für Hans Mettler (fdp) in die Regierung. Er hatte überraschend starke Konkurrenz von der parteilosen Elisabeth Eschler erhalten. Als neuer Landammann wurde Hans Höhener (fdp) gewählt
[19].
An der Landsgemeinde wurden Walter Bischofberger und Alfred Wild als Ersatz für die zurücktretenden Paul Zeller und Hans Breu gewählt. Die Frage der Reduktion der Standeskommission (Exekutive) von neun auf sieben Mitglieder wurde an der Landsgemeinde nicht vorgebracht, nachdem der Grosse Rat sich gegen die Vorlage ausgesprochen hatte
[20].
Die im Gegensatz zum Parlament alle vier Jahre stattfindenden Wahlen für die Regierung des Kantons Graubünden endeten mit einem
bürgerlichen Wahlsieg: Die SP, welche seit 1971 keinen Regierungsrat mehr stellen konnte, schaffte den Einzug — als Ersatz für den aufgrund der Amtszeitbeschränkung auf zwölf Jahre zurücktretenden freisinnigen Reto Mengiardi — nicht. Im ersten Wahlgang erreichten nur drei der vier bisherigen Regierungsräte das absolute Mehr. Am besten schnitt der Vorsteher des Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartementes, Joachim Caluori (cvp), ab; ihm folgten die beiden SVP-Vertreter Christoffel Brändli und Luzi Bärtsch. Im zweiten Wahlgang wurden der Bisherige Aluis Maissen (cvp) sowie der neu antretende Kandidat der FDP, Peter Aliesch, gewählt. Für seinen sozialdemokratischen Herausforderer, Martin Jäger, wurde die erst für den zweiten Wahlgang eingereichte Kandidatur des Vertreters der Demokratisch-sozialen Partei, Schimun Vonmoos, zu einem zusätzlichen Hindernis: Jäger musste sich mit nur knapp 500 Stimmen mehr als im ersten Wahlgang begnügen, womit er über 4500 Stimmen weniger als Aliesch erhielt
[21]..
Kommunale Wahlen
Die Wahlen in den Grossen Gemeinderat (Legislative) brachten nur geringfügige Sitzverschiebungen, wobei sich das links-grüne Lager leicht verstärken konnte. Die Sozialdemokraten, welche erstmals mit getrennten SP-Frauen- und Männerlisten sowie mit einer separaten Liste des Gewerkschaftsbundes antraten, konnten insgesamt zwei Sitzgewinne verzeichnen, wobei die Frauenliste vier, die Männerliste neun und die Gewerkschaftsliste vier Sitze erhielten. Auch die Grünen und die Auto-Partei waren erfolgreich: Die GP gewann zwei Mandate (neu fünf), die neu kandidierende "Offene Liste" erreichte einen Sitz, und auch die AP zog mit drei Vertretern erstmals ins Parlament ein. Auf der Verliererseite stand die NA, welche drei ihrer fünf Sitze hergeben musste. Von den Parteien der Mitte verloren die EVP und der LdU je einen Sitz, während die Demokratische Partei ihre zwei Mandate halten konnte. Die FDP, CVP und SVP büssten je ein Mandat ein und verfügen im 60 Mitglieder zählenden Rat noch über 22 Sitze.
Die
Stadtratswahlen (Exekutive) brachten
keine parteipolitischen Veränderungen. Das Resultat fiel allerdings ganz knapp zugunsten der bürgerlichen Mehrheit aus; der Herausforderer der Demokratischen Partei (DP), welche eher links-grüne und insbesondere kulturelle Anliegen vertritt, unterlag mit nur 87 Stimmen Differenz (gemäss Nachzählung). Herausragend während des Wahlkampfes war vor allem die umstrittene Werbekampagne des Kandidaten der DP, welcher vom Handelshaus Volkart unterstützt wurde, was ihm den Vorwurf einer zu starken Abhängigkeit vom Geldgeber einbrachte
[22]..
Die grossen Gewinnerinnen der Gemeinderatswahlen (Legislative) waren die sozialdemokratische Partei, welche ihre Sitzzahl um acht auf 47 erhöhte, und die Grüne Partei, die ihre Vertretung auf zehn verdoppelte. Die SP verdankte ihre Sitzgewinne vor allem den Listenverbindungen mit kleineren Parteien und auch einem gewissen Proporzglück; ihr eigener Wähleranteil stagnierte. Zusammen mit der "Alternativen Liste Züri 1990" (vier Sitze) und der Gruppierung " Frauen macht Politik" (drei Mandate) verfügen die links-grünen Kräfte für die neue Amtsperiode über eine absolute Mehrheit von 64 von 125 Mandaten. Die Verluste im bürgerlichen Lager sind unterschiedlich ausgefallen. Einerseits konnten die FDP und die SVP zusammen ihre Sitzstärke halten; die FDP hat trotz massivem Zuwachs beim Wähleranteil zwei Sitze verloren, konnte aber immerhin den während der vergangenen Legislatur an die Auto-Partei verlorenen Sitz von Rudolf Saxer wieder zurückerobern. Die SVP erhöhte ihre Sitzzahl um ein Mandat auf sieben. Andererseits wurde die CVP-Fraktion um annähernd einen Drittel, nämlich um fünf Mitglieder, auf zwölf reduziert. Auch die Parteien der Mitte, LdU und EVP, mussten Verluste von drei resp. zwei Sitzen hinnehmen. Am rechten Rand des Parteienspektrums verlor die NA mehr als die Hälfte ihrer bisher 11 Sitze, und die Auto-Partei schaffte es mit nur 3,5% Wähleranteil nicht, ins Parlament gewählt zu werden. Die beiden gegen Ende der letzten Legislaturperiode zur AP übergelaufenen Gemeinderäte (der eine von der FDP, der andere von der CVP) konnten ihre Sitze damit nicht verteidigen.
Die sich längerfristig abzeichnenden Tendenzen auf nationaler Ebene haben sich in Zürich nicht bestätigt: Die SP hat zwar in bezug auf die Mandatszahl viel Terrain gut gemacht und näherte sich ihrem letzten Höhepunkt aus dem Jahre 1978 (50 Sitze), stagnierte aber wähleranteilmässig auf ihrem tiefen Niveau von 1986. Umgekehrt glich die FDP wähleranteilmässig die massive Einbusse von 1986 wieder aus, verlor aber weitere Sitze
[23]
.
Auch im Stadtrat (
Exekutive) gingen die
links-grünen Kräfte siegreich aus den Wahlen hervor. Für die zwei freigewordenen Sitze der SVP und des LdU wurden zwei Sozialdemokraten, Josef Estermann und Robert Neukomm, gewählt, alle übrigen Stadträte wurden bestätigt. Damit hatte Zürich
zum ersten mal seit 1949 wieder eine mehrheitlich nichtbürgerliche Regierung. Zum Stadtpräsidenten wurde in einem zweiten Wahlgang Josef Estermann gewählt; der bisherige Stadtpräsident, Thomas Wagner (fdp), wurde relativ knapp geschlagen, nachdem er bei der Wahl des Stadtrates an neunter und somit letzter Position in die Exekutive gewählt worden war
[24]
..
Ständeratswahlen
Den links-grünen Kampfkandidaten und -kandidatinnen gelang es, einen zweiten Wahlgang zu erzwingen. Im ersten Wahlgang erreichte nur der Bisherige Andreas Iren (fdp) das absolute Mehr; der zweite Bisherige,
Markus Kündig (cvp), seit 16 Jahren in der kleinen Kammer, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes und auch als Mitglied von vielen Verwaltungsräten eng mit der Wirtschaft verbunden, schaffte die Hürde nicht. Im zweiten Wahlgang gelang ihm dann mit einem Stimmenanteil von 57% die Bestätigung gegen seinen sozialdemokratischen Herausforderer Adolf Müller, obwohl die FDP an ihrer Delegiertenversammlung keine Empfehlung zu seiner Unterstützung abgegeben hatte
[25]..
In Glarus waren beide Sitze neu zu besetzen. Dabei verlor die CVP ihren 1978 von der SVP eroberten Ständeratssitz an die
FDP, welche nun beide Sitze innehat. Als Nachfolger für Peter Hefti hatte die FDP Regierungsrat Kaspar Rhyner-Sturm nominiert. Dieser schaffte zwar das erforderliche Mehr, noch mehr Stimmen erhielt aber überraschenderweise sein ebenfalls freisinniger, 'wild' kandidierender Herausforderer Fridolin Schiesser, welcher damit den zweiten Ständeratssitz eroberte. Die FDP hatte sich von der Kandidatur Schiessers offiziell distanziert und über seine Missachtung des Delegiertenentscheides Befremden gezeigt. Werner Stauffacher; von der CVP als Nachfolger von Hans Meier vorgeschlagen, unterlag klar, ebenso wie der sozialdemokratische Bewerber, Alban Brodbeck
[26]..
An der Nidwaldner Landsgemeinde verlief die Wahl des am CVP-Parteitag, nicht aber von der Delegiertenversammlung als Nachfolger Norbert Zumbühls nominierten Peter Josef Schallberger gegen seinen freisinnigen Kontrahenten Uli Sigg derart knapp, dass nach dreimaligem Handerheben ausgezählt werden musste.
Unbestritten war die Bestätigungswahl Niklaus Küchlers (cvp) an der Sarner Landsgemeinde im Kanton
Obwalden
[27].
Im Kanton Graubünden wurden sowohl der seit 1980 in der kleinen Kammer sitzende Ulrich Gadient (svp) als auch der amtierende Ständeratspräsident Luregn Mathias Cavelty (cvp), der seit bald 20 Jahren dem eidgenössischen Parlament angehört, bestätigt
[28].
Weiterführende Literatur
Amtsblätter und Statistiken der betreffenden Kantone und Städte.
Eidg. Kommission für Frauenfragen, Nehmen Sie Platz, Madame, Bern 1990. C. Longchamp (Hg.), Traditionelle Mehrheiten für neue Herausforderungen. Eine Erstauswertung der Wahlbefragung zu den Regierungsratswahlen 1990 im Kanton Bern, Bern 1990.
Praxisorientiertes Forschungsseminar UNI Bern, VOX-Analysen für den Kanton Bern. Ein Forschungsprojekt am Beispiel der Regierungsratswahlen 1990, Bern 1990.
Redressement national (Hg.), Politik in Zahlen, Zürich 1991 (Faltblatt).
Sozialdemokratische Frauen der Schweiz (Hg.), Die Zukunft ist weiblich: eidgenössische Wahlen 1991, Bern 1990.
P. Stadlin e. a. (Hg.), Die Parlamente der schweizerischen Kantone (dreisprachig) inklusiv Synoptische Tabellen über Organisation und Verfahren, Zug 1990.
R. Stämpfli / C. Longchamp, "Wie wird die Zukunft weiblich? Frauenförderung bei Wahlen und darüber hinaus", in W. Linder (Hg.), Zukunft des Staates — L'avenir de l'Etat. Schweizerisches Jahrbuch für politische Wissenschaft, 30/1990, Bern 1991, S. 29 ff.
S. Wettstein, Der lange Weg des Frauenstimmrechts im Kanton Appenzell Ausserrhoden (2. Auflage), Kreuzlingen 1990.
[1] Zu den Entwicklungen in der schweizerischen Parteienlandschaft siehe auch unten, Teil lIIa.
[2] Vgl. dazu auch die Tabelle "In kantonale und kommunale Parlamente gewählte Frauen 1981-1990" im Anhang.
[3] Wahlen vom 29.4.90: Bund, BZ, 30.4. und 1.5.90. Wahlkampagne: Siehe Wahljournal der BZ vom 17.4.90. Letzte Wahlen SPJ 1986, S. 34 f.
[4] Wahlen vom 4.3.90: 24 Heures, 5.3. und 6.3.90; L'Hebdo, 8.3.90. Wahlkampagne: 24 Heures, 25.2.90; L'Hebdo 1.3.90. Letzte Wahlen: SPJ 1986, S. 32 f.
[5] Wahlen vom 21.10.90: Dém., 24 Heures und Suisse, 22.10.90. Vgl. auch VO, 25.10.90. Letzte Wahlen: SPJ 1986, S. 33 f.
[6] Wahlen vom 11.11.90: LNN, Vat. und NZZ 12.11.90. Wahlkampagne: NZZ und Vat., 7.11.90. Vgl. auch Bresche, 1990, Nr. 11.
[7] Wahlen vom 1.4.90: LNN und Vat., 2.4.90. Letzte Wahlen: SPJ 1986, S. 33.
[8] Wahlen vom 1.4.90: LNN und Vat., 2.4.90. Letzte Wahlen: SPJ 1986, S. 35 f.
[9] Wahlen vom 10.6.90: Vat., 12.6.90; NZZ, 15.6.90. Wahlkampagne: BüZ, 7.6.90; NZZ, 9.6.90. Letzte Wahlen: SPJ 1986, S. 36 f.
[10] Wahlen vom 6.5.90: SGT, 7.5.90; NZZ und TA, 8.5.90. Wahlkampagne: NZZ, 3.5.90. Zu den Parteienstärken vgl. Lit. Wettstein. Letzte Wahlen in AR: SPJ 1987, S. 61.
[11] Landsgemeinde in AI: Presse vom 30.4.90. Zum Frauenstimm- und Wahlrecht siehe oben Teil 1, l b, (Stimmrecht).
[12] Wahlen vom 29.4.90: BZ und Bund, 30.4.90; BZ und BT, 10.5.90 ; siehe auch Lit. Longchamp. Departementsverteilung: Bund, 25.5.90.
[13] Wahlen vom 4.3.90: 24 Heures, 5.3.90. Stille Wahlen: 24 Heures, 8.3.90. Departementsverteilung: 24 Heures, 5.4.90.
[14] Wahlen vom 21.10.90: Presse vom 22.10. und 23.10.90. Wahlkampf zwischen beiden Wahlgängen: Ww, 1.11.90; WoZ, 2.11.90. 2. Wahlgang: Presse vom 5.11.90. Departementsverteilung: Dém., 22.12.90.
[15] Wahlen vom 11.11.90: Presse vom 12.11.90. Zu Uster: LNN, 17.11.90. Departementsverteilung: LNN, 11.12.90.
[16] Landsgemeinde vom 29.4.90: LNN und Vat., 30.4.90. Kampagne: NZZ, 24.4.90; LNN, 26.4.90. Departementsverteilung: Vat., 2.5.90.
[17] Landsgemeinde vom 29.4.90: Presse vom 30.4.90. Formfehler und Nachwahl: LNN, 2.5. und 2.7.90; NZZ, 30.5.90. Departementsverteilung: Vat., 2.5.90.
[18] Wahlen vom 18.3.90: NZZ, 19.3.90. Wahlkampf: NZZ, 6.2.90; LNN, 13.3.90.
[19] Landsgemeinde vom 29.4.90: SGT und NZZ, 30.4.90. Kampagne: SGT und NZZ, 26.4.90.
[20] Landsgemeinde vom 29.4.90: SGT und NZZ, 30.4.90. Reduktionsvorlage: NZZ, 13.3.90.
[21] Wahlen vom 11.3.90: BüZ und NZZ, 12.3.90. Wahlkampf: BüZ, 2.3.-8.3.90. 2. Wahlgang: BüZ und NZZ, 2.4.90. Departementsverteilung: BüZ, 26.6.90.
[22] NZZ und TA, 26.2.90.
[24] Presse vom 5.3.90. 2. Wahlgang für das Stadtpräsidium: NZZ, 2.4.90. Zu Stadträtin U. Koch siehe Bilanz, 1990, Nr. 2, S. 42 ff.
[25] Wahlen vom 11.11.90: Presse vom 12.11.90; Ww, 15.11.90. 2. Wahlgang: Presse vom 17.12.90. Wahlkampf: LNN, 30.11.90. FDP: NZZ, 23.11.90.
[26] Wahlen vom 18.3.90: NZZ, 19.3.90. Wahlkampf: LNN, 13.3.90; NZZ, 16.3.90. FDP-DV: NZZ, 20.1.90.
[27] Landsgemeinden vom 29.4.90: LNN und NZZ, 30.4.90. Kandidatur Schallbergers: Va t., 9.2.90; LNN, 14.4.90.
[28] Wahlen vom 23.9.90: BüZ, 24.9.90. Wahlkampf: BüZ, 12.9.90.