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Grundlagen der Staatsordnung
Wahlen
Der Aufwärtstrend der FDP setzte sich fort, während die CVP erneut Mandate und Wähleranteile verlor. — In der Deutschschweiz konnte die SP weiter Terrain gut machen, in der Romandie hingegen wurde sie Opfer eines verstärkten Polarisierungsprozesses. — Die Erosion der Grünen Partei verstärkte sich, während die Auto-Partei im Kanton Aargau einen Erfolg verbuchen konnte. — Bei den städtischen Wahlen in Lausanne vermochte die links-grüne Koalition ihre Mehrheit sowohl im Parlament als auch in der Regierung zu behaupten. — Die Frauenvertretung in den kantonalen Parlamenten erhöhte sich massiv durch die Erfolge in den Kantonen Solothurn, Neuenburg und Aargau.
Wahlen in kantonale Parlamente
Für die detaillierten Resultate siehe die Tabellen im Anhang (anhang_1993.pdf). Zu den einzelnen Parteien vgl. auch unten, Teil IIIa.
Die Gesamterneuerungswahlen für fünf Kantonalparlamente (AG, GE, NE, SO, VS) konnten gewisse Tendenzen, welche sich in den Vorjahren abgezeichnet hatten, bestätigen; sie lassen sich indessen nicht in jedem Fall eindeutig interpretieren, da zum Teil gegenläufige Bewegungen festzustellen sind. Bei den bürgerlichen Parteien wurde der Aufwärtstrend der FDP teilweise bestätigt; sie verlor zwar im Kanton Aargau vier Sitze, insgesamt gewann sie jedoch fünf Mandate hinzu. Die SVP trat nur im Kanton Aargau an, wo sie zwei Sitzgewinne verzeichnete. Der Abwärtstrend der CVP wurde auch im Berichtsjahr mit dreizehn Sitzverlusten (inkl. Junge CVP im Aargau) klar bestätigt. Bei der SP konnte nur in der Deutschschweiz ein Aufschwung festgestellt werden. In der Romandie, insbesondere im Kanton Genf, war eine verstärkte Polarisierung zwischen den Extremen zu Lasten der SP feststellbar, während in Neuenburg ein Rechtsrutsch stattfand. Wie schon im Vorjahr setzte sich die Erosion der Grünen Partei sowohl in der Deutschschweiz als auch in der Romandie fort, wobei die Verluste im Kanton Genf am empfindlichsten waren. Bei den kleineren Parteien waren nur geringfügige Verschiebungen festzustellen, ausser bei der Genfer PdA, welche sich zu einem breiteren linksalternativen Sammelbecken entwickelt hat, und der Auto-Partei im Kanton Aargau, die sich mit sieben Mandatsgewinnen als mittelgrosse Kraft mit 19 Sitzen und 9,4% Wähleranteil etablierte.
Spektakulär war der Zuwachs des Frauenanteils, insbesondere in den Parlamenten der Kantone Solothurn und Neuenburg, in welchen sich die Frauenvertretung verdreifachte resp. verdoppelte. Die starke Zunahme konnte teilweise auf die Umstände der Bundesratsersatzwahl, bei welcher die sozialdemokratische Kandidatin Christiane Brunner von der Bundesversammlung nicht gewählt worden war, zurückgeführt werden. Insgesamt waren von 689 in fünf Kantonen gewählten Parlamentsmitgliedern 195 Frauen (28,3%). Am frauenfreundlichsten aller Kantone wählte der Kanton Genf mit einem Anteil von 36%, gefolgt vom Kanton Solothurn mit 34,7%. Unter den bürgerlichen Parteien konnte die CVP am meisten Frauen in ihre Parlamentsvertretungen schicken. Nach wie vor an der Spitze lag die SP, welche mit bis zu knapp 66% Frauenanteil (AG) in den Parlamenten repräsentiert ist [1].
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Im Kanton Aargau gingen die Sozialdemokraten und die Frauen als Siegerinnen aus den Parlamentswahlen hervor. Die SP, welche in allen Bezirken eine Listenverbindung mit den Grünen eingegangen war, konnte ihre sieben Sitzverluste aus dem Jahre 1989 wieder ausgleichen und wurde mit 44 Mandaten und 19,8% Wähleranteil wieder zur stärksten Partei. Die bürgerlichen Parteien FDP, SVP und CVP spannten ebenfalls in vielen Bezirken zusammen. Die Erosion der FDP und vor allem der CVP setzte sich allerdings fort. Während die FDP mit vier Mandatsverlusten den Schaden begrenzen konnte, musste die CVP inklusive den Sitz der Jungen Liste Zurzach (Fraktionsgemeinschaft) acht Sitzverluste verkraften, wobei allerdings die Junge CVP (Liste Junge Leute Baden und Muri) zwei Mandate eroberte. Unter den bürgerlichen Regierungsparteien konnte einzig die SVP ihren Bestand um zwei Sitze auf 36 erhöhen und auch ihren Wähleranteil verbessern. Die Wähleranteile der vier grossen Parteien haben sich einander angenähert und bewegen sich zwischen 17,7% und 19,8%. Die Grünen verloren vier von elf Sitzen. Die kleinen Parteien der Mitte, der Landesring und die EVP, verloren je einen Sitz. Hingegen konnte die Auto-Partei wiederum kräftig zulegen. Nachdem sie bei ihrem ersten Auftritt 1989 zwölf Mandate erobert hatte, gewann sie jetzt nochmals sieben Sitze hinzu und erreichte 9,5% Wähleranteil. Den grössten Sieg verzeichneten jedoch die Frauen. Sie konnten 26 Sitze zusätzlich erobern und erreichten mit 63 Mandaten einen Anteil von 31,5%. Den höchsten Frauenanteil verzeichnete die SP mit 65,9%. Unter den zwölf abgewählten Männern war Heinrich Buchbinder (sp) der Prominenteste. Die starke Erhöhung des Frauenanteils war zum Teil auch als Reaktion der weiblichen Wahlberechtigten auf die Nichtwahl Christiane Brunners (sp) als Bundesrätin zurückzuführen. Die Stimmbeteiligung war mit 45% relativ hoch, nachdem sie 1989 mit knapp 36% einen Tiefpunkt erreicht hatte. Die höhere Beteiligung kann teilweise damit erklärt werden, dass gleichzeitig mit den kantonalen Wahlen auch eidgenössische Abstimmungen stattfanden [2].
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Grosse Verschiebungen in der parteipolitischen Zusammensetzung ergaben sich bei den Wahlen in den Grossen Rat des Kantons Genf. Für die Verschiebungen im linken Spektrum war der wichtigste Grund das Nichtzustandekommen des seit rund dreissig Jahren praktizierten Wahlbündnisses zwischen Sozialisten und Kommunisten.
Der Konflikt nahm seinen Anfang in der Genfer Regierung. Dem seit zwölf Jahren im Amt stehenden sozialdemokratischen Regierungsrat Grobet verweigerte die Parteileitung wegen der Amtszeitbeschränkung die Kandidatur für eine vierte Amtsperiode, worauf dieser aus der Partei austrat und sich auf der Liste der PdA mit dem Namen "Alliance de gauche — Parti du travail, solidarités, indépendants" als unabhängigen Kandidaten aufstellen liess. Da er sich auf einer neuen Liste bewarb, musste er gemäss den geltenden Regelungen auch für den Grossen Rat kandidieren. Die bereits vorher erarbeitete Bündnisplattform zwischen SP, PdA und Grünen wurde darauf von der SP-Generalversammlung mit 98 zu 85 Stimmen für ungültig erklärt, wodurch der Entscheid zur Listenverbindung sowohl mit der Alliance als auch mit der GP aufgehoben wurde [3].
Durch diesen Alleingang verlor die SP bei den Wahlen sechs ihrer 21 Mandate und über 5% Wähleranteil. Auch die Grünen mussten einen Verlust von fünf Sitzen sowie eine Einbusse von über 4% Wähleranteil hinnehmen. Mit 7,9% der Stimmen schaffte die GP das Quorum von 7% nur noch knapp. Von diesen Verlusten konnte die "Alliance de gauche" als linke Sammelbewegung mit der PdA an der Spitze profitieren. Sie erhielt 21 Sitze und 19% Wähleranteil (PdA 1989: 8 Sitze, 8,0% Wähleranteil). Damit erhöhte der rot-grüne Block seine Vertretung um insgesamt zwei Sitze auf 44. Die bürgerliche "Entente", zusammengesetzt aus FDP, CVP und LP, legte insgesamt sieben Mandate zu und erreichte mit 56 von hundert Sitzen eine komfortable Mehrheit in der Legislative. Innerhalb der Entente gewannen die LP fünf und die FDP zwei Sitze hinzu, während die CVP mit 14 Mandaten stagnierte. Die insgesamt neun Sitzgewinnne des bürgerlichen und rot-grünen Lagers gingen alle auf Kosten des rechtsnationalistischen, aus der früheren Vigilance entstandenen "Mouvement patriotique genevois (MPG)", welches nicht mehr als eigene Liste, sondern zusammen mit der SVP erfolglos unter dem Listennamen "Unis pour Genève" antrat. Als Konkurrenz vor allem zur CVP, teilweise aber auch zum radikal-liberalen Lager kandidierte erstmals eine rechtsbürgerliche Liste namens "Défi – pour une économie forte et imaginative", die aus Kreisen des Gewerbes und der Auto-Partei entstanden war. Mit 3,2% Wähleranteil blieb aber auch sie chancenlos. Der Frauenanteil stieg von 32 auf 36%, wobei die weibliche Vertretung wiederum bei der SP am höchsten ausfiel (60%). Von allen kantonalen Parlamenten blieb damit dasjenige Genfs das frauenfreundlichste [4].
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Bei den Parlamentswahlen im Kanton Neuenburg ergab sich ein Rechtsrutsch. Die FDP und die LP gewannen je vier Sitze hinzu; die SP verlor sechs Sitze und 5,8% Wähleranteil. Auch die Grünen erlitten zwei Verluste (ein 1989 auf der "Liste libre" Gewählter war der Fraktion der grünen Partei "Écologie et Liberté" beigetreten). Indem die Bürgerlichen acht von zehn Sitzen, die sie im Jahre 1989 verloren hatten, zurückgewannen, konnten sie ihre knappe Mehrheit von 59 auf 67 von 115 Sitzen ausbauen. Eine längerfristige Analyse lässt erkennen, dass die Neuenburger Wahlen seit 1981 durch abwechselnde Pendelausschläge zwischen dem bürgerlichen und dem linken Lager gekennzeichnet sind. In Wähleranteilen ausgedrückt ist die LP mit 33,4% die stärkste Partei, während die SP mit 39 Sitzen aber über ein Mandat mehr verfügt. Die Stimmbeteiligung sank gegenüber 1989 um 4%, wobei in den traditionell eher links wählenden Bezirken La Chaux-de-Fonds und Le Locle eine um 7% resp. 5% geringere Beteiligung zu verzeichnen war. Im übrigen wurden verschiedene bekannte Persönlichkeiten wie der Fraktionspräsident der SP, der PdA-Parteisekretär sowie der Präsident der Neuenburger Grünen nicht mehr gewählt. Die Frauen konnten ihre Vertretung verdoppeln und erreichten einen Anteil von 32,8% [5].
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Bei den Solothurner Wahlen ergaben sich im Gegensatz zu 1989 nur wenige Sitzverschiebungen. Der allgemeinen Tendenz entsprechend gehörte die CVP auch hier zu den Verliererinnen; mit drei Mandatsverlusten und 1,2% weniger Wähleranteil konnte sie den Schaden aber in Grenzen halten. Auch die GP musste einen ihrer neun Sitze abgeben. Davon profitieren konnte die SP, welche insgesamt drei Mandate hinzugewann, aber auch die FDP, die einen Sitz zurückeroberte, nachdem sie 1989 elf Mandate verloren hatte. Weder die neu antretende SVP, noch die Schweizer Demokraten oder die kleinen Parteien der Mitte, LdU und EVP, konnten einen Sitz ergattern. Für Aufsehen sorgte die Tatsache, dass sowohl die AP als auch die SD Kandidaten in andern als ihren Wohnbezirken aufstellten. Die SD blieb auch mit dieser Methode weiterhin erfolglos, während die AP mit sieben Mandaten auf dem Stand der letzten Wahlen verharrte. Auch die Jungliberale Bewegung, welche in Olten mit einer eigenen Liste kandidierte, blieb erfolglos; in den übrigen Bezirken figurierten die Jungliberalen auf der Liste der FDP. Auf der Gewinnerseite befanden sich vor allem die Frauen, welche mit 50 Mandaten (34,7%) ihren Anteil gegenüber den letzten Wahlen mehr als verdreifachen konnten (zu Beginn der Legislatur waren es 16, am Ende 22 Rätinnnen gewesen). Der sogenannte "Brunner-Effekt" führte unter anderem dazu, dass ähnlich wie im Kanton Aargau verschiedene prominente männliche Abgeordnete, darunter auch der Präsident der Solothurner SP, abgewählt wurden [6].
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Bei den Walliser Grossratswahlen setzte sich der Erosionsprozess der CVP/CSP, welche vier Mandate von bisher 79 und 3,5% Wähleranteil einbüsste, weiter fort. Zwar ist die rückläufige Tendenz der Christlichdemokraten hier langsamer als in den anderen Landesgegenden, die CVP hat aber seit 1961 stetig Verluste hinnehmen müssen und immerhin insgesamt 13 Mandate eingebüsst. Auf der Gewinnerseite standen die FDP sowie die SP, welche je zwei zusätzliche Sitze erobern konnten. Die unter verschiedenen Namen auftretenden Liberalen (LP Sierre, Hérens, Sion, Entremont, Centre libéral et indépendant Martigny, Liste Parti chrétien-social/libéral Conthey) konnten ihren Besitzstand von fünf Mandaten halten und bilden weiterhin eine Fraktion (sie hatten nach den letzten Wahlen unter Beizug von zwei auf christlichsozialen und unabhängigen Listen gewählten Parlamentariern einen Zusammenschluss erwirkt). Die Frauen konnten ihre Sitzzahl um fünf auf 14 erhöhen (10,8%) [7].
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Bei den Gesamterneuerungswahlen für den Kantonsrat, die alle drei Jahre im Majorzwahlverfahren eine Woche nach der Landsgemeinde durchgeführt werden, wurden im ersten Wahlgang alle wiederkandidierenden bisherigen Ratsmitglieder bestätigt, weshalb im wesentlichen keine Veränderung des Kräfteverhältnisses der verschiedenen Gruppierungen stattfand. Die parteipolitische Zusammensetzung ist nur ungefähr zu bestimmen, da viele Ratsmitglieder nur einer Partei nahestehen, ihr aber nicht angehören. Rund vier Fünftel der Kantonsratsmitglieder sind der FDP zuzuordnen, die übrigen verteilen sich auf SP, CVP und SVP. Die Anzahl der Sitze im Rat wurde im übrigen von 58 auf 63 erhöht, wovon vor allem die Frauen profitieren konnten, die zehn Mandate erobern konnten (bisher vier) [8].
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Bei der alljährlich eine Woche nach der Landsgemeinde stattfindenden Erneuerungswahl des Innerrhoder Parlaments, in welchem neben der CVP offiziell keine anderen Parteien existieren, wurden vier Frauen neu in den 65köpfigen Rat gewählt, womit deren Vertretung auf sieben anstieg [9].
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Wahlen in kantonale Regierungen
Für die detaillierten Resultate siehe die Tabellen im Anhang (anhang_1993.pdf).
Bei den Wahlen in die Kantonsregierungen erlitten die links-grünen Kräfte Niederlagen in den Kantonen Genf, wo die Linke gänzlich aus der Exekutive verdrängt wurde, und Neuenburg, wo die bis 1989 geltende Formel der parteipolitischen Zusammensetzung der Regierung wieder hergestellt wurde. Die Walliser Regierung blieb parteipolitisch gleich zusammengesetzt, im Kanton Solothurn blieb sogar die personelle Besetzung unverändert. Erstmals ist in Genf eine Frau in der Exekutive vertreten. Bis Ende des Berichtsjahres waren damit von 166 kantonalen Exekutivämtern elf (6,6%) von Frauen besetzt.
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Die Genfer Regierungswahlen, welche jeweils vier Wochen nach den Parlamentswahlen stattfinden, waren einerseits durch die Trennung des bisherigen SP-Regierungsrats Grobet von seiner Partei geprägt, andererseits hatte der Bürgerblock durch die erfolgreichen Parlamentswahlen Auftrieb erhalten. Die bürgerliche Entente stellte eine Siebner-Liste auf, während sich die neu gegründete "Alliance de gauche" zusammen mit der SP und den Grünen erst nach langem Zögern und internen Grabenkämpfen für eine gemeinsame Sechser-Liste entschieden. Die Strategie der bürgerlichen Parteien, alles auf eine Karte zu setzen und dem durch die internen Spannungen geschwächten links-grünen Spektrum keinen Sitz mehr zuzugestehen, hatte bei der Wählerschaft Erfolg. Zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte eroberten die bürgerlichen Parteien sämtliche Regierungssitze. Die FDP konnte ebenso wie die LP einen zusätzlichen Sitz gewinnen. Ihr bisheriger Staatsrat, Guy-Olivier Segond, erreichte das beste Resultat, während der neue Gérard Ramseyer das Schlusslicht bildete. Die Liberalen konnten neben ihren beiden Bisherigen, Olivier Vodoz und Claude Haegi, mit Martine Brunschwig Graf die erste Frau in die Genfer Regierung Einsitz nehmen lassen. Bei der CVP wurde der Bisherige Jean-Philippe Maître als Drittbester wiedergewählt, während der Neue Philippe Joye auf dem zweitletzten Rang landete. Entgegen den Erwartungen aufgrund des guten Resultates bei den Parlamentswahlen landete der umstrittene Grobet unter den nichtgewählten rot-grünen Kandidaten sowohl hinter den beiden Sozialdemokraten, der erstmals kandidierenden Micheline Calmy-Rey und dem Bisherigen Bernard Ziegler, als auch dem Grünen Rebeaud. Ganz abgeschlagen waren der Linksalternative Ducommun der Liste "Solidarités" und PdA-Nationalrat Jean Spielmann. Die Wählerschaft der Entente, von welcher nur ein Fünftel die Einheitsliste verändert eingelegt hat, zeigte mehr Linientreue als die Linke, deren Anhängerschaft ihre Einheitsliste zu einem Drittel verändert in die Urne legte. Unter den Verlierern war also nicht nur die SP wie bei den Parlamentswahlen, sondern die gesamte Linke. Die Stimmbeteiligung von 41,9% war deutlich höher als bei den letzten Regierungswahlen (33,2%) und bei den Parlamentswahlen (35,4%) [10].
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Wie bei den Parlamentswahlen fand auch bei den Wahlen in die Regierung ein Rechtsrutsch statt. Es gelang dem Bürgerblock, zusammengesetzt aus FDP und LP, die seit 1989 herrschende rot-grüne Dominanz in der Regierung schon im ersten Wahlgang zu sprengen. Pierre Hirschy (lp), welcher erst seit 1992 im Amt ist, erreichte das beste Resultat, gefolgt von seinem Parteikollegen Jean Guinand, welcher die Nachfolge von Jean Cavadini übernahm. Ebenfalls neu in die Regierung wurde Maurice Jacot (fdp) gewählt. Die beiden bisherigen Sozialdemokraten Francis Matthey und Pierre Dubois landeten auf den beiden letzten Plätzen. Der Parteilose, dem links-grünen Lager zugehörige und von der SP, PdA und der GP unterstützte Michel von Wyss wurde nicht mehr gewählt. Diese Abwahl wurde nicht zuletzt auch seiner Profillosigkeit sowie seiner umstrittenen Spitalpolitik zugeschrieben [11].
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Im Kanton Solothurn wurden wie schon vor vier Jahren alle bisherigen Regierungsmitglieder von einem "Aktionskomitee gemeinsame Regierungsratsliste" unterstützt und im ersten Wahlgang bestätigt. Der Kampfkandidat von der Auto-Partei, Nationalrat Borer, blieb mit nur einem Fünftel der Stimmen der Gewählten chancenlos. Das beste Resultat erzielte der Vorsteher des Innern und der Polizei, Rolf Ritschard (sp), gefolgt von Erziehungsdirektor Schneider (fdp). Auf dem letzten Platz landete der erst 1992 gewählte Volkswirtschaftsdirektor Wallner (cvp) [12].
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Für den zurückgetretenen Hans Wyer (cvp), welcher seit 1977 amtierte, kandidierte Wilhelm Schnyder. Dieser wurde im ersten Wahlgang mit dem besten Resultat gewählt. Auch der Bisherige Bernard Bornet (cvp) erreichte im ersten Durchgang das absolute Mehr. Der freisinnige Sierro verpasste das absolute Mehr nur knapp. Die beiden sozialdemokratischen Herausforderer, Thomas Burgener und Charles-Edouard Bagnoud, blieben dagegen chancenlos [13]. Im zweiten Wahlgang, bei welchem die Beteiligung nur knapp 25% betrug, wurden Sierro sowie die zwei übrigen bisherigen Staatsräte der CVP, Raymond Deferr und Richard Gertschen, bestätigt. Obwohl sich für den zweiten Wahlgang keine Herausforderer gegen die bisherigen Regierungsräte stellten, konnten gemäss den geltenden Verfassungsbestimmungen keine stillen Wahlen durchgeführt werden [14].
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Ersatzwahlen
Bei den Ersatzwahlen für die zurückgetretenen Regierungsräte Mertenat (sp) und Brahier (fdp) erreichte im ersten Wahlgang bei einer Beteiligung von nur 42,9% (1990: 1. Wahlgang: 61,6%) keiner der Kandidaten das absolute Mehr. Die beiden Kandidaten der SP und der FDP, Jacques Stadelmann und Ständerat Michel Flückiger, landeten hinter Odile Montavon von der links-grünen Organisation "Combat socialiste" und Pierre Kohler (Junge CVP). Im zweiten Wahlgang, bei welchem die Beteiligung 52,4% betrug, wurden überraschenderweise beide Aussenseiter gewählt. Der 29jährige, auf einer freien Liste kandidierende Kohler erreichte mit einem Stimmenanteil von 45,5% das beste Resultat, während Odile Montavon, welche bei den letzten Gesamterneuerungswahlen im zweiten Wahlgang unterlegen war, an zweiter Stelle mit 37,9% der Stimmen gewählt wurde. Stadelmann und Flückiger erzielten nur 31,5% resp. 30,1%. Ohne eigene Kandidatur hat die CVP somit in der Regierung die Mehrheit erlangt, und anstelle der SP vertritt Combat socialiste, welcher im Parlament nur mit drei Sitzen repräsentiert ist, fortan die Anliegen der Linken. Mit Odile Montavon wurde zum ersten Mal eine Frau in die jurassische Regierung gewählt. Wiederum muss die ursprünglich antiseparatistische FDP, wie von Beginn der Kantonsgründung im Jahre 1978 bis 1986, auf eine Regierungsbeteiligung verzichten [15].
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Als Ersatz für den seit 1975 als Gesundheitsdirektor amtierenden Peter Wiederkehr (cvp) wurde der von den bürgerlichen Parteien unterstützte CVP-Kandidat Ernst Buschor, ehemaliger Vorsteher der kantonalen Finanzverwaltung und Betriebswirtschaftsprofessor, im ersten Wahlgang bei einer Beteiligung von 37,5% gewählt. An zweiter Stelle mit weniger als der Hälfte der Stimmen des Gewählten landete der von der GP nominierte und auch von der SP unterstützte Kantonsrat Daniel Vischer. Die bemerkenswert hohe Anzahl von Leerstimmen — rund ein Viertel der abgegebenen Stimmen — wurde im Gefolge der Bundesratsersatzwahl als ein Zeichen des Protestes, insbesondere von Frauen, gewertet, die nicht bereit waren, einen Mann zu wählen [16].
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Kommunalwahlen
Für die detaillierten Resultate siehe die Tabellen im Anhang (anhang_1993.pdf).
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Im Stadtparlament von Lausanne konnten die Parteien des rot-grünen Spektrums ihre knappe Mehrheit von vier Sitzen, welche sie 1989 gewonnen hatten, behaupten. Geringere Verschiebungen ergaben sich bei den bürgerlichen Parteien, wobei die FDP ihre Position um zwei Sitze auf 27 verbessern konnte; bemerkenswert war allerdings ihr Zuwachs an Wählerstimmen in der Höhe von 5,5%. Die CVP und die Liberalen verloren hingegen je einen Sitz. Grössere Sitzverschiebungen kamen im links-grünen Lager zustande: Während die PdA drei und die SP zwei Sitze hinzugewannen, verloren die Grünen fünf von ihren bisher sechzehn Mandaten. Bei den Wähleranteilen konnte die SP 5,3% und die PdA 3% zulegen, die Grünen verloren 2,5%. Im Gegensatz zu 1989 traten die SD und die AP nicht mehr an. Auf der Gewinnerseite waren die Frauen, welche ihren Anteil im Parlament von 29% auf 36% erhöhen konnten. Mit 33,7% fiel die Wahlbeteiligung bescheidener als 1989 aus (37,4%) [17].
Bei den Wahlen in die siebenköpfige Exekutive erreichte im ersten Wahlgang keiner der zwölf Kandidaten das absolute Mehr. Immerhin konnten sich alle vier bisherigen Regierungsmitgieder des rot-grünen Spektrums vor den Kandidaten der bürgerlichen Entente und den Aussenseitern plazieren, wobei der Grüne Brélaz an der Spitze landete. Im zweiten Wahlgang wurde bei einer Beteiligung von 30% sowohl die bisherige Mehrheit der rot-grünen Regierung als auch die parteipolitische Zusammensetzung bestätigt. Das beste Resultat erzielte Pierre Tillmanns (sp), gefolgt von Brélaz (gp), Stadtpräsidentin Yvette Jaggi (sp) und Jean-Jacques Schilt (sp). Auf der Seite der bürgerlichen Entente, welche eine Viererliste mit drei Freisinnigen und dem bisherigen Liberalen Rosset präsentierte, wurde der bisherige Finanzdirektor und Nationalrat Olivier Chevallaz (fdp) abgewählt. Für die FDP wurden die beiden Neuen Francis Thévoz – ein ehemaliger Linker, der erst im zweiten Wahlgang von seiner Partei nominiert worden war – und Doris Cohen-Dumani gewählt [18].
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Kommunale Ergänzungswahlen
Nachdem der im Dezember 1992 bei den letzten Gesamterneuerungswahlen bestätigte Berner Finanzdirektor Josef Bossart (cvp) auf Druck der neuen rot-grünen Regierungsmehrheit in die Gesundheits- und Fürsorgedirektion wechseln musste, trat er im Januar zurück. Als Nachfolgerin wurde Stadträtin Ursula Begert (svp) nominiert und bei einer Stimmbeteiligung von 23,1% gewählt. Der von der AP und den SD unterstützte Gegenkandidat, Jean-Daniel Flückiger von der EDU, blieb chancenlos. Mit der Wahl Begerts konnte die SVP ihren 1992 verlorenen Sitz wieder zurückgewinnen und verdrängte gleichzeitig die CVP aus der Regierung. Die Wahl Begerts hat auch eine historische Dimension, weil zum ersten Mal in einer schweizerischen Exekutive die Frauen die Mehrheit bilden [19].
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Weiterführende Literatur
Amt für Statistik des Kantons Luzern, Grossratswahlen 1991, Luzern 1993 (2 Bände).
C. Church, "The Swiss election of 1991: Stability not Stasis", in West European Politics, 15/1993, Nr. 4, S. 184 ff.
W. Seitz, Nationalratswahlen 1991: Übersicht und Analyse, Bern (Bundesamt für Statistik) 1993.
W. Seitz, "Nützen die Frauenlisten den Frauen?", in Rote Revue, 71/1993, Nr. 3, S. 20 ff.
Staatskanzlei des Kantons Solothurn, Regierungs- und Kantonsratswahlen 1993, Kanton Solothurn, Solothurn 1993.
Statistisches Amt Aargau, Grossratswahlen 1993. Wahlergebnisse, Aarau 1993.
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[1] Zur Bundesratsersatzwahl und zum sogenannten "Brunner-Effekt" siehe oben, Teil I, 1c (Regierung).
[2] Wahlen vom 7.3.93: Presse vom 8.3. und 9.3.93. Wahlkampf: AT, 7.1., 12.1., 15.1., 19.1. und 25.2.93; TA, 19.1.93; LNN, 4.3.93. Letzte Wahlen siehe SPJ 1989, S. 51.
[3] DP, 1.7.93; Suisse, 19.8. und 3.9.93; L'Hebdo, 26.8. und 14.10.93; TG, 2.9.93; WoZ, 10.9.93.
[4] Wahlen vom 17.10.93: Presse vom 18.10.93. Wahlkampf: JdG, 8.10.93; NZZ, 11.10.93. Letzte Wahlen siehe SPJ 1989, S. 52 f.
[5] Wahlen vom 18.4.93: Presse vom 19.4. und 20.4.93. Wahlkampf: Express, 9.3., 27.3. und 29.3.-3.4.93; Suisse, 14.4.93; LNN, 15.4.93. Letzte Wahlen siehe SPJ 1989, S. 52.
[6] Wahlen vom 28.3.93: Presse vom 29.3.93. Wahlkampf: BaZ, 3.3.93; SZ, 10.3. und 25.3.93; LNN und NZZ, 25.3.93. Letzte Wahlen siehe SPJ 1989, S. 51 f.
[7] Wahlen vom 7.3.93: Presse vom 8.3. und 9.3.93. Wahlkampf: NF, 16.2., 18.2. und 19.2.93. Letzte Wahlen siehe SPJ 1989, S. 53.
[8] 1. Wahlgang vom 2.5.93: NZZ und SGT, 3.5.93. 2. Wahlgang vom 6.6.93: NZZ und SGT, 7.6.93. Wahlkampf: NZZ und SGT, 29.4.93. Letzte Wahlen siehe SPJ 1990, S. 54.
[9] Wahlen vom 2.5.93: NZZ, 3.5.93.
[10] Wahlen vom 14.11.93: Presse vom 15.11.93; BZ und BaZ, 16.1 1.93; Bresche Magazin, 1993, Nr. 11, S. 4. Wahlkampf: Presse vom 19.10.93; L'Hebdo, 11.11.93; JdG, 22.10.93; LNN, 4.11.93. Zu Grobet siehe oben, Wahlen in kantonale Parlamente. Letzte Wahlen siehe SPJ 1989, S. 54.
[11] Wahlen vom 18.4.93: Presse vom 19.4.93; Ww, 22.4.93. Zu Jacot siehe auch NQ, 13.4.93. Letzte Wahlen siehe SPJ 1989, S. 54 f.
[12] Wahlen vom 28.3.93: Presse vom 29.3.93. Wahlkampf: BaZ, 11.3.93; SZ, 25.3.93. Letzte Wahlen siehe SPJ 1989, S. 55.
[13] 1. Wahlgang vom 7.3.93: Presse vom 8.3.93. Vgl. auch NF und LM, 27.1.93. Eine Volksinitiative der SP für das Proporzsystem wurde vom Grossen Rat für ungültig erklärt (siehe unten, Teil II, 1g).
[14] 2. Wahlgang vom 14.3.93: Presse vom 15.3.93. Letzte Wahlen siehe SPJ 1989, S. 55 f.
[15] 1. Wahlgang vom 13.6.93: Presse vom 14.6.93. 2. Wahlgang vom 27.6.93: Presse vom 28.6.93. Zu den letzten Gesamterneuerungswahlen siehe SPJ 1990, S. 55.
[16] Ersatzwahl vom 7.3.93: NZZ, 8.3.93. Wahlkampf: NZZ, 6.1., 8.1. und 5.2.93; TA, 8.1. und 13.1.93; DAZ, 22.2.93; BZ, 23.2.93. Letzte Gesamterneuerungswahlen siehe SPJ 1991, S. 66.
[17] Wahlen vom 31.10.93: Presse vom 1.11. und 2.11.93. Wahlkampf: 24 Heures, 14.9.93; NQ und JdG, 23.9.93; DP, 14.10.93; NZZ, 26.10.93; L'Hebdo, 28.10.93. Letzte Wahlen siehe SPJ 1989, S. 56.
[18] 1. Wahlgang vom 31.10.93: Presse vom 1.11.-4.11.93. 2. Wahlgang vom 14.11.93: Presse vom 15.11.93; 24 Heures, 19.11.93. Wahlkampf: NQ, 28.9.93. Letzte Wahlen siehe SPJ 1989, S. 56.
[19] Ersatzwahl vom 2.5.93: Presse vom 3.5.93. Rücktritt Bossarts: Presse vom 27.1.93. Kandidatur Flückigers: BZ, 9.3.93. Letzte Gesamterneuerungswahlen siehe SPJ 1992, S. 58. Zur Frauenmehrheit vgl. auch Ww, 18.3.93.
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