Zwei Motionen zur Ausarbeitung einer 11. AHV-Revision zur Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre (Mo. 91.3107 und Mo. 91.3108)

Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Das Unbehagen an der erneut ausgeklammerten Gleichstellung der Geschlechter veranlasste die Ständeräte Küchler (cvp, OW) (Mo. 91.3107) und Schoch (fdp, AR) zur Einreichung von zwei Motionen, welche beide die unverzügliche Ausarbeitung einer 11. AHV-Revision verlangten. Während die Motion Küchler sehr allgemein gehalten war, forderte die Motion Schoch als Preis für Rentensplitting und Betreuungsgutschriften auch die Gleichstellung der Geschlechter beim Rentenalter durch die Heraufsetzung des Pensionierungsalters der Frauen auf 65 Jahre. Dieser Punkt war es denn auch, der in der Herbstsession zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen der Schaffhauser SP-Ständerätin Bührer und dem Motionär führte. Beide Motionen wurden schliesslich als Postulat überwiesen.

Kosten einer Erhöhung des Mindestbetrags der AHV-Renten (Po. 91.3222)

Der Gedanke einer substantiellen Aufstockung der AHV-Renten mit dem Ziel, diese existenzsichernd auszugestalten, scheint sich auch in bürgerlichen Kreisen einen Weg zu bahnen. Mit einem überwiesenen Postulat des Tessiner Freisinnigen Cavadini lud der Nationalrat den Bundesrat ein, den finanziellen Mehraufwand zu ermitteln, den die Anhebung des Mindestbetrages der AHV-Renten auf das Niveau des Höchstbetrages mit sich brächte, und im Rahmen der 11. AHV-Revision die Einführung einer Einheitsrente zu prüfen, die den Existenzbedarf aller AHV-Bezügerinnen und -bezüger deckt. Dies würde, führte Cavadini aus, zu einer Verringerung der Ergänzungsleistungen führen, welche nur noch an Einzelpersonen oder Ehepaare ohne ausreichende berufliche Vorsorge als Unterstützungsbeiträge an die Wohnungskosten und die Krankenkassenprämien auszurichten wären.

Aufnahme des gleichen Rentenalters in die 11. AHV-Revision (Mo. 94.3175)

Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Auch der Ständerat machte sich bereits Gedanken zur 11. AHV-Revision. Diskussionslos und mit Zustimmung des Bundesrates überwies er eine Motion seiner vorberatenden Kommission, welche den Bundesrat beauftragt, ohne Verzug die Vorarbeiten für diese nächste Revision an die Hand zu nehmen, dabei die Altersstruktur der Bevölkerung zu berücksichtigen und das Rentenalter der Frauen jenem der Männer anzugleichen.

In der 11. AHV-Revision soll das Rentenalter der Frauen und der Männer gleich hoch angesetzt werden. Der Nationalrat überwies ebenfalls eine entsprechende, im Vorjahr verabschiedete Motion der zuständigen Ständeratskommission. Bundesrätin Dreifuss erklärte sich im Namen des Bundesrates bereit, den Vorstoss in der verbindlichen Form entgegenzunehmen, da die finanziellen Aussichten dieses Sozialwerks tatsächlich nicht rosig seien und voraussichtlich bereits im Jahr 2000 das dafür vorgesehene zusätzliche Mehrwertsteuerprozent beansprucht werden müsse. Die grosse Kammer betonte, dass es nicht nur darum gehe, die Vorarbeiten für die 11. Revision ohne Verzug in Angriff zu nehmen, sondern dass der Bundesrat eigentlich verpflichtet werden müsste, die Vorlage in der neuen Legislatur parlamentsreif vorzulegen.

Motion für eine langfristige Finanzierung der AHV (Mo. 95.3534)

Der Ständerat doppelte hier noch einmal nach und überwies in der Wintersession praktisch diskussionslos und mit grossem Mehr eine Motion Schiesser (fdp, GL), welche verlangt, dass der Bundesrat dem Parlament seine Vorlage zur 11. AHV-Revision spätestens auf die Sommersession 1998 vorlegt. Diese Revision soll ganz im Zeichen der Finanzierungsfrage stehen und sicherstellen, dass die mittel- und langfristig sich abzeichnenden hohen Ausgabenüberschüsse der AHV möglichst früh aufgefangen werden können und der Ausgleichsfonds der AHV auch in Zukunft den gesetzlich vorgeschriebenen Betrag von einer Jahresausgabe erreicht. Bundesrätin Dreifuss machte vergebens geltend, dass sie die Besorgnis des Parlaments zwar teile, dass der vorgegebene Zeitplan aber unrealistisch sei für seriöse Vorarbeiten. Das Dossier sei derart komplex, dass der Bundesrat mindestens ein halbes oder ganzes Jahr mehr für einen konkreten Vorschlag brauche. Die dafür eingesetzte interdepartementale Arbeitsgruppe (IDA FiSo) wolle ihren Bericht zur Finanzierung der gesamten Sozialversicherung im Frühjahr 1996 vorlegen, weshalb eine Beratung der 11. AHV-Revision erst in der neuen Legislatur (1999-2003) sinnvoll sei. Dreifuss versprach aber, die Mobilisierung des für die AHV-Finanzierung vorgesehenen Mehrwertsteuer-Prozents noch in der laufenden Legislatur vorzulegen. Mit ihrer Argumentation drang die Bundesrätin nicht durch. Unter dem Hinweis, dass auch das Parlament Zeit für eine vertiefte Behandlung brauche, weshalb von der Botschaft bis zur Verabschiedung und dem Inkrafttreten der Vorlage ohnehin noch mehrere Jahre verstreichen werden, hielt Schiesser an der Form der Motion fest, worauf diese mit 28 zu 7 Stimmen angenommen wurde.

Die Behandlung zweier Motionen führte in der Sommersession des Nationalrates zu einer ausgiebigen Diskussion über die Dringlichkeit der zu ergreifenden Massnahmen zur langfristigen Finanzierung der AHV. Die vom Ständerat bereits angenommene Motion Schiesser (fdp, GL) forderte die Bereitstellung der Botschaft zur 11. AHV-Revision bis zum Sommer 1998. Eine Motion der FDP-Fraktion verlangte, dass diese Revision noch vor Ende der Legislaturperiode (1999) zu verabschieden sei. Die Mehrheit der vorberatenden Kommission wollte den Bundesrat nicht unter zeitlichen Druck setzen, da zwar das Ziel klar sei, nicht aber der Weg. Um Vermittlung bemühte Stimmen forderten daher die vorgängige Bildung eines breiten Konsenses. Mehrere Redner und Rednerinnen hielten demgegenüber dafür, es sei nun Zeit, rasch zu zeigen, wohin der Weg führen soll. Dafür müssten zwei Jahre ausreichen. Berichte und Grundlagen seien zur Genüge vorhanden. Diese Meinung obsiegte in der Abstimmung, bei welcher die beiden Motionen mit 94 zu 83 bezw. 103 zu 71 Stimmen gutgeheissen wurden. Die Motion der FDP-Fraktion (Mo. 95.3048) wurde vom Ständerat ebenfalls angenommen.

11. AHV-Revision (BRG 00.014)

Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Der Bundesrat stellte seinen Fahrplan für die Finanzierung der AHV/IV bis zum Jahr 2010 vor. Darin bekundete er die Absicht, die heutige Mischfinanzierung von Lohnabzügen und Mehrwertsteuer beizubehalten, die absehbaren Zusatzkosten jedoch ausschliesslich über die Konsumabgabe abzudecken, allenfalls in Ergänzung mit einer Energiesteuer. Insgesamt solle der MWSt-Satz bis ins Jahr 2006 um 2,5 auf 10% erhöht werden. Für eine Finanzierung über die Mehrwertsteuer spricht nach Ansicht des Bundesrates, dass weder die Arbeitskosten noch die Investitionen und Exporte unmittelbar verteuert würden. Von den zusätzlichen 2,5 MWSt-Prozenten erwartete er Mehrerträge von CHF 5.5 Mrd. bis CHF 6 Mrd.

In ersten Reaktionen stiessen die Vorschläge des Bundesrates von Rechts bis Links auf Kritik. Der Arbeitgeberverband erklärte, die Regierung setze falsche Prioritäten; nicht die Flexibilisierung des Rentenalters sei vordringlich, sondern die Sanierung der AHV, wozu Mehreinnahmen über die Mehrwertsteuer nichts taugten. Der Gewerbeverband unterstützte das einheitliche Rentenalter für Mann und Frau, lehnte jede Erhöhung des Beitragssatzes für Selbständigerwerbende hingegen kategorisch ab. Die FDP äusserte sich ebenfalls positiv zur vorgesehenen Gleichstellung von Mann und Frau, meldete aber bereits Opposition gegen das Modell der langen Erwerbsdauer an, da es ausbildungsfeindlich sei. Die SP sah in den bundesrätlichen Vorschlägen einen Schritt in die richtige Richtung, bedauerte aber, dass die Einsparungen einmal mehr einseitig zu Lasten der Frauen gehen sollen. Für den SGB gingen die vorgeschlagenen Flexibilisierungsmodelle eindeutig zu wenig weit. Einzig die CVP zeigte sich auf der ganzen Linie zufrieden und meinte, die Gleichstellung der Geschlechter sei ebenso zu begrüssen wie die Beschaffung zusätzlicher Finanzmittel über die Mehrwertsteuer. Im Lauf der Vernehmlassung änderte sich kaum etwas an diesen ersten Stellungnahmen; allerdings wurde klar, dass die bürgerlichen Bundesratsparteien und die Wirtschaftsverbände nur auf die 11. AHV-Revision einzutreten gewillt sind, wenn der Bundesrat vorgängig eine Gesamtstrategie für die Sicherung aller Sozialwerke vorlegt.

Ende August bereinigte der Bundesrat seinen Entwurf für die 11. AHV-Revision und gab ihn in eine breite Vernehmlassung. Die Vorlage hat im wesentlichen zwei Schwerpunkte, nämlich die finanzielle Konsolidierung der AHV und das flexible Rentenalter. Eine ausgeglichene Finanzierung der 1. Säule soll einerseits durch Mehreinkünfte, andererseits durch Einsparungen erzielt werden. Dabei bestehen die Mehreinnahmen aus einer Zusatzfinanzierung (Erhöhung der Mehrwertsteuer um gesamthaft 2,5 Prozentpunkte bis ins Jahr 2007) und aus Massnahmen zu mehr Beitragsgerechtigkeit (Vereinheitlichung der Beitragssätze der Selbständigerwerbenden und der Arbeitnehmenden, Aufhebung der sinkenden Beitragsskala und des Freibetrags für erwerbstätige Altersrentner). Auf der Ausgabenseite sollen durch eine Anhebung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre und eine Angleichung der Witwen- an die Witwerrente (Aufhebung der Rente für Frauen unter 50 Jahren, wenn keine minderjährigen Kinder mehr zu betreuen sind) Einsparungen erzielt werden.

Der Bundesrat möchte die Anhebung des Rentenalters der Frauen durch einen Ausbau des flexiblen Rentenalters abfedern. Unter bestimmten Voraussetzungen sollen Frauen nach wie vor die Möglichkeit haben, ihre Altersrente mit 62 Jahren zu beziehen und zwar ohne Rentenkürzung. Männer sollen neu in den Genuss einer gegenüber heute erheblich günstigeren Flexibilität kommen. Anders aber als die beiden hängigen Volksinitiativen macht der Bundesrat diesen Anspruch von bestimmten Bedingungen abhängig. Für die Voraussetzung zum Bezug einer vorgezogenen Rente legte er drei Modelle vor, welche im Rahmen der Vernehmlassung breit diskutiert werden sollen (lange Erwerbsdauer, einkommensabhängiger Kürzungssatz, lineare Kürzung mit versicherungstechnischem Kürzungssatz).

Gestützt auf erste Auswertungen der Vernehmlassung zu seinen Vorschlägen für die 11. AHV-Revision setzte der Bundesrat Ende März die Leitlinien für das weitere Vorgehen fest. Er beauftragte das EDI, neue Modelle zum flexiblen Rentenalter mit einem geringeren Kostenrahmen vorzubereiten. Anstatt 900 Mio Fr. pro Jahr soll das vorgezogenen Rentenalter lediglich 400 Mio Fr. kosten dürfen. Das entspricht den Einsparungen, die sich aus der Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre ergeben. Der Gesamtbundesrat zeigte sich zudem gewillt, an den vor allem im linken Lager umstrittenen Leistungskürzungen (Angleichung der Witwen- an die Witwerrrente, Teuerungsanpassung der Renten nur noch alle drei Jahre) festzuhalten. Bundespräsidentin Dreifuss verhehlte nicht ihre Enttäuschung über die Beschlüsse ihrer Kollegen und gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass damit noch nicht das letzte Wort gesprochen sei, insbesondere weil mit diesem Vorgehen die Frauen die grossen Verliererinnen der Revision wären und die Frühpensionierung nur für bessergestellte Arbeitnehmer in Frage käme.

Ende November legte Dreifuss ihren Kollegen eine Kompromissvariante vor, welche zusätzlich zu den 400 durch die Erhöhung des Frauenrentenalters eingesparten AHV-Millionen statt der ursprünglich berechneten 500 Mio Fr. lediglich noch 200 Mio Fr. zusätzliche Mittel vorsah. Für die Abfederung kleiner Einkommen bei einem vorzeitigen Ruhestand stünden damit insgesamt 600 Mio Fr. zur Verfügung. Zur Finanzierung der gesamten 11. AHV-Revision müsste die Mehrwertsteuer 2003 um 0,5% und 2006 noch einmal um 1% erhöht werden. Der Gesamtbundesrat liess die EDI-Chefin aber erneut abblitzen und hielt an der Vorgabe von 400 Mio Fr. fest. Keine Chancen hatten aber auch Vorschläge aus dem bürgerlichen Lager, welche bereits im Rahmen der 11. AHV-Revision das generelle Rentenalter auf 66 Jahre anheben bzw. den Mischindex bei der Teuerungsanpassung der Renten abschaffen wollten. Nach diesem erneuten Treten an Ort verzögerte sich die für Ende 1999 in Aussicht gestellte Verabschiedung der Botschaft über das Jahresende hinaus.

In seiner Botschaft zur 11. AHV-Revision präsentierte der Bundesrat die Perspektiven der Sozialversicherungen bis ins Jahr 2025. Der Bedarf aller Sozialwerke, auch jener, die nicht zumindest teilweise über Bundesmittel finanziert werden, steigt von heute CHF 83 Mrd. pro Jahr auf CHF 129 Mrd. Knapp die Hälfte davon kann durch das Wirtschaftswachstum und die damit verbundenen Mehreinnahmen aufgefangen werden. Es bleibt aber ein Zusatzbedarf von CHF 26 Mrd., was 8,9 Mehrwertsteuerprozentpunkten entspricht. Allein die AHV wird 2025 fast doppelt so viel kosten wie heute; ihr Mehrbedarf steigt bis 2010 um 1,2 Mehrwertsteuer-Äquivalente, und zwischen 2010 und 2025, wenn die „Babyboom-Generation“ ins Rentenalter kommt, um weitere 3,1%. Neben der AHV tragen vor allem die Gesundheitskosten zum steigenden Finanzierungsbedarf bei. Der Bundesrat geht davon aus, dass sie bis 2003 2% pro Jahr zunehmen werden. Danach prognostiziert er eine jährliche Erhöhung um 1,2% bis 2010 und anschliessend um 0,5%. An einer Medienkonferenz machte BSV-Direktor Piller klar, dass die Zukunft des Sozialstaates nicht von den publizierten Zahlen abhängt, sondern von politischen Entscheiden.

Nach mehrmaliger Verschiebung leitete der Bundesrat Anfang Februar dem Parlament seine Botschaft zur 11. AHV-Revision zu. Die Vorlage stützte sich auf das 1998 einer Vernehmlassung unterzogene erste Projekt, auf die Zwischenentscheide des Bundesrates von Ende März 1999 sowie auf eine neue Gesamtschau zur Weiterentwicklung der Sozialversicherungen bis zum Jahr 2025. Im Zentrum der Revision stehen die finanzielle Konsolidierung sowie die Anpassung an neue gesellschaftliche Realitäten. Durch Sparmassnahmen und Mehreinnahmen soll die AHV/IV-Rechnung um rund CHF 1,2 Mrd. pro Jahr entlastet werden. Als Zusatzfinanzierung möchte der Bundesrat die Mehrwertsteuer ab 2003 um 1,5 Prozentpunkte erhöhen (1% für die IV, 0,5% für die AHV). Wenn die Reserven des AHV-Ausgleichsfonds unter die Schwelle von 70% einer Jahresausgabe sinken, soll zur Ergänzung des bereits 1999 eingeführten „Demographieprozents“ ein weiterer halber Prozentpunkt zu Gunsten der AHV erhoben werden. Weitere Mehreinnahmen ergeben sich durch die Heraufsetzung des Beitragssatzes der Selbstständigerwerbenden und durch die Aufhebung des Freibetrags für erwerbstätige Rentnerinnen und Rentner. Einsparungen entfallen auf die Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters der Frauen von 64 auf 65 Jahre, die schrittweisen Einschränkung des Anspruchs auf eine Witwenrente sowie auf den von zwei auf drei Jahre verlangsamten Teuerungsausgleich auf den Renten. Die rund CHF 400 Mio., die sich aus den Einsparungen durch das höhere Frauenrentenalter ergeben, werden für die Finanzierung eines sozial verträglich ausgestalteten flexiblen Altersrücktritts verwendet. Bis zuletzt hatte sich Bundesrätin Dreifuss für CHF 600 Mio. eingesetzt. Einige Wochen später vertrat der Bundesrat in seiner Botschaft zur Verwendung der überschüssigen Goldreserven der Nationalbank die Meinung, dass ein Teil davon zur sozialen Abfederung der 11. AHV-Revision im Bereich Rentenalter und Witwenrente eingesetzt werden könnte. Einen entsprechenden Antrag stellte er aber nicht, da es in einem ersten Schritt darum gehe, den legalen Rahmen für die Solidaritätsstiftung zu schaffen.

Die Vorschläge fanden in keinem parteipolitischen oder sozialpartnerschaftlichen Lager Zustimmung. Arbeitgeber- und Gewerbeverband lehnten sowohl die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes als auch Zusatzleistungen für tiefere Einkommen beim flexiblen Altersrücktritt ab. Die FDP erklärte, sie würde der Flexibilisierung nur zustimmen, wenn diese kostenneutral ausgestaltet werde, während sich die SVP grundsätzlich dagegen stemmte. Gleich wie die FDP verlangte auch die CVP eine Gesamtschau sämtlicher Sozialversicherungen; nur wenn diese vorliege, sei sie überhaupt bereit, auf die Vorlage einzutreten. Ganz anders reagierte die SP. Sie sprach von einem schwer wiegenden Sozialabbau, der vor allem die Frauen treffe. Der SGB bezeichnete die Vorlage als unausgewogen; sie bringe nur den Ärmsten und den Reichsten etwas, den Normalverdienenden aber wenig bis nichts. Der CNG erachtete die Vorlage als generelle Demontage der AHV und drohte offen mit dem Referendum.

Im Frühjahr nahm die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates die Beratung dieser Vorlage auf. Sie verlangte vom BSV eine Reihe von Zusatzberichten zu den gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekten der Revision sowie zur Koordination mit der 1. BVG-Revision. Mehr wissen wollte sie insbesondere über die finanzielle Entwicklung der AHV, die Situation der Frauen, die wirtschaftliche Bedeutung der Witwen- und Witwerrente sowie die Lage der über 60-Jährigen auf dem Arbeitsmarkt. Auskunft verlangte sie auch darüber, ob das Leistungsprofil des BVG dem Verfassungsauftrag (Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung) noch entspricht. Beim Ausbau der Finanzierung über Mehrwertsteuerprozente folgte die SGK grundsätzlich dem Bundesrat, lehnte es aber ab, gleichzeitig mit dieser Vorlage auch die Finanzierung der IV zu regeln. Sie bekräftigte zudem ihren Willen, die Einnahmen aus den für die AHV bestimmten Mehrwertsteuerprozenten vollumfänglich dieser zukommen zu lassen. Den Vorschlag, den Beitragssatz der Selbstständigerwerbenden von 7,8 auf 8,1% zu erhöhen und den Freibetrag für Rentner aufzuheben, hiess sie trotz Opposition aus Gewerbekreisen gut. Andere Weichenstellungen als der Bundesrat nahm sie dagegen bei den Witwenrenten vor, welche sie weniger stark abbauen wollte. Nach dem Modell der Kommission soll eine Witwe einen unbefristeten Rentenanspruch haben, wenn sie über 45 Jahre alt ist, bevor das jüngste Kind das 18. Altersjahr vollendet hat; der Bundesrat hatte die Altersgrenze bei 50 Jahren angesetzt. Für die laufenden Renten beschloss die SGK die volle Besitzstandsgarantie; der Bundesrat hatte lediglich eine Schonfrist von drei Jahren vorgesehen. Damit niemand durch die Maschen fällt, sollen nach dem Vorschlag der Kommission Witwen und Witwer in prekären finanziellen Verhältnissen Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben – unabhängig davon, ob sie eine Verwitwetenrente beziehen oder nicht. Aus Rücksicht auf die anstehende Volksabstimmung über die beiden Rentenalterinitiativen beschloss die SGK, die Frage des flexiblen Rentenalters erst im kommenden Jahr zu behandeln.

Gegen einen Abbau bei den Witwenrenten wehrten sich nach der SP auch die Frauenorganisationen der bürgerlichen Parteien FDP und CVP, die fanden, eine gänzliche Abkehr vom Versorgerprinzip beim Aufbau der Altersvorsorge sei nicht reif, solange es nicht bessere Strukturen für die Erwerbstätigkeit von Müttern (insbesondere ausserhäusliche Kinderbetreuung) gebe. Nationalrätin Egerszegi (fdp, AG) regte an, die Witwer- und Witwenrenten analog zu den EL nur noch finanzschwachen Personen und nicht mehr nach dem Gieskannenprinzip auszurichten.

FDP-Parteipräsident Steinegger sprach sich für eine generelle Erhöhung des Rentenalters auf 66 oder 67 Jahre aus anstatt einer Anhebung der Mehrwertsteuer. Er nahm damit Überlegungen der beiden freisinnigen Bundesräte Villiger und Couchepin auf, die bereits im Vorjahr ein Pensionsalter „65 plus“ zur Diskussion gestellt hatten. Die welschen Freisinnigen distanzierten sich von den Aussagen Steineggers, die sie als für ihre Wählerschaft verunsichernd bezeichneten.

In einer Sondersession im Mai behandelte der Nationalrat nach intensiven Vorarbeiten der zuständigen Kommission die beiden Vorlagen zur 11. AHV-Revision, welche die finanzielle Konsolidierung für das nächste Jahrzehnt sicherstellen sollen. Die erste Vorlage betraf die Finanzierung über zusätzliche Mehrwertsteuerprozente, die zweite die eigentlichen Gesetzesänderungen. Zu Beginn der Diskussionen wurden vier Rückweisungsanträge aus dem bürgerlichen Lager sowie von Zisyadis (pda, VD) mit deutlichem Mehr abgelehnt; Eintreten wurde mit 151 zu 28 resp. mit 177 zu 5 Stimmen beschlossen. Die weitgehende Aufhebung des Freibetrages für erwerbstätige Altersrentner sowie der von zwei auf drei Jahre verlangsamte Teuerungsaugleich auf den laufenden Renten (unter Beibehaltung des Mischindexes) passierten ohne nennenswerte Opposition. Angesichts der offenen Referendumsdrohung aus Gewerbekreisen hatte die von Bundesrat und Kommission beantragte Erhöhung des Beitragssatzes der Selbständigerwerbenden von 7,8 auf 8,1% keine Chancen. Mehrheitlich zugestimmt wurde der Festsetzung des ordentlichen Rentenalters auf 65 Jahre für Männer und Frauen; Anträge der Linken für die Beibehaltung des geltenden Rechts (für die Frauen) sowie für eine Ruhestandsrente ab Alter 62 für alle oder ab Alter 60 bei 40 vollständigen Beitragsjahren scheiterten deutlich.

Die eigentliche „Pièce de résistance“ der Vorlage bildete die Flexibilisierung des Altersrücktritts. Das Anliegen wurde an sich klar bejaht, jedoch führten die Modalitäten zu einer intensiven Debatte. Über die Vorschläge des Bundesrates hinausgehend, der für eine soziale Abfederung lediglich die durch die Heraufsetzung des Frauenrentenalters eingesparten CHF 400 Mio. einsetzen wollte, hatte sich in der Kommission eine knappe Mehrheit aus SP-Vertretern, SVP-Abgeordneten aus ländlichen Gebieten sowie welschen Bürgerlichen für CHF 800 Mio. eingesetzt. Mit Stichentscheid des Präsidenten folgte die grosse Kammer aber dem Antrag der Regierung. Die beschlossenen Kürzungssätze (11,3 bis 16,5% bei drei Vorbezugsjahren) wurden für die unteren Einkommen etwas sozialverträglicher ausgestaltet als nach den Vorgaben des Bundesrates, der lineare Kürzungen vorgeschlagen hatte. Eine wichtige Abweichung wurde bei den Renten für Witwen mit Kindern vorgenommen. Der Bundesrat wollte zeitlich unbeschränkte Renten nur noch gewähren, wenn die Frau beim 18. Geburtstag des jüngsten Kindes 50 Jahre oder älter ist; der Nationalrat senkte diese Alterslimite auf 45 Jahre. Kinderlose Witwen gehen künftig leer aus, erhalten aber eine einmalige Entschädigung. Ein im Plenum eingebrachter Einzelantrag Meier-Schatz (cvp, SG) auf Abschaffung der Kinderrente für AHV-Bezüger wurde knapp angenommen.

Zur künftigen Finanzierung soll dem Gesetzgeber gemäss Vorschlag des Bundesrates die Kompetenz erteilt werden, die Mehrwertsteuer um maximal 1,5 Prozentpunkte zugunsten der AHV zu erhöhen, wenn dies zur Sicherstellung ihres finanziellen Gleichgewichts notwendig wird. Der Nationalrat stimmte im Grundsatz zu, bekräftigte allerdings mit dem deutlichen Mehr von 144 zu 39 Stimmen erneut seine (vom Bundesrat vehement bestrittene) Absicht, den Ertrag der für die AHV erhobenen Mehrwertsteuerprozente (inkl. Demographieprozent) vollumfänglich in den AHV-Fonds und nicht teilweise in die allgemeine Bundeskasse zur Finanzierung des Bundesanteils an die AHV zu leiten. Zustimmung fand der vom Bundesrat in einer Zusatzbotschaft präsentierte Vorschlag, die Erträge aus den von der Nationalbank nicht mehr benötigten Währungsreserven an die AHV zu überweisen, soweit sie nicht durch Verfassung oder Gesetz für einen anderen Empfänger (Kantone, Solidaritätsstiftung) bestimmt sind.

Die Anhebung der Mehrwertsteuersätze wurde mit 120 zu 44 Stimmen angenommen, die Änderungen des AHV-Gesetzes hingegen lediglich mit 62 zu 60 Stimmen bei 63 Enthaltungen, ein Ergebnis, das die allgemeine Unzufriedenheit klar signalisierte. Die Ja-Stimmen kamen von der geschlossen auftretenden CVP, die Nein-Stimmen von den Grünen und der SP, welche monierten, diese Revision erfolge fast ausschliesslich auf Kosten der Frauen. Die Enthaltungen stammten in erster Linie von der FDP und der SVP, denen die Konsolidierungsbemühungen zu wenig weit gingen.

Die dritte Vorlage betraf die Finanzierung der IV; auf Beschluss des Rates wurde sie im Rahmen der 4. IV-Revision behandelt.

Im Vorjahr hatte der Nationalrat der vom Bundesrat für die finanzielle Konsolidierung von AHV und IV beantragten Erhöhung der Mehrwertsteuersätze (für die IV 1% ab 2005, für die AHV voraussichtlich 0,5% 2009 und 1% 2013) in einem gemeinsamen Beschluss zugestimmt. Bei der Behandlung der 4. IV-Revision setzte sich ein Antrag Schmid (cvp, AI) durch, die IV- und die AHV-Finanzierung zu trennen und Volk und Ständen je einen separaten Beschluss zu diesen beiden Versicherungen zu unterbreiten. Der Mehrwertsteuererhöhung zugunsten der IV stimmte die kleine Kammer in der Wintersession zu. Dieser Beschluss soll dem Volk 2004 vorgelegt werden, die Zuschläge für die AHV hingegen erst zu einem späteren Zeitpunkt, wenn der tatsächliche Mehrbedarf klarer ausgewiesen ist. Eine Minderheit hätte dem Volk lieber eine Gesamtrechnung präsentiert. Im Gegensatz zum Nationalrat befürwortete die kleine Kammer, der Bundeskasse ihren Anteil am bereits beschlossenen Demografieprozent und an den künftigen MWSt-Prozenten grundsätzlich zu belassen. Dieser Anteil dient dem Bund zur Finanzierung seines Beitrags an die beiden Sozialwerke. Beide Kammern genehmigten den Kapitaltransfer von 1,5 Mia. Fr. aus der EO zugunsten der IV, verzichteten aber darauf, dafür einen genauen Zeitpunkt vorzusehen, sondern delegierten die diesbezügliche Kompetenz an den Bundesrat.

Anders als im Vorjahr in der grossen Kammer war im Ständerat in der Wintersession Eintreten auf die 11. AHV-Revision unbestritten. In der Detailberatung ergab sich eine erste Diskussion beim Beitragssatz der Selbständigerwerbenden. Dettling (fdp, SZ) verlangte, dem Nationalrat zu folgen und den Satz bei 7,8% zu belassen. Bundesrätin Dreifuss warb erneut für eine Anhebung auf 8,1%. Sie fand, eine derartige Schonung der Unternehmer sei unverständlich angesichts der grossen Opfer, welche diese Revision von den Frauen verlangt (erneute Erhöhung des Rentenalters, Abstriche bei der Witwenrente). Mit 25 zu 12 Stimmen beschloss der Rat einen Beitragssatz von 7,9%. Keine Abweichungen zum Nationalrat gab es bei der Heraufsetzung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre, bei der Aufhebung des Freibetrags für erwerbstätige Personen im Rentenalter und bei der Verlangsamung der Anpassung der Renten an die Lohn- und Preisentwicklung (Mischindex) von zwei auf drei Jahre, sofern die Teuerung 4% nicht übersteigt.

In zwei Punkten schuf der Ständerat gewichtige Differenzen zum Nationalrat. Für die Hinterbliebenen präsentierte die Kommission ein neues Modell. Die Witwen- und Witwerrente soll von 80 auf 60% der Altersrente herabgesetzt, die Waisenrente dafür von 40 auf 60% angehoben werden. Grundsätzlich erhalten nur noch Verwitwete mit Kindern eine Rente, wobei Personen mit Betreuungsgutschriften den Verwitweten gleichgestellt sind. Mit dem ständerätlichen Modell würden Verwitwete mit einem Kind gleich fahren wie nach der Version des Nationalrates, im Fall von mehreren Kindern wären sie bis zum Wegfall der Waisenrente besser gestellt, danach allerdings schlechter. Da im Zeitpunkt der Verwitwung, die im Durchschnitt im Alter von 53 Jahren eintritt, die Betreuungsperiode meistens schon ihrem Ende entgegen geht oder abgeschlossen ist, würden unter dem Strich Einsparungen von CHF 250 Mio. erzielt. Die neue Lösung stiess bei den CVP-Vertretern auf Ablehnung. Sie bemängelten, diese Regelung führe dazu, dass die betroffenen Frauen kurz vor dem Pensionsalter wieder ins Erwerbsleben einsteigen müssen, was an den Realitäten des Arbeitsmarkts vorbeiziele, weshalb sie beantragten, den Beschlüssen des Nationalrates zu folgen. Die Befürworter des neuen Modells konterten, die meisten Frauen mit schon älteren Kindern seien heute mindestens teilzeitlich erwerbstätig, weshalb man hier dem bereits eingetretenen gesellschaftlichen Wandel Rechnung tragen dürfe. Der Antrag der Kommission setzte sich mit 28 zu 15 Stimmen durch.

Einen von einem der ursprünglich deklarierten Ziele der 11. AHV-Revision (Erleichterung der Frühpensionierung) abweichenden Entscheid traf die kleine Kammer beim Vorbezug der Altersrente. Gegen den Vorschlag der Mehrheit der Kommission, die dem Nationalrat folgen und die durch die Heraufsetzung des Rentenalters der Frauen eingesparten CHF 400 Mio. für die soziale Abfederung der Frühpensionierung einsetzen wollte, sprach sie sich mit 26 zu 12 Stimmen für den Vorschlag einer Minderheit Forster(fdp, SG) aus, den Vorbezug der Altersrente ab dem 62. Altersjahr bzw. der halben Rente ab dem 59. Altersjahr zwar zu ermöglichen, aber in jedem Fall nur mit versicherungstechnischer Kürzung. Als Argument wurde angeführt, die sozialpolitische Abfederung gemäss Beschluss des Nationalrates sei für den Einzelnen gering, für den Versicherungshaushalt aber sehr teuer. Zudem würden damit falsche Anreize für Frühpensionierungen gesetzt. Sonderlösungen für gewisse Branchen, in denen Personen mit tiefen Einkommen und häufig harten körperlichen Tätigkeiten beschäftigt sind, sollen von den Sozialpartnern vereinbart werden. Ein weiterer Minderheitsvorschlag David (cvp, SG), mit dem Ertrag aus 0,12% Mehrwertsteuerprozenten einen Fonds für kollektive und individuelle Überbrückungshilfen zu Gunsten wirtschaftlich schwacher Personen über 62 Jahren mit Wohnsitz in der Schweiz zu schaffen, blieb chancenlos. Dem Vorschlag wurde vorgeworfen, die Rentenbezüger im Ausland zu benachteiligen und mit allzu vielen Unsicherheiten behaftet zu sein, da die Erträge der Mehrwertsteuer stark von der konjunkturellen Entwicklung abhängig sind und von Jahr zu Jahr schwanken.

Im Vorjahr hatte der Ständerat im Rahmen der 11. AHV-Revision beschlossen, dem Antrag des Bundesrates zur Erhöhung der Mehrwertsteuer zugunsten von AHV und IV nur für den Bereich der IV zuzustimmen (1%), den Beschluss für die AHV (0,5% voraussichtlich 2008, 1% schätzungsweise 2012) aber aufzuschieben, bis der zusätzliche Finanzierungsbedarf tatsächlich ausgewiesen ist. Gleichzeitig hatte er sich einmal mehr dafür ausgesprochen, der Bundeskasse ihren Anteil am Ertrag des seit 1999 bestehenden Mehrwertsteuerprozents zugunsten der AHV (Demografieprozent) sowie an den neuen Prozentpunkten zu belassen. Neben allgemeinen Bundesmitteln und den zweckgebundenen Einnahmen aus der Tabak- und der Alkoholsteuer dient dieser Anteil dem Bund dazu, seinen Beitrag an die Kosten der AHV und der IV zu bezahlen, von deren jährlichen Ausgaben er 16,4% (AHV) resp. 37,5% (IV) übernimmt. Der Nationalrat hatte demgegenüber stets die Auffassung vertreten, der Ertrag aus den für die AHV und IV erhobenen Mehrwertsteuerprozenten sei vollumfänglich in den AHV-Fonds zu leiten.

Gegen einen freisinnigen Minderheitsantrag, der die Unterstützung der CVP und der LP fand, hielt der Nationalrat in der Frühjahrssession mit 105 zu 67 Stimmen an der Streichung des Bundesanteils fest. Mit 92 zu 86 Stimmen aus FDP, SVP und LP, welche sich gegen „Steuern auf Vorrat“ wehrten, folgte er auch dem Antrag der Kommission, auf den separaten Finanzierungsbeschluss des Ständerates zur IV nicht einzutreten und die Anhebung der Mehrwertsteuersätze für die AHV und die IV wieder im Paket der 11. AHV-Revision zusammenzuführen. Beim Ausmass der Erhöhung zu Gunsten der IV standen sich drei Varianten gegenüber: Die SP beantragte, Bundes- und Ständerat zu folgen und den Mehrwertsteuersatz für die IV um einen Prozentpunkt anzuheben, die Kommission sprach sich für 0,8% aus, und ein SVP/FDP-Antrag wollte nur 0,7%. Mit 114 zu 64 Stimmen setzte sich klar der Kommissionsantrag durch.

Entgegen einem Antrag Brunner (sp, GE) beharrte der Ständerat mit 39 zu 4 Stimmen aus Rücksicht auf die Bundesfinanzen darauf, dem Bund seinen Anteil am Ertrag des Demografieprozents und der neuen Mehrwertsteuerprozentpunkte zu belassen. Beim Ausmass der Erhöhung zu Gunsten der IV schloss sich die kleine Kammer mit 33 zu 9 Stimmen hingegen dem Nationalrat an. Vergeblich versuchte Brunner darauf aufmerksam zu machen, dass diese beiden Beschlüsse zueinander in Widerspruch stünden. 0,8% ohne Bundesanteil würden etwa 1% mit Bundesanteil entsprechen; bei 0,8% mit Bundesanteil sei eine Sanierung der IV praktisch ausgeschlossen. Mit ihrer Argumentation fand sie die Zustimmung ihrer Genfer Kollegin Saudan (fdp) sowie von Bundespräsident Couchepin. Der Kommissionssprecher begründete den Antrag auf 0,8% mit dem politischen Druck, der auf den Bundesrat, das BSV, die kantonalen IV-Stellen und die zuständige ärztliche Kommission ausgeübt werden soll, mit der Gewährung von neuen Invalidenrenten zurückhaltend zu sein. Bei der Zusatzfinanzierung der AHV bot der Ständerat Hand zu einem Kompromiss: er verzichtete stillschweigend darauf, den Finanzierungsbeschluss aufzusplitten, doch wollte er lediglich eine erste Erhöhung um 0,5% vornehmen.

In der Maisession hielt der Nationalrat vorerst an seinen 2001 gefällten Beschlüssen zur inhaltlichen Revision der AHV fest, allerdings mit bedeutend knapperen Mehrheiten als zwei Jahre zuvor. Während sich in der ersten Runde der Beratungen das vom Bundesrat vorgeschlagene Modell der Frühpensionierung für Personen mit niedrigem Einkommen, das zu Mehrkosten (resp. zu geringeren Einsparungen) von CHF 400 Mio. geführt hätte, nur mit Stichentscheid des Präsidenten gegen einen grosszügigeren Antrag auf CHF 800 Mio. hatte durchsetzen können, votierten jetzt nur noch 90 Abgeordnete für die zweckgebundene Verwendung der durch die Heraufsetzung des Frauenrentenalters eingesparten CHF 400 Mio., während 83 dem Ständerat folgen wollten, der sich gegen jede soziale Abfederung des Rentenvorbezugs ausgesprochen hatte. Für die CHF 400 Mio. stimmten die geschlossenen Fraktionen der SP und der Grünen, eine Mehrheit der CVP und eine Hand voll Bauernvertreter aus der SVP. Auch bei der Witwenrente schwenkte der Nationalrat mit 91 zu 73 Stimmen – wieder Linke, Grüne und diesmal fast die ganze CVP gegen FDP und SVP – nicht auf den harten Sparkurs des Ständerates ein, der die Witwenrente für Frauen mit Kindern auf 60% einer vollen Rente hatte kürzen wollen, unter gleichzeitiger Anhebung der Waisenrenten von 40 auf 60%.

Im Ständerat wehrten sich die beiden Sozialdemokraten Brunner (GE) und Studer (NE) vergeblich für die sozialverträgliche Ausgestaltung des vorgezogenen Rentenbezugs. Sie wurden von Beerli (fdp, BE) unterstützt, die erklärte, wer behaupte, die CHF 400 Mio. würden ohne nennenswerten Nutzen für die Rentnerinnen und Rentner verpuffen, der argumentiere zynisch. Für Leute mit einer kleinen Rente seien CHF 100 mehr oder weniger im Monat nicht nichts. Die Mehrheit hielt dem entgegen, es seien nicht die Leute mit den geringsten Einkommen, die am meisten profitieren würden, sondern der untere Mittelstand. Reduzierte Kürzungssätze wären das Eingangstor zur allgemeinen Frühpensionierung. Mit 29 zu 9 Stimmen wurde die soziale Abfederung noch deutlicher abgelehnt als im Vorjahr. Die Verschärfung bei der Witwenrente hatte hingegen einen schwereren Stand als 2002, wurde mit 21 zu 18 Stimmen aber dennoch angenommen.

In der Spezialkommission des Nationalrats, welche das EP 03 vorzuberaten hatte, brachte Blocher (svp, ZH) einen Antrag durch, der die SP und die CVP unter Druck setzte. Seine Formel lautete: entweder Verzicht auf die soziale Abfederung des Rentenvorbezugs oder Streichung des Mischindexes im Jahr 2006. Beides sei nicht zu haben. Daraufhin schlug Dormann (cvp, LU) einen Mittelweg vor, damit die 11. AHV-Revision nicht allein den Frauen die Last der Sparopfer aufbürde. Im Gegenzug zur Erhöhung des Rentenalters auf 65 Jahre und der Verschlechterung bei der Witwenrente sollten für die Frauen der Jahrgänge 1948 bis 1957 bei einem Vorbezug von bis zu zwei Jahren die Renten nur zur Hälfte gekürzt werden. Mit 107 zu 71 Stimmen wurde dieser Antrag vom Rat angenommen. Bei der Witwenrente setzte sich mit 90 zu 78 Stimmen ein Minderheitsantrag Egerszegi (fdp, AG) durch, beim Status quo zu bleiben, d.h. allen Witwen mit Kindern bis zum Erreichen des Pensionsalters eine 80%-ige Witwenrente auszubezahlen. Egerszegi machte geltend, gerade in ländlichen Gebieten hätten Frauen mit mehreren Kindern kaum die Gelegenheit, nach der Familienpause wieder Tritt im Erwerbsleben zu finden, weshalb sie oft von der Witwenrente allein leben müssten.

Der Ständerat beharrte aber auf seinen Beschlüssen. Der CVP-Vorschlag für die Frauenrenten wurde als unbrauchbar erachtet, weil er mangels Definition einer oberen Einkommenslimite nach dem Giesskannen-Prinzip funktioniere. Gegen eine Schonung der Witwen machte Beerli (fdp, BE) geltend, dank der langen Übergangsfrist von 17 Jahren, in denen die Rente schrittweise an das neue Modell herangeführt würde, seien die heutigen älteren Witwen gar nicht betroffen. Die Einigungskonferenz übernahm im Wesentlichen die Positionen des Ständerates. Einzig beim Rentenvorbezug der Frauen machte er eine Geste in Richtung der grossen Kammer: während fünf Jahren nach Inkrafttreten der Revision können Frauen der Jahrgänge 1948 bis 1952 die Rente um ein Jahr mit dem halben Kürzungssatz vorbeziehen.

Während die parlamentarischen Beratungen in den Endspurt gingen, folgten rund 25'000 Personen dem Aufruf der Gewerkschaften und demonstrierten vor dem Bundeshaus gegen die Verschlechterungen bei der Altersvorsorge.

Vor der Zustimmung zum Ergebnis der Einigungskonferenz machten im Nationalrat Gewerkschaftsvertreter aus der SP, der GP und der CVP ihrem Ärger über die Bilanz dieser Revision Luft, die sie als reinen Sozialabbau resp. als Nichteinhalten des Versprechens auf eine echte Flexibilisierungsvorlage anprangerten. In der Schlussabstimmung wurde die 11. AHV-Revision von der grossen Kammer mit 109 zu 73 Stimmen angenommen. SP und Grüne stimmten dagegen, ebenso eine kleine Minderheit der CVP. Der Ständerat hiess die Vorlage mit 34 zu 9 Stimmen gut.

In der Maisession bekräftige der Nationalrat mit 95 zu 59 Stimmen noch einmal seinen Beschluss bezüglich Streichung des Bundesanteils. In der Diskussion um das Ausmass der Anhebung der Steuersätze zu Gunsten der AHV wollte sich eine Minderheit I (Triponez, fdp, BE) dem Ständerat anschliessen, eine Minderheit II (Zäch, cvp. AG) hingegen dem Antrag des Bundesrates auf 1,5 Prozentpunkte folgen. Schliesslich setzte sich mit 90 zu 75 resp. 101 zu 64 Stimmen der Antrag der Kommission auf eine Erhöhung um einen Prozentpunkt durch. Der Ständerat folgte der grossen Kammer bei der Erhöhung, unterstrich aber, dass er nach seinem Entgegenkommen erwarte, dass der Bundesrat den neuen Mehrwertsteuersatz frühestens 2010 in Kraft setze. Beim Bundesanteil blieb er hingegen hart. Auch in der dritten Runde fand keine Annäherung der Standpunkte statt. Die Einigungskonferenz übernahm den Beschluss des Ständerates, dem schliesslich auch SP und GP, bis anhin Gegnerinnen des Bundesanteils, zustimmten, um ein Scheitern der Mehrwertsteuervorlage zu vermeiden. Mit Ausnahme einer starken Mehrheit der SVP stimmten alle Parteien zu. Da es sich bei Mehrwertsteueranpassungen um Verfassungsänderungen handelt, untersteht dieser Finanzierungsbeschluss dem obligatorischen Referendum.

An ihrer Delegiertenversammlung von Anfang Oktober beschloss die SP geschlossen, das Referendum gegen die 11. AHV-Revision zu ergreifen. Begründet wurde dieser Entscheid zwar auch mit der Erhöhung des Rentenalters der Frauen und den Abstrichen bei der Witwenrente, wodurch die Frauen gleich doppelt zur Kasse gebeten würden. Im Zentrum stand aber der Verzicht der bürgerlichen Parlamentsmehrheit auf eine soziale Abfederung des flexiblen Rentenalters. In einer koordinierten Aktion machte der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) zwischen dem 20. und dem 22. November an 200 Standorten für das Referendum gegen die 11. AHV-Revision mobil. In 48 Stunden kam die Rekordzahl von über 80'000 Unterschriften zusammen. Da auch weitere Organisationen (SP, GP, Travail.Suisse) zur Sammlung beitrugen, kam das Referendum mit 152'031 Unterschriften zustande.

Im Vorjahr hatte das Parlament einer Anhebung der Mehrwertsteuersätze zu Gunsten von AHV und IV zugestimmt. Bei der stark defizitären IV war eine umgehende Erhöhung unbestritten. Kontrovers beurteilt wurde hingegen deren Ausmass. Der Bundesrat hatte einen Prozentpunkt beantragt. Gegen den Willen der Linken und des Bundesrates, welche dies als ungenügend für eine rasche Konsolidierung der IV taxierten, setzte sich schliesslich in beiden Kammern die bürgerliche Mehrheit mit ihrem Antrag auf lediglich 0,8 Prozentpunkte durch. Noch umstrittener war die Kompetenzerteilung an den Bundesrat, die Mehrwertsteuersätze zu Gunsten der AHV in zwei Schritten um insgesamt 1,5 Prozentpunkte anheben zu können. Der Ständerat hatte 2002 beschlossen, die Vorlage aufzusplitten und vorerst nur einer Erhöhung für die IV zuzustimmen, den Beschluss für die AHV aber aufzuschieben, bis der zusätzliche Finanzierungsbedarf tatsächlich ausgewiesen ist. Im Nationalrat kritisierten bürgerliche Vertreter ebenfalls die Einführung von „Steuern auf Vorrat“, doch fand sich schliesslich eine knappe Mehrheit für die erneute Zusammenführung der beiden Finanzierungsbeschlüsse. Aus Rücksicht auf die Bedenken des Ständerates wurde aber lediglich eine Erhöhung um einen Prozentpunkt schätzungsweise ab 2010 gutgeheissen.

Da es sich bei Mehrwertsteueranpassungen um Verfassungsänderungen handelt, unterstand der Finanzierungsbeschluss dem obligatorischen Referendum. Die Vorlage wurde dem Volk am gleichen Abstimmungswochenende wie die 11. AHV-Revision unterbreitet, gegen welche die Linke das Referendum ergriffen hatte. Obgleich die FDP-Fraktion der Finanzierungsvorlage als Teil eines ausgewogenen Ganzen zugestimmt hatte, bröckelte die freisinnige Zustimmung angesichts der Opposition der Wirtschaft in den Wochen vor der Abstimmung zusehends. Schliesslich gab die Partei die Nein-Parole aus. Als Hauptargument nannte sie ihre Ablehnung von „Steuern auf Vorrat“ sowie das Zustandekommen des Referendums gegen die 11. AHV-Revision. Beobachter bezeichneten die Begründung allerdings als etwas fragwürdig: Das Mehrwertsteuerprozent sollte erst erhoben werden, wenn es wegen der demographischen Entwicklung wirklich nötig ist. Zudem hätte die tatsächliche Einführung einen Parlamentsbeschluss benötigt, gegen den das Referendum hätte ergriffen werden können. Die SVP hatte von Anbeginn erklärt, dass sie die Mehrwertsteuererhöhung bekämpfen werde und zur Sicherung der AHV-Finanzierung auf das Nationalbankgold setzen wolle. Als dann auch noch ein Teil der Gewerkschaftsbewegung ein Fragezeichen hinter die „unsoziale“ Erhöhung der Mehrwertsteuer setzte, schien das Schicksal der Vorlage besiegelt. Es zeigte sich, dass es fatal gewesen war, die beiden Finanzierungsbeschlüsse zu AHV und IV nicht aufzusplitten, wie dies der Ständerat vorerst angeregt hatte; eine differenzierte Stimmabgabe war unter diesen Voraussetzungen nicht möglich.

Gegen die 11. AHV-Revision hatte der SGB im Vorjahr mit Unterstützung von SP, GP und Travail.suisse das Referendum ergriffen und mit in Rekordzeit gesammelten über 150'000 Unterschriften eingereicht. Im Abstimmungskampf standen sich zwei klar abgesteckte Lager gegenüber. Auf der einen Seite das links-grün-gewerkschaftliche, welches die Revision mit der Erhöhung des Frauenrentenalters, den Abstrichen bei der Witwenrente, dem verlangsamten Teuerungsausgleich sowie dem nicht eingehaltenen Versprechen auf eine sozial abgefederte Frühpensionierung als reine „Sozialabbauvorlage“ bezeichnete, auf der anderen Seite die bürgerlichen Parteien, für welche die Revision einen dringend notwendigen Beitrag zur Sicherung der Sozialwerke darstellte. Im Vorfeld der Abstimmung vom 16. Mai gaben die meisten Beobachter der Revision nur geringe Erfolgschancen. Das Ausmass der Ablehnung – über zwei Drittel Nein-Stimmen – erstaunte dennoch. In sämtlichen Kantonen wurde die Vorlage verworfen. Am deutlichsten war die Verweigerung im Kanton Jura mit lediglich 13,6% Ja-Stimmen, gefolgt vom Wallis (17,6%) und dem Kanton Neuenburg (21%). Am meisten Zustimmung fand die Revision in den Kantonen Appenzell Innerrhoden (45,9%), Appenzell Ausserrhoden (41,1%) und Nidwalden (40,1%). Während im links-grünen Lager der deutliche Entscheid mit grossem Jubel aufgenommen wurde, da er zeige, dass sich das Volk einem Rentenabbau widersetze, versuchten die Vertreter des bürgerlichen Lagers, die Bedeutung ihrer Niederlage herunter zu spielen. Einig war man sich allerdings, dass das von Bundesrat Couchepin in die Diskussion gebrachte Rentenalter 67 praktisch vom Tisch sei; es könne nur noch darum gehen, das AHV-Alter, das heute faktisch bei 62 Jahren liegt, durch geeignete Massnahmen wieder an die gesetzlich vorgesehenen 65 Jahre anzunähern.


Abstimmung vom 16. Mai 2004

Beteiligung: 50,8%
Ja: 772 773 (32,1%)
Nein: 1 634 572 (67,9%)

Parolen:
– Ja: FDP, SVP, CVP, LPS, EDU; Economiesuisse, SAGV, SGV, SBV.
– Nein: SP, GP, CSP, EVP, Lega; SGB, Travail.suisse.
* In Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

In der Volksabstimmung vom 16. Mai wurde auch die Mehrwertsteuererhöhung zu Gunsten von AHV und IV mit über 68% Nein-Stimmen wuchtig verworfen. Am deutlichsten erfolgte die Ablehnung im Kanton Jura, wo nur 18,9% der Stimmenden ein Ja in die Urne legten. Es folgten die Kantone Wallis (20%) sowie Nid- und Obwalden mit 21,7 resp. 22,7%. Am höchsten war der Ja-Stimmenanteil im Kanton Basel-Stadt mit 39,3%, gefolgt von Zürich (36,6%) und Bern (34,1%).


Abstimmung vom 16. Mai 2004

Beteiligung: 50,8%
Ja: 756 550 (31,4%)
Nein: 1 651 347 (68,6%)

Parolen:
– Ja: CSP, CVP, EVP, GPS, SPS; SBV, SGB, Travail.Suisse
– Nein: EDU, FDP, FPS, Lega, LPS, PdA, SD, SVP; Economiesuisse, SGV

In der Vox-Analyse dieses Urnengangs erschien die parteipolitische Positionierung als das dominante Erklärungsmoment für den Stimmentscheid. Mit 83% Nein verwarfen die Sympathisanten der SP die Revision wuchtig. Die FDP konnte eine Mehrheit (56%) ihrer Anhängerschaft von ihrer Ja-Parole überzeugen. Dies gelang der CVP lediglich zu 46% und der SVP sogar nur zu 41%. Die Deutschschweiz stimmte mit 35% Ja-Stimmen eher zu als die Welschschweiz (25%), doch war der Unterschied nicht mehr so relevant wie in früheren Abstimmungen zur AHV. Anders als bei der 10. AHV-Revision nahmen die Männer mit 38% Ja deutlich stärker an als die Frauen (25%), wobei der Unterschied (ausser bei den über 70-Jährigen) linear mit dem Alter zunahm. Die 50- bis 59-jährigen Männer nahmen die Revision sogar knapp an, während die Frauen der gleichen Altersklasse sie zu 80% ablehnten. Als Entscheidmotiv wurde von den Befürwortern mehrheitlich die Sicherung der Sozialwerke genannt; die Gründe der Gegner waren weniger einheitlich, artikulierten aber doch zu einem grossen Teil die Sorge um die Errungenschaften des Sozialstaats.

Rentenanpassung der AHV-Renten (Mo. 98.3524)

Dossier: Stabilisierungsprogramm 1998

Entgegen den am ”Runden Tisch" gefassten Beschlüssen reichte die mit der Vorberatung des Stabilisierungsprogramms betraute Kommission im Nationalrat eine Motion ein, welche den Bundesrat verpflichtet, anlässlich der 11. AHV-Revision die Frage des Rhythmus der Teuerungsanpassung der AHV/IV-Renten neu zu regeln. Gegen den Widerstand der Linken wurde die Motion mit 111 zu 56 angenommen.

Diskussionslos nahm der Ständerat im Rahmen des Stabilisierungsprogramms eine Motion des Nationalrats an, welche den Bundesrat verpflichtet, die Anpassung der AHV-Renten an die Lohn- und Preisentwicklung im Rahmen der 11. AHV-Revision unter Berücksichtigung der finanziellen Lage neu zu regeln.

Perspektiven der Alterssicherung (Po. 00.3183) und Verbesserung der Statistik zur Altersvorsorge (Mo. 00.3421)

Im Rahmen der Behandlung der 11. AHV-Revision überwies der Nationalrat zwei Vorstösse seiner SGK. Ein Postulat lud den Bundesrat ein (Po. 00.3183), einen Bericht auszuarbeiten, der die kurz- (2010), mittel- (2015) und langfristigen (2050) Perspektiven der Alterssicherung in der Schweiz darlegt. Da der Bundesrat bereits Vorarbeiten in diese Richtung unternommen hat, war er bereit, den Vorstoss entgegen zu nehmen. Anders verhielt es sich mit einer von der Kommission einstimmig verabschiedeten Motion, die vom Bundesrat verlangte, die Mittel zur Erhebung der für die künftige Führung und Ausrichtung der Sozialversicherungen unerlässlichen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und demographischen Daten bereit zu stellen. Der Bundesrat teilte zwar grundsätzlich die Ansicht, dass die statistische Datenlage zur Altersvorsorge zurzeit nicht ausreicht und deshalb ausgebaut werden sollte, verwies aber auf die fehlenden Ressourcen, weshalb er Überweisung als Postulat beantragte. Da die Kommission an einem verbindlichen Auftrag festhielt, lenkte Bundesrätin Dreifuss mit Seitenblick auf kommende Budgetdebatten ein, worauf die Motion oppositionslos angenommen wurde.

Im Vorjahr hatte der Nationalrat eine Motion seiner SGK verabschiedet, die vom Bundesrat verlangte, die Mittel zur Erhebung der für die künftige Führung und Ausrichtung der Sozialversicherungen unerlässlichen statistischen Daten bereit zu stellen. Der Ständerat schloss sich der Stossrichtung der Motion vollumfänglich an. Da es sich hier aber um einen Bereich handelt, der in die administrative Kompetenz des Bundesrates fällt, kleidete er den Vorstoss in die Form einer Empfehlung (Emp. 02.3004).

11. AHV-Revision: Leistungsseitige Massnahmen (BRG 05.093)

Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Nach dem Scheitern der 11. AHV-Revision in der Volksabstimmung vom 16. Mai 2004 beschloss der Bundesrat, den Umbau der 1. Säule der Alterssicherung in kleinen Schritten anzugehen. Ende Februar stellte er die wichtigsten Reformideen zur Diskussion. So soll das Rentenalter der Frauen dem Niveau der Männer (65 Jahre) angeglichen werden. Zudem schlug er vor, die Renten nicht mehr im Zweijahresrhythmus der Teuerung anzupassen, sondern nur noch dann, wenn diese vier Prozent erreicht. Auch regte er an, nach einer Übergangsfrist die Witwenrenten für kinderlose Frauen abzuschaffen. Da die Erstauflage der 11. AHV-Revision unter anderem deshalb von der Linken erfolgreich bekämpft worden war, weil das Parlament auf die Einführung einer sozial abgefederten Frührente verzichtet hatte, präsentierte der Bundesrat nun ein neues Modell für eine Überbrückungsrente für bestimmte Personenkategorien (beispielsweise Teilinvalide und ältere Arbeitslose). Damit erteilte er den Forderungen nach einem allgemein zugänglichen flexiblen Pensionierungsalter ohne Rentenkürzung eine klare Absage. Die neue Überbrückungsrente soll wie die Ergänzungsleistungen (aber grosszügiger ausgestaltet) aus allgemeinen staatlichen Mitteln und nicht über die AHV (d.h. durch Lohnabgaben) finanziert werden, um die Notwendigkeit eines Exports ins Ausland zu vermeiden. In einem zweiten Reformpaket sollten technische Verbesserungen bei der AHV, die in der 11. AHV-Revision nicht bestritten gewesen waren (beispielsweise die Aufhebung des Freibetrags für erwerbstätige Rentnerinnen und Rentner sowie die Erweiterung des Anspruchs auf Betreuungsgutschriften), wieder aufgenommen werden.

In seiner gewohnt ungestümen Art wollte Bundesrat Couchepin diese 11. AHV-Revision „light“ im Schnellzugstempo durchziehen und lud deshalb Mitte April Kantone, Parteien und Verbände für Ende Mai zu einer konferenziellen Vernehmlassung ein, welche die reguläre dreimonatige Vernehmlassung ersetzen sollte. Die Kantone reagierten mit Empörung auf dieses Ansinnen: Eine AHV-Revision sei ein zu gewichtiges Reformvorhaben, als dass auf eine umfassende Vorbereitung verzichtet werden könne. Die Grünen als erste, dann auch die CVP und die SP erklärten, die Konferenz boykottieren zu wollen, da wirklich keine Dringlichkeit bestehe; die SVP zeigte ebenfalls wenig Verständnis für das forsche Vorgehen Couchepins, einzig die FDP stellte sich hinter ihren Bundesrat. Angesichts dieser Widerstände verlängerte Couchepin die Vernehmlassungsfrist bis Ende Juli. Die Konferenz fand dennoch statt, wenn auch in reduziertem Rahmen; sie führte zu keinen konkreten Ergebnissen.

In der schriftlichen Vernehmlassung stiessen die Vorschläge des Bundesrates auf allgemeine Kritik. SP, Grüne und Gewerkschaften lehnten die Revision als Leistungsabbau ab. Als inakzeptabel bezeichnete die Linke die Verlangsamung des Teuerungsausgleichs durch eine Inflationsschwelle: Leistungen, die bereits heute kein existenzsicherndes Ausmass hätten, dürften nicht derart weiter reduziert werden. Bei der Erhöhung des AHV-Alters der Frauen und der Neuregelung bei den Witwenrenten war die Ablehnung nicht ganz so kategorisch; als Voraussetzung dafür wurden jedoch die tatsächliche Gleichstellung der Frauen in der Arbeitswelt sowie die Einführung eines flexiblen Rentenalters ohne Rentekürzung genannt.

Als eigentliche Knacknuss der Revision erwies sich die Überbrückungsrente. SP und Grüne kritisierten, mit dieser werde eine Abkehr vom Sozialversicherungsprinzip in der AHV eingeleitet. Gemeinsam mit dem SGB warf die SP den Vorschlägen vor, sie würden nur zu einer Entlastung der Arbeitslosenversicherung, der IV und der Sozialhilfe führen und hätten nichts mit einer sozial ausgestalteten Flexibilisierung des Rentenalters zu tun. Auch bei den bürgerlichen Parteien und der Wirtschaft stiess die Überbrückungsrente auf Widerstand, allerdings aus entgegengesetzten Gründen. Für die SVP war sie gar der Anlass, trotz der begrüssten Sparvorschläge die ganze Revision abzulehnen, da diese Rente einen unverantwortbaren Leistungsausbau darstelle. Nicht so weit gehen wollten FDP, CVP und die Wirtschaftsverbände. FDP und Economiesuisse kritisierten den vage formulierten Bezügerkreis, weshalb es fraglich sei, ob der angegebene Kreditrahmen von CHF 400 Mio. ausreichen könne. Die CVP hatte bereits bei früherer Gelegenheit erklärt, die Übergangsrente könnte „Gerechtigkeit schaffen“, doch dürfe sie nicht auf IV-Rentner und ausgesteuerte Arbeitslose beschränkt werden.

Trotz dem geballten Widerstand hielt der Bundesrat an seinem Modell der Überbrückungsrente für über 62-jährige Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen fest. Bei der Aufhebung der Witwenrente für kinderlose Frauen krebste er zurück, was umso erstaunlicher war, als der Vorschlag in der Vernehmlassung mehrheitlich auf Zustimmung gestossen war. Ebenso verzichtete er teilweise auf die Teuerungsschwelle bei der Anpassung der Renten. Das Limit von vier Prozent soll nur gelten, falls der AHV-Ausgleichsfonds von heute 88% auf unter 70% einer Jahresausgabe fällt. Um unheilige Allianzen zwischen der Linken und der SVP zu verhindern, die allenfalls schon im Parlament zu einem Absturz der Neuauflage der 11. AHV-Revision führen könnten, beschloss der Bundesrat Ende Jahr, die beiden Revisionspakete anders zu bündeln: Anstatt die Vorlage in eine Leistungs- und eine „technische“ Seite aufzuteilen, fasste er mit Ausnahme der Überbrückungsrente alle Neuerungspunkte (inkl. Erhöhung des Rentenalters der Frauen) in einer ersten Botschaft zusammen, während die zweite, ebenfalls im Dezember veröffentlichte Botschaft (Revision des Ergänzungsleistungsgesetzes) allein die Vorruhestandsleistung betrifft. Der Bundesrat schätzte die mit seinen Vorschlägen erzielbaren jährlichen Einsparungen auf CHF 532 Mio. und die Mindereinnahmen auf CHF 191 Mio., was per saldo einer Entlastung um CHF 341 Mio. entspricht.

Um unheilige Allianzen zwischen der Linken und der SVP zu verhindern, die allenfalls schon im Parlament zu einem Absturz der Neuauflage der 11. AHV-Revision führen könnten, beschloss der Bundesrat Ende 2005 die beiden Revisionspakete anders zu bündeln: Anstatt die Vorlage in eine Leistungs- und eine „technische“ Seite aufzuteilen, fasste er mit Ausnahme der Überbrückungsrente alle Neuerungspunkte in einer ersten Botschaft zusammen, während die zweite allein die Vorruhestandsleistung betrifft. In der ersten Botschaft stehen der Fortbestand des Systems und die Erweiterung der Flexibilisierungsmöglichkeiten beim Altersrücktritt im Vordergrund. Im Einzelnen ging es um eine Anpassung der Renten, die Vereinheitlichung des Rentenalters von Männern und Frauen, die Erweiterung der Vorbezugs- und Aufschubsregelungen, die Aufhebung des Freibetrages für erwerbstätige Rentner und Rentnerinnen und die Erleichterung der Durchführung der Versicherung durch verschiedene technische Massnahmen.

Erstrat war der Nationalrat. Er diskutierte die erste Botschaft der Neuauflage der 11. AHV-Revision zusammen mit der oben beschriebenen AHV-Initiative. Eine Kommissionsminderheit Rechsteiner (sp, BS) hatte zunächst das Nichteintreten verlangt, zog diesen Antrag dann aber wieder zurück, in der Hoffnung, dass die Revision den Handlungsspielraum für die Flexibilisierung nutzen und nicht auf Kosten der Frauen gehen wird. Eine Rückweisung an den Bundesrat beantragte auch die FDP-Fraktion und zwar mit dem Auftrag, eine neue umfassende AHV-Revisionsvorlage auszuarbeiten, die eine echte Flexibilisierung des Rentenalters sowie gezielte Anreize für den Verbleib von älteren Personen im Erwerbsleben beinhaltet. Pelli (fdp, TI) präsentierte dazu ein neues Modell, das im Nationalrat aber keinen Anklang fand und mit 33 zu 154 Stimmen abgelehnt wurde. Die Lager bei der Eintretensdebatte und deren Argumente waren auch bei der 11. AHV-Revision gleich geblieben wie bei der SGB-Initiative. Auf der einen Seite setzte sich das links-grüne Lager für die Flexibilisierung und die Vermeidung eines Sozialabbaus ein, auf der anderen Seite zeigten sich die Bürgerlichen hauptsächlich besorgt über die langfristige Finanzierung der AHV und setzten sich für eine "intelligente" Flexibilisierung und Konsolidierung der ersten Säule ein.

In der Detailberatung folgte der Nationalrat der Mehrheit seiner Kommission und verwarf alle Minderheitsanträge. Die schliesslich angenommene Regelung sieht vor, das Rentenalter der Frauen auf 65 anzuheben und die Flexibilität der AHV zu verbessern, jedoch ohne sozialen Ausgleich. Der Nationalrat distanzierte sich vom Bundesrat bei der Rentenanpassung. Dieser hatte vorgesehen, die Rentenanpassung auszusetzen, wenn der Stand des Ausgleichsfonds unter 45% sinkt. Die grosse Kammer fand diese Bestimmung überflüssig und legte fest, die Renten nur dann anzupassen, wenn die Teuerung seit der letzten Anpassung um 4% gestiegen ist. Zum flexiblen Rentenalter lagen fünf verschiedene Konzepte vor. Die Kommissionsmehrheit unterstützte die Idee einer Kürzung um den vollständigen versicherungstechnischen Gegenwert der vorbezogenen Rente. Die vier verschiedenen Minderheitsanträge sahen vor, bis zu einer bestimmten Lohngrenze einen einheitlichen Kürzungssatz vorzusehen, danach diesen Satz progressiv zu erhöhen und ab einer bestimmten Obergrenze die versicherungstechnische Kürzung anzuwenden. Die Mitglieder der SVP- und der FDP-Fraktion lehnten jegliche soziale Abfederung ab, mit der Begründung, dass die demographische Entwicklung die AHV früher oder später vor schwerwiegende finanzielle Probleme stellen werde. Auch die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre erhitzte, insbesondere aufgrund des vorher beschlossenen fehlenden sozialen Ausgleichs, die Gemüter. Sowohl die Befürworter als auch die Gegner dieser Erhöhung argumentierten mit der Gleichstellung. Für die Bürgerlichen rechtfertigte die längere Lebenserwartung der Frauen die Gleichbehandlung in Bezug auf das Rentenalter. Nach Ansicht der Linken wäre es völlig verfehlt, dass die Frauen mit einer Erhöhung des Rentenalters für die Finanzierung der AHV herhalten müssen, während sie in der Arbeitswelt nicht gleichgestellt sind. Die Erhöhung des Frauenrentenalters passierte den Nationalrat mit 120 zu 69 Stimmen. Der Nationalrat änderte zudem in Anlehnung an einen Minderheitsantrag Maurer (svp, ZH) das Gesetz über die berufliche Vorsorge in einem wichtigen Punkt: Es wird künftig möglich sein, vor dem ordentlichen Rentenalter eine Rente aus der beruflichen Vorsorge zu beziehen, auch wenn die betreffende Person die Erwerbstätigkeit nicht vollständig aufgibt. Der Nationalrat nahm den Antrag gegen den Willen von Bundesrat Couchepin, der GP, der SP und einem Teil der CVP mit 97 zu 88 Stimmen an. Bei der Gesamtabstimmung kündigten die SP, die Grünen und die CVP-Fraktion an, dass sie die Revision nicht unterstützen, wenn das Frauenalter ohne eine soziale Kompensation erhöht wird. Da sich die Christlichdemokraten schliesslich doch für die Revision aussprachen, passierte die Vorlage die Gesamtabstimmung mit 97 zu 89 Stimmen.

Die im Vorjahr behandelten leistungsseitigen Massnahmen der 11. AHV-Revision wurden im Berichtsjahr auch im Ständerat diskutiert. Das Eintreten auf die Vorlage beschloss dieser ohne Gegenstimme. Im Laufe der Debatte zeichneten sich drei verschiedene Meinungslager ab: einerseits die Gegner eines höheren Frauenrentenalters mit erleichterter vorzeitiger Pensionierung für Personen mit niedrigem Einkommen und andererseits die sparpolitisch motivierten Befürworter des Nationalratsbeschlusses sowie die Befürworter der Variante der Kommissionsmehrheit, welche die Erhöhung des Frauenrentenalters und eine befristete Rentenkürzung bei vorzeitigem Ruhestand vorsah.

In der Detailberatung folgte der Ständerat der Kommissionsmehrheit und wies alle Minderheitsanträge zurück. Damit schuf er mehrere, teilweise auch grundlegende, Differenzen zum Nationalrat. So wollte er beispielsweise den Maximalbeitragssatz auf das 25-fache und nicht wie vom Nationalrat vorgeschlagen auf das 50-fache des Mindestsatzes festsetzen. Im Gegensatz zum Nationalrat löste die Erhöhung des Frauenrentenalters im Ständerat keine grosse Diskussion aus. Eine grössere Differenz zum Nationalrat schuf die kleine Kammer beim Rentenvorbezug. Mit 25 zu 16 Stimmen wurde der Vorschlag der Kommissionsmehrheit angenommen, welcher einen auf zehn Jahre befristeten flexiblen Rentenvorbezug für Frauen vorsah, mit einer von der Dauer des Vorbezugs sowie von der Höhe des massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommens abhängigen Rentenkürzung. Dabei sollte die Rente nach versicherungstechnischen Regeln gekürzt werden, sobald das massgebende Jahreseinkommen einen Anspruch auf eine maximale Altersrente rechtfertigt. In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat die Vorlage zwar an, allerdings mit einem Ergebnis von 16 Ja-Stimmen bei 10 Gegenstimmen und 12 Enthaltungen.

Die leistungsseitigen Massnahmen der 11. AHV-Revision gingen im Berichtsjahr in die Differenzbereingung. Der Nationalrat beschäftigte sich insbesondere mit zwei Differenzen, die zum Ständerat entstanden waren. Die erste Differenz bezog sich auf die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre und die Frage, ob die dadurch eingesparten CHF 800 Mio. teilweise oder ganz für eine sozial abgefederte Frühpension eingesetzt werden sollen. Die SVP und Teile der FDP-Liberalen Fraktion vertraten die Meinung, dass die Einsparungen für die langfristige Sicherung der AHV aufzuwenden seien. Der entsprechende Antrag Kleiner (fdp, AR) wurde mit 91 zu 90 Stimmen jedoch knapp zugunsten eines Kompromissvorschlages der CVP abgelehnt. Dieser sah vor, die Hälfte des eingesparten Geldes für die soziale Abfederung einzusetzen. Durch einen taktisch geführten Abstimmungskampf gelang es der SVP und FDP-Liberalen, dass sich der Rat weigerte, die Ausgabenbremse zu lösen und die Mittel für die zuvor angenommene Maximalvariante frei zu geben. Die zweite Differenz bezog sich auf die Bestimmungen zur Anpassung der Renten an die Lohn- und Preisentwicklung. Auch diese Differenz zum Ständerat wurde nicht ausgeräumt. Die grosse Kammer beschloss dem Antrag der Kommissionsmehrheit zu folgen und einen Teuerungsausgleich anzunehmen, der alle zwei Jahre erfolgen soll. Ausserdem stimmte sie einem Einzelantrag Baader (svp, BL) zu, der daran festhielt, dass Leistungen aus patronal finanzierten Personalfürsorgestiftungen nicht als Bestandteil des massgebenden Lohnes zu betrachten und deshalb nicht AHV-pflichtig sind. Die übrigen Differenzen mit dem Ständerat räumte der Nationalrat aus.

Der Ständerat hielt in der Differenzbereinigung daran fest, dass die Erhöhung des Rentenalters der Frauen mit einer Subventionierung der vorzeitigen Pensionierung für tiefere Einkommen zu verknüpfen sei. Er stimmte aber einem Kompromissvorschlag von Bundesrat Didier Burkhalter zu, der den Kreis der Nutzniesser so einschränken wollte, dass eine verbilligte Frührente nur Personen mit einem Einkommen zwischen ca. CHF 41'000 und 61'000 gewährt würde. Beim zweiten Diskussionspunkt über die Anpassung der Renten an die Lohn- und Preisentwicklung stimmte der Ständerat mit 25 zu 8 Stimmen der Kommissionsmehrheit zu, welche einen Kompromissvorschlag formuliert hatte. Schliesslich hielt der Rat ohne Gegenantrag daran fest, dass auch Leistungen aus patronal finanzierten Personalfürsorgestiftungen Bestandteil des massgeblichen Lohnes seien.

In der weiteren Differenzbereinigung stimmte die grosse Kammer weitgehend den Beschlüssen des Ständerates zu. Bei der Anpassung der AHV-Renten an die Teuerung folgte der Nationalrat mit 110 zu 63 Stimmen der Variante des Ständerates. Auch bezüglich der Kompensation der Anpassung des Rentenalters folgte der Nationalrat dem Ständerat gegen den Willen von zwei Minderheitsanträgen. In der verbliebenen Differenz bezüglich der patronalen Fürsorgestiftungen folgte hingegen die kleine Kammer dem Nationalrat.

In der Schlussabstimmung kam es im Nationalrat zu einer „unheiligen Allianz“ zwischen der Linken und der SVP, welche der Vorlage die Zustimmung verweigerte. Linke und Grüne argumentierten damit, dass die Sparmassnahmen bei der AHV auf Kosten der Frauen zu wenig sozial abgefedert seien. Die SVP hingegen lehnte die Vorlage ab, weil sie sachlich falsch sei und sozialpolitisch unnötige Elemente enthalte. Das Bundesgesetz über die leistungsseitigen Massnahmen wurde im Nationalrat schliesslich mit 118 zu 72 Stimmen abgelehnt. Der Ständerat hingegen nahm das Gesetz mit 31 zu 9 Stimmen bei zwei Enthaltungen an.

11. AHV-Revision: Einführung einer Vorruhestandsleistung (BRG 05.094)

Die zweite Botschaft der 11. AHV-Revision beschäftigte sich mit der Einführung einer Vorruhestandsleistung, die als Ergänzung des Rentenvorbezugs in der AHV gedacht war. Diese Vorruhestandsleistung betrifft Frauen und Männer über 62 Jahren, die es sich heute aus finanziellen Gründen nicht leisten können, vorzeitig in den Ruhestand zu treten. Es handelt sich dabei um Personen des unteren Mittelstandes, die in zu guten finanziellen Verhältnissen leben, um nebst der vorbezogenen Altersrente der AHV Ergänzungsleistungen zu erhalten, die jedoch mit gekürzten Leistungen der 1. und 2. Säule kein angemessenes Leben führen können. Diese Vorruhestandleistung ist nicht als Versicherungsleistung ausgestaltet, sondern bedarfsabhängig. Deshalb soll sie auch nicht in das Bundesgesetz über die AHV aufgenommen werden, sondern in dasjenige über die Ergänzungsleistungen der AHV. Finanziert werden die Vorruhestandleistungen aus den Einsparungen, die mit der Erhöhung des Frauenrentenalters erzielt werden. Daher wird sie nur mit dem Inkrafttreten der Erhöhung des Frauenalters eingeführt.

Die Kommission des Nationalrates hatte mit 9 zu 4 Stimmen beschlossen, dem Plenum zu empfehlen, nicht auf die Vorlage einzutreten. Der Kommissionssprecher Bortoluzzi(svp, ZH) begründete diesen Entscheid damit, dass die vom Bundesrat vorgeschlagene Lösung als nicht geeignet erachtet wurde, weil die Leistungen im freien Personenverkehr gelegentlich „exportiert“ werden müssten. Zwar präzisierte die Botschaft, dass die Vorruhestandsleistung bedarfsabhängig sei und daher unter gewissen Umständen vom Auslandexport ausgeschlossen werden könne, der Nationalrat verzichtete aber im Anschluss an die Erklärung seiner Kommission darauf, sich zu der Vorlage zu äussern und beschloss diskussionslos das Nichteintreten.

Die zweite Botschaft der 11. AHV-Revision, welche sich mit der Einführung einer Vorruhestandsleistung beschäftigte, war im Vorjahr im Nationalrat auf Ablehnung gestossen. Der Ständerat beschloss im Berichtsjahr, auf die Vorlage ebenfalls nicht einzutreten. Damit war sie insgesamt abgewiesen und erledigt.