Volksinitiative «gegen Missbräuche der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen» und Gegenvorschlag (BRG 89.067)

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L'initiative populaire «Contre l'application abusive des techniques de reproduction et de manipulation génétique à l'espèce humaine», lancée en 1985 par le journal «Der Schweizer Beobachter», a abouti. Face à l'absence d'un cadre légal fédéral régissant les techniques de fécondation artificielle et les abus qui peuvent en découler, les initiants souhaitent que soit inscrit un nouvel article constitutionnel donnant mandat à la Confédération d'édicter des prescriptions sur les manipulations du patrimoine génétique humain et de veiller à assurer le respect de la dignité humaine et de la protection de la famille. Elle exige notamment l'interdiction de la commercialisation de la reproduction par les mères porteuses et au moyen des banques de spermes et la définition des limites légales des expériences sur les embryons. Quant aux adversaires de ladite initiative, ils la jugent superflue, l'Académie suisse des sciences médicales (ASSM) ayant déjà formulé des directives médico-éthiques pour le traitement de la stérilité par fécondation in vitro et le transfert d'embryons.

Dossier: Entwicklungen in der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen in den Neunzigerjahren

Le Conseil fédéral a chargé le DFJP d'élaborer un contreprojet direct à l'initiative populaire lancée par le périodique Beobachter «Contre l'application abusive des techniques de reproduction et de manipulation génétique à l'espèce humaine». Celle-ci vise d'une part à empêcher certaines méthodes de procréation artificielle telles la fécondation in vitro ou les mères porteuses et, d'autre part, à interdire les manipulations sur le matériel génétique humain et exige de la Confédération qu'elle édicte des prescriptions dans ces deux domaines afin d'éviter des législations cantonales disparates. En opposant un contreprojet, le Conseil fédéral a manifesté sa volonté de régler en détail ce domaine. En effet, il a reproché aux initiants d'avoir présenté un texte trop général et trop restrictif dans ses interdictions. Le gouvernement souhaite également étendre la loi aux manipulations génétiques sur les animaux et les plantes. Pour élaborer le futur message, le gouvernement s'inspirera des conclusions d'une commission d'experts (Commission Amstad) qu'il avait mandatée pour étudier les aspects sociaux, juridiques et éthiques des nouvelles méthodes de la médecine de la reproduction. Même si aucun langage commun n'a pu être trouvé, une majorité est toutefois tombée d'accord pour admettre, sous certaines réserves, la fécondation in vitro, les transferts d'embryons et le don de sperme destiné à l'insémination artificielle hétérologue. Par contre, elle a rejeté le recours aux mères porteuses et s'est prononcée pour l'interdiction de tous les procédés visant à sélectionner des embryons en fonction de leur sexe ou d'autres caractéristiques, contre les interventions sur le processus de formation des ovules ou des spermatozoïdes et l'expérimentation sur embryon. Elle a estime indispensable l'introduction d'une disposition constitutionnelle pour soumettre les techniques de procréation artificielle à des prescriptions légales afin d'éviter les abus. A peine rendues publiques, ces conclusions ont soulevé un vent de critiques, tant dans les milieux féministes qu'au sein des partisans du droit à la vie qui, tous deux, les jugent trop libérales.

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Nachdem der Bundesrat im Oktober 1988 beschlossen hatte, der «Beobachter»-Initiative «gegen Missbräuche der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen» einen direkten Gegenvorschlag entgegenzustellen, verabschiedete er am 18. September 1989 die entsprechende Botschaft. Darin erklärt er sich mit dem Grundanliegen der Initianten und deren meisten konkreten Forderungen einverstanden, wollte den zukünftigen Art. 24 der Verfassung aber umfassender und präziser formuliert wissen. So erschien es ihm problematisch, die Regelung auf den Humanbereich zu beschränken und den Begriff der Menschenwürde nur gerade im Zusammenhang mit der Gentechnologie in der Verfassung zu verankern. Er schlug deshalb einen Verfassungstext vor, der auch die Tier- und Pflanzenwelt einbezieht. Den Begriff der Menschenwürde wünschte er einer generellen Grundrechtsnorm vorzubehalten, wie sie in den Entwürfen zur Totalrevision der Bundesverfassung vorgesehen ist.

Den beiden ersten Punkten der Initiative stellte der Bundesrat einen Text entgegen, der Zielnorm und Gesetzgebungskompetenz definiert, aber keine ethische Würdigung enthält. Den Verbotskatalog in Absatz Drei der Initiative erachtete er als zu imperativ, und er meldete seine Bedenken an, die Gesetzgebung bereits auf Verfassungsstufe derart zu präjudizieren. Er schlug deshalb einen Regelungskatalog vor, der sich – gleich wie der Initiativtext – auf die Fortpflanzungsmedizin beschränkt, der aber die Frage nach eventuellen Verboten offen lässt. Dem Vorwurf, durch den Verzicht auf klare Vorgaben werde der Gesetzgebungsprozess – gerade auch in Anbetracht der zum Teil sehr unterschiedlichen Vorstellungen der verschiedenen politischen Parteien – lang und schwierig, begegnete er im voraus mit dem Hinweis auf die schon bestehende oder vorgesehene Gesetzgebung des Bundes in diesem Gebiet.

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Als Erstrat befasste sich die kleine Kammer mit der Volksinitiative «gegen Missbräuche der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen». Gleich wie der Bundesrat empfahl auch der Ständerat, die Initiative abzulehnen. Er stimmte dem Gegenvorschlag des Bundesrates zwar zu, wollte aber in stärkerem Masse die Anliegen der Initianten berücksichtigen und beschloss, im Humanbereich bereits auf Verfassungsstufe konkrete Verbote festzuschreiben. Unter anderem sollen Manipulationen am Erbgut menschlicher Keimzellen, die Beeinflussung der künstlichen Fortpflanzung mit dem Ziel, nach bestimmten Selektionskriterien besondere Eigenschaften herbeizuführen, sowie alle Arten von Leihmutterschaft untersagt werden. Gemäss dem Ständerat darf das Erbgut einer Person nur mit deren Zustimmung oder auf gesetzliche Anordnung hin untersucht, registriert oder offenbart werden, und ihr muss Zugang zu den Daten über ihre Abstammung gewährt werden. Nicht gestattet wären die Verschmelzung von menschlichem und tierischem Keim- und Erbgut sowie die Kommerzialisierung des Keim- und Erbgutes. Die pränatale Diagnostik soll weiterhin gestattet sein, ebenso die In-vitro-Fertilisation, letztere aber nur als ultima ratio, wenn die Unfruchtbarkeit nicht anders behandelt werden kann.

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Die vorberatende Nationalratskommission ging noch weiter. Sie verstärkte die Bestimmungen insofern, als neben der Leihmutterschaft auch deren Vermittlung sowie die Embryonenspende untersagt werden sollen. Zudem dehnte sie auch die Grundsatzklausel aus: Der Bund hat nicht nur Vorschriften über den Umgang mit Keim- und Erbgut von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen zu erlassen, sondern auch der Würde der Kreatur sowie der Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt Rechnung zu tragen und die genetische Vielfalt zu schützen.

Die Kommission beschloss gleichzeitig, ihre Arbeiten an der umstrittenen Revision des Patentrechts zu sistieren bis der Nationalrat Gelegenheit habe, sich zu den Grundsätzen der Initiative und des Gegenvorschlags zu äussern. Bis dahin setzte sie auch ihre Beratungen über die Parlamentarische Initiative Ulrich (sp, SO; Pa.Iv. 89.240) aus, die Genomanalysen verbieten will. Da sich die Arbeiten des Parlaments voraussichtlich noch über einen längeren Zeitraum erstrecken werden, forderte Nationalrat Nussbaumer (cvp, SO; Po. 90.816) den Bundesrat in einem Postulat auf, den Räten einen Überbrückungsbeschluss vorzulegen.

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Gleich wie im Ständerat war auch im Nationalrat die Notwendigkeit der Schaffung von Leitplanken im Bereich der Gentechnologie unbestritten. Ebenso klar war auch, dass der Rat die Beobachterinitiative «gegen Missbräuche der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen» nicht unterstützen und sich für den vom Ständerat modifizierten bundesrätlichen Gegenvorschlag aussprechen würde. Die Vorarbeiten der nationalrätlichen Kommission hatten aber eine weitere Verschärfung der Vorlage bereits angedeutet. Ein Minderheitsantrag I – vorwiegend, aber keinesfalls ausschliesslich aus dem rot-grünen Lager – welcher für ein gänzliches Verbot der Befruchtung ausserhalb des Mutterleibes (IvF) eintrat, wurde zwar abgelehnt, dafür passierte aber ein Minderheitsantrag II, mit dem die IvF insofern eingeschränkt wird, als nur so viele Eizellen im Reagenzglas befruchtet werden dürfen, wie sofort eingepflanzt werden können, um so die Missbrauchsmöglichkeiten mit Embryonen einzuschränken und das ethische Problem der bewussten Zerstörung keimenden Lebens zu vermeiden. In der Debatte zeigten sich vor allem die CVP und die SP in der Frage der IvF zutiefst gespalten.

Die Minderheit I wollte zudem den ausser-humanen Bereich in einem separaten Verfassungsartikel regeln – und zwar bedeutend restriktiver als dies die Kompetenznorm des ständerätlichen Gegenvorschlags, welche die Nationalratskommission noch etwas ausgeweitet hatte, vorsah. Insbesondere sollten Eingriffe in das Keimplasma von Tieren und Pflanzen untersagt, die Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen, abgesehen von begründeten Ausnahmen, verboten werden sowie für Lebewesen keine Erfinderpatente gelten. Obgleich das hier nahezu geschlossene rot-grüne Lager über weite Strecken von den Bauernvertretern unterstützt wurde, unterlag dieser Antrag schliesslich doch deutlich.

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Der Ständerat bereinigte – nicht ganz oppositionslos – die Differenzen im Sinn des Nationalrates und überwies anschliessend einstimmig die Motion der Nationalratskommission für ein Genomanalysengesetz. In der Schlussabstimmung wurde die Vorlage in der kleinen Kammer klar angenommen, im Nationalrat etwas weniger deutlich, da ihr die Liberalen, welchen die einschränkenden Regelungen zu weit gingen, die Zustimmung verweigerten.

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Obgleich es das Initiativkomitee lieber gesehen hätte, wenn die Bestimmungen über Tiere und Pflanzen dem Volk in einer separaten Vorlage unterbreitet worden wären, zog es sein Begehren nach einigen Wochen Bedenkzeit zurück. Es begründete seinen Entscheid damit, dass die wesentlichen Anliegen im Gegenvorschlag berücksichtigt seien und die komplexe Diskussion vereinfacht werde, wenn nur eine Vorlage zur Abstimmung gelange.

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In der Abstimmung vom 17. Mai 1992 nahmen Volk und Stände den von Bundesrat und Parlament als direkten Gegenvorschlag zur inzwischen zurückgezogenen «Beobachter-Initiative» ausgearbeiteten neuen Artikel 24 der Bundesverfassung deutlich an. Fast zwei Drittel der Urnengängerinnen und Urnengänger und alle Kantone mit Ausnahme des Wallis stimmten damit der Einführung von verbindlichen Leitplanken im Bereich der Gentechnologie zu. Bisher hatte es auf Bundesebene nur Richtlinien und einige Bundesgerichtsurteile gegeben. Der neue Verfassungsartikel sieht im einzelnen vor, dass die In-vitro-Fertilisation (IvF) nur erlaubt sein soll, wenn alle anderen Methoden zur Behebung ungewollter Kinderlosigkeit versagt haben. Eingriffe in die menschliche Keimbahn sind verboten, ebenso die Forschung an und der Handel mit Embryonen. Das Erbgut einer Person darf nur mit deren Zustimmung oder aufgrund gesetzlicher Anordnung untersucht oder registriert werden. Eine mit Spendersamen gezeugte Person soll Zugang zu den Daten ihrer Abstammung erhalten. Bei Tieren und Pflanzen schliesslich ist die Würde der Kreatur sowie die Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt zu wahren.

Verfassungsartikel zur Fortpflanzungs- und Gentechnologie (Art. 24 BV)
Abstimmung vom 17. Mai 1992


Beteiligung: 39.2%
Ja: 1'271'052 (73.8%) / 19 6/2 Stände
Nein: 450'635 (26.2%) / 1 Stand

Parolen:
— Ja: FDP, SP (2*), CVP (3*), SVP (1*), GP, LdU, EVP, PdA; SGB, CNG, Vorort, SGV, SBV, VKMB, SBN, SGCI, FMH, Kath. Frauenbund
— Nein: LP (4*), AP, SD, EDU; SAG, Basler Appell gegen Gentechnologie, Behindertenorganisationen, diverse feministische Gruppen
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

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Dafür ausgesprochen hatten sich mit Ausnahme von AP, EDU, LP und SD alle im Parlament vertretenen Parteien, die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, der Bauernverband und die Kleinbauernvereinigung, der Evangelische Kirchenbund, der Katholische Frauenbund, die Standesorganisationen von Chemischer Industrie und Medizin, die Kommission für biologische Sicherheit, der Bund für Naturschutz sowie das ehemalige Initiativkomitee, welches 1987 mit der Einreichung seines Volksbegehrens «gegen Missbräuche der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen» die Diskussion überhaupt erst lanciert hatte.

Bekämpft wurde der Verfassungsartikel von der Liberalen Partei, welcher die neuen Regelungen bereits zu restriktiv waren. Als zu permissiv wurde er hingegen von AP, EDU, der SD und der Jungen SVP abgelehnt, ebenso von der Vereinigung «Ja zum Leben» unter der Führung des Berner EVP-Nationalrats Zwygart, von zahlreichen Frauenorganisationen wie der Ofra, der FraP und – abweichend von der Gesamtpartei – vom Vorstand der CVP-Frauen, von Behindertenvereinigungen sowie vom Basler Appell gegen Gentechnologie und der Schweizerischen Arbeitsgruppe Gentechnologie (SAG).

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Wie die Vox-Analyse dieses Urnengangs zeigte, wurde die Vorlage in erster Linie in grossstädtischen Agglomerationen sowie von den, jüngeren Stimmberechtigten und Personen mit höherer Schulbildung angenommen. Das liberale Gegenargument einer zu restriktiven Regelung scheint kaum eine Rolle gespielt zu haben, ganz im Gegensatz zur christlich-ethischen Opposition, welche sich bei der Ablehnung recht deutlich auswirkte. Ausgesprochen hoch war die Zustimmung im linken Spektrum. Die Gegnerschaft aus diesen Kreisen (Frauen, Behinderte, Grüne und Alternative) fand demnach keine breite Abstützung.

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