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Grundlagen der Staatsordnung
Institutionen und Volksrechte
Anstelle der auf Ende Jahr zurücktretenden Bundesräte Pierre Aubert und Leon Schlumpf wurden die von ihren Parteien vorgeschlagenen René Felber (sp) und Adolf Ogi (svp) neu in die Landesregierung gewählt. – Der Souverän stimmte der Neuordnung des Abstimmungsverfahrens bei Volksabstimmungen über Initiative und Gegenvorschlag zu.
 
Die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der staatlichen Institutionen haben gegenüber früheren Jahrzehnten ohne Zweifel zugenommen. Zum einen sind dem Staat zusätzliche Aufgaben (z.B. Energie- und Umweltpolitik) zugewiesen worden, zum andern hat sich die Komplexität herkömmlicher Politikbereiche wie etwa der Landwirtschaftspolitik gesteigert. Bereits anfangs der 70er Jahre tauchte die Frage nach den Grenzen der Leistungsfähigkeit des Staates auf. Mit dem zunehmenden qualitativen und quantitativen Engagement des Staates ergaben sich aber auch Probleme beim Vollzug beschlossener Massnahmen. Parallel zu dieser Entwicklung, und wohl auch von ihr mitverursacht, haben sich im Zusammenspiel von Verwaltung, Regierung, Parlament und Volk aber auch von Bund und Kantonen Gewichtsverlagerungen ergeben. Um vertiefte Einsichten in diese Mechanismen zu gewinnen, hatte der Bundesrat 1976 das 6. Nationale Forschungsprogramm unter dem Titel "Entscheidungsvorgänge in der schweizerischen Demokratie" in die Wege geleitet. Nachdem während fast zehn Jahren rund hundert Politologen, Juristen, Soziologen und andere Sozialwissenschaftler im Rahmen von 25 Projekten an der Erarbeitung von Grundlagenwissen beteiligt waren, erschien Ende 1987 der Schlussbericht. In dieser Synthese werden die wichtigsten Ergebnisse der einzelnen exemplarischen Fallstudien vorgestellt. Das Schwergewicht wird damit erklärtermassen auf die Erhellung der sich in der schweizerischen Politik abspielenden Prozesse und nicht auf Reformvorschläge gelegt [1].
In wissenschaftlichen Analysen war ferner festgestellt worden, dass sich die Bedeutung des Vernehmlassungsverfahrens im politischen Prozess zugunsten der direkten Einflussnahme von Interessierten in vorparlamentarischen Kommissionen verringert hat. Die Anzahl der durchgeführten Vernehmlassungen ist zwar heute eher kleiner als in den 70er Jahren; zugenommen hat jedoch die Zahl der Organisationen, deren Meinung eingeholt wird. Im Nationalrat reichte der Aargauer Müller (ldu) eine parlamentarische Initiative ein, mit der er eine Straffung des Verfahrens erreichen will. Sein Vorschlag beinhaltet insbesondere die Ersetzung des schriftlichen Verfahrens durch eine Konferenz. Für die zuständige Nationalratskommission ging diese Neuerung zu weit, hingegen will sie den Bundesrat mit einer Motion beauftragen, die Grundzüge des Verfahrens im Gesetz zu regeln [2].
Regierung
Aus den Wahlen zum eidgenössischen Parlament gingen die vier Regierungsparteien geschwächt hervor. Ihr Stimmenanteil bei den Nationalratswahlen reduzierte sich von 77,6% auf 72,0%; sie verfügen aber in der grossen Kammer mit 159 Sitzen (1983: 166) immer noch über eine solide Mehrheit [3]. Die Zusammenarbeit unter den Regierungsparteien und damit der Fortbestand der sogenannten Zauberformel war im Berichtsjahr nicht ernsthaft in Frage gestellt. Die SP reagierte zwar im Frühjahr mit Empörung, als die bürgerliche Parlamentsmehrheit nicht die von ihr portierte Kandidatin ins Eidgenössische Versicherungsgericht wählte, und drohte mit dem Rückzug aus den gemeinsamen Aussprachen der Regierungsparteien mit dem Bundesrat (sog. Von Wattenwyl-Gespräche). Als aber, im Zusammenhang mit Spekulationen über erwartete Stimmenverluste der SVP und -gewinne der Grünen bei den Parlamentswahlen vom Herbst, Ansprüche auf den von der SVP gehaltenen Bundesratssitz angemeldet wurden, zeigte die SP demonstrativ kein Interesse an einer Veränderung der parteipolitischen Zusammensetzung der Regierung. In einer gemeinsamen Erklärung hielten die Präsidenten der vier Regierungsparteien fest, dass der Fortbestand der Zauberformel nicht vom Ausgang der Wahlen abhängig gemacht werde [4].
Das schweizerische politische System bringt es mit sich, dass die Regierungsparteien nicht verpflichtet sind, den Bundesrat bedingungslos zu unterstützen. In einer Analyse der vergangenen Legislaturperiode konnte festgestellt werden, dass die SP von ihrem Recht auf Opposition im Nationalrat reichlich Gebrauch gemacht hat: Bei mehr als der Hälfte von 116 untersuchten wichtigen Geschäften stellte sie sich gegen die Regierung. Die drei bürgerlichen Bundesratsparteien lehnten ihrerseits rund einen Viertel dieser Bundesratsvorlagen ab. Da die SP die Exekutive gerade in denjenigen Geschäften unterstützte, bei denen es von bürgerlicher Seite her Opposition gab, waren Mehrheitsallianzen aller Bundesratsparteien relativ selten (21 % der untersuchten Fälle). In einem Viertel der Entscheidungen im Nationalrat setzte sich eine Allianz zwischen der SP und einem Teil der anderen Regierungsparteien durch, bei mehr als der Hälfte (55%) überstimmten die drei bürgerlichen Parteien gemeinsam den sozialdemokratischen Regierungspartner. Da eine vergleichbare Untersuchung für frühere Legislaturperioden nicht vorliegt, lassen sich keine Aussagen darüber machen, ob die Politik der SP nach 1984, als sie mit dem Regierungsaustritt drohte, effektiv oppositioneller geworden ist [5].
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Dass die Sozialdemokraten sich auf keine Diskussionen über die Zauberformel einlassen wollten, mag seinen Grund auch in den absehbaren personellen Veränderungen im Bundesrat gehabt haben. Vom Jahresanfang an war in den Medien über einen eventuellen Rücktritt des sozialdemokratischen Vorstehers des aussenpolitischen Departements, Pierre Aubert, gemutmasst worden. Diese Spekulationen erhielten durch die Kritik an Mängeln in der Amtsführung, wie sie insbesondere im Zusammenhang mit den Problemen um die Katastrophenhilfe zu Tage getreten waren, zusätzlichen Auftrieb. Aber auch die SP trug dazu bei, indem sie zuerst intern, dann aber auch vor den Augen der Öffentlichkeit, auf einen Rücktritt des glücklosen Aussenministers drängte. Am 5. Oktober gab Aubert seinen Rücktritt auf Ende Jahr bekannt. In Würdigungen wurde sein Einsatz zugunsten einer politischen Öffnung der Schweiz, insbesondere auch gegenüber den Staaten der Dritten Welt, anerkannt. Vor allem in der deutschen Schweiz war dieses Lob aber mit der Einschränkung verbunden, dass es ihm nur schlecht gelungen sei, dieses Anliegen auch breiteren Bevölkerungskreisen nahezubringen. Als Negativposten seiner zehnjährigen Amtszeit wurde das Ungenügen in den Bereichen Organisation und Führung des Departements bezeichnet [6].
Noch vor der Erklärung Auberts hatte zur allgemeinen Überraschung der Bundesrat der SVP, Leon Schlumpf, seinen Rücktritt nach acht Amtsjähren auf Ende 1987 angekündigt. Er begründete seinen Entscheid damit, dass ein Rücktritt im Laufe der nächsten Legislaturperiode' für die Behandlung der anstehenden wichtigen Vorlagen in den Bereichen Energie- und Medienpolitik nicht günstig wäre. Schlumpf, der als populärer, aber auch sachkundiger Pragmatiker galt, wurde von den Medien attestiert, dass er in wichtigen Gebieten – insbesondere der Verkehrspolitik – beharrlich an der Suche nach neuen Lösungen gearbeitet habe. In der Westschweiz fiel die Benotung um einiges strenger aus: sein Hang zum Kompromiss wurde hier als Zögern und als Entscheidungsschwäche kritisiert [7].
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Die Konstellation für die Neubesetzung der beiden Mandate war in bezug auf ihre geographische Herkunft klar: Da die SVP in der Westschweiz nur ein Randdasein fristet, hatten die Sozialdemokraten eine französischsprachige Kandidatur zu präsentieren. Da im weiteren die prominenten Politikerinnen in der SVP rar sind, trug die SP ebenfalls die Verantwortung dafür, ob neben der Freisinnigen Kopp eine zweite Frau in die Landesregierung einziehen sollte. Angesichts der Tatsache, dass die einzige Politikerin mit echten Wahlchancen, die Waadtländer Ständerätin Jaggi, nicht wählbar war, weil sie aus dem selben Kanton stammt wie Bundesrat Delamuraz, wurde diese Option rasch fallengelassen. Als valable Bewerber schälten sich der Genfer Grobet, der Neuenburger Felber und der Freiburger Morel heraus. Alle drei hatten einmal im Nationalrat gesessen und verfügten als Mitglieder von Kantonsregierungen über Exekutiverfahrung. Während die beiden ersten von ihren Kantonalparteien portiert wurden, fand Morel nur bei einem Teil der Freiburger SP Unterstützung. Der dem rechten Parteiflügel zuzurechnende ehemalige Chef der SP-Nationalratsfraktion, der in den letzten Jahren eine Dauerfehde mit der Leitung der SPS geführt hatte, verzichtete in der Folge auf eine Kandidatur. Grobet hingegen war in der Partei unbestritten und hatte auch deshalb gute Wahlchancen, weil der Kanton Genf seit 68 Jahren keinen Vertreter im Bundesrat gehabt hat. Gerade dieser vermeintliche Vorteil sollte sich negativ auswirken: Die bürgerlichen Genfer Parteien (v.a. die CVP) begannen sich selbst Chancen auf eine spätere erfolgreiche Kandidatur auszurechnen und distanzierten sich von Grobet. Die SP-Fraktion nominierte im ersten Wahlgang René Felber als einzigen Kandidaten [8].
Bei der Schweizerischen Volkspartei war es von allem Anfang an klar, dass die Berner versuchen würden, den 1979 verlorenen traditionellen Bundesratssitz wieder zurückzugewinnen. Gegen die Konkurrenz der beiden Regierungsräte Müller und Schmid vermochte sich auf kantonaler Ebene der Präsident der gesamtschweizerischen Partei, Adolf Ogi, ohne grosse Mühe durchzusetzen. Aus anderen Kantonen wurden die Bewerbungen von Ständerat Gadient (GR), Nationalrat Nebiker (BL) und Regierungsrat Siegrist (AG) angemeldet. Vom sachpolitischen Leistungsausweis her wurde Ogi als der schwächste Kandidat bezeichnet, andererseits sprachen für ihn seine grosse Popularität (er hatte das absolut beste Resultat für den Nationalrat erzielt) und seine erfolgreiche Tätigkeit als SVP-Präsident. Eher als Handicap wurde sein jugendliches Alter von 45 Jahren und das für helvetische Verhältnisse rasante Tempo seiner politischen Karriere eingestuft. Der frühere Sportfunktionär war erst 1978 in die SVP eingetreten, ein Jahr später war seine Wahl in den Nationalrat erfolgt, und 1984 übernahm er die Leitung der Partei. Trotz parteinternen Kritiken an Ogi, der in der SVP mit seinem Kurs der Parteiöffnung nicht nur Freunde gewonnen hatte, bestimmte ihn die Fraktion im ersten Wahlgang zum Kandidaten für die Nachfolge Schlumpfs [9].
Am 9. Dezember trat die Vereinigte Bundesversammlung zur Wahl der beiden neuen Bundesräte zusammen. Der 54jährige Sozialdemokrat Felber wurde mit deutlichem Mehr im ersten Wahlgang gewählt. Spannender verlief die Ausmarchung um den Sitz der SVP. Zum ersten Mal seit der Wahl von Roger Bonvin anstelle des offiziellen CVP-Kandidaten vor 25 Jahren wurde mehr als ein Wahlgang benötigt. Im ersten Umgang fehlten dem von den Fraktionen der vier Bundesratsparteien unterstützten Ogi sieben Stimmen zum absoluten Mehr von 121; Nebiker erhielt 43, Gadient 33, Siegrist 31 und die Berner Regierungsrätin Leni Robert (gp) 17 Stimmen. Im zweiten Wahlgang schaffte Adolf Ogi mit 132 Stimmen die Wahl zum neuen Bundesrat. Zum Bundespräsidenten für 1988 wurde Otto Stich (sp) gewählt [10]. Trotz Spekulationen über eine allfällige Departementsumverteilung, welche durch den von CVP-Seite vorgebrachten Wunsch, ihren Bundesrat Koller vom EMD wegzuhaben, genährt wurden, kam es zu keiner Rochade: Felber übernahm das EDA, Ogi das EVED [11].
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Unmittelbar nach der Wahl vom 9. Dezember reichte Nationalrat Kühne (cvp, SG) eine Motion ein, die verlangt, das die Bestätigungswahl für die bisherigen Bundesräte in einem Wahlgang durchzuführen ist. Offensichtlicher Anlass für diesen Vorstoss waren die mässigen Wahlresultate von Koller (cvp) und Kopp (fdp) gewesen, die – nachdem der Sozialdemokrat Stich bestätigt worden war – von der Linken kaum Stimmen erhalten hatten [12].
Zwei primär föderalistisch und sprachenpolitisch motivierte Vorstösse für eine Revision der Bestimmungen über die Zusammensetzung der Landesregierung wurden nach negativen Stellungnahmen der zuständigen Nationalratskommission resp. der Regierung des Kantons Jura zurückgezogen. Der erste, eine parlamentarische Initiative des Genfer Nationalrats Rebeaud (gp), hatte eine Erhöhung der Anzahl der Bundesräte auf neun und zwei garantierte Sitze für die französisch- und einen für die italienischsprachige Schweiz verlangt. Beim zweiten Vorstoss handelte es sich um eine jurassische Volksinitiative für die Einreichung einer Standesinitiative zugunsten der Einführung der Volkswahl der Landesregierung, wobei die einzelnen Sprachregionen die ihnen garantierten Sitze selbst besetzen würden [13].
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Die Erhöhung der Zahl der Staatssekretäre hält der Nationalrat, trotz ablehnender Haltung des Bundesrats, immer noch für ein taugliches Mittel zur Entlastung der Regierung. Mit der Überweisung eines Postulats Pini (fdp, TI) forderte er die Exekutive auf, zumindest die Schaffung eines Staatssekretärpostens für jedes Departement in Erwägung zu ziehen [14]. Die von Bundesrätin Kopp im Vorjahr im Nationalrat erstmals praktizierte Entlastung durch den Beizug eines nicht der Verwaltung angehörenden Experten stiess in der kleinen Kammer auf Widerstand, wurde aber schliesslich mit 19:16 Stimmen bewilligt. Eine grundsätzliche Entlastung einzelner Bundesräte könnte auch durch eine Umstrukturierung der Departemente erzielt werden. Ideen dazu wurden von den Parteien ins Spiel gebracht: Die SVP regte die Zusammenlegung von EDA und EMD zu einem Departement für Sicherheitspolitik und die Schaffung eines neuen Departementes für Umwelt und Energie an; CVP-Generalsekretär Fagagnini sprach sich unter anderem für den Wechsel des Bundesamtes für Aussenwirtschaft vom EVD ins EDA aus [15].
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Verwaltung
Die Rekrutierungsschwierigkeiten auf dem ausgetrockneten Arbeitsmarkt veranlassten den Bundesrat, eine Revision des Beamtengesetzes vorzuschlagen. Die seit 1982 (für die höheren Lohnklassen seit 1973) real eingefrorenen Löhne sollen generell um 2% erhöht werden; für die Besoldungen der Überklasse ist eine stufenweise Erhöhung um 5% vorgesehen. In den Grossstädten hatten in den letzten Jahren vor allem die PTT-Betriebe Mühe bekundet, das erforderliche Personal zu finden. Das PTT-Personal seinerseits hatte, namentlich in Genf, wiederholt für höhere Löhne demonstriert. Der Bundesrat schlug nun vor, dass an Orten mit stark angespanntem Arbeits- und Wohnungsmarkt eine jährliche Zulage von bis zu Fr. 2 000 ausgerichtet werden kann. Mit einer Verfeinerung der Lohnabstufungen in den oberen.Bereichen soll die Attraktivität des Bundes als Arbeitgeber für heute besonders nachgefragte Fachleute aus der Informatik- und anderen Wachstumsbranchen zusätzlich gesteigert werden. In diesem Zusammenhang stellte der Bundesrat auch eine Revision der Verordnung über die Amterklassifikation vor, die auf den 1.7.1988 in Kraft gesetzt werden soll. Auch hier liegt das Ziel in einer verbesserten Flexibilität in den oberen Lohnklassen, um auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähig zu bleiben [16].
Im Mai lieferte die Firma McKinsey dem Bundesrat ihren Bericht über Rationalisierungsreserven im departementsübergreifenden Bereich der Bundesverwaltung ab. Die Einsparungsmöglichkeiten werden von der Firma auf rund 0,5 Mia Fr. veranschlagt. Die Schwerpunkte des Rationalisierungsprogramms liegen auf der Vermeidung von Doppelspurigkeiten, der Vereinfachung des Projektmanagements und auf der kostendeckenden Erbringung von Dienstleistungen an Dritte. Die konkreten Vorschläge wurden allerdings noch nicht publik gemacht; immerhin nahm die Regierung zur Privatisierung einiger Dienststellen (z.B. Gärtnerei oder Münzprägung) bereits negativ Stellung [17].
Das EDA, das wegen seiner Organisation unter heftigen Beschuss der Geschäftprüfungskommissionen des Parlaments geraten war, wurde auf den 1. September neu strukturiert. Stabsaufgaben, die bisher zum Teil vom persönlichen Berater Bundesrat Auberts, zum Teil von Staatssekretär Brunner wahrgenommen worden waren, fallen nun in den Kompetenzbereich des Generalsekretariats [18].
Der Bundesrat hielt weiterhin an der in Aussicht gestellten Auslagerung einiger Bundesämter aus Bern fest. Den Hinweisen von Parlamentariern auf den Widerstand der betroffenen Beamten und auf eventuelle Effizienzverluste stellte er die staatspolitische Bedeutung und den regionalpolitischen Nutzen der Dezentralisierung entgegen [19].
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Parlament
Die im Berichtsjahr zu Ende gehende Legislaturperiode und der Wahlkampf boten Anlass zu Rückblicken über die Leistungen und das Verhalten des Parlaments. Diese beschränkten sich jedoch in der Regel auf subjektive Einschätzungen und fielen daher gegensätzlich aus. Bei denjenigen, welche wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen vermögen – z.B. die oben zitierte Analyse von Blum – fehlen Vergleichsdaten vorangehender Perioden, so dass aus ihnen keine Trends und Entwicklungen ablesbar sind. Nach den Wahlen folgten dann Mutmassungen über die vom neuen Parlament zu erwartende Politik. Erste Entscheidungen zur Sozialpolitik (Sozialcharta) bzw. Verkehrspolitik (Abzüge für Autospesen im Rahmen der Steuergesetzdebatte) wiesen darauf hin, dass sich die Stärke der jeweiligen Blöcke, trotz der grossen personellen Erneuerung, kaum verändert hat. Die Wahl und Zusammensetzung der eidgenössischen Räte behandeln wir in einem eigenen Kapitel (Teil I, 1 e).
Gezielt als Wahlkampfmunition verwendet wurden Aufstellungen, in denen das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten im Nationalrat zu bestimmten Sachbereichen unter die Lupe genommen wurde. Als erste publizierten die Umweltschutzorganisationen einen sogenannten Umwelttarif, danach folgten die SP mit einem Sozial- und der Landesring mit einem Präsenz- und Demokratietarif. Diese Tarife trugen das Manko, dass sie sich auf die recht seltenen Abstimmungen unter Namensaufruf stützen mussten, da nur bei diesen das individuelle Abstimmungsverhalten festgehalten wird. Die von den bürgerlichen Parteien vorgebrachte Kritik an der beschränkten Auswahl berücksichtigter Entscheidungen konnten die Autoren der Tarife allerdings elegant parieren: Die Einführung eines elektronischen Abstimmungssystems, das Aufschluss über das Verhalten bei sämtlichen Entscheidungen geben könnte, war bisher von der bürgerlichen Ratsmehrheit abgelehnt worden. Die SP-Fraktion nützte diese Situation taktisch klug aus und liess für den letzten Sessionstag vor den Wahlen eine entsprechende Motion traktandieren. Im Gegensatz zu 1984 fand diesmal die Einführung eines elektronischen Abstimmungssystems im Nationalrat deutlich Zustimmung (120:58). Dieser Entscheid ist allerdings zu relativieren, bezieht er sich doch allein auf die Grundsatzfrage. Über den erforderlichen Einrichtungskredit und die konkrete Anwendung wird sich der Rat noch auszusprechen haben [20].
Eine andere Möglichkeit, die Arbeit des Parlaments für die breite Öffentlichkeit transparenter zu gestalten, könnte darin bestehen, die Debatten vermehrt im Fernsehen direkt zu übertragen. Der Nationalrat resp. dessen Präsident, dem der Entscheid über die Durchführung solcher Sendungen zukommt, zeigte sich bisher eher zurückhaltend. Mit einer parlamentarischen Initiative wollte der Sozialdemokrat Borel (NE) den Entscheid über die Durchführung solcher Sendungen vom Ratspräsidenten auf die SRG übertragen. Im Nationalrat behielt jedoch die Skepsis Oberhand. Insbesondere wurde gegen eine starke Vermehrung der TV-Übertragungen ins Feld geführt, dass diese die Ratsarbeit negativ beeinflussen könnten: Die Redner würden sich dann vorwiegend an das Fernsehpublikum richten mit der Konsequenz, dass sich die Gesetzgebungsarbeit noch mehr in die Kommissionen verschieben würde. Gemäss Ratsbeschluss sollen nun in einer zweijährigen Versuchsphase verschiedene Berichterstattungsformen erprobt werden. Beim Fernsehpublikum selbst fällt das Interesse an Direktübertragungen je nach behandeltem Sachgebiet sehr unterschiedlich aus. Während seinerzeit bei der Debatte zum Umweltschutzgesetz rund jeder zehnte Apparat auf Empfang gewesen ar, betrug die Einschaltquote bei der Ubertragung der Diskussion um die Totalrevision der Bundesverfassung in der Sommersession nur gerade 1% [21].
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Als Erstrat befasste sich die Ständekammer mit dem Bericht des Bundesrats über die Möglichkeiten einer besseren Integration des Parlaments in die politische Planung. Binder (cvp, AG), der den Bericht mit einem Postulat angeregt hatte, setzte sich erfolglos für die Variante "politische Planungserklärung" ein, welche den Räten ermöglichen würde, zur mittelfristigen Planung der Regierung (z.B. Finanzplan, Regierungsrichtlinien) politisch – aber nicht rechtlich – verbindlich Position zu beziehen. Dieses Instrument wäre gemäss Binder nötig, um die Machtlosigkeit eines Parlaments, das lediglich noch die Vorschläge von Exekutive und Verwaltung sanktioniere, zu überwinden. Die Ratsmehrheit vermochte diesen Pessimismus in bezug auf die eigene Funktion nicht zu teilen. Der Einbezug des Parlaments in die Zielsetzungsphase der politischen Planung wurde zudem als negativ für die Ratsarbeit beurteilt. Damit würde der Spielraum für Entscheidungen eingeengt und die Suche nach pragmatischen Kompromissen erschwert [22].
Ebenfalls um die Erneuerung des parlamentarischen Instrumentariums ging es im Nationalrat bei der Behandlung der vom Ständerat im Vorjahr beschlossenen Revision des Geschäftsverkehrsgesetzes. Die Innovation, dass beide Räte im Sinne einer Resolution zu wichtigen politischen Ereignissen eine "Erklärung" abgeben können, fand, wenn auch ohne Begeisterung, Zustimmung. Die Beschränkung der Motionen auf Bereiche, die in die Zuständigkeit des Parlaments fallen, und die Schaffung des Instruments der "Empfehlung" anstelle der sogenannt unechten Motionen wurde hingegen nur von den Freisinnigen unterstützt. Als Kompromissformel setzte sich eine Variante durch, welche Motionen nur dort nicht zulässt, wo sie auf das gesetzlich geregelte Verwaltungsverfahren Einfluss nehmen wollen [23].
Die Bedeutung des Parlaments gegenüber der Regierung und der Verwaltung ist nur zum Teil eine Frage der zur Verfügung stehenden Instrumente. Wichtiger erscheint ein Ausbau der Infrastrukturen, die dem Parlament zur Erarbeitung des nötigen Sachwissens zur Verfügung stehen. Der Nationalrat unterstützte ohne Gegenstimme eine parlamentarische Initiative Ott (sp, BL) welche diesbezügliche Verbesserungen fordert. Die Büros beider Kammern haben überdies Experten beauftragt, die Aufgaben und das Funktionieren des Generalsekretariats der Bundesversammlung und der Parlamentsdienste zu analysieren [24].
In diesem Zusammenhang wurde auch die Höhe der Entschädigung der Abgeordneten wieder aktuell. Die Vorstellung, dass die Kammern auf dem Milizsystem basieren, wird angesichts der steigenden Arbeitsanforderungen immer mehr zur Fiktion. Zwar scheint die Zeit für ein Berufsparlament noch nicht gekommen, der Vorschlag der Ratsbüros, den Abgeordneten Beiträge für ihre Vorsorgeeinrichtung auszubezahlen, weist jedoch auf die Anerkennung des politischen Mandats als Teilzeitarbeit im Umfang von rund 40% hin. Ein formeller diesbezüglicher Antrag wurde aus Opportunitätsgründen allerdings im Wahljahr noch nicht formuliert [25].
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Gerichte
Der Nationalrat befasste sich im Berichtsjahr mit den Vorschlägen des Bundesrats zur Entlastung der eidgenössischen Gerichte. Ein Antrag von seiten der SP und des LdU, der Überbelastung nicht allein mit organisatorischen und prozessualen Massnahmen zu begegnen, sondern den Personalbestand aufzustocken, unterlag. Hauptstreitpunkt bildete die Einführung eines Annahmeverfahrens, das es dem Bundesgericht und dem eidgenössischen Versicherungsgericht erlauben würde, nur auf Fälle einzutreten, die sie als erheblich einstufen. Im Rat stellten sich die FDP und die Liberalen hinter diesen auch staatsrechtlich umstrittenen Vorschlag, die Linke, aber auch die SVP lehnten ihn ab. In einer Abstimmung unter Namensaufruf wurde er mit 96:79 verworfen. Die Erhöhung der Streitwertgrenze von 8 000 auf 30 000 Fr., die ebenfalls eine Reduktion der durchzuführenden Verfahren bewirken soll, fand demgegenüber knappe Zustimmung (70:62). Die Linke hatte vergeblich argumentiert, dass mit dieser Neuerung ein grosser Teil der Streitigkeiten auf dem Wohnungs- und dem Arbeitsmarkt nicht mehr vor das Bundesgericht getragen werden könnten, und damit dessen Funktion als zentrale Rechtsprechungsinstanz eingeschränkt würde. In das Bundesgesetz über die Organisation des Bundesrechtspflege wurden zudem strengere Bestimmungen betreffend der Übernahme von nebenamtlichen Schiedsgerichtsmandaten durch Bundesrichter eingebaut [26]. Die Entlastungsmassnahmen dieser Gesetzesrevision werden sich frühestens in den neunziger Jahren auswirken. Als Überbrückungsmassnahme beantragte deshalb der Bundesrat eine Verlängerung der 1984 bewilligten 15 ausserordentlichen Ersatzrichterstellen um weitere drei Jahre (bis Ende 1991) [27].
Die in ihren Augen ungenügende Gesetzgebungsarbeit des Parlaments beim Preisüberwachungsgesetz hatte Nationalrätin Weber (ldu, ZH) zum Anlass genommen, um mit einer parlamentarischen Initiative die Schaffung einer schweizerischen Verfassungsgerichtsbarkeit zu fordern. Das Bundesgericht sollte demnach ermächtigt werden, Gesetze und Bundesbeschlüsse auf ihre Verfassungsmässigkeit zu überprüfen. Diese Kompetenzabtretung ging dem Rat zu weit; hingegen verlangte er mit einem Postulat vom Bundesrat einen Bericht darüber, ob es angesichts der durch die europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gegebenen Beschwerderechte sinnvoll wäre, das Bundesgericht für Klagen auf Verfassungsverletzung im konkreten Anwendungsfall zuständig zu erklären [28].
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Volksrechte
Bei der Anzahl zustandegekommener Volksinitiativen ergab sich eine erneute Steigerung von 7 auf 9. Noch nie zuvor waren in einem Jahr mehr Begehren eingereicht worden. Da lediglich zwei Initiativen zur Abstimmung kamen, erhöhte sich die Zahl der hängigen Volksbegehren von 19 auf 26. Zu berücksichtigen ist bei diesen Zahlen allerdings, dass vier Initiativen, die sich je gegen ein bestimmtes Autobahnteilstück richten, eigentlich als Einheit betrachtet werden müssen (sog. Kleeblatt-Initiativen). Ebenso wäre es voreilig, aus der Steigerung eine generelle Tendenz zur vermehrten Nutzung der Volksrechte ableiten zu wollen: am Jahresende wurde nur noch zu den sechs 1987 neu lancierten Initiativen Unterschriften gesammelt (1986: 6 neu lanciert und Unterschriftensammlung zu 9 Begehren), wovon von zweien angenommen werden kann, dass sie scheitern werden. Die Themen der 1987 zustandegekommenen Vorstösse betreffen die Verkehrspolitik (4), die Energiepolitik (2) sowie die Finanz-, Forschungs- und Wirtschaftspolitik (je 1).
Bemerkenswert war im Berichtsjahr, dass zum ersten Mal die schweizerische FDP eine von ihr lancierte Initiative einreichte ("für ehe- und familiengerechtere Bundessteuern"). Dabei zeigte der Vergleich mit den sog. Kleeblattinitiativen, dass selbst grosse Parteien bedeutend mehr Mühe haben, die nötigen Unterschriften einzubringen, als Interessenverbände. Die Erfolgsbilanz der Volksinitiativen erhielt eine Aufhellung, wurde doch mit der Rothenthurm-Initiative die neunte der hundert seit 1891 dem Souverän vorgelegten Initiativen gutgeheissen.
Schliesslich wurden im Berichtsjahr gegen zwei Beschlüsse das Referendum ergriffen (Mutterschaftsversicherung und Bahn 2000). Da noch zwei Referenden aus dem Vorjahr hängig waren (Revision von Asyl- bzw. Ausländergesetz) kam es 1987 aufgrund des fakultativen Referendums zu vier Volksabstimmungen. Bei der Mutterschaftsversicherung setzten sich die Opponenten durch, bei den übrigen drei Vorlagen obsiegte der Beschluss des Parlaments [29].
Wie an anderer Stelle ausgeführt, präsentierten an den Nationalratswahlen eine Rekordzahl von Parteien und Gruppierungen eigene Listen. Diese intensive Nutzung des passiven Wahlrechts, welche in auffallendem Gegensatz zur erneut gesunkenen Beteiligung stand, führte zu einer Aufwandsteigerung bei der Vorbereitung, Durchführung und Auszählung der Wahl. Bereits wurde von Nationalrat Stucky (fdp, ZG) eine Motion eingereicht, welche mit Kautionszahlungen, die nur bei Erreichen eines bestimmten Wähleranteils zurückbezahlt würden, gegen die Einreichung von sogenannten Jux-Listen vorgehen will [30].
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Der Entscheid über das neue Abstimmungsverfahren bei Volksabstimmungen über Initiative und Gegenvorschlag war auf den 5. April angesetzt. Die vom Parlament beantragte Verfassungsrevision hatte im wesentlichen zum Ziel, bei derartigen Abstimmungen den Willen des Souveräns korrekter zu erfassen. Dies sollte dadurch geschehen, dass ein Ja sowohl zur Initiative als auch zum Gegenvorschlag zugelassen wird und, bei der Annahme beider Vorschläge, eine Stichfrage über die Präferenz entscheidet. Dass die Stimmen derjenigen, welche für eine Veränderung sind, nicht mehr auf Gegenvorschlag und Initiative aufgeteilt würden, könnte aber auch eine Verbesserung der Gewinnchancen für Reformen bedeuten. Mit Ausnahme der FDP, der SVP und der Liberalen gaben alle schweizerischen Parteien die Ja-Parole aus. Bei der SVP besannen sich zumindest mehrere starke Kantonalsektionen (u.a. BE, GR, SH) auf das geltende Parteiprogramm von 1983, das diese Neuerung befürwortet, und unterstützten die Vorlage ebenfalls. Hauptträger der Opposition waren die Unternehmerverbände (Vorort, SGV, ZSAO), wobei sie in der Propaganda nicht ihre Gegnerschaft zu einem Ausbau der Volksrechte, sondern die Kompliziertheit des Verfahrens in den Vordergrund stellten [31].
Doppeltes Ja. Abstimmung vom 5. April 1987
Beteiligung: 42,3%
Ja: 1 080 992 (63,3%) / 21 Stände
Nein: 627 665 (36,7%) / 2 Stände

Parolen:
Ja: CVP*, SP, GPS, LDU, EVP, NA*, POCH, PDA; SGB, CNG.
Nein: FDP*, SVP*, LP; Vorort, ZSAO, SGV.
* abweichende Kantonalsektionen
Das Abstimmungsergebnis fiel mit 63,3% Zustimmung deutlicher als erwartet aus; auch die Hürde des Ständemehrs wurde bei nur zwei ablehnenden Kantonen (SZ und VS) problemlos gemeistert. Positiv auf die Meinungsbildung dürfte sich ausgewirkt haben, dass in den letzten Jahren mehr als die Hälfte der Kantone bereits in irgendeiner Form ein derartiges Abstimmungsverfahren eingeführt haben. Eine Nachanalyse auf Befragungsbasis ergab, dass als Entscheidmotiv für die grosse Mehrheit der Stimmenden nicht der Ausbau der Volksrechte an sich im Vordergrund gestanden war. Vielmehr hatte für die einen die Ungerechtigkeit des bestehenden, für die andern die Kompliziertheit des neuen Systems den Ausschlag für die Annahme bzw. Ablehnung gegeben [32]. Der Nationalrat hat im Zusammenhang mit diesem Entscheid sein eigenes Abstimmungsverfahren formell festgeschrieben. Er beschloss, dass ein allfälliger Gegenvorschlag zwar vor dem Entscheid über die Abstimmungsempfehlung zur Initiative zu bereinigen ist, dass der definitive Beschluss dazu aber erst nachher erfolgen soll [33].
Die Ausdehnung des Initiativrechts des Volkes auf den Bereich der Gesetzgebung ist 1987 am Veto der bürgerlichen Mehrheit im Nationalrat gescheitert. Die im Vorjahr eingereichten entsprechenden parlamentarischen Initiativen Jaeger (ldu, SG) und Ruf (na, BE) wurden vor allem mit föderalistischen Argumenten bekämpft: Die Ausschaltung des Parlaments aus dem Entscheid über bestimmte Gesetzesänderungen würde die Position der Kantone, die ihren Einfluss heute über den Ständerat einbringen können, unzumutbar schwächen [34]. Es wird jedoch allgemein als Problem anerkannt, dass die bestehende Beschränkung des Initiativrechts zu einer Überlastung der Verfassung mit Gegenständen führt, welche auf Gesetzgebungsstufe abzuhandeln wären. Praktisch als Gegenvorschlag zur Gesetzesinitiative reichte denn auch die SVP-Fraktion einen Vorstoss für die Einführung der sogenannten Einheitsinitiative ein. Bei diesem Instrument würde das Parlament entscheiden, ob eine eingereichte Volksinitiative auf Gesetzes- oder Verfassungsstufe verwirklicht werden soll [35].
Am selben Tag, an dem der Souverän dem Doppelten Ja bei Initiativen mit Gegenvorschlag zustimmte, lehnte er die von der SP mit einer Volksinitiative verlangte Einführung des fakultativen Referendums im Bereich der militärischen Ausgaben ("Rüstungsreferendum") ab. Zugunsten eines nicht nur auf Militärausgaben beschränkten Finanzreferendums hatte 1986 Nationalrat Günter (ldu, BE) eine parlamentarische Initiative eingereicht. Die vorberatende Kommission sprach sich dagegen aus; ihre Minderheit deponierte allerdings eine allgemeiner gehaltene Motion, die in dieselbe Richtung zielt [36]. Im Zusammenhang mit der Energiepolitik kam es zu weiteren Vorstössen für eine Erweiterung des Referendumsrechts. Sowohl die nationalrätliche Energiekommission als auch der Freisinnige Villiger (LU) forderten in der Volkskammer mit Motionen, dass der Grundsatzentscheid über die Bewilligung für Kernkraftwerke dem fakultativen Referendum zu unterstellen sei [37].
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Weiterführende Literatur
Von den Schriften zum Funktionieren des politischen Systems der Schweiz sind im Text W. Linder, Politische Entscheidung und Gesetzesvollzug in der Schweiz. Schlussbericht des Nationalen Forschungsprogramms Nr. 6, Bern 1987 und U. Klöti, Das Vernehmlassungsverfahren: Konsultation oder Ritual, Zürich 1987 erwähnt worden. Allgemein zum Funktionieren der Institutionen siehe auch E. Gruner, "Die direkte Demokratie in der Bewährungsprobe", in SJPW, 27/1987, S. 283 ff. sowie J. Rohr, La démocratie en Suisse, Paris 1987. Für eine staatsrechtlich-theoretische Analyse vgl. U. Gut-Winterberger, Der Anteil von Bundesversammlung, Bundesrat und Bundesverwaltung am Rechtssetzungsverfahren, Grüsch 1986. Programmatisch zum Ausmass der Gesetzgebungstätigkeit: P. Morf, "Gesetzgebung – weniger wäre mehr!", in Politische Rundschau, 66/1987, Nr. 4, S. 36 ff.
Zum Instrument der Regierungsrichtlinien stellte Klöti in einer empirischen Untersuchung der Periode 1975–79 fest, dass der Bundesrat zwei Drittel der angekündigten Vorlagen in der gesetzten Frist präsentiert hatte (U. Klöti, Regierungsprogramm und Entscheidungsprozess, Bern 1986). Ebenfalls mit den Planungsinstrumenten der Regierung befassen sich die Aufsätze in H. Werder (Hg.), Regierungsrichtlinien und Finanzplanung: eine kritische Bilanz, Bern 1987 (Schriftenreihe der Schweiz. Gesellschaft für Verwaltungswissenschaften). Zur Exekutive vgl. auch W. Buser, "Stabsstellen des Bundes und ihr Beitrag zur Entlastung des Bundesrates", in D.C. Dicke / T. Fleiner (Hg.), Staat und Gesellschaft: Festschrift für Leo Schürmann zum 70. Geburtstag, Freiburg 1987, S. 581 ff.
Mit der Macht des Parlaments befassen sich aus rechtlicher Perspektive P. Mastronardi, Die Kontrolle der Wirksamkeit staatlichen Handelns durch die Geschäftsprüfungskommissionen, Lausanne 1987 und aus praktischer Perspektive W. Biel, "Möglichkeiten und Grenzen der parlamentarischen Verwaltungsaufsicht", in Verwaltung+Organisation, 41/1987, S. 220 f. Als Erlebnisbericht und auch als Beitrag zur Parlamentsreform ist das Buch des aus dem Nationalrat zurückgetretenen H.G. Lüchinger, Das Bundeshaus ist ein Dorf Bern 1987 anzusehen. Lüchinger betont zwar die Vorzüge des Milizsystems, befürwortet aber einen Ausbau der parlamentarischen Infrastrukturen und Stabsstellen.
Zur Leistungsverbesserung und -kontrolle der Verwaltung siehe O. Stich, "Möglichkeiten und Grenzen der Effizienzsteigerung", in Documenta, 1987, Nr. 2, S. 21 ff. und die Aufsätze in E. Buschor (Hg.), Ziele und Grenzen der Verwaltungsaufsicht, Bern 1987 (Schriftenreihe der Schweiz. Gesellschaft für Verwaltungswissenschaften).
Die Wirksamkeit der Volksinitiativen auf eidgenössischer und kantonaler Ebene ist emipirisch erforscht worden von: Ch. Moser, "Erfolge kantonaler Volksinitiativen nach formalen und inhaltlichen Gesichtspunkten"; R. App, "Initiativen und ihre Wirkungen auf Bundesebene seit 1974" sowie B. Hofer, "Die Volksinitiative als Verhandlungspfand", alle in SJPW, 27/1987; S. 159 ff., 189 ff. resp. 207 ff. Die FDP widmete ein Heft ihrer Quartalsschrift den Volksrechten und der Wünschbarkeit ihres Ausbaus (Politische Rundschau, 66/1987 ,Nr. 3, u.a. mit "Thesen der FDP zur Demokratie", S. 13 ff.). Die dort propagierte Einheitsinitiative wird kritisch beleuchtet von A. Kölz / T. Poledna, "Die 'Einheitsinitiative' – Ei des Kolumbus oder Trojanisches Pferd?", in Zeitschrift für Schweizerisches Recht, NF, 107/1988, Band I, S. 1 ff. Zu den zur Zeit gültigen verfahrensrechtlichen und technischen Aspekten von Initiative und Referendum vgl. E. Grisel, Inititative et référendum populaires, Lausanne 1987.
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[1] W. Linder, Politische Entscheidung und Gesetzesvollzug in der Schweiz: Schlussbericht des Nationalen Forschungsprogramms Nr. 6, Bern 1987. Vgl. auch Presse vom 24.12.87; BaZ, 29.12.87; NZZ, 30.12.87 sowie ausführlich oben, Teil I, 1a (Wissenschaftliche Darstellungen).
[2] U. Klöti, Das Vernehmlassungsverfahren: Konsultation oder Ritual, Zürich 1987; Verhandl. B.vers., 1987, IV, S. 19 (parl. Initiative); SZ, 7.7.87; SHZ, 17.9.87; NZZ, 28.10.87.
[3] Siehe dazu unten, Teil I, 1e (Eidgenössische Wahlen).
[4] Versicherungsgericht: Amtl. Bull. NR, 1987, S. 572 f.; TA, 5.3.87; BZ, 18.3.87; NZZ, 18.3.87. Bundesrat: Ww, 20.8.87; Bund, 21.8.87 (Parteipräsidenten), 4.9.87 (Anspruch der Freien Liste/BE); Blick, 8.9.87; BüZ, 3.10.87 (Hubacher).
[5] R. Blum, "Trägt die 'Zauberformel' noch?", in TA, 22.9.87.
[6] SoZ, 23.8.87; Bund, 3.9.87; BaZ, 5.10.87; Presse vom 6.10.87. Zur Kritik an der Amtsführung siehe u.a. BBl, 1987, II, S. 718 ff. (GPK des StR); Ww, 5.2.87 sowie unten, Teil I, 2 (Aide humanitaire).
[7] Presse vom 13.8.87. Zur Kritik an seiner Amtsführung vgl. Lib., LM, SGT, Suisse und Vr vom 13.8.87.
[8] Morel: Lib., 11.11.87 ; TA, 12.1 1.87. Grobet: Suisse, 7.9. und 14.9.87; JdG, 26.10. und 6.11.87. Felber: LM, 29.10.87. Fraktion: NZZ, 23.11.87.
[9] AT, 5.11.87 (SVP-AG); BaZ, 13.11.87 (SVP-BL); Bund, 16.11.87 (SVP-BE); BüZ, 16.11.87 (SVP-GR); Presse vom 21.1 1.87 (Fraktion). Zu Ogi und speziell zur Rolle des SVP-Parteisekretärs Friedli bei seiner Karriere siehe auch Ww, 10.10.87 und 5.11.87.
[10] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1911 ff.; Presse vom 10.12.87; BBl, 1988, I, 90 f.
[11] TA, 12.12.87; NZZ, 12.12.87; SGT, 18.12.87; Presse vom 22.12.87.
[12] Verhandl. B.vers., 1987, IV, S. 68; Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1915 f.
[13] Rebeaud: Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1598 ff.; SPJ, 1986, S. 20. Standesinitiative: 24 Heures, 6.2.87; SPJ, 1984, S. 25 und 1986, S. 20 (Anm. 29).
[14] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 528 f.; siehe auch SPJ, 1986, S. 20.
[15] Kopp: Amtl. Bull. StR, 1987, S. 178 f.; SPJ, 1986, S. 20 f. Departemente: NZZ, 1.10.87; Suisse, 13.11.87.
[16] BBl, 1987, III, S. 849 ff. PTT-Personal: TA, 14.2.87; SPJ, 1986, S. 22. Zur Stellung des Bundes auf dem Arbeitsmarkt siehe auch Ww, 13.8.87.
[17] NZZ, 22.9.87; Ww, 8.10.87; Presse vom 5.11.87; Gesch.ber., 1987, S. 270. Siehe auch SPJ, 1986, S. 22. Vgl. im weitern die kritische Würdigung der Rationalisierungsüberprüfung der Verwaltung der Stadt Zürich durch die Firma Hayek in Ww, 29.1.87.
[18] NZZ, 29.5.87; BBl, 1987, II, S. 718 ff. (GPK des StR); Amtl. Bull. StR, 1987, S. 214 f.; Ww, 5.2.87; siehe auch unten, Teil I, 2 (Aide humanitaire).
[19] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 817 f. und 1512 ff. Vgl. auch SPJ, 1986, S. 21 f. und TA, 19.2.87.
[20] Tarife: TW, 4.2.87; Presse vom 16.5.87 (Umwelt); TW, 24.6.87 (Sozial); Presse vom 8.8.87 (Demokratie und Präsenz). Zur Kritik v.a. an den beiden letzten vgl. z.B. TA, 8.8.87. Siehe auch unten, Teil I, 1e (Eidg. Wahlen: Wahlkampf). Abstimmungssystem: Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1452 ff.; SPJ, 1984, S. 26.
[21] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 490 ff.; BaZ, 5.6.87; NZZ, 10.9.87.
[22] Amtl. Bull. StR, 1987, S. 86 ff. Zum Bericht des BR siehe SPJ, 1986, S. 22 f. Vgl. auch SZ, 12.3.87; Ww, 4.6.87.
[23] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1603 ff. und 1838 f.; SPJ, 1986, S. 23. Im StR, dessen Reglement die "Empfehlung" vorsieht, ist im Berichtsjahr erstmals eine unechte Motion in dieser neuen Form eingereicht und behandelt worden (Amtl. Bull. StR, 1987, S. 515 f.).
[24] Parl. Initiative: Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1600 ff. Analyse der Stabsdienste: Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1602; BaZ, 4.12.87.
[25] BaZ, 13.3. und 11.6.87; SZ, 13.3.87; NZZ, 4.4.87; 24 Heures, 12.9.87.
[26] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 333 ff.; SPJ, 1985, S. 23 f. (Botschaft) und 1986, S. 24. Die neuen Regeln für Schiedsgerichtsmandate gehen auf eine 1986 überwiesene parlamentarische Initiative Ruffy (sp, VD) zurück (Amtl. Bull. NR, 1987, S. 391 f.; SPJ, 1986, S. 24).
[27] BBl, 1988, I, S. 129 ff. (Botschaft vom 11.11.87). Siehe auch SPJ, 1984, S. 26; Amtl. Bull. NR, 1987, S. 772.
[28] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 392 ff.
[29] Verhandl. B.vers., 1986, V, S. 123 f. und 1987, IV, S. 107 f.; wf, Initiativen + Referenden. Stand 1. Januar 1988, Zürich 1988; A. Gross, "1987 war das Jahr der Volksinitiative", in TA, 4.1.88; SPJ, 1986, S. 25. Zu den einzelnen Initiativen, Referenden und Volksabstimmungen vgl. den jeweiligen Sachzusammenhang.
[30] Gesch.ber., 1987, S. 5; Verhandl. B. vers., 1987, IV, S. 93. Zu den Wahlen siehe unten, Teil I, 1e (Eidg. Wahlen: Kandidaturen).
[31] Vgl. SPJ, 1986, S. 25. Kampagne: BZ, 9.2., 21.2. und 28.2.87; TA,.25.2. und 24.3.87; siehe auch Dokumentation zu den Parolen der Parteien und Verbände (eidg. und kantonale) im FSP, Bern 1987.
[32] BBl, 1987, II, S. 817 ff.; Presse vom 6.4.87; Vox, Analyse der eidgenössischen Abstimmung vom 5. April 1987, Genf 1987. Kantone: BZ, 14.3.87.
[33] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1597 (parl. Initiative Spoerry, fdp, ZH). Vgl. auch SPJ, 1985, S. 25; BBl,1987, III, S. 388 f.
[34] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 674 ff.; SPJ, 1986, S. 25 f. 1961 war eine entsprechende Volksinitiative der SP deutlich abgelehnt worden (BBl, 1961, II, S. 1171 ff.).
[35] Kurz nach der SVP reichte auch NR Ruf (na, BE) eine entsprechende pari. Initiative ein (Verhandl. B.vers., 1987, IV, S. 20).
[36] Verhandl. B.vers., 1987, IV, S. 18; NZZ, 24.3.87. Zur Rüstungsinitiative siehe unten, Teil I, 3 (Armement).
[37] Verhandl. B.vers., 1987, IV, S. 37 und 93; NZZ, 11.2.87; vgl. auch unten, Teil I, 6a (Energie nucléaire). Allgemein zum Finanz- und Verwaltungsreferendum siehe auch TA, 30.3.87.
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