Sozialpolitik
Bevölkerung und Arbeit
Das Bundesamt für Statistik legte Szenarien für die künftige Bevölkerungsentwicklung der Schweiz sowie die Ergebnisse der ersten schweizerischen Arbeitskräfteerhebung vor. – Ende Jahr waren rund 130 000 Erwerbstätige arbeitslos. – Die Tendenz zur Abschaffung des automatischen Teuerungsausgleichs nahm weiter zu. – Der Bundesrat kündigte das IAO-Abkommen Nr. 89 und schuf so die rechtlichen Voraussetzungen für die Aufhebung des Nachtarbeitsverbots für die Frauen in der Industrie. – Die Landesregierung unterstützte das Volksbegehren der Schweizer Demokraten für einen arbeitsfreien 1. August.
Bevölkerungsentwicklung
1m Vorjahr hatten erste Ergebnisse der Volkszählung von 1990 gezeigt, dass die Wohnbevölkerung der Schweiz zwischen 1980 und 1990 unerwartet stark
um 8% auf nahezu 6,9 Mio Personen zugenommen hat. Neu am Bevölkerungswachstum der 80er Jahre war, dass es
zu zwei Dritteln durch den Wanderungssaldo und nur zu einem Drittel durch den Geburtenüberschuss entstand. Seit dem Beginn der Wachstumsphase in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte immer der Geburtenüberschuss den Hauptteil der Bevölkerungszunahme ausgemacht. Um diese Tendenzen auch im Hinblick auf die Alterung der Bevölkerung zu analysieren, gab der Bundesrat einer interdepartementalen Arbeitsgruppe unter der Leitung des Bundesamtes für Statistik (BFS) den Auftrag, Szenarien für die künftige Bevölkerungsentwicklung der Schweiz auszuarbeiten
[1].
Im Vordergrund des Interesses standen dabei die Auswirkungen eines Beitritts zum EWR (Variante "Integration"). Weitere Hauptszenarien gingen von einem Alleingang unter Beibehaltung der bisherigen Ausländer- und Asylpolitik ("Kontinuität") bzw. von einem Nullwachstum der Bevölkerung ("Stabilisierung") oder einer Schliessung der Grenzen für neue Zuwanderer (" Abgrenzung") aus. In Alternativmodellen wurden ferner der Einfluss einer zunehmenden Geburtenhäufigkeit und einer geringer wachsenden Lebenserwartung untersucht.
Für die nächsten Jahrzehnte wurde nach den als besonders realistisch eingestuften Szenarien "Integration" und "Kontinuität" mit einem weiteren Bevölkerungswachstum gerechnet. Die Einwanderung, aber auch der durch die grossen Jahrgänge der 50er und 60er Jahre verursachte höhere Geburtenüberschuss bilden die Hauptursachen dafür. Dem Integrationsszenario zufolge dürfte die Bevölkerung bis ins Jahr 2020 auf etwa 7,5 Mio ansteigen, nach dem Kontinuitätsmodell auf 7,7 Mio. Dieser Unterschied ergab sich daraus, dass bei einem Beitritt zum EWR mit einem mehr produktivitätsorientierten Wirtschaftswachstum gerechnet wurde, beim Alleingang mit einem eher extensiven. Nach beiden Szenarien wird sich der künftige Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung auf rund 22% erhöhen und – bei der Variante Integration etwas weniger deutlich als bei jener der Kontinuität – vornehmlich aus einer Zunahme bei den Nicht-EWR-Bürgern resultieren.
Alle Szenarien sagten für die nächsten dreissig Jahre einen
grundlegenden Wandel in der Altersstruktur voraus. Die Zahl der 15- bis 40jährigen nimmt künftig kontinuierlich ab, wobei der stärkste Rückgang bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen erwartet wird. Das Bevölkerungswachstum in den kommenden Jahrzehnten erfolgt so fast ausschliesslich bei den über 50- und vor allem bei den über 64jährigen. Es wurde geschätzt, dass nach dem Jahr 2010 rund die Hälfte der Stimm- und Wahlberechtigten über 50jährig sein dürften. Ebenso wird sich das zahlenmässige Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Rentnern spürbar verschlechtern. Heute kommen auf 100 Personen im erwerbstätigen Alter 24 Rentnerinnen und Rentner; im Jahre 2020 werden es bereits 34 und im Jahre 2040 deren 44 sein. Erst nach 2035 zeichnet sich ein Rückgang der Alterung der Bevölkerung und eine anschliessende Stabilisierung auf hohem Niveau ab
[2].
Arbeitswelt
Das BFS legte die Ergebnisse der 1991 erstmals durchgeführten schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) vor. Danach wird in der Schweiz im Schnitt 43 1/4 Stunden pro Woche gearbeitet, Überstunden nicht eingerechnet, wobei Überzeit um so häufiger vorkommt, je höher die berufliche Stellung ist. Knapp ein Viertel der 16 000 Befragten gaben an, sie würden gerne weniger als hundert Prozent arbeiten und wären bereit, dafür eine entsprechende Lohneinbusse in Kauf zu nehmen. Am häufigsten nicht voll erwerbstätig sind die Frauen. Insgesamt arbeiten 48% der Arbeitnehmerinnen voll, bei den Männern sind es 92%. Die Begründung der Teilzeitarbeit brachte zum Ausdruck, wie stark die Gesellschaft immer noch vom traditionellen Rollenverständnis geprägt ist. Drei Viertel der teilzeitarbeitenden Frauen gaben als Grund für ihr eingeschränktes Pensum die Kinderbetreuung an, während die Männer, die ihre Arbeitszeit reduzierten, dies primär aus Gründen der berufsbegleitenden Aus- und Weiterbildung taten.
Mehr als die Hälfte (56%) der Mütter mit schulpflichtigen Kindern sind erwerbstätig. Meist handelt es sich dabei um Engagements von geringem Umfang. Wenn die Mutter arbeitet, wird die Kinderbetreuung in 38% der Fälle von andern Personen im gleichen Haushalt übernommen. Ein Viertel der Kinder wird ausserhalb des Haushalts von Verwandten, Tagesmüttern oder in Krippen betreut. Ein weiteres Viertel der Kinder bleibt während der Arbeitszeit der Mutter allein.
Ferner ergab die Umfrage, dass unregelmässige Arbeitszeiten häufig sind. Jede vierte erwerbstätige Person arbeitet auch am Abend oder nachts. An Wochenenden sind 40% beschäftigt. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer halten es relativ lange an der selben Stelle aus. Fast die Hälfte der Befragten arbeitete seit über sechs Jahren am gleichen Ort. Auch die Antworten der Arbeitslosen deuteten auf eine geringe geographische Mobilität der Schweizer Erwerbstätigen hin. Nur ein Fünftel signalisierte die Bereitschaft, für eine Stelle in eine andere Region zu ziehen. Männer und Mieter gaben sich dabei umzugsfreudiger als Frauen und Hauseigentümer.
Bei den Löhnen stellte die Studie signifikante Unterschiede zwischen Männern und Frauen fest. In den untern Einkommensgruppen überwiegen die Frauen, in den obern die Männer, was mit der unterschiedlichen Ausbildung, der beruflichen Stellung und der Branchenzugehörigkeit erklärt wurde. Gesamthaft bezog die Hälfte aller Voll- und Teilerwerbstätigen ein Nettoeinkommen von weniger als 45 000 Fr. und nur gerade 10% mehr als 84 000 Fr.
[3].
Eine Univox-Umfrage über Berufsarbeit und Grundwerte verdeutlichte die Bedeutung der persönlichen Beziehungen in der Arbeitswelt. In der Skala der Werte rangierte das psychische mitmenschliche Wohlbefinden am Arbeitsplatz an oberster Stelle. Ein guter Lohn wurde zwar von beinahe der Hälfte der Befragten als sehr wichtig eingestuft, folgte aber doch erst in den hintern Rängen. Am wenigsten gefragt waren — besonders bei den Frauen — Verantwortung und gute Aufstiegsmöglichkeiten
[4].
Das EVD liess einen Bericht
über die Auswirkungen des EWR auf Beschäftigung und Löhne in der Schweiz ausarbeiten. Dieser kam zum Schluss, dass bei einem Beitritt zum EWR — im Gegensatz zu einem Alleingang — die Reallöhne in den nächsten zehn Jahren um 4 bis 6% steigen dürften. Stagnierende Erwerbseinkommen und wachsende Arbeitslosenzahlen wurden für jene Branchen, die vom Strukturwandel besonders hart betroffen sind, allerdings nicht ausgeschlossen
[5].
Der
Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) warnte dagegen schon früh vor den Gefahren eines Lohndumpings im Fall eines EWR-Beitritts. Dank der Freizügigkeit im Personenverkehr könnten ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, vor allem in den Grenzregionen, dazu missbraucht werden, die bei uns geltenden Arbeitsbedingungen und branchenüblichen Löhne zu unterlaufen. Im Nationalrat wurde diese Besorgnis von der SP und den Grünen aufgenommen, doch wurden bei der Anpassung der obligationenrechtlichen Bestimmungen über den Arbeitsvertrag entsprechende Anträge abgelehnt. Kein Gehör fanden allerdings auch bürgerliche Vorstösse — Allenspach (fdp, ZH) im Nationalrat und Kündig (cvp, ZG) im Ständerat — für eine arbeitgeberfreundlichere Regelung bei Änderungen in den Besitzverhältnissen von Unternehmen oder Betriebsteilen
[6].
Auch bei der Behandlung der Änderungen im
Bundesgesetz über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih stellte eine rot-grüne Kommissionsminderheit im Nationalrat Abänderungsanträge, welche einer möglichen Verschlechterung der sozialen Rahmenbedingungen entgegenwirken sollten. In einer ersten Runde war diesem Anliegen jedoch kein Erfolg beschieden. Erst nachdem die Vorlage an der gemeinsamen Opposition der SVP, welche damit ihre generelle Ablehnung des EWR zum Ausdruck brachte, und der SP, die meinte, ohne flankierende Massnahmen könne der EWR-Abstimmungskampf nicht gewonnen werden, scheiterte, waren die anderen bürgerlichen Parteien zu Konzessionen bereit. So wurden beim grenzüberschreitenden Personalverleih die ausländischen Arbeitsvermittler verpflichtet, die zwingenden Arbeitnehmerschutzbestimmungen des Obligationenrechts bzw. bestehende Gesamtarbeitsverträge einzuhalten, wobei diese Bestimmungen erst 1995, also nach Ende der Übergangsfrist, greifen sollten
[7].
Das Problem des Sozialdumpings wurde überdies mit mehreren Motionen in beiden Räten zur Diskussion gestellt. Als erster reichte Nationalrat Tschopp (fdp, GE) eine Motion ein, die verlangte, der Bundesrat solle mit einer möglichst raschen Änderung der Arbeitsgesetzgebung verhindern, dass der Beitritt der Schweiz zum EWR zu missbräuchlichen Lohnsenkungen und zu Lohndrückerei führe. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates doppelte mit einer gleichlautenden Motion nach. Gegen den Willen des Bundesrates, welcher Umwandlung in ein Postulat beantragt hatte, überwies die grosse Kammer beide Vorstösse in der bindenden Form. Der Ständerat nahm seinerseits die Kommissionsmotion des Nationalrates sowie eine gleichlautende Motion seiner Kommission für Rechtsfragen an, überwies aber die Bestimmung, wonach die Festlegung der Minimallöhne im Kompetenzbereich der Kantone liegen soll, nur als Postulat
[8].
Eine Motion Fasel (csp, FR) mit dem Auftrag, im Fall eines EWR-Beitritts einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der die Möglichkeiten zur Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen erweitert, wurde vom Nationalrat gegen den Widerstand von Cincera (fdp, ZH) überwiesen. Der Bundesrat hatte Umwandlung in ein Postulat beantragt
[9].
Ein neuer Bundesbeschluss über Information und Mitsprache der Arbeitnehmer in den Betrieben sollte den Angestellten das Recht geben, in betrieblichen Sicherheitsund Gesundheitsfragen sowie bei Firmenübernahmen und Massenentlassungen informiert und angehört zu werden. Ab einer Betriebsgrösse von 50 Mitarbeitern wurde der Anspruch auf eine Vertretung in Form einer Betriebskommission oder eines Betriebsrates eingeführt
[10].
Durch die Ablehnung des EWR-Vertrages in der Volksabstimmung vom 6. Dezember wurden diese Gesetzesänderungen – gleich wie die Motionen zum Sozialdumping – hinfällig.
Arbeitsmarkt
Der Arbeitsmarkt reagierte weiterhin heftig auf den Konjunktureinbruch. Die Zahl der Beschäftigten ging in allen vier Quartalen gegenüber dem Vorjahresstand zurück und verringerte sich im Jahresmittel um 2,6%. Während der Stellenabbau im industriellen Sektor (–4,6%) bereits im Vorjahr eingesetzt hatte, verzeichneten neu auch die Dienstleistungsbetriebe einen leichten Einbruch (–1,4%). Mit Ausnahme von Uri, Nidwalden und Glarus registrierten alle Kantone einen Beschäftigungsrückgang. Zu Ende des Berichtsjahres waren in der Schweiz 129 643 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeitslos, was einer Quote von 3,7% der erwerbstätigen Bevölkerung entspricht.
Am stärksten betroffen waren die Berufstätigen unter 30 Jahren, die Frauen und die Ausländer. Im Jahresmittel waren 92 308 Personen (2,6%) ohne Stelle, verglichen mit 39 222 Arbeitslosen (1,1%) im Vorjahr. Markant war die Verlagerung in den Regionen: Zwar blieben Genf (5,4%), Tessin (5,3%) sowie Waadt und Neuenburg (je 5,0%) an der Spitze, doch wies die Deutschschweiz beinahe eine Verdreifachung der Arbeitslosenzahl aus, während das Tessin und die Romandie eine Verdoppelung hinnehmen mussten. Gemäss den Angaben des Biga betrifft die Arbeitslosigkeit nicht nur Ungelernte, sondern vermehrt auch Fachkräfte und Kaderleute. Für junge Berufsleute gestaltet sich die Stellensuche am schwierigsten: Im Dezember erreichte die Arbeitslosenquote bei den 20- bis 24jährigen 6,4% und bei den 25- bis 29jährigen 6,6%. Markant zugenommen auf rund 10% haben im Berichtsjahr auch die Langzeitarbeitslosen, von denen fast ein Viertel über 50 Jahre alt war
[11].
Biga-Direktor Nordmann meinte dazu, trotz gegenteiligem Eindruck in der Bevölkerung sei die Konjunktur eigentlich besser als ihr Ruf. In der Rezession der siebziger Jahre seien allein 1975 in der Schweiz 300 000 Arbeitsplätze abgebaut worden, 1992 mit 120 000 also vergleichsweise viel weniger. Die Wirtschaftslage werde heute jedoch als schlechter empfunden, weil die Zahl der Arbeitslosen viel höher sei: rund 10 000 im Jahr 1975, knapp 1 30 000 heute. Der Biga-Chef ortete verschiedene Gründe für diese Entwicklung. Die obligatorische Arbeitslosenversicherung bestehe erst seit 1977; dank guten Leistungen liessen sich Arbeitslose heute eher registrieren als früher. Ein grosser Teil der Stellenverluste sei damals im Gegensatz zu heute auf Ausländer entfallen, die dann die Schweiz verlassen hätten. Anders als in den siebziger Jahren zögen sich die Frauen zudem nicht mehr automatisch aus dem Erwerbsleben zurück
[12].
Mit einer Motion wollte Nationalrat Vollmer (sp, BE) den Bundesrat beauftragen, die statistische Erhebung über die Erwerbstätigkeit und die Erwerbslosigkeit aussagekräftiger zu machen und Daten bereitzustellen, die international vergleichbar sind. Der Bundesrat erinnerte daran, dass 1991 mit SAKE erstmals eine Stichprobenerhebung nach den Standards von IAO, OECD und EG durchgeführt worden war. Die in der Motion geforderte vierteljährliche Erhebung dieser Daten dürfte sich in den neunziger Jahren europaweit durchsetzen. Sie wirft momentan jedoch noch eine Reihe von konzeptionellen, finanziellen und personellen Fragen auf, weshalb der Bundesrat mit Erfolg Umwandlung in ein Postulat beantragte
[13].
Im Jahresmittel waren 1894 Betriebe und 34 020 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von
Kurzarbeit betroffen. Insgesamt fielen im Monatsmittel 1 579 493 Stunden aus, was gegenüber dem Vorjahr (853 331 Stunden) eine deutliche Zunahme bedeutet. Nachdem im Februar die Kurzarbeit über 2 Mio Ausfallstunden ausgelöst hatte, kam es bis August zu einer Entspannung und einer Abnahme auf 0,8 Mio, worauf die Tendenz wieder nach oben wies und im Dezember einen Stand von knapp 1,7 Mio Stunden erreichte
[14].
Wie aus einer jedes Jahr durchgeführten repräsentativen Befragung hervorging, ist die Arbeitslosigkeit zum grössten Problem der Schweizerinnen und Schweizer geworden und hat die in den Vorjahren zuerst genannten Themen Asylwesen, Drogen und Umwelt auf die nachfolgenden Plätze verdrängt. Vor Jahresfrist hatte die Arbeitslosigkeit noch den achten Rang eingenommen. Besonders sensibilisiert zeigte sich die Romandie, wo 81% der Befragten die Arbeitslosigkeit als vordringlichstes Problem nannten gegenüber 71% im Tessin und 70% in der Deutschschweiz
[15].
Auch im Parlament führte die Problematik der Arbeitslosigkeit zu zahlreichen Vorstössen und ausführlichen Debatten. In der Frühjahrssession behandelte der Nationalrat dringliche Interpellationen der Fraktionen der SP, der CVP und der Grünen zur Wirtschaftslage. Anders als noch im Vorjahr verlangte .die SP nun vom Bund Investitionsprogramme zur Förderung der Bauwirtschaft, verzichtete aber noch auf die Forderung nach einem umfassenden Konjunkturförderungsprogramm. Auch die CVP sprach sich für eine Stützung des Baugewerbes durch Wohnbauprogramme aus, ebenso wie die Grünen, welche zudem postulierten, die Förderungsmassnahmen müssten unbedingt ökologischen Kriterien genügen.
In seiner ausführlichen Stellungnahme bekräftigte der Bundesrat seine Überzeugung, dass im jetzigen Zeitpunkt die Lancierung von Beschäftigungsprogrammen wenig zweckdienlich sei. Im Vordergrund müssten vielmehr eine Verbesserung der Arbeitslosenversicherung und die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für die Wirtschaft stehen. Er verwies auf die Bedeutung der Aus- und Weiterbildung als präventive Massnahme und'rief in Erinnerung, dass der Bund seit anfangs Jahr die Durchführungskosten von Umschulungsund Weiterbildungskosten vollumfänglich übernimmt. Im Falle weiter zunehmender Langzeitarbeitslosigkeit erklärte er sich bereit, auf der Grundlage eines Rahmengesetzes die Einführung einer gesamtschweizerischen Arbeitslosenhilfe prüfen zu wollen. Die Sprecher der SP und der CVP zeigten sich von den Ausführungen des Bundesrates teilweise befriedigt, vertraten aber die Meinung, eine an die Ausrichtung der Arbeitslosenversicherungstaggelder anschliessende Arbeitslosenhilfe sollte nicht nur geprüft, sondern deren Ausarbeitung bereits jetzt zügig vorangetrieben werden
[16].
Verbesserungen für die Langzeitarbeitslosen standen auch im Zentrum verschiedener Vorstösse, welche die eidgenössischen Räte in der Herbstsession behandelten. In Beantwortung einer Motion Etique (fdp, JU) und einer Motion der CVP-Fraktion im Nationalrat sowie einer Motion Martin (fdp, VD) im Ständerat zeigte der Bundesrat Verständnis für das Anliegen, welches auch er als dringlich erachtete. Da die Frage nur in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen angegangen werden könne, beantragte er mit Erfolg Umwandlung der Motionen in Postulate.
Unerwähnt blieb in diesem Zusammenhang, dass der Bundesrat im Laufe des Sommers einen
Vorentwurf für ein Bundesgesetz über die Arbeitslosenhilfe in die Vernehmlassung geschickt und dabei wenig Zustimmung gefunden hatte. Gemäss seinen Vorstellungen sollte es in Regionen mit besonders hoher und anhaltender Arbeitslosigkeit möglich sein, nach Ausschöpfung der Taggelder während weiteren 200 Tagen Arbeitslosenhilfe zu beziehen. Die Höhe dieser zusätzlichen Unterstützung (mindestens 50% des zuletzt bezogenen Taggeldes), die Form der Finanzierung (je hälftig über die Arbeitslosenversicherung und die Kantone) und die regionale Differenzierung gaben vor allem Anlass zu teilweise heftiger Kritik am bundesrätlichen Vorschlag. Die Landesregierung beschloss schliesslich, dem Problem der Langzeitarbeitslosigkeit vorerst über einen dringlichen Bundesbeschluss zum Ausbau der Leistungen der Arbeitslosenversicherung zu begegnen
[17].
Im Rahmen der gemeinsamen Vorstösse der bürgerlichen Bundesratsparteien für eine Deregulierung der Wirtschaft forderte eine Motion Frey (svp, ZH) vom Bundesrat eine Lockerung der arbeitsmarktrechtlichen Bestimmungen. Insbesondere verlangte die Motion ein
verbessertes Aus- und Weiterbildungssystem, die Förderung der interkantonalen Mobilität durch die gegenseitige Anerkennung von Diplomen, eine weitgehende Aufhebung der Arbeitsschutzgesetzgebung im Bereich der Mindestlohnvorschriften und des Kündigungsschutzes sowie eine Revision der Ausländergesetzgebung mit dem Ziel einer vermehrten Rekrutierung qualifizierter Arbeitnehmer. Der Bundesrat war nur bereit, die Forderung nach bedarfsgerechter Aus- und Weiterbildung in der verbindlichen Form anzunehmen. Bei den in der Motion erwähnten Mindestlohnvorschriften erinnerte er daran, dass das Bundesrecht keine gesetzlich verankerten Mindestlöhne kennt, die Regierung der Einführung kantonaler Vereinbarungen jedoch positiv gegenüber steht. Bei der Ausländerpolitik war er der Ansicht, die Motion renne offene Türen ein, da die Praxis des Bundesrates seit einigen Jahren bereits in diese Richtung gehe. Die grosse Kammer folgte den Anträgen des Bundesrates und überwies lediglich den ersten Punkt der Motion in der bindenden Form die restlichen Anträge nur als Postulat
[18].
Löhne
Im Berichtsjahr nahmen die Nominallöhne gesamthaft um 4,7% zu, was bei einer durchschnittlichen Teuerung von 4,0% einem
Reallohnzuwachs von 0,7% entspricht. Der Nominalverdienst der Frauen stieg um 4,9% an, jener der Männer um 4,7%. Bei den Dienstleistungen erhöhten sich die Löhne mit 5,2% stärker als im Baugewerbe (4,6%) und in der verarbeitenden Produktion (4,1 %). Für 1993 wurden gesamtarbeitsvertraglich im Mittel Lohnerhöhungen von 2,7% vereinbart
[19].
Das Biga führte zusammen mit dem Service cantonal de statistique de Genève eine
Piloterhebung zur Lohnstruktur im Kanton Genf durch. Zum erstenmal wurden dabei in der Schweiz im Rahmen der amtlichen Statistik individuelle Lohndaten bei den Unternehmungen erhoben, was als wichtiger Schritt in Richtung einer modernen, informativen und eurokompatiblen Schweizer Lohnstatistik gewertet wurde. Erste Resultate der Untersuchung zeigten, dass sich die Lohnunterschiede hauptsächlich mit dem Anforderungsniveau des Arbeitsplatzes (insbesondere Ausbildung und Berufserfahrung des Arbeitnehmers), der beruflichen Stellung sowie dem Lebens- und dem Dienstalter erklären lassen. Mit einer Differenz von 17% lagen die Löhne der Frauen global gesehen deutlich unter jenen der Männer, was darauf zurückzuführen ist, dass die Frauen in Kaderfunktionen, wo sie ohnehin schwach vertreten sind, lohnmässig deutlich schlechter gestellt sind als ihre männlichen Kollegen. Bei vergleichbaren Tätigkeiten an Stellen ohne leitende Funktion waren die Lohnunterschiede relativ gering bis vernachlässigbar. In der Privatindustrie fanden sich grössere Einkommensdifferenzen zwischen Frauen und Männern als im öffentlichen Sektor, dessen Lohnskalen offenbar weniger Raum für geschlechtsspezifische Diskriminierungen lassen
[20].
Die bereits in den Vorjahren beobachtete Tendenz, den Teuerungsausgleich nicht mehr automatisch zu gewähren, sondern an eine
Leistungskomponente zu koppeln, verstärkte sich weiter. So einigten sich der Schweizerische Bankpersonalverband und die Banken auf ein neues Salärsystem nach Leistungskriterien. Auch Ciba-Geigy schaffte den Automatismus beim Teuerungsausgleich ab, erhöhte die Löhne generell lediglich um 3,5% und stellte weitere zwei Prozent der Lohnsumme für individuelle Einkommensanpassungen zur Abgeltung der persönlichen Leistung zur Verfügung
[21].
Für den Teuerungsausgleich beim Bundespersonal und in den kantonalen Verwaltungen siehe oben, Teil I, 1c (Verwaltung) sowie unten, Teil II, 1e (Behörden- und Verwaltungsorganisation).
Arbeitszeit
In der Schweiz wurde 1992 durchschnittlich 42 Stunden pro Woche gearbeitet. Seit 1985 hat sich die betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit um 1,4 Stunden verringert, wobei dieser Rückgang in der Westschweiz und im Tessin weniger ausgeprägt war als in der Deutschschweiz
[22].
Als Erstrat genehmigte die kleine Kammer einstimmig eine Revision des Arbeitszeitgesetzes, mit welchem die
Arbeitszeiten in den Unternehmungen des öffentlichen Verkehrs geregelt werden. Analog zu den bereits geltenden Bestimmungen bei SBB und PTT hatte der Bundesrat beantragt, die Bandbreite der zu Zeitzuschlägen führenden Arbeitszeit auf die Stunden zwischen 20 Uhr und sechs Uhr morgens (bisher Mitternacht bis 4 Uhr) auszudehnen und die Ausgestaltung der Zeitzuschläge in seine Kompetenz zu legen. Der Ständerat stimmte der Vorlage grundsätzlich zu, wollte jedoch die Ausrichtung von Zeitzuschlägen erst ab 22 Uhr zulassen. Gegen den ausdrücklichen Willen des Bundesrates, der auf internationale Vereinbarungen und ein entsprechendes Postulat des Nationalrates verwies, beschloss der Rat zudem, die Mitspracherechte der Arbeitnehmer einzuschränken
[23].
Als neuntes Land nach Irland, Luxemburg, Malta, den Niederlanden, Neuseeland, Sri Lanka, Kuba und Uruguay kündigte der Bundesrat das Abkommen 89 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), dem nach wie vor rund 70 Staaten angehören, und gab sich damit die rechtlichen Voraussetzungen für die Aufhebung des seit 1919 geltenden Nachtarbeitsverbotes für Frauen in der Industrie. Als Gründe für die Kündigung nannte der Bundesrat die härter gewordene Konkurrenzsituation: Das Nachtarbeitsverbot würde den Bestrebungen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und zur Steigerung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes zuwiderlaufen und die Schweiz in ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit benachteiligen. Er wies auch auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes von 1991 hin, welches festhält, dass ein generelles Nachtarbeitsverbot für Frauen mit dem im EG-Recht verankerten Grundsatz der Gleichstellung der Geschlechter nicht vereinbar sei.
Der Entscheid des Bundesrates wurde sehr unterschiedlich aufgenommen. Während ihn die bürgerlichen Parteien und die Arbeitgeber als wichtigen Schritt zur Gleichstellung der Geschlechter begrüssten, taxierten die SP und die Gewerkschaften das Vorgehen des Bundesrates als unakzeptablen gesundheits- und sozialpolitischen Rückschritt und rügten, einmal mehr werde der Gleichstellungsartikel dazu missbraucht, um die Situation der Frauen zu verschlechtern. Auch die Grüne Partei und frauenpolitische Organisationen protestierten.
Die Bundesbehörden schlossen eine rasche Aufhebung des Nachtarbeitsverbotes – etwa auf dem Weg über eine Verordnungsänderung – aus. Der Vorsteher des EVD verband den Entscheid des Bundesrates vielmehr mit dem Versprechen, bei der nun notwendig werdenden Revision des Arbeitsgesetzes einen besseren Schutz aller in der Nacht Beschäftigten anzustreben. Als Massnahmen erwähnte er unter anderem die medizinische Betreuung, Arbeitszeitreduktionen, den Mutterschaftsschutz, die Einbeziehung des sozialen Umfeldes in den Problemkreis Nachtarbeit und die Schaffung von Alternativen, wenn aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtarbeit geleistet werden kann. Damit würde die Schweiz auch die Voraussetzungen erfüllen, um das Übereinkommen 171 der IAO zu unterzeichnen, das den Schutz aller in der Nacht Arbeitenden zum Inhalt hat
[24].
Das Volkswirtschaftsdepartement des Kantons Solothurn hob eine befristete Bewilligung für die Nachtarbeit von Frauen bei einer Grenchner Uhrenfabrik wieder auf. Die Gewerkschaft SMUV hatte die Bewilligung mit einer Beschwerde beim Solothurner Verwaltungsgericht angefochten und dabei die Unterstützung des Biga gefunden. Der Bundesrat hatte sogar nicht ausgeschlossen, zum Schutz des noch geltenden Nachtarbeitsverbotes das Bundesgericht anzurufen, falls das Solothurner Verwaltungsgericht der Beschwerde des SMUV nicht stattgeben sollte
[25].
Zum ersten Mal seit 65 Jahren – und erst zum vierten Mal in den 101 Jahren seit Einführung der Volksinitiative – sagte der Bundesrat wieder ja zu einem ausformulierten Volksbegehren: Er unterstützte die Initiative der Schweizer Demokraten (SD), wonach der 1. August offiziell zum arbeitsfreien Bundesfeiertag erklärt werden soll. Bisher hatte sich der Bundesrat immer sehr zurückhaltend zu dieser Frage geäussert, weil er nicht in die föderalistische Ordnung eingreifen wollte. Noch 1987 war ihm der Nationalrat gefolgt und hatte eine entsprechende Einzelinitiative Ruf (sd, BE) abgelehnt. Drei Jahre später wurde ein gleiches Begehren Rufs dann vom Rat angenommen. Im Oktober 1990 doppelten die SD nach und reichten mit 102 660 Unterschriften ihr Volksbegehren ein.
In der Folge der angenommenen parlamentarischen Initiative Ruf arbeitete die Petitions- und Gewährleistungskommission des Nationalrates einen Gesetzesentwurf aus, der gesamtschweizerisch für den 1. August Arbeitsfreiheit bei vollem Lohn vorsieht. Der Bundesrat erachtete diesen Text als durchaus tauglich für die Ausführungsgesetzgebung. Um aber den föderalistischen Bedenken Rechnung zu tragen, schlug er vor, durch die Unterstützung der Volksinitiative den Grundsatz des arbeitsfreien Nationalfeiertags in der Verfassung zu verankern, damit sich Volk und Stände an der Urne dazu äussern können. Die vorberatende Nationalratskommission folgte der Argumentation des Bundesrates und sprach sich einstimmig — allerdings bei sechs Enthaltungen — ebenfalls für die Volksinitiative aus
[26].
Gesamtarbeitsverträge
Im Berichtsjahr waren in der Schweiz 1146 Gesamtarbeitsverträge (GAV) in Kraft, die sich zu 647 Vertragsbereichen zusammenfassen lassen und denen rund 1,4 Mio Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterstehen. Der gesamtarbeitsvertragliche Abdeckungsgrad betrug in der gesamten Privatwirtschaft 54%, womit er gegenüber dem Vorjahr praktisch konstant blieb. Bei den Frauen lag die Abdeckung mit 49% erheblich tiefer als bei den Männern (58%). Im industriell-gewerblichen Sektor wurde ein Abdeckungsgrad von 67%, im Dienstleistungssektor von 47% festgestellt
[27].
Bei der Einschätzung der GAV manifestiert sich die bröckelnde
Sozialpartnerschaft besonders deutlich. Die Arbeitgeberorganisationen plädieren immer offener für eine Deregulierung des Arbeitsmarktes und für mehr Wettbewerb bei den Löhnen. Arbeitgeber-Präsident Richterich stellte denn die GAV auch schon grundsätzlich in Frage. Seiner Meinung nach verhindern sektorielle, regionale oder nationale Vereinheitlichungen der Arbeitskosten die Konkurrenz. Die Gewerkschaften ihrerseits drohten mit Arbeitskämpfen und Streik, falls die Arbeitgeber die Gesamtarbeitsverträge durch Betriebsvereinbarungen ersetzen wollten
[28].
Der SMUV und die Arbeitgeber einigten sich auf einen
neuen GAV in der Uhren- und Mikroelektronikindustrie. Der Vertrag — der rückwirkend auf den 1. Oktober 1991 in Kraft trat — hat eine Laufzeit von fünf Jahren und betrifft rund 30 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denen er Verbesserungen bei der Ferien- und Feiertagsregelung, höhere Arbeitgeberbeiträge an die Krankenversicherung sowie eine Ausdehnung des MutterschaftsurLaubs auf 14 Wochen bringt. Auch in der Metallbranche konnte ein neuer GAV abgeschlossen werden, der auf Anfang 1993 in Kraft tritt und für über 20 000 Beschäftigte in rund 2400 Betrieben gilt. Trotz Widerstand der welschen Wirte kam im Gastgewerbe nach langem Tauziehen ebenfalls ein neuer GAV zustande. In der chemischen Industrie setzte sich der Wunsch der Arbeitgeber nach jährlichen Lohnrunden und damit nach Abschaffung des automatischen Teuerungsausgleichs durch
[29].
Knapp am vertragslosen Zustand vorbei ging hingegen das
Bauhauptgewerbe mit seinen rund 150 000 Arbeitnehmern. Die Arbeitgeber und Gewerkschaften einigten sich erst in letzter Minute auf einen Kompromiss beim Teuerungsausgleich und der Arbeitszeit und beschlossen, den 1993 auslaufenden Landesmantelvertrag bis Ende 1994 zu verlängern. Beim Bodenpersonal der Swissair spitzte sich der Konflikt zwischen Geschäftsleitung und VPOD weiter zu. Nach einer Streikdrohung beschloss Swissair, den neuen GAV allein mit dem konzilianteren Schweizerischen Kaufmännischen Verband abzuschliessen und dem VPOD-organisierten Personal lediglich Einzelarbeitsverträge anzubieten. Mit einer superprovisorischen Verfügung, welche die Swissair nicht anfocht, erreichte der VPOD, dass seine Mitglieder in diesen individuellen Verträgen nicht schlechter gestellt werden dürfen als SKV-Mitglieder oder nicht organisierte Arbeitnehmer, die dem GAV unterstehen. Auch beim neuen GAV für die rund 300 Beschäftigten der Flugsicherung konnte keine Einigkeit erzielt werden. Obgleich nur drei der vier Personalverbände dem neuen Vertrag zustimmten, wird er dennoch Anfangs 1993 in Kraft gesetzt
[30].
Das Biga registrierte im Berichtsjahr
drei kollektive Arbeitsstreitigkeiten, an denen 220 Arbeitnehmer in 18 Betrieben beteiligt waren; 673 Arbeitstage gingen dabei verloren
[31].
Aus Protest gegen den vertragslosen Zustand und den von Arbeitgeberseite vorgeschlagenen Abbau der Lohn- und Arbeitsbedingungen traten im Januar rund 180 Arbeitnehmer aus sieben Betrieben des Marmor- und Granitgewerbes in einen unbefristeten Streik. Der dabei demonstrierte Kampfwille führte zu einem teilweisen Einlenken der Arbeitgeber, welche sich zu einer vorläufigen Wiedereinsetzung des alten Gesamtarbeitsvertrages sowie zu Konzessionen beim Teuerungsausgleich bereit erklärten
[32].
In
Genf demonstrierte das
Staatspersonal wiederholt mit Arbeitsniederlegungen und Strassendemonstrationen gegen die Sparmassnahmen – Einfrieren der Löhne und Personalabbau –, mit denen die Regierung das Defizit in der Staatskasse bekämpfen wollte. Zu Manifestationen von Staatsbeamten kam es auch in den Kantonen Waadt und Jura sowie im französischsprachigen Teil des Kantons Bern, wo die Lehrerschaft gegen Sparpläne der Regierung im Bildungswesen protestierte
[33].
Der Bundesrat gab drei neue, eurokompatible Verordnungen zum Arbeitsrecht in die Vernehmlassung. Damit soll der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer auch in nicht industriellen Betrieben mehr Gewicht beigemessen werden. Vorgeschrieben werden unter anderem der Beizug von Arbeitsärzten, Minimalvorschriften über die Gestaltung von
Bildschirmarbeitsplätzen, eine Plangenehmigung für risikoreiche Unternehmen sowie Schutzbestimmungen für Nichtraucher und gegen betriebliche Überwachungssysteme
[34].
Eine Motion Spielmann (pda, GE) für die Übernahme internationaler und speziell europäischer Normen für die Gesundheitssicherung am Arbeitsplatz wurde auf Antrag des Bundesrates lediglich als Postulat überwiesen
[35].
Als Zweitrat genehmigte die kleine Kammer einstimmig den
Bericht des Bundesrates zu den IAO-Übereinkommen Nr. 169 (Minderheitenschutz), 170 (Sicherheit bei der Arbeit mit chemischen Stoffen) und 171 (Nachtarbeit) und ermächtigte die Regierung, die Abkommen Nr. 119 (Maschinenschutz), 132 (Mindestdauer bezahlter Ferien) und 162 (Sicherheit bei der Verwendung von Asbest) zu ratifizieren. Als Erstrat stimmte sie ebenfalls der Ratifizierung von Übereinkommen Nr. 172 (Arbeitsbedingungen im Gastgewerbe) zu
[36].
Weiterführende Literatur
Bundesamt für Statistik, Eidgenössische Volkszählung 1990. Bevölkerungsentwicklung 1850-1990. Die Bevölkerung der Gemeinden, Bern, 1992.
Bundesamt für Statistik, Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung der Schweiz: 1991-2040, Bern 1992.
Bundesamt für Statistik, Arbeiten in der Schweiz, Bern 1992.
Eidg. Volkswirtschaftsdepartement, Die Auswirkungen des EWR auf Beschäftigung und Löhne in der Schweiz, Bern 1992.
R. Meyer Schweizer / H.J. Schweizer-Meyer, Berufsarbeit/Grundwerte, Adliswil 1992.
O. Stich, "Sozialpartnerschaft vor der Bewährung", in Documenta, 1992, Nr. 4, S. 25 ff.
S. Gaillard, "Lohn- und Preisdynamik in der Schweiz: Einige Resultate aus empirischen Studien", in Konjunktur (KoF ETH), 1992, Nr. 2, S. 11 ff.
Ch. J. Meier-Schatz, "Europäisierung des Schweizerischen Arbeitsrechts", in Zeitschrift für schweizerisches Recht, 111/1992, Bd. I, S. 227 ff.
P. Philippini / A. Rossi, "Unemployment in the Swiss Economy. A Border Regions Phenomenon?", in Aussenwirtschaft, 47/1992, S. 497 ff.
M. Schmidt, "Politische und soziale Grundlagen der Vollbeschäftigung in der Schweiz", in H. Abromeit / W. Pommerehne (Hg.), Staatstätigkeit in der Schweiz, Bern (Haupt) 1992, S. 249 ff.
J.-A. Schneider, «Le travail atypique: Problèmes et réflexions», in Plädoyer, 1992, Nr. 2, S. 52 ff.
Ch. Beer, «L'Espace économique européen et le risque de dumping salarial», in Plädoyer, 1992, Nr. 3, S. 43 ff.
J. Meyer, «La protection de la santé et de la sécurité des travailleurs en Suisse et dans la CEE», in Schweizerische Zeitung für Sozialversicherung und berufliche Vorsorge, 1992, S. 95 ff. und 154 ff.
U. Nef, "Aktuelle Probleme im arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz", in Schweizerische Juristenzeitung, 1992, S. 97 ff.
[1] Die definitiven Resultate der Volkszählung wichen nur unwesentlich von den im Vorjahr veröffentlichten provisorischen Ergebnissen ab: Die Volkswirtschaft. 65/1992, Nr. 8, S. 2 f.; Presse vom 1.7.92. Siehe auch SPJ 1991. S. 201.
[2] Lit. BfS, Szenarien; W. Haug, "Abschied vom Bevölkerungswachstum? Szenarien zur Zukunft der schweizerischen Bevölkerung, 1991-2040", in Die Volkswirtschaft, 65/1992, Nr. 10, S. 10 ff.; Presse vont 30.5.92.
[3] Lit. BfS; Presse vom 22.7.92.
[4] Lit. Meyer; T4, 28.7.92.
[5] EVED; F. Revaz, "EWR: Auswirkungen auf die Löhne", in Die Volkswirtschaft, 65/1992, Nr. 11, S. 8 ff.; Presse vom 27.6.92.
[6] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1566 ff., 1580 ff. und 2226; Amtl. Bull. StR, 1992, S. 874 ff. und 1075; TA, 4.2.92; NQ, 28.8.92.
[7] Amtl. Bull. StR, 1992, S. 736 ff., 873 ff., 967 f., 990 f. und 1078; Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1737 ff., 1948 ff., 2021 f. und 2229.
[8] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1743 ff.; Amtl. Bull. StR, 1992, S. 877 ff.
[9] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1745 ff. Eine sinngleiche Motion einer Minderheit der Kommission für Wirtschaft und Abgaben wurde zugunsten der Motion Fasel zurückgezogen (a.a.O., S. 1744 ff.).
[10] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1451 ff., 1461 ff., 1948, 2218 und 2229; Amtl. Bull. StR, 870 ff., 967, 1070 und 1078; TA, 14.4. und 6.10.92; NQ, 29.8.92; SGT, 14.10.92.
[11] Die Volkswirtschaft, 66/1993, Nr. 5, S. 8* f.; Presse vom 20.1.92. Die Prozentzahlen wurden bis zum Vorliegen der definitiven Ergebnisse der Volkszählung von 1990 um rund 0,5 Prozentpunkte zu hoch angegeben, da seit 1980 – dem bisherigen Referenzjahr – auch die Zahl der Beschäftigten markant zugenommen hat (Presse vom 14.5.93). Rund 60 000 Personen, welche sich in drei etwa gleich grosse Gruppen einteilen lassen (Grenzgänger und Saisonniers, ältere Menschen sowie Ausgesteuerte und Personen, die aus irgendwelchen Gründen nicht stempeln) erschienen nicht in der Arbeitslosenstatistik (Presse vom 10.4.93). Zur Frauen- und Jugendarbeitslosigkeit siehe die Ausführungen des BR in Amtl. Bull. NR, 1992, S. 2105 f. und 2110 ff. Siehe dazu auch oben, Teil I, 4a (Konjunkturlage).
[12] Presse vom 8.1.93; R. Müller, "Zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit", in Die Volkswirtschaft, 66/1993, Nr. 1, S. 16 ff.; LNN, 11.9.92. Zu einer ähnlichen Einschätzung der Konjunkturlage war bereits im März eine Analyse der Konjunkturforschungsstelle der ETH gekommen (TA, 4.3.92).
[13] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 2155. C. Cornioley, "Zwei unterschiedliche Statistiken für die Messung der Arbeitslosigkeit in der Schweiz", in Die Volkswirtschaft, 65/1992, Nr. 6, S. 28 ff.; B. Buhmann, "Die schweizerische Arbeitskräfteerhebung: Einblick in die Arbeitswelt", in Die Volkswirtschaft. 65/1992, Nr. 10, S. 42 ff.; Presse vom 26.2.92. Siehe auch SPJ 1991, S. 202 f. Die SAKE-Zahlen für das zweite Quartal 1992 ergaben erneut eine höhere Quote von Erwerbslosen als jene des Biga, doch waren die Unterschiede nicht mehr so markant wie im Vorjahr (NZZ, 6.1.93).
[14] Die Volkswirtschaft, 66/1993, Nr. 5, S. 10*.
[15] Bund und Suisse, 10.11.92.
[16] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 584 ff. und 599 ff. Zur NR-Debatte siehe auch oben, Teil I, 4a (Konjunkturlage)..
[17] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 2148 ff.; Amtl. Bull. StR, 1992, S. 727 ff.; Bund, 7.9.92. Für die konjunkturpolitische Diskussion im NR, in deren Anschluss diese Motionén behandelt wurden, sowie für weitere konjunkturpolitische Vorstösse, welche die SP-Fraktion Ende Jahr einreichte, siehe oben, Teil I, 4a (Konjunkturlage). Für gleichzeitig behandelte Motionen, welche Verbesserungen in der Arbeitslosenversicherung anregten, vgl. unten, Teil I, 7c (Arbeitslosenversicherung).
[18] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 2532 ff. Für die anderen Motionen in diesem Zusammenhang siehe oben, Teil I, 4a (Einleitung). Zu der Diskussion über Mindestlohnvorschriften vgl. auch oben die im Zusammenhang mit Eurolex behandelten Vorstösse sowie ein Postulat Salvioni (fdp, TI) in Amtl. Bull. StR, 1992, S. 1242.
[19] F. Revaz,"Reallohnzuwachs im Jahre 1992", in Die Volkswirtschaft, 66/1993, Nr. 4, S. 55 ff.; M. Wiesendanger Martinovits, "Gesamtarbeitsvertragliche Lohnabschlüsse für 1993", in Die Volkswirtschaft, 66/1993, Nr. 6, S. 51 ff.; Presse vom 23.12.92.
[20] F. Revaz / R. Rietschin, "Piloterhebung zur Lohnstruktur im Kanton Genf", in Die Volkswirtschaft, 65/1992, Nr. 12, S. 59 ff.; I. Krummenacher, "Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern. Auswertungen von Daten aus dem Kanton Genf", in Die Volkswirtschaft, 66/1993, Nr. 4, S. 37 ff. Für die weitere Entwicklung im Bereich der Lohnstatistik siehe I. Krummenacher, "Modernisierung der Lohn- und Gehaltserhebung vom Oktober (LOK)", in Die Volkswirtschaft, 65/1992, Nr. 9, S. 58 ff.
[21] SHZ, 9.4.92 (Banken); Presse vom 10.9. (Ciba Geigy), 12.9. und 4.12.92; BaZ, 3.11.92; TA, 18.11.92; NQ, 2.12.92; BZ, 31.12.92. Vgl. auch SPJ 1991, S. 204 f.
[22] J.-Ch. Dubey, "Anhaltender Rückgang der betriebsüblichen Arbeitszeit von 1985 bis 1992", in Die Volkswirtschaft, 66/1993, Nr. 5, S. 47 ff.; Presse vom 23.3.93.
[23] Amtl. Bull. StR, 1992, S. 1092 ff. Vgl. auch SPJ 1991, S. 207 f. Im Vorjahr hatte der StR die Vorlage zur Überarbeitung an den BR zurückgewiesen (a.a.O., S. 204).
[24] Amtl. Bull. StR, 1992, S. 12 ff.; Presse vom 20.2 und 11.3.92. Im Vorfeld der Kündigung des Abkommens hatten 23 linke und grüne Nationalrätinnen in einem Brief den Bundesrat aufgerufen, auf eine Kündigung zu verzichten (BaZ und JdG, 30.1.92). Siehe auch SPJ 1991, S. 204 und 206 f.
[25] SGT, 29.2.92; Presse vom 3.3. und 6.3.92; Bund, 4.3.92. Siehe dazu auch die Stellungnahme des BR in Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1257 f. und 2536 ff.
[26] BBl, 1992, III, S. 889 ff.; Presse vom 4.4. und 29.5.92; BZ, 27.8.92. Siehe auch oben, Teil I, 1a (Nationale Identität). Vgl. auch SPJ 1990, S. 200.
[27] T. Bauer, "Die Gesamtarbeitsverträge in der Schweiz im Jahre 1992", in Die. Volkswirtschaft, 66/1993, Nr. 6, S. 40 ff.
[28] Arbeitgeber: TA, 24.6.92. Gewerkschaften: Presse vom 25.6.92; LZ, 6.11.92.
[29] Uhrenindustrie: Presse vom 7.2.92. Metallgewerbe: NZZ, 4.7. und 9.9.92. Gastgewerbe: TA, 15.2. und 24.3.92. Chemische Industrie: BaZ, 4.7., 27.11. und 16.12.92.
[30] Bauhauptgewerbe: TA, 1.7.92; NZZ, 10.12, 14.12, 18.12 und 23.12.92. Swissair: NZZ, 25.8., 27.8. und 30.9.92. Flugsicherung: NZZ, 31.12.92. Für die Klage der GDP auf Ungültigkeitserklärung des GAV in der Buchbindereibranche siehe unten, Teil I, 7d (Frauen/Arbeitswelt).
[31] Telephonische Auskunft aus dem Biga. Siehe auch SPJ 1991, S. 206.
[32] Presse vom 7.1.-13.1. und vom 17.1.92.
[33] Allgemein: SoZ, 11.10.92. Genf: Presse vom 19.1., 20.1., 10.-12.3. und 19.3.92; WoZ, 6.3. und 1.5.92; JdG, 5.9., 18.9., 16.10., 10.-13.11., 17.11., 18.11., 20.11., 24.11., 10.-12.12.92; TA, 25.11.92. Waadt: JdG, 23.1., 4.2., 13.2., 14.2., 19.11. und 1.12.92. Jura: Dém., 15.9. und 17.9.92. Bern: Rund, 14.3. und 19.3.92. Siehe dazu auch unten, Teil II, 1e (Behörden- und Verwaltungsorganisation).
[35] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 246 f.
[36] BBl 1992, III, S. 741 ff.; Amtl. Bull. StR, 1992, S. 12 ff. und 1116 f. Siehe auch SPJ 1991, S. 206 f.