Sozialpolitik
Soziale Gruppen
Der Bundesrat gab seine Vorschläge für ein neues Ausländergesetz in die Vernehmlassung. Die Volksinitiative „für eine Regelung der Zuwanderung“ („18-Prozent-Initiative“) wurde deutlich abgelehnt. – Die SVP reichte ihre Volksinitiative „gegen Asylrechtsmissbrauch“ ein. – Der Ständerat übernahm weitgehend die Vorschläge des Nationalrates zur Gleichstellung von Frau und Mann beim Familiennamen und beim Bürgerrecht. – Als indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative „Gleiche Rechte für Behinderte“ präsentierte der Bundesrat seine Vorschläge für ein Gesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen behinderter Menschen.
Ausländerpolitik
Der Nationalrat überwies ein Postulat Rennwald (sp, JU), das den Bundesrat zu prüfen bittet, ob in Zusammenarbeit mit den Kantonen, den Sozialpartnern und den geeigneten Forschungsinstanzen eine Stelle zur Überwachung der
Freizügigkeit im Personenverkehr geschaffen werden könnte. Diese Stelle hätte die Aufgabe, die globalen Auswirkungen der mit der EU vereinbarten Freizügigkeit – namentlich in den Bereichen des Arbeitsmarktes, der Entlöhnung, der Arbeitsbedingungen, der Bevölkerungsentwicklung, der Ausbildung, des Wohnens, der Umwelt und des Verkehrs – laufend zu untersuchen und den Behörden zur Kenntnis zu bringen
[1].
Anfangs Juli gab der Bundesrat seinen Vorentwurf für ein neues Ausländergesetz (AuG) in die Vernehmlassung, welches das alte Gesetz über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern (ANAG) ersetzen soll. Die neue Regelung wird in erster Linie für jene heute rund 40 Prozent in der Schweiz lebenden Ausländerinnen und Ausländer Geltung haben, die nicht aus einem EU- oder EFTA-Staat stammen. Der Gesetzesentwurf regelt nicht alle Bereiche der Migrationspolitik in gleicher Dichte – klar ausgenommen ist die Asylgesetzgebung –, er skizzierte aber den Gesamtrahmen. Eine Migrationsaussenpolitik soll der unfreiwilligen Wanderung entgegenwirken, indem die Herkunftsländer in ihrer Entwicklung unterstützt, die Menschenrechte gefördert und Konflikte bekämpft werden. Hinzu kommt die Zusammenarbeit mit anderen Staaten im Bereich Asyl und Rückübernahme von Personen, wozu der Bundesrat entsprechende Vertragskompetenzen erhalten möchte. Die Integration wird zum (Querschnitts-)Anliegen erklärt, das Bund und Kantone bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu berücksichtigen haben.
Über die Zulassung von Ausländern heisst es grundsätzlich, die Immigration dürfe eine ausgeglichene demographische und soziale Entwicklung nicht beeinträchtigen – der Begriff „Überfremdung“ befindet sich nicht mehr im Gesetz. Die Rekrutierung von Arbeitnehmenden soll im
Interesse der Gesamtwirtschaft erfolgen, also nicht wie bisher teilweise einseitig nach den Wünschen bestimmter (strukturschwacher) Sektoren und Regionen. Aufenthaltsbewilligungen für nicht EU- oder EFTA-Staatsangehörige sollen an Führungskräfte, Spezialisten und andere ausgebildete Arbeitnehmende erteilt werden können, deren Qualifikation, berufliche Anpassungsfähigkeit, Sprachkenntnisse und Alter eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt erwarten lassen. Abweichende Regeln sollen für Investoren, anerkannte Personen aus Wissenschaft, Kultur und Sport sowie bei speziellem Bedarf möglich sein. Die Nachfrage nach weniger qualifizierten Arbeitskräften muss im EU- und EFTA-Raum gedeckt werden. Die Kurzaufenthaltsbewilligung wird neu definiert (ein Jahr mit Verlängerungsmöglichkeit), das Saisonnierstatut definitiv aufgehoben.
Die Ausländer, welche die Eintrittshürden genommen haben, sollen gegenüber heute
mehr Rechte erhalten. Kurzaufenthaltern kann der Familiennachzug bewilligt werden. Personen mit (befristeter) Aufenthaltsbewilligung haben nach fünf Jahren Anspruch auf deren Verlängerung und nach zehn Jahren grundsätzlich das Recht auf die Niederlassung. Die Zulassung zur Erwerbstätigkeit ist nicht mehr an eine bestimmte Stelle gebunden; der Wechsel des Wohnsitzkantons erfordert nach wie vor eine Bewilligung, muss unter gewissen Bedingungen aber gewährt werden. Vorgesehen sind schärfere Sanktionen für Scheinehen und für die Beschäftigung illegal anwesender Personen
[2].
In der
Vernehmlassung wurde die Vorlage arg zerzaust. Einzig die
CVP und die
FDP stimmten grundsätzlich zu und begrüssten die vorgeschlagenen Massnahmen zur Integration. Die
SVP verlangte eine noch deutlichere Unterscheidung zwischen Angehörigen von EU/EFTA-Staaten und dem Rest der Welt. Immigranten von ausserhalb Westeuropas sollten auch nach erfolgter Einreise schlechter gestellt bleiben: den Familiennachzug für Kurzaufenthalter lehnte sie als zu grosszügig geregelt ab.
SP,
GP sowie die
Gewerkschaften kritisierten generell die diskriminierende Unterscheidung in zwei unterschiedliche Ausländerkategorien. Die im neuen AuG vorgesehenen Verschärfungen beim Widerruf einer Aufenthaltsbewilligung und bei der Ausschaffungshaft sowie die vorgeschlagenen Massnahmen gegen Transportunternehmen, die Personen befördern, denen wegen fehlender Papiere die Einreise verweigert wird (Übernahme der Aufenthalts- und der Rückreisekosten) erachtete das links-grüne Lager als inakzeptabel. Dessen Vertreter verlangten deshalb eine Neubearbeitung des Entwurfs, da dieser „den Geist der 18-Prozent-Initiative atme“ (siehe unten)
[3].
Der NR überwies eine Motion Hasler (svp, AG), die eine bessere Information der Migrationswilligen in den Herkunftsländern verlangte, als Postulat. Eine Motion Freund (svp, AR), welche die Voraussetzungen für den Familiennachzug drastisch verschärfen wollte, wurde auf Antrag des Bundesrates abgelehnt. Strengere Massnahmen gegen Scheinehen forderte eine Motion Baumann (svp, TG), die von Garbani (sp, NE), Goll (sp, ZH) und Vermot (sp, BE) bekämpft und deshalb im Nationalrat noch nicht behandelt wurde
[4]
Der
Ausländeranteil stieg im Berichtsjahr von 19,2 auf
19,3%. Die ständige ausländische Bevölkerung (ohne Asylbewerber, internationale Funktionäre, Saisonniers und Kurzaufenthalter) belief sich Ende Dezember auf 1 384 383 Personen. 75% hatten eine Niederlassungs-, 25% eine Jahresbewilligung. Den grössten Zuwachs verzeichneten die Deutschen (+5,9%), die stärkste Abnahme die Spanier (-3,9%) und Italiener (-2,5%), was neben der Rückwanderung vor allem auf die sprunghaft gestiegene Zahl von Einbürgerungen (30 452) zurückzuführen ist. Die Zunahme der ausländischen Wohnbevölkerung kam fast ausschliesslich durch Personen von ausserhalb der EU (Balkan und Sri Lanka) zustande. Den höchsten Ausländeranteil hatte Genf mit 34,6%, den tiefsten Uri mit 8%. Ende Jahr waren insgesamt 885 789 Ausländerinnen und Ausländer
im Arbeitsprozess integriert, 3,5% mehr als im Vorjahr. Die erwerbstätigen Jahresaufenthalter und Niedergelassenen verzeichneten gegenüber Ende 1999 einen leichten Anstieg von 2,3%, die Grenzgänger nahmen um 7,7% und die Saisonniers um 25,1% zu. Diese Zahlen widerspiegeln den anhaltenden Konjunkturaufschwung. Weitaus am meisten Arbeitsplätze wurden im Sektor Handel/Banken/Versicherungen neu mit Ausländerinnen und Ausländern besetzt. Es folgten die Metall- und Maschinenindustrie und das Gesundheitswesen
[5].
Gemäss einer Statistik des BFS unterscheiden sich die ausländischen Erwerbstätigen deutlich von der einheimischen Bevölkerung. 60% der ausländischen Arbeitskräfte sind
jünger als 40 Jahre (gegenüber 49% bei den Schweizern), während der Frauenanteil lediglich bei 37% (44% der Schweizerinnen) liegt. Vollzeitstellen sind dabei der Normalfall. Eine Erklärung bietet das
insgesamt tiefere Lohnniveau: Ausländerinnen und Ausländer (ohne Asylbewerber, Grenzgänger, Saisonniers und Kurzaufenthalter) verdienen im Monat durchschnittlich 14% weniger als ihre Schweizer Kollegen, so dass sich viele eine Teilzeitarbeit gar nicht leisten können. Noch grösser sind allerdings die
Unterschiede innerhalb der Ausländerbevölkerung selber. Nord- und Westeuropäer, die in der Schweiz arbeiten, verdienen rund 9% mehr als Schweizer, 27% mehr als Beschäftigte aus Südeuropa und 50% mehr als Personen aus nicht EU- oder EFTA-Ländern. Der Grund für ihre höheren Gehälter sind eine bessere Ausbildung und in der Folge eine bedeutendere Position auf der beruflichen Karriereleiter
[6].
Am 24. September gelangte die 1995 von einem rechtsbürgerlichen Komitee eingereichte
Volksinitiative „für eine Regelung der Zuwanderung“ („18-Prozent-Initiative“) zur Abstimmung. Bundesrat und Parlament hatten in den Vorjahren diese Initiative einhellig abgelehnt. Sie waren der Auffassung, die verlangte Begrenzung des Ausländeranteils (inklusive Asylbewerber, die seit mehr als einem Jahr in der Schweiz leben) auf 18% der Wohnbevölkerung würde das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU torpedieren, sei inpraktikabel, ethisch fragwürdig und wirtschaftsfeindlich. Die
Interessen der Wirtschaft waren denn auch das Hauptargument, mit dem das überparteiliche Gegenkomitee, dem anfänglich 181 eidgenössische Parlamentarier und Parlamentarierinnen von CVP, FDP, SP, SVP, EVP, LP und GP angehörten, den Abstimmungskampf führte. SP, Gewerkschaften, Grüne sowie einzelne Abgeordnete der CVP distanzierten sich dann aber im Lauf der Wochen immer stärker von der Wirtschaftslastigkeit der Argumentation und gründeten schliesslich ein zweites Komitee, das unter dem Titel „Appell für eine tolerante Schweiz“ in erster Linie die Achtung der Menschenrechte, die
Integration und die erleichterte Einbürgerung als Ziele der Ausländerpolitik betonte. Die Ablehnung in den Reihen der SVP wurde allerdings immer brüchiger. Nachdem die Zürcher Kantonalpartei mit ihrer Nein-Parole vorerst die Wirtschaft beruhigt hatte, scherten die SVP-Frauen als erste aus und empfahlen ein Ja. Gegen die Parteileitung beschloss dann auch die SVP-Basis an ihrer Delegiertenversammlung Zustimmung zur Initiative
[7].
Mit 63,8% Neinstimmen wurde die Initiative
deutlich abgelehnt. Kein einziger Kanton stimmte der geforderten Ausländerbegrenzung zu. Am knappsten war der Ausgang im Kanton Schwyz mit 48,4% Zustimmung, gefolgt von Aargau mit 47,5%. Am deutlichsten verwarf der Kanton Genf mit 76,1%. Ganz allgemein wurde die Initiative in der Romandie stärker abgelehnt als in der Deutschschweiz. Die vier welschen Kantone und das Wallis wiesen Neinstimmenanteile von über 70% aus, das zweisprachige Freiburg kam auf 69,2%. Bundesrätin Metzler zeigte sich sehr erfreut, dass die von den Initianten geschürten Fremdenängste nicht verfangen hätten. Sie interpretierte das klare Nein als Signal gegenüber dem Ausland, dass die Schweiz ihre internationale Verantwortung weiterhin wahrnehmen wolle
[8]. im Anschluss an die Von-Wattenwyl-Gespräche der Bundesratsparteien präzisierte sie allerdings ihre Aussagen vom Abstimmungsabend. Es wäre falsch, aus der Ablehnung der Initiative eine Zustimmung der Bevölkerung zu einer verstärkten Zuwanderung aus Staaten ausserhalb der EU und der EFTA herauszulesen. Der Bundesrat wolle an einer restriktiven Zulassungspraxis festhalten. Zudem müsse eine konsequente Missbrauchsgesetzgebung geschaffen und eine effiziente Integrationspolitik betrieben werden
[9].
Volksinitiative „für eine Regelung der Zuwanderung“ („18-Prozent-Initiative“)
Abstimmung vom 24. September 2000
Beteiligung: 45,3%
Ja: 754 626 (36,2%) / 0 Stände
Nein: 1 330 224 (63,8%) / 20 6/2 Stände
Parolen:
– Ja: SVP (11*), SD, EDU, FP, Lega.
– Nein: FDP, CVP, SP, LP, EVP, CSP, PdA, GP; ZSA, Economiesuisse, SGV, SBV, SGB, CNG, VSA.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Gemäss der
Vox-Analyse dieser Abstimmung fand die Initiative bei zwei Dritteln der SVP-Sympathisanten Unterstützung. Von den Anhängern der anderen bürgerlichen Bundesratsparteien stimmte je ein Drittel für eine Beschränkung der Einwanderung. Bei der SP lag die Zustimmung bei 12%. Vergleicht man die Ergebnisse mit früheren Abstimmungen zur Einwanderungspolitik, lässt sich eine
zunehmende Polarisierung zwischen Links und Rechts nachzeichnen. In den siebziger und achtziger Jahren lagen die Ja-Stimmenanteile von SVP-Sympathisanten bei Überfremdungsinitiativen jeweils im Durchschnitt der anderen Parteien, oft sogar leicht darunter. Die Resultate der jüngsten Abstimmung zeigten nun erstmals eine deutliche Abgrenzung von den anderen bürgerlichen Parteien. Das gleiche gilt umgekehrt für die SP: Noch 1988 hatten laut Vox 36% der SP-Anhänger der Initiative für eine Beschränkung der Einwanderung zugestimmt, ein Anteil, der damals sogar leicht über dem Durchschnitt von 32,7% lag. Anders als im Vorfeld der Abstimmung teilweise prognostiziert, verwarfen die
Frauen mit 71% Nein die Initiative deutlich stärker als die Männer (59%). Auffällig war die überdurchschnittlich hohe Zustimmung bei den jungen Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern in der Altersgruppe zwischen 18 und 29 Jahren
[10].
Im Rahmen der Legislaturplanung wollte Nationalrat Pfister (svp, SG) den Bundesrat verpflichten, trotz der bilateralen Verträge mit der EU Bestimmungen in das neue Ausländergesetz aufzunehmen, mit denen eine
Stabilisierung des Ausländeranteils erreicht werden soll. Trotz anfänglicher Opposition von Vermot (sp, BE) und Garbani (sp, NE) wurde der Vorstoss schliesslich als Postulat verabschiedet
[11].
Auf den 1. August wurden alle Ausländerinnen und Ausländer, die ein dauerhaftes Anwesenheitsrecht in einem EU- oder EFTA-Staat, in Andorra, San Marino, Monaco, Kanada oder den USA haben, von der Visumspflicht befreit, wenn sie in die Schweiz einreisen wollen. Reisende aus Thailand, Saudi-Arabien, Oman, Kuwait, Bahrein, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten müssen sich nicht mehr um ein Schweizer Visum bemühen, wenn sie über einen gültigen Pass und ein sogenanntes
Schengen-Visum verfügen. Das Schengener Übereinkommen, dem sich der Bundesrat mit der neuen Regelung annähern möchte, wurde zwischen den EU-Staaten zur Abschaffung der Grenzkontrollen im Binnenverkehr geschlossen
[12].
Im Rahmen der Legislaturplanung 1999-2003 deponierte die vorberatende Kommission des Nationalrates eine Richtlinienmotion, die den Bundesrat beauftragen wollte, im Rahmen der Beratungen des neuen Ausländergesetzes (AuG) den eidgenössischen Räten einen ausführlichen Bericht über die Integration der Ausländerinnen und Ausländer mit Arbeitsbewilligung C (Niederlassung) zu unterbreiten. Dieser sollte auch eine eingehende Untersuchung über den
Beitrag dieser Arbeitskräfte an die
Wirtschaft und die
soziale Sicherheit enthalten. Der Bericht sollte insbesondere darlegen, welche Massnahmen der Bund unternimmt, um die rasche berufliche Eingliederung von ausländischen Personen sicher zu stellen, die arbeitslos sind und allenfalls Leistungen der Sozialhilfe beziehen. Zudem sollte er Aufschluss darüber geben, wie gross der Bedarf an ausländischen Arbeitnehmenden in wirtschaftlicher und demographischer Hinsicht in den nächsten 15 Jahren sein dürfte. Die Kommission begründete ihren Vorstoss mit dem Anliegen, dass die Schweiz als eigentliches Einwanderungsland, in dem einmal mehr mit einer Volksinitiative Überfremdungsängste geschürt würden (siehe oben), daran gehen müsse, die
migrationsbedingten Vorurteile sowie die Lücken ihrer Migrationspolitik einer objektiven Analyse zu unterziehen. Der Bundesrat verwies auf sehr differenzierte bereits geleistete oder anstehende Arbeiten in diesem Bereich (insbesondere das Nationale Forschungsprogramm 39 zu den vielfältigen Aspekten der Migration) und beantragte Umwandlung des Vorstosses in ein Postulat. Mit 97 zu 88 Stimmen wurde er allerdings in die Minderheit versetzt, nicht aber so im Ständerat, der die Motion lediglich als Postulat überwies
[13].
Ebenfalls zur Legislaturplanung reichte Hollenstein (gp, SG) eine Motion ein, mit welcher der Bundesrat verpflichtet werden sollte, Massnahmen einzuleiten, damit die Schweizer Bevölkerung die hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer nicht nur akzeptiert, sondern ihrerseits einen
Beitrag zum besseren Zusammenleben leistet. Da der Bundesrat darauf verwies, dass dies dank dem neuen Integrationsartikel im revidierten ANAG durchaus so vorgesehen sei, wurde der Vorstoss lediglich als Postulat angenommen
[14].
Weil der Bundesrat entgegen den Empfehlungen der
Eidgenössischen Ausländerkommission (EKA) beschloss, deren Sekretariat in das dem EJPD unterstellte
Bundesamt für Ausländerfragen (BFA) einzugliedern,
traten sowohl der EKA-Präsident, alt Nationalrat Fulvio Caccia (cvp, TI), wie auch die Vizepräsidentin und die Vertreter der Gewerkschaften und der Ausländerorganisationen Mitte Januar unter Protest und mit sofortiger Wirkung
zurück. Die EKA hatte mehrmals betont, sie halte es für verfehlt, eine auf Integration ausgerichtete Kommission an ein Bundesamt zu binden, das vor allem polizeiliche Aufgaben wahrnimmt; die Unterstellung der EKA unter das BFA sei nicht dazu angetan, das Vertrauen der Ausländerinnen und Ausländer zu gewinnen. Sie hatte vorgeschlagen, für die Ausländerintegration einen Delegierten oder ein ausserhalb des BFA stehendes Büro vorzusehen. Die Zurücktretenden kritisierten auch das geringe finanzielle Engagement des Bundes. Obgleich das teilrevidierte ANAG mit dem Integrationsartikel auf den 1. Oktober 1999 in Kraft getreten war, hatte der Bundesrat darauf verzichtet, die nötigen Kredite in den Voranschlag für das Jahr 2000 aufzunehmen. Er machte für diese Verzögerung geltend, zuerst müsse eine Verordnung die künftigen Aufgaben der EKA präzisieren. Diese stellte er für den Herbst des Berichtsjahres in Aussicht. Entgegen den Forderungen der EKA (15 Mio Fr.) wollte er dem Parlament lediglich 5 Mio Fr. zur Förderung von Integrationsprojekten beantragen
[15].
Der Bundesrat besetzte umgehend die Leitung der EKA neu. Mit der ehemaligen Solothurner CVP-Ständeratin
Rosmarie Simmen als Präsidentin und dem Zürcher Sozialamtsvorsteher Walter Schmid fand er zwei Persönlichkeiten, die auch unter den Kritikern der bisherigen Integrationspolitik Anerkennung geniessen. Die anderen zurückgetretenen Mitglieder der Kommission wurden nicht ersetzt, da deren Mandat ohnehin Ende 2000 ausgelaufen wäre. Simmen und Schmid bezeichneten es als vordringliche Aufgabe der EKA, das Vertrauen der Ausländervertreter wiederherzustellen. Die Anbindung ans BFA fanden sie gerechtfertigt. Damit verschaffe sich die EKA in jenem Amt Gehör, das für die ausländerpolitisch relevantesten Fragen (Einbürgerungen, Arbeitsmarktregelungen, Fremdenpolizei) zuständig ist
[16].
Die neue Führungscrew der EKA publizierte Ende März den von ihren Vorgängern erstellten
Integrationsbericht. Simmen erklärte, dieser Bericht sei durch die Rücktritte keineswegs zur Makulatur verkommen, sondern bilde die Grundlage für die weitere Arbeit der Kommission
[17]. Die Priorität will die EKA auf den
Spracherwerb legen. Sie wies aber auch auf die Schwierigkeiten der Umsetzung hin. Der gesetzliche Handlungsspielraum, Ausländer nach Ende der obligatorischen Schulzeit zu Kursen in einer Landessprache zu zwingen, wie dies bürgerliche Politiker immer wieder verlangt hatten, sei eher klein. Bei EU-Bürgerinnen und -Bürgern würde das bilaterale Abkommen über den freien Personenverkehr solche Bedingungen sowieso ausschliessen. Die EKA empfahl deshalb, bei Neurekrutierungen von ausländischem Personal das Erlernen der Sprache schon im Arbeitsvertrag vorzusehen. Im
Schulbereich warnte die Kommission vor einer Ausgrenzung der Ausländerkinder durch getrennte Klassen
[18].
Die zurückgetretenen Ausländervertreter äusserten sich im Juni an einer Pressekonferenz zu ihren Vorstellungen über das weitere Vorgehen. Sie baten den Bundesrat noch einmal, einen eigentlichen Integrationsdelegierten im EJPD einzusetzen, der nicht dem BFA, sondern direkt der Amtsvorsteherin unterstellt wäre. Als Pendant zur „Fremdenpolizeikommission“ schlugen sie die Gründung eines breiten
Forums zur Ausländerintegration vor, in dem analog zum Dachorgan der Schweizerischen Flüchtlingshilfe nicht nur die ehemals in der EKA vertretenen Organisationen und Gewerkschaften Einsitz nehmen sollten, sondern alle Institutionen, die sich mit Integrationsaufgaben befassen
[19]. Eine Mitte Juli stattfindende Aussprache der Ausländervertreter mit Bundesrätin Metzler brachte keine Einigung, deutete aber an, dass sich die Fronten aufzuweichen begannen. Der Durchbruch erfolgte Anfang September. In einem Memorandum machte Metzler in mehreren Punkten Zugeständnisse. Sie beharrte zwar auf der Einbindung des EKA-Sekretariats ins BFA, wo eine neue Sektion „Integration“ geschaffen wird, die
Kommission an sich wird jedoch
direkt dem Gesamtbundesrat unterstellt und zur Hälfte mit Vertretern der Ausländerorganisationen besetzt. Die der EKA für 2001 zur Verfügung stehende Summe wurde auf 10 Mio Fr. verdoppelt
[20].
Diese Zusagen bildeten die Eckpunkte der
Integrationsverordnung, die der Bundesrat auf den 1. Oktober in Kraft setzte. Sie definiert die Integration als
Querschnittsaufgabe, die von der Gesellschaft sowie von den Behörden von Bund, Kantonen und Gemeinden gemeinsam mit den Ausländerorganisationen wahrgenommen werden müsse. Diese Bestrebungen sollen das gegenseitige Verständnis zwischen der schweizerischen und der ausländischen Bevölkerung fördern. Zentrale Anliegen der Integration sind ein Zusammenleben auf der Basis gemeinsamer Grundwerte und Verhaltensweisen, die Information der Ausländer über schweizerische Einrichtungen und Lebensbedingungen sowie deren Chancengleichheit und Teilnahme am Gesellschaftsleben
[21].
Mit einer Motion forderte die SP-Fraktion, im Bereich der
Aus- und Fortbildung eine Offensive zur Integration der ausländischen Bevölkerung zu lancieren. Sie verlangte insbesondere die Einrichtung eines Systems zur beruflichen Orientierung sowie das Recht auf das Erlernen einer Landessprache und eines Berufs. Die Arbeitgeber sollten verpflichtet werden, die Arbeit der ausländischen Beschäftigten so zu organisieren, dass diese während ihrer Arbeitszeit die entsprechenden Angebote wahrnehmen können; zudem sollten die Arbeitgeber einen Drittel oder die Hälfte der Kosten tragen. Der Bundesrat war bereit, die Motion in Postulatsform anzunehmen. Da ihr das Anliegen äusserst wichtig erschien, beharrte die SP aber auf der verbindlichen Form, worauf die Motion mit 82 zu 61 Stimmen abgelehnt wurde
[22].
Flüchtlingspolitik
Im Berichtsjahr wurden von 17 611 Personen neue
Asylgesuche eingereicht. Damit verminderte sich die Zahl um 62% gegenüber dem Vorjahr und war
so tief wie seit 1995 nicht mehr. Die durchschnittliche Anerkennungsquote betrug 6,4%. Je nach Herkunftsland schwankte sie stark (1,8% für Personen aus Jugoslawien, 42% für Asylsuchende aus der Türkei). Erstmals seit 1994 sank auch die Gesamtzahl der Personen im Asylbereich, und zwar gleich um 26% auf gut 98 000. Dies erklärt sich vor allem durch die
Rückreisewelle nach Kosovo. Seit dem Ende des Konflikts Mitte 1999 kehrten 40 114 Personen dorthin zurück. Die meisten taten dies freiwillig; rund 33 000 profitierten dabei von der materiellen Rückkehrhilfe, welche die Schweiz gewährte. Lediglich 3366 Personen verschiedenster Nationalität wurden zwangsweise ausgeschafft
[23].
In einer „
Humanitären Aktion 2000“ verfügte der Bundesrat die vorläufige Aufnahme von fast 14 000 Personen, die bereits seit mehreren Jahren in der Schweiz leben, meistens gut integriert sind, und deren Rückreise in ihr Herkunftsland auch in der Zukunft fraglich erscheint. Aufgenommen wurden insbesondere rund 6500
Tamilinnen und Tamilen, deren Asylgesuche 1994 vom EJPD sistiert worden waren, weil das Rückübernahmeabkommen mit Sri Lanka an der Papierbeschaffung gescheitert war und sich viele Parlamentarier und Arbeitgeber insbesondere im Gastrobereich gegen eine Wegweisung gewehrt hatten. Vorläufige Aufnahme fanden auch 4100
Albaner aus dem ehemaligen Jugoslawien; bei ihnen war die Rückführung vorerst durch die mangelnde Kooperation der Behörden in Belgrad, später durch die Wirren im Kosovo verunmöglicht worden. 2500 weiteren Personen wurde unter verschiedenen Titeln eine vorläufige Aufenthaltsbewilligung erteilt. Die Aktion fand generell ein positives Echo, wobei die bürgerlichen Parteien aber betonten, sie müsse einmalig bleiben
[24].
Im Juli unterzeichnete Bundesrätin Metzler ein
Rückübernahmeabkommen mit Österreich und Liechtenstein. Metzler bezeichnete derartige Abkommen mit den Nachbarländern als etwas unbefriedigenden Ersatz für die Nichtbeteiligung der Schweiz am Schengen- Abkommen der EU sowie am Dubliner Erstasylabkommen, das den meisten EU-Staaten ermöglicht, Asylsuchende ohne Verfahren an jene Staaten zu überstellen, in denen sie erstmals ein Asylgesuch eingereicht haben
[25].
Die SVP reichte Ende Jahr ihre
Volksinitiative „gegen Asylrechtsmissbrauch“ mit 107 438 gültigen Unterschriften ein. Das Begehren verlangt einheitliche Fürsorgeleistungen auf tiefem Niveau für alle Asylsuchenden, die Ausarbeitung einer konsequenten Drittstaatenregelung (Nichteintreten auf ein Asylgesuch, wenn eine Person über ein „sicheres“, d.h. menschenrechtlich unbedenkliches Land eingereist ist) sowie Massnahmen gegenüber Fluggesellschaften, welche ihre Kontrollaufgabe bei der Einreise ungenügend wahrnehmen. Wie Repräsentanten der SVP einräumten, würde namentlich durch die konsequente Drittstaatenregelung praktisch jedes Asylgesuch in der Schweiz verunmöglicht werden, da Einreisen auf dem Landweg nur über die als „sicher“ geltenden Nachbarländer erfolgen können
[26].
Seit seinem Amtsantritt hatte der Direktor des Bundesamtes für Flüchtlinge (BFF), Jean-Daniel Gerber, immer wieder die Frage in den Raum gestellt, warum im Flüchtlingsbereich nicht stärker nach dem Bonus-Malus-Prinzip gearbeitet werde. Die Arbeitsgruppe „Finanzierung Asylwesen“, in welcher Bund und Kantone gleichermassen vertreten sind, nahm diese Anregung auf und stellte in einem Bericht neue Massnahmen im Asylbereich vor, die zu einer
Teilrevision des Asylgesetzes führen sollen. Mit
finanziellen Anreizen will man das Verhalten der Asylsuchenden beeinflussen und die Behörden dazu bringen, Ausschaffungen rascher zu vollziehen. Eine
Arbeitserlaubnis soll nur noch erhalten, wer seine Identität dokumentiert darlegt oder durch glaubwürdige Angaben die nötigen Voraussetzungen schafft, um die entsprechenden Papiere zu erhalten. Zudem schlug die Arbeitsgruppe vor, den nicht mit den Behörden kooperierenden Asylsuchenden den Bezug einer eigenen
Wohnung oder die Unterbringung bei Verwandten zu verweigern. Für Asylbewerber, die sich trotz abgelehntem Gesuch hartnäckig weigern, bei der Beibringung von Ausweispapieren zu helfen, um sich so der Ausschaffung zu entziehen, soll die
Sozialhilfe auf ein Minimum reduziert werden. Die
Kantone sollen allerdings auch verstärkt in die Pflicht genommen werden. Zögert ein Kanton mit der Ausschaffung, muss er die Fürsorgekosten, die ihm im Normalfall vom Bund über eine Globalpauschale entschädigt werden, selber tragen. Im Bereich der
Sozialversicherungen wurde vorgeschlagen, dass Asylbewerber, die nicht arbeiten können oder dürfen, keine Beiträge mehr an AHV und IV leisten müssen, dafür aber auch später keinen Anspruch auf Leistungen haben. Um dies zu realisieren, müssten die Sozialversicherungsabkommen mit der Türkei und den Nachfolgestaaten Jugoslawiens geändert werden. Die Arbeitsgruppe erwog zudem, Asylbewerber vom Obligatorium in der Krankenversicherung auszunehmen und die medizinischen Leistungen auf akute Erkrankungen zu beschränken
[27].
Gegen den Willen des Bundesrates, der für den gesamten Vorstoss Umwandlung in ein Postulat beantragte, überwies der Ständerat (wenn auch nur knapp) drei Punkte einer Motion Merz (fdp, AR) in der verbindlichen Form. Zur
Straffung des Asylverfahrens sollen die Möglichkeiten für Wiedererwägungsgesuche und Rekurse von abgewiesenen Asylbewerbern eingeschränkt werden. Zudem soll die Asylrekurskommission (ARK) angewiesen werden, Wegweisungsentscheide in Drittstaaten rascher zu fällen. Bundesrätin Metzler wandte vergebens ein, derartige Weisungen liefen der Unabhängigkeit des obersten Asylgerichts zuwider. Die Landesregierung wolle bei einer neuerlichen Asylgesetzrevision lieber eine praktikable
Drittstaatenregelung einführen, die keinen Ermessensspielraum bei der Anwendung mehr lasse. Der von Merz geforderte Einsatz medizinischer Massnahmen bei der Abklärung der Identität von asylsuchenden Personen werde bereits praktiziert, führte Metzler weiter aus, weshalb hier kein gesetzlicher Handlungsbedarf bestehe. Dem Ruf nach einer weiteren Beschleunigung des Asylverfahrens hielt die Bundesrätin entgegen, auch die schnellsten Verfahren würden nichts nützen, wenn die Wegweisung nicht vollzogen werden könne. Vier weitere eher technische Punkte der Motion wurden nur in Postulatsform angenommen. Bei der Forderung nach Nichteintreten auf ein Asylgesuch, wenn der Asylbewerber bereits in einem anderen europäischen Land ein solches eingereicht hat, verwies die Justizministerin auf den Umstand, dass dies ohnehin erst möglich wäre, wenn die Schweiz mit den Staaten der EU eine Parallelüberkunft zum Erstasylabkommen von Dublin schliessen könnte. Gleich verfuhr der Nationalrat mit einer analogen Motion der FDP-Fraktion, obgleich Bundesrätin Metzler erneut für Umwandlung des gesamten Vorstosses in ein Postulat plädierte
[28].
Der
Ständerat hiess mit 24 zu 12 Stimmen eine Standesinitiative des Kantons Aargau gut, welche
geschlossene und zentral geführte
Sammelunterkünfte
für straffällige oder renitente Asylsuchende verlangte. Die Initiative nannte als mögliche Gründe für eine Einweisung unter anderem Nichtbefolgen von behördlichen Anweisungen, Vorenthalten von vorhandenen Ausweispapieren oder auch nur ein Verhalten, dass darauf schliessen lasse, dass sich die Person nicht in die im Gastland geltende Ordnung einfügen werde. Über diese mehrfach als rechtstaatlich mehr als nur bedenklich bezeichneten Haftgründe herrschte im Rat zwar einiges Unbehagen; ein Rückweisungsantrag Plattner (sp, BS), der derartige Sammelunterkünfte als „nicht so weit vom Konzentrationslager“ entfernt charakterisierte, hatte dennoch keine Chance, obgleich er von einzelnen Bürgerlichen unterstützt wurde. Plattner argumentierte auch vergebens, die Umsetzung der Initiative würde einer Prüfung durch die Organe der Europäischen Menschenrechtskonvention keinesfalls standhalten, weil damit eine „Vorstufe der Straffälligkeit“ geschaffen werde. Die Völkerrechtskonformität sei machbar, legte sich hingegen Büttiker (fdp, SO) ins Zeug: Es brauche lediglich eine klare Definition der Einweisungsgründe in einem Gesetz. Der Bundesrat äusserte sich in diesem Zeitpunkt nicht zu dieser Standesinitiative
[29].
Das tat er auch dann nicht explizit, als diese vom
Nationalrat behandelt wurde. Da gleichzeitig auch eine im Vorjahr vom Ständerat überwiesene Motion Loretan (fdp, AG) zur Diskussion stand, die ebenfalls eine Internierung abgewiesener Asylbewerber verlangte, gab Bundesrätin Metzler aber zu verstehen, dass ihre Äusserungen zur Motion beide Vorstösse beschlage. Sie erklärte, der Bundesrat lehne diese aus rechtlichen, praktischen, finanziellen und politischen Gründen ab. Internierung resp. Konzentration in Sammelunterkünften bedeute einen schweren
Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit; bei dieser Massnahme würde das Verhältnismässigkeitsprinzip rasch einmal überstrapaziert. Zudem würde damit eine völkerrechtlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung zwischen Schweizern und Ausländern eingeführt. Abschliessend meinte sie, durch das Einsperren aller Asylsuchenden und Ausländer, welche die schweizerische Rechtsordnung nicht achteten, löse man die Probleme nicht in Art eines Rechtsstaates. Der Standesinitiative wurde mit 108 zu 63 Stimmen keine Folge gegeben, die Motion Loretan mit 109 zu 60 Stimmen ebenfalls
abgelehnt [30].
Der Ständerat beharrte allerdings auf seiner harten Linie. In der Wintersession nahm er mit 22 zu 6 Stimmen eine parlamentarische Initiative Hess (fdp, OW) an, die verlangt, das Asylgesetz sei dahingehend zu ergänzen, dass bei der Ergreifung eines illegal anwesenden Ausländers umgehend die
Vorbereitungshaft angeordnet werden kann, wenn die Gefahr besteht, dass er untertauchen könnte, bevor ein Wegweisungsentscheid im Asylverfahren gefällt ist. Die kleine Kammer wollte damit dagegen ankämpfen, dass Ausländer ohne Asylbewerberstatus, die vermutlich in krimineller Absicht eingereist sind, nach heutiger Gesetzgebung die Ausschaffungshaft durch die Einreichung eines Asylantrags umgehen resp. verzögern können
[31].
Die Kommission für Flüchtlingsfragen versuchte herauszufinden, weshalb die Befolgung der
Wegweisungsentscheide so schlecht ist. Sie ortete das Hauptproblem bei der langen Dauer der Verfahren. Sie empfahl deshalb dem Bundesrat, diese (inkl. Rekurse) auf sechs Monate zu verkürzen. Je länger der Aufenthalt in der Schweiz dauere, desto stärker sei die Integration und desto geringer die Bereitschaft zur Ausreise. Wenn die Wegweisung nicht innerhalb von sechs Monaten verfügt werden könne, beispielsweise weil sich das Herkunftsland in einem Ausnahmezustand befindet, sei die vorläufige Aufnahme zu gewähren. Die Kommission möchte die Frage prüfen, ob sich der Zugang zu Arbeitsmarkt und Ausbildung nicht mittelfristig positiv auf die Rückkehrbereitschaft auswirken könnte, weil damit eine wirtschaftliche Perspektive in der alten Heimat geschaffen würde. Zudem regte sie an, die „Rückkehr auf Probe“, die bei den Bosnien-Flüchtlingen bereits praktiziert wurde, ins gängige Repertoire für Kriegsflüchtlinge aufzunehmen
[32].
Auf den 1. September hob der Bundesrat die im Vorjahr vorgenommene
Ausdehnung des Arbeitsverbots für neueinreisende Asylbewerber von drei Monaten auf ein Jahr (resp. von sechs Monaten auf ein Jahr für vorläufig aufgenommene Personen) wieder auf. Da diese Massnahme aufgrund des „Notrechtsartikels“ des Asylgesetzes (Art. 9) eingeführt worden war, hätte ab dem 31. August keine rechtliche Basis für deren Weiterführung mehr bestanden
[33].
Seit einigen Jahren gerät die
Asylrekurskommission (ARK) zunehmend unter Druck der politischen Rechten. Nationalrat Fehr (svp, ZH) reichte zusammen mit 65 Mitunterzeichnenden eine Motion ein, die vom Bundesrat als Sofortmassnahme den Erlass von Ordnungsvorschriften verlangte, die eine „gesetzestreue“ Form des Rekurswesens sicherstellten. Fehr warf der ARK vor, durch eine fragwürdige bis unverantwortliche Praxis „dem Missbrauch des Asylrechts Vorschub“ zu leisten. Bundesrätin Metzler erklärte, die Aufsicht über die ARK sei gewährleistet, insbesondere auch durch die Geschäftsprüfungskommissionen des Parlaments. Gesetzesänderungen seien immer möglich, doch bis es allenfalls so weit sei, müsse die Unabhängigkeit der ARK respektiert werden. Mit 62 zu 42 Stimmen wurde die Motion abgelehnt
[34]. Die ARK hatte sich den Zorn der Rechtsbürgerlichen zugezogen, weil sie u.a. die
„Drittstaatenregelung“, wie sie die Verordnung zum neuen Asylgesetz vorsah, für nicht zulässig erklärte. Bisher wurde der Aufenthalt in einem „sicheren“ Drittland toleriert, ohne dass der Asylbewerber, wenn der dort kein Asylgesuch eingereicht hatte, deshalb vom Verfahren ausgeschlossen wurde. Die neue Verordnung wollte verlangen, der Asylsuchende müsse belegen, dass er „ohne Verzug“ durch das Drittland transitiert sei. Die ARK befand, das Gesetz gebe keine Grundlage, um von der alten Praxis abzuweichen
[35]. Auf Kritik vor allem bei der FDP stiess auch der Entscheid der ARK, Röntgenaufnahmen zur Bestimmung des Alters von Asylsuchenden nicht als Rechtsmittel zu anerkennen
[36].
Bereits im Vorjahr hatte der Bund den Zeitpunkt der
Rückreise für die während dem
Kosovo-Konflikt vorläufig aufgenommenen Personen auf den 31. Mai des Berichtsjahres festgesetzt. Ende Februar wurde ein Rückübernahmeabkommen mit Albanien unterzeichnet, welches die Rückreise der Kosovaren über albanisches Gebiet regelt. Im März schlossen neun Staaten (Albanien, Bosnien-Herzegowina, Deutschland, Italien, Kroatien, Österreich, Slowenien, Ungarn und die Schweiz) ein multilaterales Transitabkommen, das die visumsfreie Rückkehr der Flüchtlinge auf dem Landweg erlaubt. Mit der zivilen
UNO-Verwaltung im Kosovo (Unmik) unterzeichnete Bundesrätin Metzler bei einem Besuch Anfang April ein „Memorandum of Understandig“, welches die Modalitäten der Rückführungen beinhaltete. Mitte April wurden erstmals seit Kriegsende 58 straffällige resp. „renitente“ Personen unter starkem Polizeigeleit nach Pristina geflogen
[37]. Der Leiter der Unmik appellierte an die Schweiz, Kosovoflüchtlinge nicht in grosser Zahl zwangsweise auszuschaffen, da das Gebiet noch weit von beruhigten Verhältnissen entfernt sei und die massive Rückkehr von „Personen mit gewalttätiger Vergangenheit“ die Lage weiter destabilisieren könnte
[38].
Anfang Mai wurden an einer Asylkonferenz, an welcher der Bund und die Kantone vertreten waren, die
Modalitäten der Wegweisung der Menschen aus dem Kosovo beschlossen. Ein längeres Bleiberecht erhielten
ethnische Minderheiten, die keiner der vorherrschenden Bevölkerungsgruppen zugeteilt werden können (Roma, Ashkali und Sinti) sowie Albaner aus Südserbien, für deren Sicherheit niemand hätte garantieren können; für sie wurde die Frist vorerst bis Ende August erstreckt und später bis Ende Mai 2001 verlängert.
Jugendliche in anerkannter Ausbildung wurden ebenfalls von der Wegweisung ausgeschlossen, allerdings nur unter der Bedingung, dass ihre Familien ausreisen. Keine generelle Ausnahme gab es für besonders verletzliche Personen wie Betagte, Kranke und alleinstehende Frauen mit Kindern. Sie erhielten jedoch im Rahmen der Prüfung jedes Einzelfalls auf
unzumutbare Härten die Chance, eine Bewilligung für den weiteren Aufenthalt zu erhalten. Das Tempo der Rückschaffungen blieb den Kantonen überlassen, wobei aber ein Kontingent von 500 Personen pro Monat vereinbart wurde; ab dem 1. Juni vergütete der Bund nur noch jenen Kantonen die Fürsorgekosten, die sich an die zahlenmässigen Vorgaben hielten
[39].
Im November richtete die Unmik einen
Appell an die westeuropäischen Länder, bis zum Frühling 2001 keine weiteren Flüchtlinge in den Kosovo zurück zu schicken, da das bürgerkriegszerstörte Gebiet zumindest während des Winters keinen weiteren Zustrom von Rückkehrern ohne gesicherte Unterkunft verkraften könne; eine Massenrückkehr sei kontraproduktiv für den Wiederaufbau und die Entwicklungsbemühungen. Während Belgien und Schweden beschlossen, vorderhand keine Flüchtlinge mehr zu repatriieren, blieb die Schweiz hart und entschied, am beschlossenen Rückführungsrhythmus festzuhalten
[40].
Mit einem vorerst bis Ende 2001 befristeten Rückkehrprogramm für Asylsuchende aus
Sri Lanka will das BFF vermehrt Personen zur freiwilligen Heimkehr ermuntern. Das Programm sieht für Erwachsene 1000 Franken und für Minderjährige 500 Franken Rückkehrgeld sowie Hilfestellungen bei Forderungen gegenüber AHV und Pensionskassen vor. Zur Verbesserung der beruflichen Startchancen im Heimatland soll zudem Fachwissen für den Aufbau einer neuen Existenz vermittelt werden
[41].
Jenische
Am 1. Dezember publizierte die Unabhängige Expertenkommission Schweiz-Zweiter Weltkrieg (Bergier-Kommission) einen
Bericht zur Haltung der Schweiz gegenüber den Roma, Sinti und Jenischen zur Zeit des Nationalsozialismus. Der Bericht konstatierte eingangs eine absolut desolate Quellenlage in diesem Bereich. Da es keine Flüchtlingskategorie „Zigeuner“ gab und die Fahrenden sich oftmals weder vom Namen noch von der Konfession her von anderen Europäern unterscheiden, konnten die Historiker nicht feststellen, ob und wie viele der abgewiesenen oder aufgenommenen Flüchtlinge aus dieser Bevölkerungsgruppe stammten. Anhand von Einzelschicksalen stellten die Autoren deshalb die Kriegsjahre in den Zusammenhang der schweizerischen Zigeunerpolitik im 20. Jahrhundert, die ganz auf
Abwehr und
Disziplinierung ausgerichtet war. So war bereits 1906 eine Grenzsperre gegenüber ausländischen Fahrenden eingeführt worden, die erst 1972 aufgehoben wurde. Die inländischen Zigeuner (Jenische) wurden mit allen Mitteln zur Sesshaftigkeit gedrängt und sozialfürsorgerischen Massnahmen unterstellt. Angesichts dieser Haltung ist es nicht verwunderlich, dass die Schweiz ihre auf Abschottung bedachte Politik weiter anwendete, selbst als sie ab 1940 Kenntnis von der Verschleppung von Fahrenden und ab 1942 über Massenmorde durch die Nationalsozialisten hatte. In einer Stellungnahme zu der Publikation der Bergier-Kommission sprach der Bundesrat den Betroffenen sein tiefes Mitgefühl aus. Gleichzeitig erinnerte er an die Anstrengungen zur Entschädigung von Opfern „einer ungerechten und grausamen Politik“, zur Aufarbeitung des Verhältnisses zu den Fahrenden, beispielsweise mit der Studie über die „Aktion Kinder der Landstrasse“ sowie an die eingeleiteten Bestrebungen, „um die Lage der Fahrenden zu verbessern und ihre kulturelle Identität zu fördern“
[42].
Ob der Bundesrat tatsächlich sein Verhältnis zu den Fahrenden aufgearbeitet hat, wurde kurz darauf bezweifelt. Er schob nämlich die Jenischen vor, um sich einer Ratifizierung des ILO-Abkommens 169 zu widersetzen. Dieses „Übereinkommen über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern“ gilt nach Aussagen der Gesellschaft für bedrohte Völker als das weitreichendste und umfassendste internationale Abkommen zur Sicherung indigener Rechte. Die Konvention, die seit ihrem Inkrafttreten im Jahr 1991 von 14 Staaten unterzeichnet wurde, regelt nicht nur die Rechte und Pflichten zwischen Staaten und ihrer eigenen Urbevölkerung, sondern soll auch dazu beitragen, dass ein international geltender Normenkatalog geschaffen wird. Auch Staaten ohne eigene Urbevölkerung sind aufgerufen, das Übereinkommen zu ratifizieren, um die Einhaltung der Normen zu kontrollieren und gegebenenfalls Druck auf fehlbare Regierungen auszuüben.
Aus Anlass einer Motion Gysin (sp, BS), die eine Ratifizierung des Übereinkommens verlangte und in der Frühjahrssession vom Nationalrat (wenn auch nur als Postulat) überwiesen wurde, bat der Bundesrat das Seco, das federführend für die ILO-Abkommen ist, um einen Bericht. Dieser kam zum Schluss, die Konvention sollte
nicht ratifiziert werden, da ihr Wirkungsbereich unklar gefasst sei, weshalb nicht mit absoluter Sicherheit zu bestimmen sei, ob das Abkommen nach einer Ratifizierung nicht auch auf die Fahrenden anwendbar wäre. Da das Übereinkommen nicht nur die Gleichstellung der Indigenen in der Arbeitswelt verankert, sondern auch Grundrechte festlegt, wie das Recht auf ein eigenes Territorium, eine eigene Sprache, Lebensweise und Kultur, könnte eine Geltendmachung dieser Rechte durch die Jenischen für die Schweiz ungeahnte Konsequenzen in den Bereichen Raumplanung, Erziehung, Rechtsorganisation und Arbeitsbedingungen haben
[43]. Mit der Begründung, diese Argumentation zeuge von einer völligen Unkenntnis der Fahrenden in der Schweiz, reichte die
aussenpolitische Kommission des Nationalrates in der Wintersession eine weitere Motion ein, mit welcher sie den Bundesrat beauftragen will, die nötigen Schritte für eine Ratifikation des Übereinkommens in die Wege zu leiten
[44].
Frauen
Mit einer Motion forderte Nationalrätin Maury Pasquier (sp, GE) den Bundesrat auf, die nötigen Schritte zu unternehmen, damit die Schweiz so rasch wie möglich das
Fakultativprotokoll zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von
Diskriminierung der Frau unterzeichnen und ratifizieren kann. Das Protokoll, das Ende 1999 zur Unterzeichnung aufgelegt worden war, erlaubt zum einen Personen, die wegen ihres Geschlechts diskriminiert werden, Einzel- oder Kollektivbeschwerden beim dafür zuständigen UNO-Ausschuss einzureichen, wenn die innerstaatlichen Rechtsmittel erschöpft sind; zum anderen beinhaltet es ein Untersuchungsverfahren, das es dem Ausschuss ermöglicht, bei schwerwiegenden oder systematischen Verletzungen der Frauenrechte eigene Ermittlungen aufzunehmen. Der Bundesrat beteuerte, dass er voll und ganz hinter den Zielen des Fakultativprotokolls stehe; da die Schweiz gemäss bisheriger Praxis Abkommen aber nur unterzeichnet, wenn sie diese auch ratifizieren kann, müssten vorgängig die Auswirkungen auf die schweizerische Rechtsordnung einlässlich geprüft werden. Aus diesem Grund beantragte er erfolgreich die Umwandlung des Vorstosses in ein Postulat
[45].
Im Rahmen der Legislaturplanung 1999-2003 reichte die vorberatende Kommission des Nationalrates eine Richtlinienmotion ein, die den Bundesrat verpflichtet hätte, den eidgenössischen Räten bis zur Wintersession 2001 einen Bericht über die eingeleiteten Massnahmen und den Stand der
Umsetzung des Aktionsplanes der Schweiz zur Gleichstellung von Frau und Mann (Folgearbeiten zur 4. UNO-Weltfrauenkonferenz von 1995) vorzulegen. Der Bundesrat erklärte, der Aktionsplan habe die Einsetzung einer Begleitgruppe und die regelmässige Berichterstattung an den Bundesrat institutionalisiert. Da die Adressatinnen und Adressaten für die verabschiedete Aktionsplattform (Bundesrat, Departemente, Verwaltung, Kantone und Gemeinden, Bildungsinstitutionen, Medien, Nichtregierungsorganisationen usw.) sehr heterogen seien, möchte er diesen genügend Zeit lassen, um die vorgeschlagenen Massnahmen mit Rücksicht auf ihre eigenen Prioritäten und Ressourcen zu evaluieren. Ein erster Bericht der Begleitgruppe sei deshalb realistischerweise erst für Ende 2002 zu erwarten. Auf Antrag des Bundesrates wurde die Motion lediglich in Postulatsform überwiesen
[46].
Ebenfalls mit einer Motion wollte die Fraktion der Grünen erreichen, dass die gesamte
Verfassung auf gleichstellungspolitische Aspekte durchforstet und entsprechend angepasst wird. Der Bundesrat vertrat die Auffassung, die gleichstellungspolitischen Postulate seien bei der Verfassungsrevision genügend berücksichtigt worden. Auf seinen Antrag wurde der Vorstoss mit 81 zu 47 Stimmen abgelehnt
[47].
1996 hatte Nationalrätin Goll (sp, ZH) eine Motion eingereicht, mit welcher der Bundesrat beauftragt werden sollte, im Bundesbudget das Instrument einer
Frauenverträglichkeitsprüfung einzuführen. Die Motion war zuerst von Fehr (svp, ZH) bekämpft und dann aufgrund der Behandlungsfristen abgeschrieben worden. Ende 1999 reichte sie den Vorstoss im gleichen Wortlaut erneut ein. Der Bundesrat verwies auf die geringen Steuerungsmöglichkeiten eines Bundesbudgets. Angesichts der gleichstellungspolitischen Bedeutung des Themas war er aber bereit, das Anliegen zur Prüfung entgegen zu nehmen, worauf die Motion als Postulat verabschiedet wurde
[48].
Gegen den Willen des Bundesrates überwies der Nationalrat – wenn auch nur knapp mit 68 zu 66 Stimmen ein Postulat Maury Pasquier (sp, GE), welches die Landesregierung ersucht, in Zusammenarbeit mit der Verwaltung die Empfehlungen der interdepartementalen Arbeitsgruppe zur geschlechtergerechten Rechts- und Verwaltungssprache von 1991 umzusetzen. Dem Parlament sollen künftig nur noch
Botschaften zugeleitet werden, die in allen Landessprachen
geschlechtsneutral
abgefasst sind. Der Bundesrates hatte sich vergeblich mit dem Argument, die Anwendung dieses Prinzips würde im Französischen und Italienischen zu unüberwindbaren Schwierigkeiten führen, gegen eine Annahme des Vorstosses gewehrt
[49].
Die sogenannte „Quoteninitiative“ wurde in der Volksabstimmung deutlich abgelehnt (siehe oben, Teil I, 1c, Einleitung).
Wie eine Studie darlegte, hat der Anteil der Frauen in den
Gemeindeexekutiven zwischen 1988 und 1998 von 6,9% auf rund 19% zugenommen, weist aber immer noch den tiefsten Wert der weiblichen Politikbeteiligung aus, allerdings nur knapp unter jenem in den kantonalen Exekutiven (1999: 20,4%) und im Ständerat (1999: 19,6%). In den Deutschschweizer Gemeindeexekutiven sind die Frauen mit 20% besser vertreten als in der Romandie (17%) und im Tessin (13,5%). Je grösser die Einwohnerzahl einer Gemeinde und die Sitzzahl in der Exekutive ist, desto höher liegt in der Regel der Frauenanteil in diesen Gremien
[50].
Wie die ausführlichen Ergebnisse der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) des BFS für die Jahre 1991-1998 zeigten, hat sich die
Erwerbstätigkeit der Frauen in diesem Zeitraum
positiv entwickelt hat. Trotz der Konjunkturflaute zählte die Schweiz 1998 rund 100 000 weibliche Arbeitskräfte mehr als zu Beginn des Jahrzehnts. Der Frauenanteil in der Arbeitswelt stieg damit leicht auf 44%. Allerdings nahm nur die
Teilzeitarbeit zu (+16%), während die Zahl der Vollzeitstellen um 3% abnahm. Das BFS erklärte die stärkere Teilnahme der Frauen am Arbeitsmarkt mit der verbesserten Ausbildung und dem verändertes Rollenverständnis zwischen Frau und Mann, andererseits aber auch mit der wirtschaftlich schwierigen Situation vieler Familien. Gemäss BFS nahm die Erwerbsquote nämlich bei jenen Frauen am stärksten zu, deren Partner in Berufsgruppen mit geringem Einkommen tätig sind. Noch 1980 entschieden sich drei Viertel aller
Mütter bei der Geburt des ersten Kindes für ein „reines“ Hausfrauendasein. In den neunziger Jahren trifft dies auch in der Schweiz nur noch auf eine Minderheit zu. 62% der Frauen, die vor der Geburt ihres ersten Kindes erwerbstätig waren, behielten ihre
Erwerbstätigkeit bei. Von den vollzeitarbeitenden Frauen blieb ein Drittel auch nach der Geburt des ersten Kindes zu 100% erwerbstätig, ein Drittel reduzierte den Beschäftigungsgrad und ein weiteres Drittel stieg aus dem Erwerbsleben aus. Von den teilzeitberufstätigen Frauen blieb rund die Hälfte auch nach der Geburt ihres ersten Kindes im Erwerbsleben, die andere Hälfte gab die Berufstätigkeit auf. Die Geburt des zweiten Kindes beeinflusste die Erwerbstätigkeit der Frauen in noch geringeren Ausmass
[51].
Obwohl die Stellung der Frau auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt in den letzten zwei Jahrzehnten derjenigen des Mannes ähnlicher geworden ist, haben deutliche
geschlechtsspezifische Unterschiede Bestand. Männer schliessen häufiger eine höhere Ausbildung ab, interessieren sich stärker für technische Berufe, arbeiten viel seltener Teilzeit und verdienen im Mittel deutlich mehr als ihre Kolleginnen. Nach wie vor treten viel mehr Frauen als Männer in Pflegeberufe ein oder übernehmen kaufmännische Büroarbeiten, während sowohl die typischen Berufe der Metall- und Maschinenindustrie wie die Tätigkeiten im wachstumsträchtigen Informatik-Sektor fast ausschliesslich von Männern gewählt werden. Immer noch arbeitet mehr als die Hälfte der Frauen
Teilzeit gegen weniger als 10% bei den Männern. Dass der auf eine standartisierte Wochenarbeitszeit von 40 Stunden umgerechnete mittlere Brutto-Monatslohn der Frauen 1998 mit 4253 Fr. um gut 20% unter jenem der Männer (5417 Fr.) lag, ist zu einem guten Teil auf die unterschiedliche Berufswahl, Qualifikation und die geschlechterspezifische Verteilung von Teilzeit- contra Vollzeitjobs zurückzuführen. Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, dass Frauen mit nach statistischen Kriterien (berufliche Stellung, Anforderungsniveau usw.) vergleichbarer Arbeit
weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Mit zunehmenden beruflichen Qualifikationen scheinen diese Disparitäten sogar noch zuzunehmen
[52].
Der Gewerkschaften zeigten sich alarmiert ob der harzigen Umsetzung der Forderung nach
Lohngleichstellung von Frau und Mann. Nach positiven Anzeichen zu Beginn der neunziger Jahre herrsche in der Frage der Frauenlöhne heute wieder „tiefste Eiszeit“. Die Lohndifferenz für gleichwertige Arbeit betrage im öffentlichen Sektor noch immer 11%, im privaten Sektor sogar 23%. Zudem drohten die diversen Verwaltungsreformen und Personalgesetzänderungen bisher Erreichtes zunichte zu machen. In der Kritik der Gewerkschaften stehen auch die Schweizer
Gerichte. Bei der Behandlung von Lohngleichheitsklagen würden zentrale Errungenschaften der Gleichstellung wieder ausgehöhlt. So seien in jüngster Zeit diverse Klagen mit dem Argument abgeschmettert worden, das Gesetz des Marktes rechtfertige eine ungleiche Entlöhnung
[53].
Der Bund Schweizerischer Frauenorganisationen, der sein 100-jähriges Jubiläum feiern konnte, gab sich einen neuen Namen –
„alliance f“ – und beschloss, künftig das Schwergewicht auf die Entschärfung des Spannungsfeldes zwischen Familie und Beruf zu legen
[54].
Der Anteil der Frauen in der
Bundesverwaltung hat innert vier Jahren von 20,1% auf 23,3% zugenommen. Weiterhin stark untervertreten sind die Frauen in den Kaderpositionen, obgleich sie hier von 8,5% auf 11,7% zulegen konnten. In den obersten Lohnklassen sind gar nur 6,5% Frauen. Bei den Neueintretenden und den Auszubildenden beträgt der Frauenanteil 36,8% resp. 33,9%. Gemäss dem neusten Evaluationsbericht über die Gleichstellungsförderung beim Bund verfügen heute zwei Drittel der Organisationseinheiten über ein
Frauenförderungsprogramm [55].
Familienpolitik
Im Rahmen der Legislaturplanung 1999-2003 verabschiedete der Nationalrat mit 111 zu 69 Stimmen eine Richtlinienmotion, welche den Bundesrat beauftragen wollte, die
Rolle der Familien in der Gesellschaft zu bewahren und auszubauen. Dazu sollte die wirtschaftliche Eigenständigkeit durch die Berücksichtigung der wirklichen Kosten der Familien bei der Besteuerung gestärkt sowie alle politischen Entscheide und Erlasse einer gesetzlich verankerten
Familienverträglichkeitsprüfung unterzogen werden. Im Nationalrat beantragte der Bundesrat vergeblich mit dem Hinweis auf ein neu geschnürtes Steuerpaket sowie auf die Tätigkeit der (personell allerdings sehr knapp dotierten) Zentralstelle für Familienfragen Abschreibung des Vorstosses. Der Ständerat zeigte sich hingegen der Argumentation des Bundesrates zugänglich und strich den Vorstoss von der Traktandenliste
[56].
Das vom Finanzdepartement zur Entlastung der Familien präsentierte
Steuerpaket, fand die
SP völlig unzureichend, da es vor allem Familien der höheren Einkommensklassen begünstigen würde. Als weitaus wirksamere Familienpolitik schlugen verschiedene SP-Parlamentarier, in erster Linie die Zürcher Nationalrätin Fehr, einen ganzen Strauss von familienfreundlichen Massnahmen vor: einheitliche und höhere
Familienzulagen, wie sie die auf Eis gelegte parlamentarische Initiative von alt Nationalrätin Fankhauser (sp, BL) seit Jahren fordert,
Ergänzungsleistungen für minderbemittelte Familien nach dem Modell der EL in der AHV und IV, Befreiung der Kinder und Jugendlichen von den
Krankenkassenprämien, eine echte
Mutterschaftsversicherung sowie eine Anstossfinanzierung des Bundes zur Schaffung von
Kindertagesstätten [57]. Fehrs parlamentarische Initiative, die für finanzschwache Eltern mit Kindern im betreuungsbedürftigen Alter einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen einführen wollte, wurde ganz knapp mit 84 zu 83 Stimmen abgelehnt. Angenommen wurde hingegen ihr Postulat, mit welchem sie den Bundesrat bittet, in einem Bericht die Möglichkeiten einer Zertifizierung von Unternehmen aufzuzeigen, die eine familienfreundliche Unternehmenskultur fördern
[58].
Mit ihren Vorschlägen nahm die SP die wesentlichsten Ergebnisse einer Studie voraus, welche im Berichtsjahr im Auftrag der Eidgenössischen
Koordinationskommission für Familienfragen (EKFF) durchgeführt wurde. Erstmals wurden die Wirkungen des gegenwärtigen Systems des Familienlasten- und -leistungsausgleichs sowie alternative Szenarien systematisch analysiert. Aufgrund der Resultate dieser Studie sprach sich die EKFF für ein
Drei-Säulen-Modell des Ausgleichs aus. Das gegenwärtige System mit Steuerabzügen und Kinderzulagen soll einerseits verbessert werden und andererseits mit bundesrechtlichen Ergänzungsleistungen für bedürftige Familien (nach dem „Tessiner Modell“) vervollständigt werden
[59].
Die Sozialvorstände von 40 Schweizer Städten schlossen sich zur Initiative „Ja zur sozialen Sicherung“ zusammen. Handlungsbedarf sahen sie vor allem im Bereich der Familienarmut. Sie begrüssten deshalb die bundesrätlichen Modelle zur Reform der Familienbesteuerung, vertraten aber die Auffassung, dies könne nur ein Anfang sein. Es seien weitere Schritte notwendig, um die
strukturelle Familienarmut zu verhindern. Gefordert wurde ein gesamtschweizerisch vereinheitlichter Sockel der Kinderzulagen. Darüber hinaus müssten bedarfsabhängige ergänzende Kinderleistungen ausgerichtet werden, abgestimmt auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
[60].
An einer Tagung Ende Juni nahm sich die
FDP der Thematik „Familien und Erwerbsleben im Einklang“ an. Parteipräsident Steinegger erklärte, wirtschafts- und sozialpolitische Aspekte sprächen für die Schaffung von
Tagesbetreuungsstätten. Die FDP betonte aber die primäre Verantwortung der Familien. Der Staat habe die Infrastrukturen bereit zu stellen, die Finanzierung müsse hingegen in erster Linie auf privater Basis erfolgen. Die Partei will mit einer Muster-Motion in den Kantonsparlamenten Vorstösse zugunsten familienunterstützender Tagesstrukturen in der Volksschule initiieren
[61]. Unter dem Druck eines langsam austrocknenden Arbeitsmarktes entdeckte auch der Arbeitgeberverband die Vorteile einer familienfreundlicheren Politik. Mit einer Informationskampagne unter seinen Mitgliedern will er dafür sorgen, dass Familienpflichten und Beruf besser vereinbart werden können. Der Verband plädierte für mehr Kinderhorte und Blockzeiten an den Schulen
[62].
Die Förderung der
familienexternen Kinderbetreuung scheint umso sinnvoller zu sein, als daraus ein eindeutiger
volkswirtschaftlicher Gewinn entsteht. Eine im Auftrag des Sozialdepartements der Stadt Zürich erstellte Studie rechnete vor, dass für jeden Franken, der in Kindertagesstätten investiert wird, der vierfache Betrag an die Gesellschaft zurückfliesst. Die Untersuchung wies nach, dass Eltern, deren Kinder in Tagesstrukturen betreut werden, ihre Erwerbszeit wöchentlich zwischen sieben und 17 Stunden erhöhen können. Das führt zu einem Mehreinkommen von jährlich rund 44 Mio Fr. mit dem entsprechenden Steuerfluss. Zusätzlich leisten Eltern und Arbeitgeber höhere Beiträge von rund 10 Mio Fr. pro Jahr an die AHV und die berufliche Vorsorge. Die Steuerzahlenden profitieren davon, dass durch die berufliche Integration der Eltern die Kosten bei der Sozialhilfe gesenkt werden. Ein gutes Betreuungsangebot macht Gemeinden als Wohnort gerade für gut ausgebildete Eltern attraktiver und zieht zudem Firmen an, die immer wieder die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften als einen der wichtigsten Standortfaktoren bezeichnen
[63].
Mit einer parlamentarische Initiative verlangte Nationalrätin Teuscher (gp, BE) für alle Angestellten des Bundes einen
Elternurlaub, der sowohl Vätern wie Müttern zustünde und in Ergänzung zum Mutterschaftsurlaub bezogen werden könnte. Sie betrachtete ihren Vorstoss als Beitrag zur Förderung partnerschaftlicher Lösungen innerhalb der Familien. Auf Antrag der vorberatenden Kommission, welche geltend machte, derartige Lösungen seien nicht zu dekretieren, sondern von den Sozialpartnern auszuhandeln, wurde die Initiative mit 92 zu 59 Stimmen abgelehnt
[64].
Der Ständerat übernahm weitgehend die Vorschläge des Nationalrates zur Gleichstellung von Frau und Mann beim Familiennamen und beim Bürgerrecht. In einem wichtigen Punkt folgte er allerdings dem Bundesrat. Einstimmig beschloss er,
Doppelnamen weiter zuzulassen, um die Einheit der Familie zu unterstreichen. Zudem nahm er gegenüber dem Nationalrat eine Änderung beim Familiennamen der Kinder unverheirateter Paare vor. Diese sollen grundsätzlich den Namen der Mutter tragen; bei gemeinsam wahrgenommenem Sorgerecht sollen die Eltern auch den Namen des Vaters wählen dürfen
[65].
Im Berichtsjahr wurden mit 10 511 Scheidungen
nur halb so viele Ehen aufgelöst wie im Rekordjahr 1999 (20 809). Laut BFS war dafür nicht eine Verhaltensänderung, sondern das neue Scheidungsrecht verantwortlich. Dessen Inkrafttreten auf Anfang 2000 hat bei den Gerichten zu einer Verlängerung der Prozessdauer geführt, weshalb erst wenige Scheidungen nach neuem Recht durchgeführt wurden. Nach altem Recht hängige Scheidungen waren im Vorjahr von den Richtern im Eilzugstempo durchgezogen worden, um für 2000 möglichst reinen Tisch zu machen; der Höchststand von 1999 war zu 70% auf Scheidungen in den Monaten November und Dezember zurückzuführen
[66].
Der Bundesrat verabschiedete seine Botschaft zur
Volksinitiative „für Mutter und Kind – für den Schutz des ungeborenen Kindes und für die Hilfe an seine Mutter in Not“, die eine
äusserst restriktive Regelung der Schwangerschaftsabbruchs verlangt, der lediglich noch bei akuter Lebensgefahr für die Mutter erlaubt sein sollte. Er beantragte dem Parlament, die Initiative
ohne Gegenvorschlag abzulehnen. Er erklärte dazu, die Initiative, die praktisch ein Abtreibungsverbot in der Verfassung verankern würde, lasse die Veränderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse und Werte der letzten 30 Jahre ausser Acht. Zudem zeigte er sich überzeugt, dass das Parlament in der zur Debatte stehenden Frage der Fristenlösung ein mehrheitsfähiges Ergebnis vorlegen werde
[67].
Im Berichtsjahr nahm der
Ständerat die Beratung der 1993 eingereichten parlamentarischen Initiative Haering (sp, ZH) auf, welche einen straffreien Abbruch in den ersten 14 Wochen der Schwangerschaft verlangt, und die vom Nationalrat 1998 in diesem Sinn verabschiedet worden war. Neben einem Nichteintretensantrag Hofmann (svp, ZH) lag dem Plenum ein Antrag Schmid (svp, BE) auf
Rückweisung an die Kommission vor, um die parlamentarische Initiative koordiniert mit der Volksinitiative behandeln sowie noch offene Fragen zwischenzeitlich abklären resp. nach weiteren möglichen Lösungen suchen zu können. Nach längerer Diskussion, die sich vor allem um ethische Fragen drehte, und in der Epiney (cvp, VS) erneut das von seiner Partei favorisierte „Schutzmodell“ einer Fristenlösung innerhalb der ersten 12 Wochen mit obligatorischer Beratungspflicht durch eine staatliche Stelle ins Spiel brachte, wurde mit 35 zu 6 Stimmen zwar Eintreten beschlossen, aus Rücksicht gegenüber der CVP, die im Fall einer Ablehnung ihres Modells bereits offen mit dem Referendum drohte, aber der Rückweisungsantrag Schmid mit 25 zu 18 Stimmen angenommen
[68].
Die Rechtskommission des Ständerates ging daraufhin noch einmal über die Bücher. Sie hielt an ihrer liberalen Haltung (14 Wochen straffreier Abbruch) fest, schlug aber einen
Mittelweg zwischen den Beschlüssen des Nationalrates (Fristenlösung ohne Wenn und Aber) und dem CVP-Schutzmodell vor. Demnach sollte die Frau schriftlich eine körperliche oder seelische Notlage geltend machen, und die behandelnden Ärzte gesetzlich verpflichtet werden, die betroffenen Frauen eingehend auf die medizinischen Risiken und auf die bestehenden
Beratungsmöglichkeiten hinzuweisen; ein Zwang zur Beratung sollte aber nicht bestehen
[69]. In letzterem Punkt folgte die kleine Kammer mit 21 zu 19 Stimmen und gegen den erneut von Bundesrätin Metzler zum Ausdruck gebrachten Wunsch des Bundesrates, der sich bereits im Vorjahr für das Modell der CVP ausgesprochen hatte, ihrer Kommission. Im Entgegenkommen an die CVP fügte sie aber noch einige Verschärfungen ein. Der straffreie Schwangerschaftsabbruch soll nur in den ersten 12 Wochen erlaubt sein (Antrag Pfister, svp, SG), und die zu einem Abbruch berechtigten Stellen seien von den Kantonen zu bezeichnen (Antrag Schmid, svp, BE)
[70].
Um die Vorlage nicht zu gefährden, schwenkte der
Nationalrat teilweise auf die Ständeratslinie ein. Der Schwangerschaftsabbruch wird in den
ersten zwölf Wochen seit Beginn der letzten Periode
straffrei. Für den Abbruch braucht es eine
ärztliche, aber keine staatliche
Beratung. Für diesen Kompromiss setzte sich eine Koalition aus FDP, SP, LP und GP ein; der neuerliche Versuch der geschlossen auftretenden CVP, eine Mehrheit hinter ihr „Schutzmodell“ zu scharen, scheiterte mit 116 zu 40 Stimmen klar. Die Bedingung der schriftlich formulierten Geltendmachung einer Notlage lehnte der Nationalrat ebenso ab wie die Erstellung kantonaler Listen von Abtreibungskliniken
[71].
Mit einer Motion wollte die Rechtskommission des Ständerates den Bundesrat beauftragen, im Einvernehmen mit den Kantonen Massnahmen zu treffen, um dem medizinischen Personal das Recht einzuräumen, die
Mitwirkung an Schwangerschaftsabbrüchen aus ethischen Gründen zu verweigern. Der Bundesrat vertrat die Auffassung, persönliche religiöse und weltanschauliche Überzeugungen seien im Grundkatalog der Bundesverfassung weitgehend geschützt. Zudem liege das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis, dem die meisten Medizinalpersonen in den Spitälern unterstellt sind, in der Kompetenz der Kantone. Auf seinen Antrag wurde der Vorstoss nur als Postulat überwiesen
[72].
Das Bundesamt für Sozialversicherung erklärte die verschärft rezeptpflichtige Abtreibungspille
Mifegyne auf den 1.12.2000 für
kassenpflichtig. Der Verein „Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind“, der sich mit allen Mitteln gegen die Zulassung dieser medikamentösen Form des Schwangerschaftsabbruchs gewehrt hatte, erklärte, er werde nun mit kantonalen Beschwerden weiter gegen Vertrieb und Anwendung des Medikaments ankämpfen. Ein erster Rekurs wurde im November im Kanton St. Gallen eingereicht
[73].
Der Bundesrat nahm Kenntnis von den Antworten auf seine Vernehmlassung zur
rechtlichen Besserstellung gleichgeschlechtlicher Paare. Mit Ausnahme von EDU und EVP bejahten alle Parteien einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf, ebenso alle Kantone ausser dem Thurgau. Über die konkrete Umsetzung gingen die Meinungen allerdings auseinander. Wenn sich auch eine deutliche Mehrheit für eine registrierte Partnerschaft aussprach (und nicht für die ebenfalls zur Diskussion stehende obligationenrechtliche Lösung), so spaltete die Frage, ob es sich dabei um eine Partnerschaft mit relativ eigenständigen oder über eine mit weitgehend ehelichen Wirkungen handeln soll, die Vernehmlassungsteilnehmer in zwei ungefähr gleich grosse Lager. Der Bundesrat entschied sich für die erste Variante, da sie rechtlich präziser gefasst werden könne; bei einer eheähnlichen Partnerschaft wären die Abgrenzungen zum Institut der Ehe schwierig. Eingeführt werden soll damit ein neues Rechtsinstrument, das homosexuellen Paaren sowohl eine
staatliche Anerkennung als auch eine rechtliche Absicherung ihrer Beziehung ermöglicht. Im Vorentwurf für das Gesetz sollen Regelungen im Erb-, Sozialversicherungs- und Steuerrecht ausgearbeitet werden. Als besonders heikel dürfte sich die Frage des Aufenthaltsstatus für ausländische Partner erweisen. Das Gesetz soll aber auch klare Schranken setzen. So soll etwa die gemeinsame Adoption von Kindern durch schwule Paare ebenso ausgeschlossen werden wie der Zugang lesbischer Partnerschaften zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung. Die Verbände der Schwulen und Lesben zeigten sich einerseits erfreut darüber, dass nun erste Schritte zur rechtlichen Besserstellung getan werden, andererseits aber enttäuscht darüber, dass die vorgeschlagene Lösung eher in die Richtung von Sonderregelungen, denn von gleichen Rechten gehe
[74].
Kinder- und Jugendpolitik
Aufgrund der die Kinder- und Jugendlichen betreffenden Artikel in der neuen Bundesverfassung (Art. 11, 41 und 67) schlug die
Eidgenössische Kommission für Jugendfragen (EKJ) die Einrichtung einer Stabsstelle zur Koordination der kinder- und jugendpolitischen Aktivitäten sowie eine
Jugendverträglichkeitsprüfung bei Gesetzesentwürfen vor. In ihrem Bericht zuhanden des Bundesrates bemängelte die EKJ, dass auf eidgenössischer Ebene ein klares, zielgerichtetes und bedarfsgerechtes Konzept für eine Kinder- und Jugendpolitik fehlt, da das Thema beinahe alle Departemente betrifft, aber keine Verwaltungsstelle ausdrücklich dafür zuständig ist. Die Koordination und Zusammenarbeit der zuständigen Stellen in der Bundesverwaltung, aber auch zwischen Bund und Kantonen, den Gemeinwesen und den Nicht-Regierungsorganisationen müsse dringend verbessert werden
[75]. Diese Forderungen gingen der
Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV) zu wenig weit. Sie möchte Kantone und Gemeinden zu einer aktiven Kinder- und Jugendpolitik verpflichten und verlangte zu diesem Zweck die Schaffung eines
Rahmengesetzes. Sie argumentierte, ohne Gesetz sei ein Verfassungsartikel nutzlos, wie die Mutterschaftsversicherung zeige. Anders als die EKJ, die ihre Kompetenzen auf die Kinder ausweiten möchte, ist die SAJV aber der Ansicht, Kinder- und Jugendpolitik seien unterschiedliche Bereiche, die nicht vermengt werden sollten
[76].
Einstimmig genehmigten beide Kammern die
Ratifizierung des Haager Abkommens über den Schutz von Kindern sowie das zu seiner Umsetzung notwendige Bundesgesetz. Damit werden
Adoptivkinder aus dem Ausland rechtlich besser geschützt. Insbesondere soll damit sicher gestellt werden, dass die Freigabe zur Adoption im Herkunftsland korrekt abgewickelt (Abkommen) und alle Adoptionen nach den gleichen Kriterien vorgenommen werden (Bundesgesetz); zudem wird ausländischen Kindern, deren Adoption gescheitert ist, ein eigenständiges Aufenthaltsrecht in der Schweiz zugestanden
[77] Nach dem Ständerat im Vorjahr stimmte auch der Nationalrat oppositionslos der Ratifikation des Abkommens 182 der Internationalen Arbeitsorganisation (
ILO) zur Beseitigung der
schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu. Gleichzeitig nahm er die dafür notwendige Änderung von
Art. 82 des Militärgesetzes vor
[78].
Alterspolitik
Zu Beginn des Berichtsjahres wurde das
Nationale Forschungsprogramm „Alter“ (NFP32) offiziell abgeschlossen. Das Programm war 1992 lanciert worden, umfasste 28 Einzelprojekte und war mit 12 Mio Fr. dotiert. Das generelle Fazit dieser Studien lautete, dass es den Betagten sowohl
in materieller als auch
gesundheitlicher Hinsicht heute deutlich
besser geht als vor 20 Jahren. Von einer generellen Vereinsamung kann ebenfalls keine Rede sein. Trotz der komfortableren Situation vor allem der jüngeren Rentnergeneration leben aber viele Hochbetagte noch immer unter schwierigen Bedingungen
[79].
Gemäss einem Bericht des BFS sind ältere Menschen in der Schweiz
weniger oft das Opfer von Gewalt (4%) als die übrige Bevölkerung (9%). Deutlich ausgeprägter als die Häufigkeit der Delikte ist das subjektive Gefühl der Bedrohung. Jede vierte ältere Person befürchtet einen Einbruch oder Diebstahl, jede fünfte einen Raubüberfall. Die Statistik widerlegte auch eine weitere weit verbreitete Annahme, nämlich dass im Alter seelisch bedingte Erkrankungen zunehmen. Während sich nur knapp die Hälfte der Gesamtbevölkerung eines hohen psychischen Wohlbefindens erfreut, sind es bei den Seniorinnen und Senioren 62%
[80].
Behinderte
Der Bundesrat beschloss, der
Volksinitiative „Gleiche Rechte für Behinderte“ sowie zwei parlamentarischen Vorstössen einen indirekten Gegenvorschlag
entgegen zu stellen. Das
neue Behindertengesetz, das Mitte Jahr in die Vernehmlassung ging, konkretisiert die von der revidierten Verfassung geforderte Beseitigung der Benachteiligungen im öffentlichen Leben. Da der einklagbare subjektive Anspruch auf Zugang zu den Rechten in den Bereichen öffentlicher Verkehr, Bauten, Fernsehen, Telefondienstleistungen, Bildung und Arbeit in einer ersten Konsultation von der Wirtschaft und den bürgerlichen Parteien wegen der unklaren Folgekosten abgelehnt worden war, stellte der Bundesrat je eine Variante mit und ohne diesen Rechtsanspruch zur Diskussion
[81]. Die Schaffung eines Gesetzes zur Gleichstellung von behinderten mit nicht behinderten Menschen wurde auf breiter Ebene begrüsst. Die SP und die Behindertenverbände erachteten allerdings die vorgeschlagenen Massnahmen als zu wenig weit gehend, da insbesondere die Bereiche Schule und Arbeit zu wenig konkret formuliert seien. Die bürgerlichen Parteien wiesen erneut auf finanziell unklaren Folgen für allfällige Um- oder Neubauten hin
[82].
Im Dezember verabschiedete der Bundesrat seine Botschaft zum
Gesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen behinderter Menschen. Es trägt den in der Vernehmlassung ausgedrückten Bedenken insofern Rechnung, als die Invaliden ein
Beschwerde- und Klagerecht erhalten. Die Behindertenverbände reagierten verhalten auf die bundesrätlichen Vorschläge. Das Gesetz gehe zwar in die richtige Richtung, aber es genüge noch nicht. Insbesondere die Bereiche Arbeit (lediglich Förderung der Anstellung von Behinderten in der Bundesverwaltung) und Schule (nur Aufforderung an die Kantone, behinderten Kindern und Jugendlichen eine den Bedürfnissen angepasste Grundschulung zu gewährleisten) seien praktisch ganz ausgeklammert geblieben. Als besonders störend empfanden die Behinderten, dass das Gesetz für die Anpassungen in den öffentlichen Bauten und im öffentlichen Verkehr eine
Übergangsfrist von 20 Jahren vorsieht, und dass der Abbau von Hürden nur zwingend vorgeschrieben wird, wenn der wirtschaftliche Aufwand vertretbar ist. Wegen dieser Mängel wollen die Verbände an ihrer Initiative festhalten
[83].
Die 15 wichtigsten
Organisationen der privaten Behindertenhilfe, zusammengeschlossen in der Dachorganisatoren-Konferenz DOK, legten Anfangs September einen
eigenen Gesetzesentwurf zur Gleichstellung der Invaliden vor. Ständerat Brändli (svp, GR) erklärte als Präsident der Pro Infirmis Schweiz, der Gesetzesentwurf des Bundesrates werde dem umfassenden Anspruch auf Gleichstellung in allen Lebensbereichen nicht gerecht. So seien die Bestimmungen, die den Zugang zu öffentlichen Gebäuden regelten, zum Teil weniger verbindlich gefasst als in kantonalen Baugesetzen. Auch seien keine Anreize und Lenkungsabgaben für die Eingliederung der Behinderten in die Privatwirtschaft vorgesehen. Die DOK verlangte, dass innert zehn Jahren alle von der Allgemeinheit genutzten Bauten und Anlagen, wie Verwaltungsgebäude, Spitäler, Kirchen, Kinos oder Restaurants, behindertengerecht ausgestattet und somit für alle zugänglich sind. Die DOK beharrte auf dem Prinzip eines subjektiven Rechtsanspruchs. Sie forderte zudem ein Verbandsbeschwerderecht und einen eidgenössischen Beauftragten für die Behindertengleichstellung
[84].
Der Ständerat lehnte eine 1996 vom Nationalrat genehmigte parlamentarische Initiative Suter (fdp, BE) ab, die den entsprechenden Artikel in der Bundesverfassung (Art. 8 Abs.2) griffiger formulieren und insbesondere einen
direkt einklagbaren Anspruch einführen wollte. Hingegen überwies er eine Motion Gross (sp, TG), die den Bundesrat auffordert, den Verfassungsartikel zügig in einem Gesetz umzusetzen
[85].
Im Vorjahr hatte der Nationalrat gegen den Willen des Bundesrates, der Überweisung in Postulatsform beantragt hatte, eine Motion seiner SGK zur Erstellung einer
Behindertenstatistik sowie eine Motion Borel (sp, NE) für einen erleichterten Zugang von Behinderten zur
Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge angenommen. Der Ständerat folgte dem Bundesrat und nahm die beiden Vorstösse nur als Postulate an
[86].
Weiterführende Literatur
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Berset, Alain / Weygolg, Serge-Alexandre e.a., „Die ausländischen Arbeitskräfte in der Schweiz“, in Die Volkswirtschaft, 2000, Nr. 11, S. 44-47.
Coulon, Augustin de, Four essays on the labours market assimilation of immigrants in Switzerland = L'assimiliation des immigrants sur le marché du travail en Suisse, s.l. 1999.
Eidgenössische Ausländerkommission (EKA), Die Integration der Migrantinnen und Migranten in der Schweiz: Fakten, Handlungsbereiche, Postulate, Bern (Sekretariat EKA) 1999.
Kälin, Walter, Grundrechte im Kulturkonflikt. Freiheit und Gleichheit in der Einwanderungsgesellschaft, Zürich 2000.
Kronig, Winfried / Haeberlin, Urs / Eckhart, Michael, Immigrantenkinder und schulische Selektion, Bern (Haupt) 2000.
Ochsner, Peter E. e. a. (Hg.), Vom Störfall zum Normalfall. Kulturelle Vielfalt in der Schule, Chur 2000.
Stolz, Jürg, Soziologie der Fremdenfeindlichkeit, Frankfurt 2000.
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Wottreng, Willi, Ein einzig Volk von Immigranten. Die Geschichte der Einwanderung in der Schweiz, Zürich 2000.
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Unabhängige Expertenkommission Schweiz-Zweiter Weltkrieg (Hg.), Roma, Sinti und Jenische. Schweizerische Zigeunerpolitik zur Zeit des Nationalsozialismus, Bern (EDMZ) 2000.
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Changement social et rapports entre hommes et femmes: la question de l’égalité en Suisse, Lausanne 2000.
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Die Sache der Frauen: OFRA und die Frauenbewegung in der Schweiz, Zürich 2000.
Politische Vertretung
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Am Anfang die Anfrage. Karriereverläufe und Aufstiegsmuster von Berner Grossrätinnen und Grossräten, Bern (Kant. Drucksachenversand) 2000.
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Aebischer, Ursula, Finanzierung von Alterspflegeheimen aus ökonomischer und sozialpolitischer Sicht, Bern 2000.
Kontinuität und Wandel: Altern im 21. Jahrhundert, Bern (Zieglerspital) 2000.
Lalive d’Epiney, Christian (éd.), Vieillesses au fil du temps. Une révolution tranquille, Lausanne 2000.
Sigg, Roland, „Une sécurité sociale pour tous les âges. Réflexions en marge de l’Année internationale des personnes âgées“, in Cahiers genevois et romands de sécurité sociale, 2000, S. 47-60.
[1]
AB NR, 2000, S. 843.1
[2] Presse vom 6.7.00. Gemäss Personenfreizügigkeitsabkommen kann die Schweiz nach dessen Inkrafttreten noch während 5 Jahren Kontingente festlegen; geeinigt hat man sich auf 15 000 Einheiten für Dauer- und 115 000 für Kurzaufenthalter. Zu einem Problem könnten allenfalls bereits illegal in der Schweiz anwesende Schwarzarbeitende werden: In der EU verletzen sie lediglich eine „Meldepflicht“ und können deshalb bei ihrer Entdeckung den Antrag auf Legalisierung ihres Aufenthalts stellen, während sie nach geltendem schweizerischen Recht ausgewiesen werden (
SHZ, 13.12.00).2
[3] Presse vom 15.11.00.3
[4]
AB NR, 2000, S. 676, 1180 und 1599. Vgl.
SPJ 1999, S.285.4
[5] Presse vom 21.1.01. Ende Juni 2000, im Zeitpunkt des saisonalen Höchststandes der Arbeit waren 966 000 Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz beschäftigt, 10 000 mehr als im Vorjahr, aber immer noch 95 000 weniger als 1991, dem letzten Jahr vor dem Konjunktureinbruch.5
[7] Presse vom 13.7.-23.9.00. Siehe auch: „Der Schweizerische Arbeitmarkt – ein wachstumslimitierender Faktor?“, in
Credit Suisse, Economy Briefing, Nr. 19, September 2000 (längerfristige Auswirkungen einer Annahme der Initiative auf die Schweizer Wirtschaft). Vgl.
SPJ 1999, S. 287.7
[8]
BBl, 2001, S. 183 ff.; Presse vom 25.9.00.8
[9] Presse vom 11.11.00. Zur erleichterten Einbürgerung von Ausländern der zweiten und dritten Generation, die Metzler in diesem Zusammenhang ebenfalls ansprach, siehe oben, Teil I, 1b (Bürgerrecht und Stimmrecht).9
[10] Ballmer-Cao, Than-Huyen e. a.,
Analyse der eidgenössischen Abstimmungen vom 24. September 2000, Vox Nr. 71, Genf 2000. Vgl.
SPJ 1988, S. 211 ff. 10
[11]
AB NR, 2000, S. 841 und 1052. 11
[12] Presse vom 29.7.00. Siehe dazu auch die Antwort des BR auf eine Interpellation Hess, fdp, OW (
AB SR, 2000, S. 44 ff.). 12
[13]
AB NR, 2000, S. 803 f.;
AB SR, 2000, S. 657. Zu ersten Ergebnissen des NFP 39 „Migration und interkulturelle Beziehungen“ siehe
Bund, 27.5.00. 13
[14]
AB NR, 2000, S. 841. 14
[15] Presse vom 13.1., 14.1. und 28.1.00. Siehe
SPJ 1998, S. 280 und
1999, S. 288 f. 15
[16] Presse vom 3.2.00;
LT, 16.3.00.
Bund, 18.3.00 (Interview Simmen). Siehe dazu die Antwort auf eine Interpellation Brunner (sp, GE) (
AB SR, 2000, S. 272 f.). Ein Postulat Zisyadis mit der Anregung, die EKA vom EJPD ins EDI zu transferieren, wurde auf Antrag des BR abgelehnt (
AB NR, 2000, S. 1604). 16
[17] Siehe
SPJ 1999, S. 288 f. 17
[18]
Lit. Eidgenössische; Presse vom 28.3.00. Der NR nahm eine Motion des nicht mehr dem Rat angehörenden Aargauers Bircher (cvp) zur Förderung der Sprachschulung als Postulat an. Der Vorstoss entsprach einer im Vorjahr vom NR angenommenen Motion von alt SR Simmen (cvp, SO):
AB NR, 2000, S. 674 ff. Siehe
SPJ 1999, S. 289 f. 18
[19] Presse vom 20.6.00. Das Forum wurde im November gegründet, wird aber erst Ende 2001 seinen Betrieb aufnehmen (
CdT, 13.11.00). 19
[20]
NZZ, 14.7.00; Presse vom 8.9.00. 20
[21] Presse vom 14.9. und 24.11.00. Mit einer Motion wollte die SP-Fraktion den BR verpflichten, eine landesweite Informationskampagne zur Ausländerintegration zu finanzieren. Der Vorstoss wurde als Postulat überwiesen (
AB NR, 2000, S. 448). 21
[22]
AB NR, 2000, S. 482 f. 22
[23] Presse vom 17.1.01. Der Erfolg, den die Rückkehrhilfe im Fall von Kosovo zeitigte, bewog die Bundesbehörden zur Lancierung weiterer Programme. Für sechs Länder (Türkei, Irak, Eritrea, Somalia, Äthiopien und Sri Lanka) wurden in Zusammenarbeit mit der Deza und in engem Kontakt mit den Herkunftsländern Rückkehrhilfe-Programme ausgearbeitet. Für sieben weitere Regionen (Jugoslawien, Iran, Kongo, Angola, Maghreb, Kaukasus, Vietnam) wurden Machbarkeitsstudien in Angriff genommen (Presse vom 17.1.01). 23
[24] Presse vom 2.3.00. Indirekt werden bis zu 16 000 Personen von der Aktion profitieren, da die vorläufige Aufnahme mit dem Recht auf Familiennachzug verbunden ist. Zum Familiennachzug siehe auch die Stellungnahme des BR zu einer abgelehnten Motion Baumann (svp, TG), der diesen stark einschränken wollte (
AB NR, 2000, S. 1182 f.). Mit einer Motion wollte NR Suter (fdp, BE) erreichen, dass gegenüber Saisonniers, die vor 1992 eingereist sind, in erster Linie Personen aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens, ähnlich grosszügig verfahren wird. Der BR erklärte, eine praktisch automatische Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach einer gewissen Anzahl von Jahren, könne – anders als im alten Saisonnierstatut – nicht mehr zur Diskussion stehen. Auf seinen Antrag wurde die Motion mit 67 zu 61 Stimmen abgelehnt (
a.a.O., S. 674 ff.). 24
[25] Presse vom 4.7.00. Siehe
SPJ 1999, S. 292. 25
[26]
BBl, 2000, S. 6233 f.; Presse vom 14.11.00. Siehe
SPJ 1999, S. 291 f. Vor der Einreichung war es zu Unregelmässigkeiten bei der Unterschriftensammlung sowie zu Strafklagen von Privatpersonen aufgrund der Antirassismusstrafnorm gekommen (
NZZ, 10.7.00;
NLZ, 22.7.00). 26
[27] Presse vom 10.3.00. 27
[28]
AB SR, 2000, S. 270 ff.;
AB NR, 2000, S. 1185 f. Zur Drittstaatenregelung siehe auch die Antwort des BR auf eine Frage Heberlein (fdp, ZH) in
AB NR, 2000, S. 315. 28
[29]
AB SR, 2000, S. 54 ff. 29
[30]
AB NR, 2000, S. 1041 ff. (Standesinitiative) und 1047 (Motion). Siehe
SPJ 1999, S. 299. 30
[31]
AB SR, 2000, S. 916 f. 31
[32] Presse vom 16.2.00. Eine raschere Abwicklung des Asylverfahrens verlangte auch eine als Postulat überwiesene Motion der FDP-Fraktion (
AB NR, 2000, S. 1185 f.). 32
[33]
NZZ, 29.1.00; Presse vom 15.6.00. Eine Motion Eymann (lp, BS) sowie ein Postulat Aeppli (sp, ZH), welche die Aufhebung des Arbeitsverbots verlangten, wurden daraufhin zurückgezogen (
AB NR, 2000, S. 669 f.). 33
[34]
AB NR, 2000, S. 1186 f. Siehe auch die Antwort des BR auf eine Frage Fehr in der Fragestunde der Herbstsession (
a.a.O., S. 1059 f.);
NLZ, 28.4.00 (Vorwürfe Fehr). Eine Motion Mathys (svp, AG), die zur Straffung des Asylverfahrens Korrekturen bei den Rekursmöglichkeiten verlangte, wurde ebenfalls abgelehnt (
AB NR, 2000, S. 1193). Siehe
SPJ 1999, S. 295. 34
[35]
NZZ, 20.1. und 28.4.00;
BaZ, 9.3.00. Siehe
SPJ 1999, S. 293. 35
[36]
TA, 22.2.00;
Bund, 27.9.00;
NZZ, 28.9.00. 36
[37] Presse vom 1.3., 8.4. und 13.4.00;
NZZ, 22.3.00. 37
[39] Presse vom 5.5., 31.5. und 18.8.00. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe hielt die Rückreise in den Kosovo für zumutbar: für Familien, die seit mehr als vier Jahren in der Schweiz leben und deren Kinder eingeschult sind, verlangte sie ein verlängertes Bleiberecht (Presse vom 15.3.00). In seiner Antwort auf eine Interpellation Beerli (fdp, BE) erklärte der BR, eingeschulte Kinder sollten das Schuljahr beenden können, aber spätestens vor Beginn des neuen Schuljahres ausreisen (
AB SR, 2000, S. 204 f.). 39
[40] Presse vom 24.11. und 30.11.00. 40
[41] Presse vom 31.10.00. 41
[42]
Lit. Unabhängige; Presse vom 2.12.00. Siehe
SPJ 1998, S. 290 f. 42
[43]
AB NR, 2000, S. 449. 43
[44] Geschäft 00.3604;
Bund, 18.12.00.44
[45]
AB NR, 2000, S. 1598. 45
[46]
AB NR, 2000, S. 803 ff. Vgl.
SPJ 1999, S. 300. Für die Frauenförderung des Bundes auf Universitätsebene siehe unten, Teil I, 8a (Hochschulen). 46
[47]
AB NR, 2000, S. 57 f. 47
[48]
AB NR, 2000, S. 449. Siehe
SPJ 1997, S. 292. 48
[49]
AB NR, 2000, S. 814 f. Siehe
SPJ 1996, S. 278. 49
[50]
Lit. Meuli / Ladner. 50
[51]
NZZ, 15.11.00; Presse vom 12.2.00. Die Untersuchung wird insofern relativiert, als für die Erfassung als Teilzeitbeschäftigungen bereits Tätigkeiten ab mindestens einer Stunde pro Woche erfasst wurden. 51
[52] Presse vom 8.3.00. Details unter www.statistik.admin.ch. Zu Lohndifferenzen, die auf geschlechtsspezifischen Stereotypen beruhen, vgl.
Lit. Fried e. a. Auch die oftmals zur Begründung der Lohndifferenzen beschworene höhere Absenz der Frauen vom Arbeitsplatz hält einer Überprüfung durch das BFS nicht statt. Die familienbedingte Abwesenheit der Frauen fällt für die Unternehmen weit weniger ins Gewicht als die Militärdienstperioden der Männer (
LT, 14.4.00). 52
[53]
NZZ, 18.5.00; Presse vom 14.6.00;
WoZ, 22.6.00;
SGT, 4.8.00. 53
[54]
NZZ, 20.5.00;
AZ, 23.9.00. 54
[56]
AB NR, 2000, S. 803 ff.;
AB SR, 2000, S. 656. Zu den geplanten steuerlichen Entlastungen für Familien siehe oben, Teil I, 5 (Direkte Steuern). 56
[57]
Lit. Bauer / Fehr / Sax; Presse vom 27.7.00;
NZZ, 1.9.00 (Fehr). Zur Pa.Iv. Fankhauser siehe
BBl, 1999, S. 3220 ff. (Bericht Kommission) und 2000, S. 4784 ff. (BR). Vgl.
SPJ 1991, S. 253. Zur Mutterschaftsversicherung siehe oben, Teil I, 7c (Mutterschaftsversicherung). 57
[58]
AB NR, 2000, S. 822 ff. und 1602. 58
[59]
Lit. Bauer / Streuli und
Lit. Die Leistungen;
CHSS, 2000, S. 278 ff.; Presse vom 17.10.00. Zur Erhöhung der Familienzulagen siehe auch
CHSS, 2000, S. 211 ff. Für das „Tessiner Modell“ vgl.
SPJ 1994, S. 241 f. 59
[60] Presse vom 4.7.00. 60
[61] Presse vom 26.6.00. 61
[62]
TA, 16.12.00;
NZZ, 18
.12.00;
SGT, 20.12.00. 62
[63]
Lit. Müller Kucera / Bauer. Im Kanton Wallis verpflichtete der Grosse Rat die Gemeinden, für Kinder von 0-12 Jahren Kindertagesstätten einzurichten (
LT, 24.5.00). 63
[64]
AB NR, 2000, S. 504 ff. 64
[65]
AB
SR, 2000, S. 554 ff. Siehe
SPJ 1999, S. 302.65
[66] Presse vom 26.7.01. 66
[67]
BBl, 2001, S. 675 ff. Siehe
SPJ 1999, S. 303. 67
[68]
AB SR, 2000, S. 406 ff. Vgl.
SPJ 1998, S. 295 f. Für die Referendumsdrohungen der CVP siehe insbesondere:
LT, 9.6.00;
SGT, 14.6.00;
NZZ, 19.6.00. 68
[69] Presse vom 12.9.00. 69
[70]
AB NR, 2000, S. 533 ff. 70
[71]
AB NR, 2000, S. 1425 ff. 71
[72]
AB SR, 2000, S. 757. 72
[73] Presse vom 3.2.00;
NZZ, 9.11., 13.11. und 15.11.00. Beide Parlamentskammern nahmen eine Petition der Schweizerischen Vereinigung Ja zum Leben, die ein Verbot von Mifegyne verlangte, zur Kenntnis, gaben ihr aber keine Folge (
AB NR, 2000, S. 838;
AB SR, 2000, S. 939). 73
[74] Presse vom 5.1.00 (Vernehmlassung) und 26.10.00 (BR);
Bund, 13.6.00 (Meinungsbildung in den Parteien). 74
[75]
Lit
. Eidg. Kommission; Presse vom 19.4.00. Zur Forderung nach Stimm- und Wahlrechtsalter 16 resp. zur Reform des Jugendstrafrechts siehe oben, Teil I, 1b (Bürgerrecht und Stimmrecht resp. Strafrecht).75
[76]
Lit. Schweiz. Arbeitsgemeinschaft; Presse vom 25.10.00. 76
[77]
AB SR, 2000, S. 195 ff.;
AB NR, 2000, S. 1025 ff. und 1447 ff. Zum Schutz der Kinder vor Missbrauch siehe oben, Teil I, 1b (Strafrecht). 77
[78]
AB NR, 2000, S. 136 und 462;
AB SR, 2000, S. 228. Siehe
SPJ 1999, S. 304.78
[79]
Lit. Lalive d’Epinay; Presse vom 13.1.00. Siehe
SPJ 1999, S. 305. 79
[80] Presse vom 23.8.00. 80
[81] Presse vom 11.2. und 6.6.00. Siehe
SPJ 1999, S. 306. 81
[83]
BBl, 2001, S. 1715 ff.; Presse vom 12.12.00. Die Behindertenverbände reagierten empört auf die Ankündigung der SBB, in den Regionalzügen keine Rollstuhltransporte mehr anzubieten und die Anmeldefrist für Transporte von einer auf zwei Stunden auszudehnen (Presse vom 31.3.00;
Baz, 9.4.00;
NZZ, 13.4.00;
24h, 15.12.00). 83
[84] Presse vom 5.9.00. 84
[85]
AB NR, 2000, S. 269 f. Siehe
SPJ 1996, S. 288,
1998, S. 298 f. und
1999, S. 306. 85
[86]
AB SR, 2000, S. 108 f. Siehe
SPJ 1999, S. 305 f. 86