Saurer Regen als (Mit-)Ursache für das Waldsterben

Dass die Zerstörung der Umwelt nicht vor Landesgrenzen haltmacht und eine wirksame Ursachenbekämpfung deshalb in internationalem Rahmen erfolgen muss, verdeutlicht in drastischer Weise das weltweit auftretende Absterben von Nadelwäldern. Herbeigeführt werden diese Schäden mit grosser Wahrscheinlichkeit durch die Luftverunreinigung, wobei den schwefeldioxid- und stickstoffdioxidhaltigen Niederschlägen (sogenannter saurer Regen) eine besonders wichtige Rolle zugewiesen wird. Die Schadstoffe entstehen vor allem bei der Verbrennung von Erdöl oder Kohle in Kraftwerken, im Verkehr und zu Heizzwecken. Sie werden in der Luft zum Teil über weite Strecken transportiert und fern von ihrem Erzeugungsort abgelagert. Der Bundesrat beantragt dem Parlament die Ratifizierung eines 1979 in Genf vereinbarten internationalen Abkommens, dessen Ziel es ist, die Erforschung dieses Phänomens koordiniert voranzutreiben; der Erlass von für alle Staaten gültigen Emissionsgrenzwerten ist hingegen einstweilen nicht vorgesehen.

Aufgrund einer 1979 abgeschlossenen Konvention zur weiträumigen Bekämpfung des Sauren Regens nahm die UNO-Wirtschaftskommission für Europa Mitte Jahr ihre Arbeit auf. Die Schweiz, welche die Übereinkunft anfangs 1983 ratifiziert hatte, verlangte gemeinsam mit der deutschen Bundesrepublik (BRD), Österreich und den nordischen Staaten eine Reduktion wichtiger Schadstoffe um 30% in den nächsten 10 Jahren. Die Forderung fand jedoch nur in abgeschwächter und nichtverbindlicher Form Aufnahme ins Vertragswerk. Vor allem die Furcht vor Auswirkungen auf die Wirtschaftslage war für die Zurückhaltung in einigen west- und osteuropäischen Delegationen verantwortlich. Im Nationalrat wurde eine von Doris Morf (sp, ZH) eingereichte Motion zur weiteren Erforschung des Sauren Regens und zur Festlegung verbindlicher Grenzwerte auf bilateralem Wege gutgeheissen.

Auch in speziellen Bereichen der Umweltproblematik kündigten sich im Berichtsjahr neue Entwicklungen an. Als bedenkliche Folge der Luftverschmutzung erregte der «Saure Regen» die öffentliche Aufmerksamkeit. Durch Verbrennung von Öl und Kohle zu Heizzwecken, in der Industrie und im Verkehr wird unter anderem Schwedeldioxid als primärer Schadstoff produziert, der in der Luft durch fotochemische Prozesse umgewandelt wird. Teilweise durch nasse, teilweise durch trockene Ablagerungsprozesse werden die sekundären Schadstoffe aus der Luft ausgeschieden und können als Saurer Regen auf die Erde fallen. Zu den wichtigsten Schäden des Sauren Regens gehören die Übersäuerung von Böden und Gewässern, die Korrosion von Metallen und möglicherweise auch das Waldsterben. Weil der Umwandlungsprozess jedoch nur langsam abläuft, verteilen sich die Emissionen räumlich und sind die Auswirkungen nicht regional beschränkt. Veröffentlichte Schätzungen ergaben, dass ein grosser Teil der Schwefelverbindungen in den Niederschlägen der Schweiz aus den umliegenden Industriestaaten stammt. Wirkungsvolle Bekämpfungsmassnahmen mussten demnach grenzüberschreitend angestrebt werden.

Waldsterben als gegenwärtig bedeutendste Umweltbedrohung (1983)

Zeitlich und räumlich gehäuftes, beschleunigtes Absterben von Weiss- und Rottannen sowie von Föhren waren 1983 ein deutliches Zeichen dafür, dass das Waldsterben als gegenwärtig bedeutendste Umweltbedrohung auch die Schweiz erfasst hat. Besonders in den Kantonen des Mittellandes kannte der Prozess eine dramatische Beschleunigung. Innert Jahresfrist waren 25 Prozent der Weisstannen eingegangen und je nach Baumart und Region bis zur Hälfte der Bäume von Krankheiten befallen worden. Auch in einigen Alpentälern musste ein schlechter Zustand bei Schutzwäldern beklagt werden. Ende Jahr waren gesamtschweizerisch vier Prozent der rund 250 Mio. Bäume absterbend; weitere 14 Prozent waren angeschlagen.

Selbst Sachverständige waren vom Ausmass des Waldsterbens überrascht. Erste Ursachenanalysen ergaben mehrheitlich, dass die Krankheit nicht primär auf einen Befall durch Parasiten wie den Borkenkäfer zurückgeführt werden kann. Bekannte und epidemische Infektionserscheinungen erwiesen sich ebensowenig wie grossklimatische Veränderungen als erklärungskräftig. Die Eidgenössische Anstalt für das forstliche Versuchswesen wie auch das Bundesamt für Forstwesen lokalisierten den zentralen Grund in der verschlechterten Luft-, Wasser- und Bodenzusammensetzung und fassten das Waldsterben als Reaktion des Ökosystems auf die veränderten Lebensgrundlagen auf. Die grösste Gefahr wurde in der Destabilisierung des natürlichen Gleichgewichts vermutet, weil diese durch Rückkoppelung verstärkt wird. Von ihr werden in Zukunft nicht nur der Wald, sondern auch die ganze Pflanzen- und Tierwelt sowie die Holzwirtschaft betroffen sein.

Dringliche Interpellationen zum Waldsterben, Beginn Sanasilva-Bericht

Dossier: Sanasilva Bericht 1984-2002

An möglichen politischen Massnahmen gegen das Waldsterben wurden vorerst die Verminderung von Schadstoffen in der Luft, die Erschliessung und Aufforstung geschädigter Wälder sowie eine umfassende wissenschaftliche Beobachtung und Analyse der Krankheitssymptome genannt. Im Nationalrat fand kurz vor Ende der Legislaturperiode eine ausführliche Debatte zum Waldsterben statt, in deren Verlauf nicht weniger als 17 persönliche Vorstösse begründet wurden. Schliesslich wurden Motionen der SVP- und der CVP-Fraktion für eine bessere Erfassung der Wälder respektive eine laufende Berichterstattung über die Schäden überwiesen. Noch im Berichtsjahr wurde an den Arbeiten für die landesweite Waldbeobachtung unter dem Namen «Sanasilva» begonnen. Als Antwort auf das beängstigende Phänomen stellte Bundesrat A. Egli ein umfangreiches und abgestimmtes Massnahmenpaket für das folgende Jahr in Aussicht. Weitergehende Forderungen erhoben die Umweltorganisationen in einem Sofortprogramm zur Rettung des Waldes. An kurzfristigen Massnahmen wurde hier unter anderem verlangt, die Höchstgeschwindigkeiten auf den Strassen auf 100 bzw. 80 km/h zu senken, umweltfreundliche Tarife bei den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fördern, einen «abgasfreien» Bettag einzuführen und aus den Treibstoffzöllen Mittel für den Umweltschutz zur Verfügung zu stellen. Die LdU/EVP-Fraktion veröffentlichte ein «Grün-Buch», in dem sie einen Teil der Forderungen des Sofortprogramms übernahm und insbesondere durch den Vorschlag ergänzte, mit einer eidgenössischen Motorfahrzeugsteuer sei jeder Halter eines Personenwagens zum automatischen Bezug eines Generalabonnements der SBB zu verpflichten. Dadurch würde die verminderte Nutzung des Autos und das Umsteigen auf den öffentlichen Verkehr forciert. 25 Rechtsprofessoren der Zürcher Universität stellten noch vor Jahresende mit einem Gutachten fest, dringende Schritte zur Rettung des Waldes könnten über das Notrecht eingeleitet werden.

Deutliche Zunahme der Luftverunreinigung

Umfassend betrachtet konstatierte man in der Schweiz im Jahresvergleich eine deutliche Zunahme der Luftverunreinigung. Besonders besorgniserregend erwies sich die Steigerungsrate bei den zu drei Vierteln vom Autoverkehr produzierten Stickstoffdioxiden. In mehreren Agglomerationen musste ein Überschreiten der empfohlenen Immissionshöchstwerte festgestellt werden, und an verkehrsexponierten Standorten ergaben sich gar Mittelwerte, welche zwei- bis dreimal über den Limiten des Bundesamtes für Umweltschutz (BUS) lagen. Die politischen Auseinandersetzungen über die Bekämpfungsmassnahmen kreisten um die Verschärfung der geltenden Abgasvorschriften zur Beschränkung von Schadstoffen und um die Einführung von bleifreiem Benzin. Mehrere Motionen wurden vom Nationalrat angenommen, welche verlangten, dass die Umstellung auf die neue Benzinsorte gefördert oder bis 1986 obligatorisch erklärt werde. Unterstützt wurden sie durch eine im Dezember vom baselländischen Kantonsparlament lancierte Standesinitiative zur Reinhaltung der Luft. Das ohne Gegenstimme verabschiedete Begehren verlangt im wesentlichen, dass in der gleichen Zeitspanne die Abgabe von genügend bleifreiem Benzin eingeführt und der Schwefelgehalt von Dieseltreibstoffen und Heizölen gesenkt werden. In den publizistischen Debatten wurde dagegen festgestellt, dass kurzfristig keine allgemein akzeptierten Konzepte bestünden. Geteilt waren die Meinungen über die für 1985 geplante weitere Verschärfung der Abgasvorschriften. Im vorübergehenden Stocken der Vorbereitungen zur Einführung von bleifreiem Benzin in der BRD sah Bundesrat Egli jedoch eine Rechtfertigung des schweizerischen Vorgehens. Dieses hatte 1982 den Weg über die Reduktion der Abgase vorgezogen, weil er unabhängiger von gesamteuropäischen Entwicklungen verwirklicht werden kann. Zur Unterstützung der gesetzlichen Schritte lancierte das EDI Ende Jahr eine Kampagne, welche die Bevölkerung auf freiwilliger Basis zur Mithilfe gegen die Luftverschmutzung aufrief.

Die Luftverschmutzung in der Schweiz ist unverändert hoch und muss weiterhin als «hausgemacht» betrachtet werden. Sie liegt insbesondere in den Stadtzentren über den als unbedenklich geltenden Immissionsgrenzwerten. Zu diesen Feststellungen gelangte ein Bericht, den das Bundesamt für Umweltschutz mit neuesten Messdaten aus der nationalen Luftbeobachtung erstellt hatte. Nach den wichtigsten Schadstoffen gegliedert, präsentiert sich die gegenwärtige Situation wie folgt: Schwefeldioxid, das vor allem bei der Verbrennung fossiler Materialien entsteht, und diverse vom Motorfahrzeugverkehr produzierte Stickstoffoxide kommen in den Stadtzentren und Agglomerationsgebieten der Schweiz in zu hohen Konzentrationen vor; dabei werden die vom BUS empfohlenen Grenzwerte bis zu zweieinhalb Mal überschritten. Kohlenmonoxid, das ebenfalls vorwiegend durch den Strassenverkehr in die Luft gelangt, erreicht nur an exponierten Stellen unzulässige Konzentrationen. Angestiegen ist schliesslich die grossräumige Belastung durch Ozon, das im Hinblick auf das Waldsterben von Bedeutung erscheint.

Dringlicher Bundesbeschluss gegen Waldschäden (BRG 84.019)

Als Konsequenz aus dem Waldschadeninventar postulierte die Exekutive in ihrem ersten «Waldbericht» den handlungsleitenden Grundsatz, die Luftqualität müsse auf den Stand zwischen 1950 und 1960 zurückgeführt werden. In einem ersten Massnahmenpaket beschloss sie, vorwiegend Schritte zu realisieren, die den Verkehr und die Heizungen betreffen. Sofort eingeführt wurde eine befristete Senkung der Höchstgeschwindigkeiten auf Autobahnen und Überlandstrassen. Weiter wurden ein Verbot von bleihaltigem Normalbenzin ab Mitte 1986 und die Zulassung von Katalysatorfahrzeugen beschlossen. Strengere Abgasnormen als die für 1986 vorgesehenen befürwortete der Bundesrat, doch sollten sie nach seiner Meinung erst eingeführt werden, wenn auch in den Nachbarstaaten ein genügendes Angebot an bleifreiem Benzin vorhanden ist. Im Bereich der Heizungen verordnete die Landesregierung die obligatorische Typenprüfung der Heizkessel und Brenner sowie die lückenlose Nachkontrolle der Ölfeuerungen. Ferner legte sie den Schwefelgehalt bei «extra leichtem» Heizöl auf 0.3 Prozent fest.

Volksinitiative «Kampf dem Waldsterben»

Ohne einzelne Massnahmen aufzulisten, lancierte der Umweltschützer F. Weber eine Volksinitiative «Kampf dem Waldsterben». Damit will er dem Bundesrat ausserordentliche Vollmachten geben und den von der Exekutive erhobenen Grundsatz, die Luftverschmutzung sei auf den Stand Mitte der 50er Jahre zu senken, in der Verfassung verankern. Schutzmassnahmen zugunsten der gesamten Umwelt, die sich aus den bisherigen Verfassungsbestimmungen genügend ableiten liessen, sollten ausschliesslich auf dem Verordnungswege realisiert werden. Damit würde nach Ansicht des Initianten die nötige Zeit gewonnen, um ergriffene Massnahmen rechtzeitig wirksam werden zu lassen.

Debatte über die Regierungsrichtlinien 1983-1987 (Mo. 84.001-4)

Weitergehende Forderungen erhoben insbesondere die Umweltorganisationen. Zur Popularisierung ihrer Ideen veranstalteten sie am 5. Mai in Bern eine Demonstration zugunsten des Waldes, an der rund 30 000 Personen teilnahmen. Propagiert wurden unter anderem, mittels einer Rationierung den Treibstoffverbrauch um die Hälfte zu senken, sowie den Nationalstrassenbau zu stoppen und die frei werdenden Gelder in den öffentlichen Verkehr umzulenken. Bei der Debatte über die Regierungsrichtlinien 1983-87 versuchte die SP-Fraktion der Bundesversammlung erfolglos, einen Teil dieser Forderungen mit einer Motion zum Notprogramm zu erklären und damit den Bundesrat zu rascherem Handeln zu zwingen. Dagegen vereinbarten die Spitzen der vier Regierungsparteien, ein gemeinsames Programm zur Rettung des Waldes vorzubereiten. In ihren Empfehlungen, die sie kurz vor Jahresende veröffentlichten, wünschten sie von der Exekutive eine schrittweise Verschärfung und Erweiterung der ergriffenen Massnahmen in den Bereichen Verkehr und Energie: Im wesentlichen wurde vorgeschlagen, bleifreies Benzin durch eine Differenzierung des Treibstoffzolls zu begünstigen, die amerikanischen Abgasnormen ab Modelljahr 1988 obligatorisch zu erklären und bis dahin Fahrzeuge, welche diese bereits erfüllen, steuerlich zu bevorteilen; das gleiche solle mit Fahrzeugen geschehen, die mit Katalysatoren ausgerüstet seien. Bei der Heizkostenabrechnung wurde ein Obligatorium für eine verbrauchsabhängige Ausgestaltung grundsätzlich unterstützt; sodann fanden strengere Werte für den zulässigen Schwefelgehalt aller Heizölsorten Eingang in das «10-Punkte-Programm» der Regierungsparteien.

Sondersession zum Thema Waldsterben (BRG 84.088)

In der namentlich dem Thema Waldsterben gewidmeten Sondersession bekräftigte Bundesrat Egli die Entschlossenheit der Regierung, die technischen Möglichkeiten zur Verringerung der Umweltbelastung konsequent auszuschöpfen und nötigenfalls auch unpopuläre Massnahmen zu ergreifen. Erklärtes Ziel sei die Rückführung der Luftqualität auf den Stand der 50er Jahre. Als allgemeine Stossrichtung der Umweltpolitik skizzierte er die Verminderung der Schadstoffemissionen im Verkehrs- und Energiebereich, die Förderung des öffentlichen Verkehrs und der Forschung, vermehrte Waldpflege, bessere internationale Zusammenarbeit und offene Information über die Lage. Um das gesteckte Ziel zu erreichen bedürfe es freilich eines völligen Umdenkens, ja einer Umkehr der Gesellschaft. Auch die eidgenössischen Räte waren sich in der generellen Lagebeurteilung weitgehend einig und fanden bezüglich zahlreicher Massnahmen zu einem Konsens, der vor Jahresfrist noch nicht möglich erschien. Allerdings lehnte der Nationalrat eigentliche Notrechtsmassnahmen für den kranken Wald ab. Die Volkskammer stimmte jedoch etlichen Forderungen in Motionsform zu, auch wenn die Regierung diese aus Gründen der Gewaltentrennung nur in Postulatform entgegennehmen wollte. Überwiesen wurden sämtliche Motionen und Postulate der vorberatenden Nationalratskommission zu den Bereichen Waldwirtschaft, Verkehr, Feuerung und Energie sowie Kehrichtverbrennung, mit denen diese die Forderungen des «10-Punkte-Programmes» der Regierungsparteien vom Herbst 1984 übernommen hatte. Die Kommission des Ständerates ihreseits hatte sich mit dem vom Bundesrat im Waldbericht unterbreiteten Massnahmenkatalog zufriedengegeben und keine eigenen Vorstösse unterbreitet.

Wichtigste Entscheidung der «Waldsession» war eine von beiden Räten überwiesene Motion, die von der Regierung verlangte, bis spätestens Ende Jahr ein Konzept vorzulegen, wie und bis wann die Luftqualität auf den Stand der 50er Jahre zurückgeführt werden könne. Von Bedeutung war dieser Auftrag nicht zuletzt deshalb, weil darin weitergehende Massnahmen enthalten sind, als in den zahlreichen Motionen und Postulaten noch speziell aufgezählt wurden. Im übrigen überwog in beiden Räten die Erwartung, dass die ökologische Krise mit technischen Massnahmen gemeistert werden könne und sich drastische Eingriffe vermeiden liessen. So lehnte der Nationalrat mit deutlichem Mehr selbst die Vorbereitung einer Treibstoff- und Heizölrationierung ab. Aufsehen erregte dagegen sein Entschied für die Einführung von Tempo 100 auf Autobahnen im Sinne einer Sofortmassnahme. Unter Namensaufruf überwiesen die Volksvertreter diesen Vorstoss der LdU/EVP-Fraktion mit 103 gegen 87 Stimmen als Motion und demonstrierten damit ihren Willen, mit konkreten Massnahmen gegen das Waldsterben vorzugehen. Gegen den Antrag des Bundesrates stimmten sie auch der Motion Müller (svp, BE) (Mo. 83.920) betreffend Schadstoffbegrenzung bei Dieselfahrzeugen zu und hiessen mit grossem Mehr zwei Motionen der Nationalratskommission gut, von denen die eine jährliche Abgaskontrollen bei Autos sowie die Einführung der Abgasnormen US-83 auf Oktober 1987, die andere die Senkung des Schwefelgehaltes im Heizöl «extra leicht» auf 0.15 Prozent bis Anfang 1987 verlangte. Vom Ständerat wurden diese den Verkehrs- und Energiebereich betreffenden Forderungen jedoch alle in unverbindliche Postulate abgeschwächt. Die kleine Kammer sprach sich zwar – in Übereinstimmung mit dem Nationalrat – bei drei Vorstössen zur Schadenbeseitigung und finanziellen Hilfe an die Waldwirtschaft für verbindliche Aufträge an den Bundesrat aus; dass sie aber bei Massnahmen zur Ursachenbekämpfung aus formaljuristischen Gründen auf die Motionsform verzichtete, stiess auf Befremden.

Forderung der Umweltorganisationen nach Reduktion des privaten Motorfahrzeugverkehrs – Parlament verlangt die Einführung von Tempo 100 auf Autobahnen (Mo. 83.956)

Während Massnahmen zur Reduktion des Schadstoffausstosses auch in der Bevölkerung weitgehend unterstützt wurden, löste die Forderung der Umweltorganisationen, der private Motorfahrzeugverkehr müsse gebremst oder gar reduziert werden, heftige Reaktionen aus. Mit der Idee eines Öko-Bonus, einem massiven Zuschlag auf Benzin, dessen Ertrag gleichmässig auf die ganze Bevölkerung zu verteilen wäre, wollte der VCS auf Kosten der Vielfahrer diejenigen Verkehrsteilnehmer belohnen, welche wenig oder gar nicht autofahren; eine entsprechende Motion Jaeger (ldu, SG) (Mo. 85.495) wurde indessen vom Nationalrat auch nicht in Postulatform überwiesen. Ebenfalls abgelehnt wurde eine Motion der LdU/EVP-Fraktion (Mo. 84.599), die den Bundesrat aufforderte, Vorkehrungen zu treffen, um bei einem weiteren Fortschreiten des Waldsterbens eine Treibstoffrationierung verfügen zu können (siehe auch Kt.Iv. 85.202). Dagegen verlangte das Parlament in einem aufsehenerregenden Entscheid vom Bundesrat die Einführung von Tempo 100 auf Autobahnen im Sinne einer Sofortmassnahme (Mo. 83.956; Po. 85.326; Kt.Iv. 84.203; Kt.Iv. 84.204). Die Landesregierung, die in dieser Frage allein zuständig ist, beschloss jedoch, an den auf Anfang 1985 in Kraft gesetzten Tempolimiten 80/120 einstweilen festzuhalten. Mit 256'207 gültigen Unterschriften wurde eine Initiative «Pro Tempo 130/100» eingereicht. Der Berner Grosse Rat stimmte mit grossem Mehr einer Motion zu, wonach sich die Regierung beim BR für 6 autofreie Sonntage einsetzen soll. Die geplante Neuauflage der 1978 abgelehnten «Burgdorfer Initiative» für 12 motorfahrzeugfreie Sonntage wurde fallen gelassen. Dagegen konnte der Aufruf verschiedener, teilweise durch kantonale Regierungen unterstützter Komitees zur «Aktion autofreier Bettag» insgesamt als Erfolg gewertet werden.

Eine erfreuliche Auswirkung dieser Tempobegrenzung auf National- und Hauptstrassen konnte die Unfallstatistik verzeichnen: Erstmals seit 1954 wurden im Berichtsjahr wieder weniger als 1’000 Verkehrstote (908, das sind 17.2 Prozent weniger als 1984) registriert, obwohl sich der Fahrzeugbestand seither mehr als verfünffachte. Auch die Zahl der Verletzten sank auf 29'827 (2.5 Prozent weniger als 1984), während die Unfälle gesamthaft leicht zunahmen (+0.7 Prozent). Der Bundesrat beschloss die Erhöhung der Ordnungsbussen im Strassenverkehr um durchschnittlich 50 Prozent auf Anfang 1986. Stärker heraufgesetzt wurden dabei die Bussenansätze für jene Übertretungen, die für die Verkehrssicherheit von Bedeutung sind. Nachdem sich in der Vernehmlassung zur Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes (SVG) die Mehrheit der Kantone unter anderem für eine Erhöhung der allgemein zulässigen Breite von Motorfahrzeugen auf 2.5 m ausgesprochen hatte, kündigten die Schweizerische Verkehrsstiftung, der VCS sowie die Interessengemeinschaft Velo Schweiz das Referendum an: Breitere Lastwagen würden die Fussgänger und Zweiradfahrer vermehrt gefährden, und zudem seien Strassenverbreiterungen auf Kosten von Kulturland, Vorgärten und Trottoirs zu befürchten. Die Exekutive eröffnete ferner die Vernehmlassung zur Neugestaltung der Strassenrechnung, welche für finanz- und verkehrspolitische Entscheide – vor allem in der Frage des Eigenwirtschaftlichkeitsgrades der verschiedenen Verkehrskategorien – von wesentlicher Bedeutung ist.

(Die eidgenössischen Räte genehmigten einstimmig das Haager Übereinkommen über das auf Strassenverkehrsunfälle anzuwendende Recht, welches die Schweiz 1980 unterzeichnet hatte (BRG 84.080).)

Sofortmassnahmen gegen das Waldsterben (Po. 86.133)

Im Zusammenhang mit der Debatte über das Luftreinhalte-Konzept des Bundesrates behandelte der Nationalrat auch mehrere Vorstösse zum Thema Waldschäden. Unter anderem überwies er ein Postulat Carobbio (psa, TI), das Sofortmassnahmen gegen das Waldsterben verlangt und eine ausserordentliche, zeitlich begrenzte Sonderabgabe auf allen Emissionsquellen vorschlägt, um damit die Sanierung und Pflege des kranken Waldes zu finanzieren. Hingegen kam auch die zweite vom Umweltschützer F. Weber lancierte Volksinitiative, die unter dem Titel "Rettet unsere Wälder" umfassende Massnahmen gegen das Waldsterben verlangte, nicht zustande.

"Sanasilva"-Waldschadenbericht 1985-1990

Weitere im Berichtsjahr durchgeführte Studien warnten vor den hohen Folgekosten des Waldsterbens, etwa durch eine Zunahme der Lawinenniedergänge als Folge geschädigter Bannwälder oder durch eine Abnahme des Tourismus angesichts kranker Wälder und künstlicher Lawinenverbauungen. Eine historische Untersuchung zeigte, dass es auch in früheren Jahrhunderten schon kranke Wälder gab, dass jedoch heute die Bäume empfindlicher auf Stressfaktoren reagieren. Aus methodischen Gründen nicht für alle überzeugend fiel eine Studie der Eidgenössischen Anstalt für forstliches Versuchswesen (EAFV) aus, die belegte, dass die Emissionen von Kernkraftwerken keinen nennenswerten Einfluss auf das Waldsterben haben.

Bundesbeschluss über die finanziellen Mittel für ausserordentliche Massnahmen zur Walderhaltung (BRG 90.056)

La violente tempête qui s'est abattue sur la Suisse les 27 et 28 février a provoqué des dégâts d'une très grande ampleur sur les forêts. Environ 4 millions de m3 de bois ont ainsi été touchés. Malgré l'aide immédiate apportée par l'armée et les organismes responsables, les organisations de sylviculture et de l'industrie du bois ainsi que les propriétaires forestiers demandèrent un soutien de la Confédération de l'ordre de 200 à 350 millions de CHF, afin de pouvoir remédier aux conséquences de la catastrophe. Afin de répondre à ces besoins, le gouvernement procéda à une modification de l'arrêté fédéral du 14.6.88 sur le financement des mesures extraordinaires pour la conservation de la forêt. Ce texte est censé apporter une aide aux entreprises forestières, dont le montant avait été fixé à un maximum de 240 millions pour sa durée de validité. Les Chambres acceptèrent à l'unanimité la proposition du Conseil fédéral de faire passer ce plafond à 370 millions de CHF. Par la suite, deux crédits supplémentaires de 80 et 23 millions de CHF, destinés notamment à des mesures de protection, furent accordés par le gouvernement.